Protocol of the Session on June 8, 2006

[Allgemeiner Beifall]

Ich schließe mit der Erwartung, dass ein solches System der Schädigung der Allgemeinheit durch ein Landesunternehmen in Berlin künftig keine Chance mehr haben möge. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der CDU, der Linkspartei.PDS und der FDP]

Vielen Dank, Herr Zimmermann! Ich danke Ihnen als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses sowie allen Mitgliedern und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit herzlich! – In der Aussprache steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Eine Überschreitung der Redezeit werden wir seitens des Präsidiums großzügig auslegen, aber nicht inflationär, insbesondere nicht bei diesem Thema. Es beginnt die Fraktion der Grünen. – Bitte, Frau Oesterheld, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Fugmann-Heesing, Herr Kurth, Herr Böger! Mit der Vorlage des Berichts hat der Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet. Die Aufarbeitung des größten Bankenskandals der Bundesrepublik ist aber erst abgeschlossen, wenn die Fonds abgewickelt sind, die Risikoabschirmung abgerechnet ist und alle notwendigen Konsequenzen gezogen wurden. Bis in das Jahr 2031 wird das Land Berlin für diesen Skandal bezahlen, anstatt die Steuergelder für Kindertagesstätten, Schulen, Universitäten, soziale Infrastruktur oder sonstige Staatsaufgaben auszugeben.

Fest steht, dass der Skandal aus einer Mischung aus Unfähigkeit, Größenwahn und bankfremden Motiven wie der typischen Westberliner Bedienungsmentalität verbunden mit Freundschaftsdiensten und Parteienfilz entstand. Fest steht, dass alle Beteiligten, die Bankvorstände, die Geschäftsführer und die Aufsichtsräte, zumindest kaufmännisch hoffnungslos versagt haben. Fest steht auch, dass schon bei der Gründung so lange Gutachten eingeholt wurden, bis die privaten Banken von den Vorteilen der Landesbank profitieren und quasi von der Sicherheit von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast partizipieren konnten. Fest steht, dass die Gründung der Bank mit dieser Konstruktion genau so politisch gewollt war. Die damit verbundenen Risiken wurden bewusst in Kauf genommen. Fest steht auch, dass schon aus den Geschäftsberichten die Situation der Bank herzuleiten war. Fest steht zudem, dass bei der Kreditvergabe erheblich gegen das Kreditwesengesetz verstoßen wurde. Fest steht, dass, als bekannt war, dass die Erlöse aus den Fonds die Ausgaben nicht mehr deckten, nicht etwa die Fonds gestoppt wurden, sondern wie im Schneeballsystem die größten Fonds aufgelegt wurden. Fest steht auch – Herr Zimmermann sagte es schon –, dass alle Aufsichtsbehörden versagt haben. Das waren die Aufsichtsräte, die Gewährträgerversammlung, die Wirtschaftsprüfer und das Bundesaufsichtsamt. Die Liste unserer Feststellungen ließe sich

noch beliebig erweitern. Ich habe jetzt bewusst nur bestimmte aufgezählt. Trotz all dieser Kenntnis hat niemand eingegriffen, sondern alle haben mitgemacht. Das ist absolut unverständlich, und das ist letztlich der Skandal.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Beifall des Abg. Dr. Augstin (FDP)]

Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. So steht es in § 111 des Aktiengesetzes. Aber genau das haben die Aufsichtsräte, haben Sie, Frau FugmannHeesing, Herr Kurth, Herr Böger, gerade nicht gemacht. Das werfen wir Ihnen vor. Sie haben nicht eingegriffen. Sie haben keine Umsteuerung verlangt. Sie haben die Landesinteressen nicht geschützt. Und Sie haben die Entscheidungen getroffen, sowohl als Aufsichtsratsmitglieder als auch als Gewährträger des Landes. Sie haben sogar noch den Bankvorständen ihre Bußgelder für rechtswidrige Geschäfte in Luxemburg gezahlt. Das ist die Perversion pur, denn schließlich hätten Sie ein Interesse an Steuereinnahmen haben müssen, anstatt solche Steuerhinterziehungsmöglichkeiten noch zu honorieren.

[Beifall bei den Grünen]

Keiner der Beteiligten – das ist wirklich extrem an diesem größten Bankenskandal –, weder Vorstände noch Aufsichtsräte, hat bisher irgendeine Verantwortung übernommen. Niemand hat auch nur das geringste Schuldbewusstsein gezeigt. Die Milliarden sind weg, und niemand will verantwortlich gewesen sein. Frau FugmannHeesing, Herr Kurth, Herr Böger, Sie tragen auch Verantwortung, nicht Sie allein, aber auch Sie. Wir fordern Sie auf, sich endlich dieser Verantwortung zu stellen!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Linkspartei.PDS und der FDP]

Es ist vollkommen unstrittig, dass die Hauptverantwortung bei den Bankvorständen und Geschäftsführern liegt. Sie haben die Geschäfte geführt, sie mussten gehen. Aber es ist unerträglich, dass niemand für den angerichteten Schaden auch nur irgendwie zur Rechenschaft gezo

ge Dinge fehlen.

Eine der häufigsten Fragen ist die nach der Höhe des Schadens. Alle Banken hatten einen Wert, von dem nicht mehr viel übrig geblieben ist. Wenn wir sie verkauft haben, werden wir die Einnahme mit den Fondsanlagen verrechnen. Der Wert der Aktien ist im Keller. Zwischen

1994 und 2004 hat es einen Verlust von 2 Milliarden € gegeben. Die Kapitaleinlagen in die Bank betragen seit 2001 2,8 Milliarden €, 1,8 Milliarden € sind fällig für den Vergleich mit den Fondsanlegern, hinzu kommt die laufende Finanzierung für die Risikoabschirmung. Die Europäische Kommission hat eine Gesamtsumme für die notwendige Beihilfe von 9,7 Milliarden € berechnet.

9,7 Milliarden € Beihilfe, das ist nicht der Wertverlust der Bank. Die endgültige Schadenssumme wird erst die nächste Generation feststellen, denn erst im Jahr 2031 soll die Endabrechnung erfolgen.

9,7 Milliarden € entsprechen der Höhe aller Schäden der Hochwasserkatastrophe in Sachsen, 9,7 Milliarden € ist die Finanzierung aller Grundschulen für 15 Jahre, 9,7 Milliarden € wären 300 Jahre lang eine zusätzliche Sozialarbeiterin für jede Berliner Schule,

gen wird. Sie erfreuen sich ihrer Pensionen und Abfindungen, die sie letztlich nur erhalten konnten, weil das Land die Bank gerettet hat, andernfalls hätten sie sie nicht in voller Höhe bekommen. Die Höhe der Pensionen beträgt mindestens das Fünfzigfache dessen, was ein HartzIV-Empfänger erhält. Nur über Schadensersatzklagen hätte man ihnen beikommen können. Aber diese Klagen wollte die Bank nicht gewinnen. Sie hat sie so „grottenschlecht“ vorbereitet, damit sie gar nicht erst erfolgreich sein konnten. Das ist offensichtlich, und es ist dreist.

Umso intensiver hat sich die Bank mit der Schwärzung der Unterlagen für den Untersuchungsausschuss und mit der Behinderung der Arbeit der Abgeordneten beschäftigt. Es ist eine Unverschämtheit, vom Parlament Milliarden Euro einzufordern, aber die Auskunft darüber, weshalb dieses Geld benötigt wird, hartnäckig zu verweigern. Das kann sich ein Parlament nicht gefallen lassen. Die Rechte des Parlaments und die der Abgeordneten müssen gestärkt werden. Zumindest dies ist eines der Dinge, die jetzt auf den Weg gebracht werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der Linkspartei.PDS]

Das Parlament hat bereits einige Konsequenzen gezogen, wie die Einsetzung des Unterausschusses Beteiligungsmanagement und -controlling und die Einfüh rung des Corporate Governance Kodex für Landesunternehmen. Doch zeigt die drohende Insolvenz der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, dass alle diese Bemühungen offensichtlich nicht ausreichen. Wieder hat der Aufsichtsrat Entscheidungen gegen das Interesse des Landes getroffen, und wieder erfährt das Parlament erst dann davon, wenn die Insolvenz so gut wie eingetreten ist. Die Kontrolle der Beteiligungsverwaltung und der Arbeit der Aufsichtsräte ist immer noch nicht ausreichend transparent. Das Parlament ist kein Stimmvieh für die Bewilligung von Millionen und Milliarden Euro zum Ausgleich schlechter Geschäftsführung. Wir sollten uns dazu auch nicht machen lassen. Auch das Parlament, jede und jeder Abgeordnete trägt eine Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen. Die Bankengründung wäre ohne Beteiligung des Parlaments nicht möglich gewesen. Die Eigenkapitalerhöhung wäre ohne Parlament nicht möglich gewesen, ebenso die Risikoabschirmung und die Einlage der Zinsen. Das bedeutet: Auch das Parlament trägt für diesen Skandal einen Teil der Verantwortung, denn dieses Geld fehlt für viele wichti

Meine Damen und Herren! Machen Sie sich klar, dass Sie das Geld bewilligen und Sie damit in der Verantwortung stehen. Wenn das Parlament und die Aufsichtsräte, wie Frau Fugmann-Heesing, Herr Kurth und Herr Böger so gehandelt hätten als ginge es um das eigene Portemonnaie, hätte es diesen Bankenskandal nie gegeben.

[Die Abgeordneten der Fraktion der Grünen erheben sich, stellen sich vor dem Redepult auf und zeigen Plakate.]

[Unruhe]

Bis dahin wird jährlich für den Bankenskandal anstatt für die unabweisbaren Aufgaben des Landes gezahlt.

[Zurufe]

[Zurufe]

9,7 Milliarden € sind 141 Jahre lang eine zusätzliche Erzieherin für jede Kindertagesstätte.

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie bitte! Ich bekomme gerade den Hinweis, dass Sie als Rednerin gar nicht mehr zu sehen sind. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ihre Möglichkeit gehabt. Ich bitte darum, dass sich die Abgeordneten wieder an ihre Plätze begeben! – Jetzt sehen wir die Rednerin wieder.

[Pewestorff (Linkspartei.PDS): Die machen Spaß für die Spitzenkandidatin!]

Ich bitte darum, die Utensilien aus dem Saal zu entfernen.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Jetzt muss die arbeitende Bevölkerung die Sachen der Grünen wegräumen!]

Frau Oesterheld! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zimmermann?

Herr Zimmermann, Sie haben das Wort!

Frau Oesterheld! Ist Ihnen entgangen, dass wir in dem Abschlussbericht mit Ihrer Stimme festgestellt haben, dass wir eine belastbare Berechnung des Schadens gerade nicht vornehmen können und dies im Bericht auch nicht versucht haben, weil es eine Prognose in die Zukunft ist und insbesondere die Zahl 9,7 Milliarden € nicht belegbar ist?

Aus dem Bericht des Ausschussvorsitzenden wie auch den Darstellungen von Frau Oesterheld ist deutlich geworden, dass die Arbeit nicht immer einfach war. Oftmals mussten Dokumente nachdrücklich von der Bankgesellschaft eingefordert werden. Manchmal waren sie so sehr geschwärzt, dass sie keinerlei Aussagewert mehr hatten. Das hat uns nicht geholfen. Das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen, früher Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, war sicher froh, dass der zuständige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium – man könnte fast fragen: wunschgemäß? – keine Aussagegenehmigung erteilte, war doch der heutige Präsident des Amtes in der Gründungsphase der Bankgesellschaft derjenige, der diese Gründung seitens der Aufsichtsbehörde leitete. Welche Fehler gemacht worden sind, zeigen der Ausschussbericht und der Bericht des Vorsitzenden deutlich auf.

Die Bankgesellschaft wie das Bundesamt für Finanzdienstleistungen haben aber auch nach Kenntnis der wesentlichen Inhalte des Ausschussberichts, die wir ihnen zur Verfügung gestellt haben, gefordert, dass wesentliche Teile nur VS-Vertraulich und nur im geheimen Datenraum des Abgeordnetenhauses veröffentlicht werden dürfen. Dem ist der Ausschuss nur teilweise gefolgt. Es sind wenige Punkte, die Sie im Bericht markiert finden. Wir konnten uns dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Untersuchungsausschüssen des Bundestages zum Flick-Komplex und dem Problem Neue Heimat, einer gänzlich privaten Gesellschaft, bei der ebenfalls Daten herausgegeben werden mussten, berufen.

Ich bitte Sie jetzt um die Antwort, und dann ist die großzügige Auslegung der Redezeit beendet. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Zwischenfragen werden aber nicht auf die Redezeit angerechnet. – Sie haben vielleicht vor lauter Hektik nicht gehört, was ich gesagt habe.

[Gram (CDU): Vor Ihnen stand eine Mauer! – Gaebler (SPD): Es gab gewisse Wahrnehmungs- probleme! – Weitere Zurufe von der SPD]

Ich habe gesagt, 9,7 Milliarden € ist die Summe der Beihilfe, die die EU benannt hat. Ich habe auch gesagt, dass wir im Jahr 2031 die endgültige Schadenssumme kennen, denn dann soll alles abgerechnet sein. So habe ich es formuliert.

[Beifall bei den Grünen – Klemm (Linkspartei.PDS): Aber Ihre Fraktion weiß es schon jetzt!]

Solch ein Skandal – –

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen! Wir waren wirklich großzügig.

Ich bin beim letzten Satz. – Solch ein Skandal darf sich nicht wiederholen. Die wesentliche Maßnahme muss deshalb in mehr Transparenz und mehr Information und Unterstützung für die Abgeordneten bestehen, und unsere Aufsichtsräte müssen eine harte Aufsicht führen, denn nur so ist Kontrolle möglich.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS – Beifall des Abg. Stadtkewitz (CDU)]