Liebe Grüne! Sie haben gesagt, Bildung benötigt Verantwortung. Die haben wir übernommen. Bildungspolitik braucht aber auch Mut. Es ist kein einfaches Thema, das merken wir im Parlament, das merken wir auch in der Stadt. Deshalb wollen wir nicht, wie es vorhin bei den Grünen durchklang oder manches Mal auch schon von der SPD zu hören war, ein Einheitsschulsystem von oben aufdrücken.
Wir wollen einen Vorschlag machen. Wir werden in der Stadt für unseren Vorschlag werben. Wir wollen, dass so schnell wie möglich gute Beispiele geschaffen werden. Wir wollen, dass die Lehrerinnen und Lehrer, dass die Eltern, die Schülerinnen und Schüler von diesem Beispiel überzeugt werden und dass die Schüler, die jetzt eingeschult werden, von so einem neuen Schulsystem profitieren können. Wer sich dafür mehr interessiert, der ist herzlich eingeladen, am 16. Juni um 15.00 Uhr hier im Haus an der Podiumsdiskussion unserer Fraktion teilzunehmen. Da spielt allerdings Argentinien gegen Serbien-Montenegro. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Frau Schultze-Berndt hat das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir haben uns die Einheitsschule sehr genau angesehen und haben gesehen, welche Vorgaben es in Finnland und welche es hier gibt. Sie sind in keiner Weise vergleichbar. Im Übrigen gibt es auch erfolgreiche PISA-Länder wie Belgien oder die Niederlande, die ein gegliedertes Schulsystem haben. Das System allein wird das Problem nicht lösen.
Wenn Sie von der Frustration sprechen, die in den Klassen 7 und 8 anzutreffen ist, dann sehen Sie sich doch in den Grundschulen die Frustration an, die dort die Schü
ler in den fünften und sechsten Klassen haben, wenn sie stets die Sechsen zurückbekommen, wenn sie immer die Schlechtesten sind. Da gebe ich ihnen doch lieber unter gleichstarken Schülern eine Chance, auch einmal wieder ein Erfolgserlebnis zu haben.
Mit dieser Bandbreite haben Sie als Lehrer eine Menge zu tun, wenn jeder optimal und individuell gefördert werden soll. Wenn Sie diese Bandbreite erhöhen, indem Sie alle Schultypen zusammenwerfen, dann tun Sie den Kindern keinen Gefallen, die können Sie dann nämlich nicht mehr optimal fördern.
Wenn Sie davon sprechen, dass wir die Kinder „passend machen“ wollen, dann finde ich das ein ebenso ätzendes Bild wie das Wort von der „Selektion“.
Sie achten doch immer darauf, dass nicht Worte benutzt werden, die irgendwie schon negativ belegt sind! Von Selektion zu sprechen, nur weil man schaut, wofür sich jemand eignet, empfinde ich als Diffamierung.
Als letzten Punkt: Schauen Sie sich doch einmal die Poelchau-Oberschule, eine Gesamtschule, eine Schule, wie Sie sie sich doch nur wünschen können, an. Heterogene Schülerschaft aus der ganzen Stadt, Sportbetonung – wunderbar! Aber auch dort gibt es die Probleme wie die Vergewaltigung der 16-jährigen Schülerin. Also erzählen Sie doch nicht immer, dass die Schulstruktur die Probleme löst, sondern tun Sie endlich etwas in Sachen Qualität!
[Beifall bei der CDU – Klemm (Linkspartei.PDS): Das ist unglaublich, was Sie machen! Das ist widerlich!]
Danke schön, Frau Kollegin Schultze-Berndt! – Herr Liebich, wollen Sie replizieren? – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Sie sagen, es gibt in Finnland – haben Sie Angst, Herr Steffel? – andere Rahmenbedingungen. Das stimmt. Man kann nicht einfach mit dem jetzigen System kommen und sagen, wir verwandeln das, wir sagen, das ist jetzt eine
Einheitsschule, und rums! alles ist prima. Was Sie sagen, dass die Rahmenbedingungen dort besser sind, das stimmt.
Wir wollen bessere Rahmenbedingungen und ein besseres Schulsystem. Wir wollen beides. Wir können in den nächsten Jahren das, was wir begonnen haben, fortsetzen. Das werden wir auch tun.
und haben gesagt, Sie finden auch den Begriff der Selektion nicht richtig. Dann haben Sie ausgeführt, dass Sie es besser finden, die Kinder unterschiedlichen Leistungsvermögens nicht zusammen in einer Klasse lernen zu lassen, sondern dass sie unter gleichstarken oder gleichschwachen Kindern lernen sollten. Das ist Auswahl, nichts anderes beschreibt das Wort Selektion. Es ist ein selektives Schulsystem.
Das finden Sie richtig, Herr Lindner! Wir finden das falsch. Das sagen wir auch ganz klar. Die Berlinerinnen und Berliner werden zu den Wahlen entscheiden, was sie besser finden.
Vielen Dank, Herr Kollege Liebich! – Jetzt kommen wir zur Fraktion der FDP. Frau Senftleben naht sich und hat das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Sie, verehrte Kollegen von den Grünen, wollen über Verantwortung in der Bildungspolitik sprechen, und gleichzeitig liegen uns Anträge vor, mit denen Sie den Weg für eine Einheitsschule ebnen wollen.
Es gibt einen wunderbaren Modellversuch in dieser Stadt, der seit einigen Jahren überaus erfolgreich läuft. Das ist der Modellversuch „eigenverantwortliche Schule“. Das wäre es, was man jetzt nach diesem Schulgesetz ausbauen und wie man arbeiten müsste. Stattdessen steht ein Fragezeichen.
Da fällt übrigens auch weniger Unterricht aus. Wissen Sie warum das so ist? – Dort ist nämlich ein Budget vorhanden. Die Schulen können sich die notwendigen Lehrer für den Unterrichtsausfall selbst organisieren. Das klappt. Es ist unsere alte Forderung.
Die PDS wiederum – wir haben es gerade gehört – spricht sich offen dafür aus, Schulen ab 2011 in ein Korsett zu stecken, das sich Einheitsschule nennt. Die SPD – auch das haben wir eben gehört – traut sich noch nicht so richtig heran. Die sind weder Fisch noch Fleisch. So richtig offensiv möchte man damit noch nicht umgehen. Der Regierende Bürgermeister hat schon erkannt, dass das
nicht für alle Eltern, die ihre Kinder auf einem Gymnasium haben, oder für die Jugendlichen opportun ist. Wenn er äußert, er möchte den Gymnasien nicht den Krieg erklären, so sagt er dies heute. Morgen heißt es dann: „Was kümmert mich mein Wahlgeschwätz von gestern?“ Hier im Plenum gibt es also nun die breite Front, die sich für die Einheitsschule ausspricht: RotGrün-Rot. Das sind die Politiker und Politikerinnen.
Und wie sieht es draußen aus? Was sagen die Menschen, was sagen die Betroffenen? – Der Zuspruch bei den Gymnasien und den freien Schulen ist gewaltig. Weder von Eltern noch von Schülern wird die Einheitsschule gewollt. Herr Liebich, auf Ihr Beispiel – ich habe mich eben noch einmal bei Herrn Dr. Lindner erkundigt, wie es denn nun auf der Lilienthal-Schule gewesen ist – gab es durchaus ein zwiespältiges Echo. Man kann die Einheitsschule auch gemütlich darstellen. Wenn das so präsentiert wird, kann man die Menschen einlullen. Das wollen wir aber nicht.
Ich habe den Eindruck, als sei Ihnen der Elternwille der Schüler schnuppe. Ebenso wie bei der Einführung des Ethikunterrichts scheint Ihnen der egal zu sein. Sie wollen Ihr Projekt durchziehen. Sie wollen ein neues System oktroyieren. Alle ernst zu nehmenden Bildungsforscher weisen darauf hin, dass es nicht um die Struktur geht. Wir bekommen unsere Bildungsmisere nicht in den Griff, wenn wir unserer Schule schlicht ein neues Etikett aufkleben. Dafür braucht es mehr. Sie wollen mit den Schülern etwas versuchen, liebe Kollegen von Rot und auch von den Grünen. Ich erinnere an den letzten rot-grünen bildungspolitischen Versuch in Nordrhein-Westfalen. Haben Sie das eigentlich vergessen? Sie haben dort mehr Gesamtschulen eingerichtet. Was passierte? – Dank PISA wissen wir es: Es gab ein dramatisches Absinken der Leistungen. Gleichzeitig wurden die Lebenschancen von Kindern aus schwachen und bildungsfernen Elternhäusern verschlechtert. Das ist dann rot-grüne Bildungspolitik. Davor mögen uns bitte die Berliner am 17. September bewahren.
Die FDP bietet den Berliner Bürgerinnen eine Option einer eigenverantwortlichen, auf Vielfalt, Wettbewerb und Leistung orientierten Schule, auskömmlich finanziert mit anständig ausgestatteten Schulen. Festgefahrene Strukturen? – Nein danke! Ideologische Debatten? – Nein danke! Einheitsbrei? – Nein danke!
Stattdessen wollen wir Schulen vor Ort stark machen, Schulen vor Ort den Freiraum geben, um sich zu entfalten, damit sie ihre originäre Aufgabe wahrnehmen können, die individuelle Arbeit mit den Schülern und Schülerinnen ermöglichen, um sie stark zu machen. Weg mit den Vorgaben aus der Verwaltung, hin zu einer Verwaltung, die professionell arbeitet, Schulen vor Ort unterstützt und auf die individuellen Bedürfnisse, auf die Probleme der Schule eingeht!
Zum Einheitsfach Ethik will ich nur kurz sagen, dass es kaum Erkenntnisgewinn bietet und eher ein Sammelsurium der Beliebigkeit fördert. Die Freiheit zur Wahl zwischen Ethikunterricht und dem Unterricht in der eigenen Religion fällt weg. Der Erdkundeunterricht wird gekürzt. Das alles nennt sich dann: rot-rote Bildungspolitik mit Zustimmung der Grünen.
Herr Liebich, ich komme nun zu Ihnen. Sie sagten vorhin, es gebe den Einheitsschüler. – Genau den gibt es nicht!
Jeder Schüler, jede Schülerin ist einzigartig. Wir wollen diese Fähigkeiten, diese unterschiedlichen Begabungen fördern. Wir wollen sie nicht verwalten oder zurecht stutzen. Die Liberalen wollen die Vielfalt der Berliner Bildungseinrichtungen bewahren. Es ist übrigens ein Plus in Berlin, dass wir hier eine Vielfalt an Bildungseinrichtungen haben. Darauf können wir ruhig auch ein wenig stolz sein. Wir setzen uns für ein Angebot auch innerhalb der Schulstruktur ein. Die einen lernen nun einmal am Gymnasium erfolgreicher. Anderen bietet auch die Gesamtschule das bessere Umfeld, damit auch diese Schüler ihr Abitur erreichen können. Das ist völlig richtig. Das ist uns auch klar. Wir wollen für jeden und für jede die optimale Schule. Wir wollen ihn und sie individuell fördern. Das ist unsere Prämisse. – Danke!
Schulen wiederum müssen ihre Verantwortung begreifen und ergreifen und gemeinsam mit Eltern, Vereinen, Kooperationspartnern an den besten Lösungen und Konzepten für ihre Schule arbeiten. Das ist der eklatante Unterschied. Ich bin davon überzeugt, dass es kein Modell gibt, das auf alle Schulen gleichermaßen passt. Schulen sind unterschiedlich. Sie sind so individuell, wie auch Kinder individuell sind, die auf diese Schulen gehen. Das muss Politik endlich begreifen, und das müssen Sie auch dringend verstehen.
Die Fraktion hier im linken Spektrum opfert bereitwillig die Eigenverantwortlichkeit, die Individualität, Leistungsstärke und Leistungswillen dem Primat der Gleichheit. Damit will ich mich und damit will sich meine Fraktion nicht abfinden. Wir sind von der Einzigkeit des Menschen und des Individuums überzeugt.
Wir wissen, dass es schlecht um den Bildungsstandort Berlin steht. Wir wissen, dass das Potential der Schüler nicht ausgeschöpft wird. Wir wissen auch, dass die Schulen die Kinder nicht optimal fördern. Die Gewalt an Schulen hat zugenommen. Es gibt zu wenig Ganztagstagsschulen. Die Nachmittage werden deshalb von den Schülern nicht sinnvoll ausgenutzt. Da brauchen wir mehr. Wir wissen auch, dass ein Großteil der Schüler bei der Einschulung nur unzureichend Deutsch spricht. Wir wissen um die desolate Situation in vielen Elternhäusern. Und Sie wissen das alle auch ganz genau. Obwohl Sie dieses wissen und obwohl Sie seit fünf Jahren in dieser Verantwortung stehen, lieber Herr Senator, hat sich an dieser Situation wenig bis gar nichts geändert.