Das finde ich deswegen so unverschämt, weil Sie ganz genau wissen, dass beim öffentlichen Gesundheitsdienst gerade dessen sozialkompensatorische Arbeit – und das ist die Arbeit mit den Schwächsten der Schwachen – absolut im Vordergrund steht.
Ich erinnere Sie daran, dass es im Projektausschuss darum ging, wie die Strukturen künftig über die 12 Bezirke der Stadt verteilt werden, damit jeder Bezirk ruhiggestellt wird. Erst als man das nicht mehr konnte, hat man geschaut, wohin man verteilt. Dann hat man parteipolitisch verteilt. So war das!
Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen aller Oppositionsfraktionen die Annahme mit Änderungen. Wer also gemäß den Drucksachen 15/4767 und 15/5076 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind nicht unerwartet die Regierungsfraktionen. Danke schön! Die Gegenprobe! – Die gesamte Opposition. Gab es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall, dann ist das mit der Regierungsmehrheit so beschlossen.
Wir werden in Zukunft diese Aufgaben noch wesentlich deutlicher wahrnehmen müssen. Wenn Sie mir an einer einzigen Stelle nachweisen, dass wir das tun, was Sie hier behauptet haben, bin ich gerne bereit, mit Ihnen in einen öffentlichen Disput einzutreten.
Aber das hier einfach in den Raum zu stellen und uns vorzuwerfen, mit dieser Reform des Gesundheitsdienstgesetzes die Schwächsten der Schwachen zu diskreditieren,
Genauso weise ich zurück, was bei Herrn Hoffmann schon anklang, dass wir hier eine rot-rote Lobby- und Bedienungspolitik zu Gunsten eines Bezirks geschaffen hätten.
Herr Lehmann! Sie waren im Gegensatz zur CDU, die nie an diesem Diskussionen teilgenommen hat, zumindest dabei,
um den Prozess zu erleben und mit zu begleiten, wie wir uns zwischen zwei Standorten für eine Hörberatungsstelle entscheiden mussten. Sie wissen so gut wie ich, dass die Entscheidung erst gefallen ist, nachdem alle Qualitätskriterien offengelegt waren und eine Vergleichbarkeit festgestellt wurde. Dann hat man sich anhand der finanziellen Belastungen, was in diesem Fall den qualitativen Kriterien nachgeordnet eine berechtigte Überlegung war, für Friedrichshain-Kreuzberg entschieden.
Das im Nachgang als rot-rote Selbstbedienungs- oder Lobbypolitik zu rekonstruieren, weise ich hier entschieden zurück, weil der Diskussionsprozess ein anderer war und es nie in unserem Interesse gelegen hat. Das können Sie anhand der Verteilung der sonstigen Zentren und Stellen wunderbar nachvollziehen.
Werte Frau Simon! Ich werde, was ich hier behauptet habe, nicht zurücknehmen, werde mich dafür auch nicht entschuldigen und bleibe dabei. Ich habe den Prozess im Projektausschuss begleitet, weil ich der Meinung war und dem Trugschluss erlegen bin, dass ich in dem Reformprozess etwas bewegen und verändern könnte. Ich wusste nicht, dass zu dem Zeitpunkt im Prinzip schon alles feststand.
Das ist der Tagesordnungspunkt 11. – Diese Beschlussvorlage hatte ich zur Beratung bereits vorab federführend an den Hauptausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Verwaltungsreform und Kommunikations- und Informationstechnik, an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr, an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz und an den Ausschuss für Wirtschaft Betriebe und Technologie überwiesen. Die nachträgliche Zustimmung zu diesen Vorabüberweisungen stelle ich fest.
Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die CDU. Das Wort hat der Kollege Dietmann. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bürokratie und Verwaltungsvorschriften kosten die deutschen Unternehmen ca. 50 Milliarden € jedes Jahr. Das sind fast 50 % mehr als noch 1994. In kleinen Unternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitern befasst sich jeder einzelne Mitarbeiter fast 64 Stunden seiner Arbeitszeit im
50 % aller abgeschafften Verordnungen beschäftigen sich mit diesen drei Themenkomplexen, die ich eben genannt habe. Wären die Beispiele nicht so putzig, dann müsste man eigentlich sagen: Es ist ein erbärmliches Ergebnis.
Dabei kostet Deregulierung den Staat wirklich kein Geld, er muss bloß Dinge abschaffen, sondern sie spart dem Staat Geld. Andere haben vorgemacht, wie das funktioniert. Das Land Niedersachsen unter Christian Wulff hat ca. 45 % aller Vorschriften abgeschafft, das Saarland unter Müller sogar fast 70 %. Berlin erreicht wahrscheinlich allenfalls eine Quote im Nullkomma-Prozentbereich. Gemessen daran dokumentiert der rot-rote Senat sein totales Versagen in diesem Politikfeld und macht deutlich, wie unwichtig ihm die Sorgen und Nöte des Mittelstands und der dort tätigen Arbeitnehmer sind.
Jahr nur mit der Bewältigung bürokratischer Aufgaben. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben vierzigmal so viel Aufwendungen durch Bürokratie wie große Unternehmen, die dieses leichter wegstecken. Damit wird deutlich, dass Bürokratiehemmnisse insbesondere für den Mittelstand, aber natürlich auch für alle anderen Unternehmen und letztlich für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen ein ernsthaftes Problem sind.
Der Senat sieht das – sagt er jedenfalls – genauso und schreibt in der Vorlage zum Zweiten Gesetz zur Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung Folgendes:
Die Berliner Verwaltungspraxis ist durch Überregulierung, die oftmals zu starre Auslegung von gesetzlichen Vorschriften durch die Behörden, durch Verwaltungsvorschriften, die jeden möglichen Eventualfall bis ins Detail regeln, und durch komplizierte Verwaltungsverfahren für Antragsteller gekennzeichnet. Daraus resultieren Standortnachteile für die Wirtschaft und Akzeptanzprobleme für die öffentliche Verwaltung.
Das ist eine gute Erkenntnis. Die Frage stellt sich: Was hat dieser Senat unternommen, um dieses zu verändern? Wie sieht die Realität aus? – Bis zum Jahr 2002 hat der rot-rote Senat 7 Verwaltungsvorschriften abgeschafft, aber auch 5 neue geschaffen. Im Ersten Gesetz, das dieser Senat vorgelegt hat, finden sich immerhin 16 gestrichene Rechtsvorschriften. Im Zweiten Gesetz hat man sich dazu nicht mehr durchringen können; allenfalls sinnvolle kleinere Änderungen finden sich wieder. Und nun auf der heutigen Tagesordnung das Dritte Gesetz zur Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung. Auf 85 Seiten, die mit Hilfe einer externen Anwaltskanzlei, wie uns Herr Strauch mitgeteilt hat, erstellt wurden, wofür man also Geld ausgegeben hat, findet sich also die Fortsetzung von Deregulierung extra extra light à la Senator Wolf.
Als ich den Wälzer gesehen habe, war ich zuerst schwer beeindruckt und dachte: Mein Gott, nun macht der Senat endlich Ernst mit diesem Thema. Und als ich dann weitergeblättert habe, musste ich allerdings ernüchtert feststellen, dass dem nicht so ist. Hier wird das Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen vom 4. Juli 1939 abgeschafft; gleich drei Vorschriften beschäftigen sich mit diesem Themenbereich; Verordnung zur Durchführung des Milchgesetzes von 1931,
Verordnung über den Fettgehalt der Trinkmilch vom 7. November 1956. Wir haben auch das Gesetz über das Schlachten von Tieren oder die Verordnung über das Schlachten und Aufbewahren von lebenden Fischen. – Herzlichen Glückwunsch, da hat der Senator einen echten Coup gelandet und der Wirtschaft wirklich geholfen!
Die CDU hat in den vergangenen Jahren in einer Entbürokratisierungsinitiative viele weit reichende Vorschläge, die diese CDU-geführten Bundesländer zum Vorbild genommen haben, zum Abbau von Bürokratie gemacht, die Sie von Rot-Rot regelmäßig abgelehnt haben. Das ist schade, weil Sie damit die Chance vertan haben, Arbeitsplätze in Berlin zu schaffen. Aber, man soll ja auch positive Dinge erwähnen, wenigstens ein Highlight findet sich in diesem Gesetz. Sie folgen nämlich dem Vorbild der erfolgreichen Reinickendorfer Bürgermeisterin Wanjura, die übrigens meiner Partei angehört, was die bezirkliche Wirtschaftsförderung anbelangt, und räumen so diesem Thema auch in den Bezirken Priorität ein.
Meine Damen und Herren von Rot-Rot! Ich denke, Sie sollten öfters Ideen der CDU in der Wirtschaftspolitik aufnehmen. Dann ginge es Berlin nämlich besser. – Vielen Dank!
Danke schön, Kollege Dietmann! – Es fährt die SPD fort. Das Wort hat der Kollege Radebold. – Bitte schön!