Protocol of the Session on May 18, 2006

Danke schön! – Für die Linkspartei.PDS hat der Abgeordnete Pewestorff das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Genossinnen und Genossen!

[Zurufe]

Wir sind ja nun jenseits der FDP alle Sozialisten. Liebe Bürgerinnen und Bürger! Herr Lindner! Sie geben immer großes Staatstheater, wo es doch eigentlich Kammerspiel ist. Mit Ihrer Rhetorik und Ihrem Auftreten empfehle ich Ihnen ein Gastspiel auf der Insel Rügen. Dort gibt es auf der Freiluftbühne Ralswiek jedes Jahr die StörtebekerFestspiele. Dort können Sie noch einen Wahlkampfauftritt hinlegen. Bei Lenin ist am Ende – wir sind ja nun nach Herrn Lindner alle Genossen – jede Ökonomie eine Ökonomie der Zeit. Bei der FDP ist jede Wirtschaft am Ende eine Schankwirtschaft. Das ist ein eher bescheidenes Vorgehen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Man kann den Berliner Gastwirten und -wirtinnen nur wünschen, dass die Schankvorgärten zur Weltmeisterschaft voller sind als dieses Haus,

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

dann haben sie schon gewonnen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Das geheime Zentralorgan der Linkspartei.PDS „Berliner Wirtschaft“ schreibt in der Mai-Ausgabe in der Betrachtung über die Vorbereitungen der deutschen Hauptstadt auf die WM im letzten Satz:

Berlin ist für die WM gut gerüstet. Bleibt also nur noch der Wunsch offen, dass wir unsere Nationalmannschaft am 9. Juli 2006 hier zum Endspiel begrüßen können.

[Ha, ha! von Abg. Goetze (CDU)]

Dann kann man sehen, an wie vielen Stellen es öffentliches Sehen, Public Viewing, geben wird. Insgesamt wird es wohl 16 Stellen inklusive des Olympia-Stadions geben, an denen die Berlinerinnen und Berliner gemeinsam und zum Teil draußen die Fußballweltmeisterschaft sehen können.

Ihr Antrag ist doch nicht ernst gemeint, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Am 9. Mai 2006 ist er eingereicht worden, er vertraut auf den Senat. Das ist in Ordnung, das kann man machen. Sie schreiben darin:

Der Senat wird in diesem Antrag aufgefordert, bei den Bezirken darauf hinzuwirken (...)

[Dr. Lindner (FDP): Ja, ja!]

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Ich kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, lieber Herr Lindner, nur in aller Ernsthaftigkeit sagen: Diese Stadt hat andere Probleme als die, die Sie hier zur Sprache bringen! Wir haben heute die Kolleginnen und Kollegen von CNH aus Spandau zu Gast. Ich bin der Auffassung, dass sie entsetzt wären, wenn sie erlebten, dass sich das Hohe Haus mit dieser Intensität, dieser Ausdauer mit derartigen Problemen befasst. Lassen Sie uns an die Arbeit gehen! Diese Stadt hat Probleme, aber andere als die, die Sie sehen!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat nun Frau Abgeordnete Paus das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke, Herr Lindner! Ihr Antrag ist so überflüssig wie ein Kropf.

[Allgemeine Heiterkeit]

Das gilt praktisch! Es wäre doch bescheuert von einem Biergarten- oder Schankvorgartenbesitzer, wenn er sich nur eine Genehmigung für die vier Wochen holen würde! Selbstverständlich läuft für ihn das Geschäft den gesamten Sommer über. Er hat die Genehmigungen dafür schon beantragt. Überall in Berlin findet sich die geltende Praxis, dass die Bürgersteige nicht um 22 Uhr hochgeklappt werden, sondern dass es ein lebendiges Biergarten- und Schankvorgartenleben gibt. Deswegen verwirren Sie die Leute mehr, als dass Sie ihnen helfen. Sie benötigen die

Genehmigung für den gesamten Sommer und nicht nur für diese vier Wochen.

Das gilt in all den Fällen, in denen es einen besonderen Schutzbedarf gibt. Das gilt beispielsweise in der Nähe von Krankenhäusern oder aus anderen schwerwiegenden Gründen. Da finde ich es nur recht und billig und auch angezeigt, entsprechende Verbote auszusprechen. WM hin oder her, Bierfreude hin oder her, letztlich gilt, dass die Menschen, die nicht aktiv an Happenings oder der Produktion von Lärm beteiligt sind, vom Lärm gestresst und belästigt werden. Es ist nun einmal so, dass Lärm krank macht. Auf diese Menschen muss man ein letztes Fünkchen Rücksicht nehmen. Deswegen auch von meiner Seite: Ziehen Sie Ihren unsinnigen Antrag zurück!

Was Sie hier gemacht haben, ist Antragsrecycling! Nichts anderes ist der Antrag. Sie haben schon in den vergangenen Jahren mit diesem Thema Ihre gesamte Pressearbeit in den Sommermonaten bestritten: im Jahr 2003, ebenso im Jahr 2004. Jetzt haben Sie kurzfristig überlegt: Die Weltmeisterschaft kommt, wir benötigen noch ein Thema, da machen wir das alte Thema, das schon so gut ging, noch einmal auf. – Leider ist dieser Versuch völlig in die Hose gegangen. Die Argumente sind alle bereits genannt worden.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Aber ich nenne doch auch noch einige: Warum ist das in die Hose gegangen? – Weil das, was Sie fordern – und das wurde bereits in verschiedenen Varianten gesagt –, praktisch alles schon längst beschlossen ist. Es ist so: In den vier Wochen der Fußballweltmeisterschaft, vom 8. Juni bis zum 9. Juli 2006 gibt es in dieser Stadt schon das FDP-Paradies, auch wenn Sie es noch nicht wahrhaben wollen. Das FDP-Paradies kommt für diese vier Wochen in diese Stadt und ganz ohne die Hilfe der FDP. Es werden alle Geschäfte rund um die Uhr öffnen dürfen, wenn sie es wollen. Die Lärmschutzverordnung ist für den Zeitraum der WM geändert worden. Es gilt bundesweit eine geänderte Lärmschutzverordnung, und zwar sowohl für die Aktivspieler auf den Sportanlagen als auch für die gesamten „echten“ Experten, die Passivspieler, die sich in den Biergärten oder auf der Fanmeile oder wo auch immer, vor Leinwänden und Fernsehern, zusammenfinden. Für die gilt bereits die Ausnahmegenehmigung. Während das WM-Spiel läuft und auch danach, ist es so: Public Viewing ist bis in die Nacht hinein erlaubt, ebenso freies Sichaufhalten und Biertrinken ohne jede Begrenzung. Das ist der Stand der Dinge, das wird so kommen. Da verwirren Sie mit Ihrem Antrag mehr, als dass Sie einen positiven Beitrag leisten.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der Linkspartei.PDS]

Das Einzige, was bleibt, ist der logisch-theoretische Fall, dass es zur Zeit der WM in dieser Stadt einen Biergarten oder einen Schankgarten gibt, in dem kein Fernseher steht. In diesem Fall gilt die bisherige Praxis in der Stadt. Zu der bisherigen Praxis wurde bereits alles gesagt. Herr Buchholz hat das auch noch einmal ausgeführt. Nach der bisherigen Praxis ist es schon jetzt möglich, für den Bierausschank bis morgens um 5 Uhr eine Genehmigung zu erhalten

[Dr. Lindner (FDP): Theoretisch!]

Dann gibt es noch den letzten Fall, in dem es wirklich dazu kommt, dass Einschränkungen ausgesprochen werden.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist der Regelfall!]

[Beifall bei den Grünen und der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Frau Kollegin Paus! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die antragstellende Fraktion bittet um sofortige Abstimmung. Die Fraktion der SPD beantragt die Überweisung federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. Hierüber lasse ich als weitergehenden Antrag abstimmen. Wer die Ausschussüberweisung wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen und die Fraktion der CDU. Die Gegenprobe! – Das sind FDP und Grüne. Dann ist das mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen plus CDU angenommen. Gab es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist doch unmöglich, da ist die WM doch vorbei!]

Ich rufe auf als Priorität der Fraktion der SPD und der Fraktion der Linkspartei.PDS unter der

lfd. Nr. 4 c:

II. Lesung

Gesundheitsdienstreformgesetz

Beschlussempfehlungen GesSozMiVer und Haupt Drs 15/5076 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/4767

Das ist der Tagesordnungspunkt 7. Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der fünf Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Drucksachen 15/4767 und 15/5076. Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Auf Wunsch der Fraktion der CDU werden wir eine angemessene Überschreitung der Redezeit vom Präsidium aus akzeptieren. „Angemessen“ bitte ich nachdrücklich im Gedächtnis

Wir haben einiges in der parlamentarischen Beratung erreicht, manches sogar schon, bevor dieser Gesetzentwurf konkret diskutiert worden ist. Wir haben – diese Punkte sind der SPD besonders wichtig unter den 16 Einzelpunkten – erreicht, dass die Schule Therapieort für schwerst- und mehrfachbehinderte Kinder bleibt und dass die Eltern nicht auf die niedergelassenen Therapeuten verwiesen werden. Was ist das auch für eine Vorstellung, dass ausgerechnet diese Eltern nachmittags ständig durch die Gegend fahren müssten, obwohl wir bislang zu gleichen Kosten die Therapierung in den Schulen sicherstellen konnten? Darüber hinaus bleibt Berlin Standort je einer Beratungsstelle für Hör-, Sprach- und Sehbehinderungen, die eine Wegweiserfunktion im Gesundheitssystem haben, obwohl die medizinische Behandlung eine Aufgabe des kassenfinanzierten Gesundheitswesens ist und auch sein muss. Zudem haben wir dafür gesorgt, dass die Basis für eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit der Jugend- und Gesundheitsämter sowie der Ärzte und der Krankenhäuser beim Kinderschutz gelegt wird. Informationspflichten an das Jugendamt und eine stärkere Ausrichtung des Kindergesundheitsdienstes auf auffällige Problemfamilien unterstützen das Netzwerk Kinderschutz in Berlin.

zu behalten. Es beginnt die SPD-Fraktion. Der Kollege Matz hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Öffentlicher Gesundheitsdienst klingt für viele nach verstaubten Amtsärzten, die wir eigentlich gar nicht mehr brauchten. Obwohl man auch Amtsärzte sehr wohl braucht, geht es hier um Themen, von denen ich einige nennen möchte, bevor wir in den üblichen Streit über dieses Gesetz eintreten. Lebensmittelkontrolle: Es ist überhaupt keine Frage, dass es sich dabei um eine Aufgabe handelt, der wir uns mit großer Intensität widmen müssen, wozu wir auch europäisch verpflichtet sind. Gesundheitsberichterstattung ist ein Bereich, in dem wir viele Informationen bekommen, und macht die gezielte Gesundheits- und Sozialpolitik in den Kiezen überhaupt erst möglich. Schuleingangsuntersuchungen braucht man nicht näher zu erläutern. Es ist klar, dass wir die benötigen. Präventionsarbeit, nicht zuletzt in den Kitas und Schulen, ist ebenfalls nötig. Tierseuchenbekämpfung, ein zwar völlig anderes Thema, aber auch das ein Bereich, über den wir angesichts der aktuellen Tierseuchen nicht lange diskutieren müssen. Der öffentliche Gesundheitsdienst wirkt außerdem mit beim Kinderschutz – auch dieses Thema ist in den letzten Monaten ausführlich debattiert worden.

Wir haben uns bemüht, den für diesen Bereich, der nahezu 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung ausmacht, vom Senat vorgelegten Gesetzentwurf dort zu verändern, wo wir es für nötig befunden haben. In der I. Lesung habe ich von dieser Stelle aus angekündigt, dass wir Veränderungen vornehmen werden und dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, die neu entstehende Struktur im öffentlichen Gesundheitsdienst auch personell zu sichern. Mittlerweile haben wir beides getan. Da der Senat Fragen der personellen und strukturellen Auswirkungen der Reform noch nicht bis zum Gesetzgebungsverfahren geklärt hatte, wollen wir auf diesem Thema die Hand behalten. Wir werden im Hauptausschuss in einigen Wochen – oder zumindest Monaten – das geplante bezirksübergreifende Steuerungssystem vorgelegt bekommen, und wir wollen auch wissen, wie die personalwirtschaftlichen Konsequenzen dieser Reform aus Senatssicht aussehen sollen.

Nach Jahren des ungeordneten Stellenwegfalls in den bezirklichen Gesundheitsämtern stellen wir mit der Reform des ÖGD wieder einen funktionsfähigen Dienst her, der sich auf seine Kernaufgaben neu ausrichtet. So entstehen beispielsweise an Stelle der nicht mehr für jeden Bezirk zu sichernden sozialmedizinischen und sexualgesundheitlichen Betreuung vier Zentren, die jeweils für drei Bezirke zuständig sein werden, die dann aber andererseits eine Größe mit einer funktionierenden Stellenausstattung haben. Gleichzeitig werden wichtige Bereiche vollständig von den Einsparungen ausgenommen, wie zum Beispiel die Lebensmittelkontrolle. Außeneinstellungen für die verbleibenden staatlichen Kernaufgaben werden in Zukunft wieder möglich sein. Das ist eine der Kon

sequenzen dieser Reform. Andere Aufgaben, die der Staat nicht selber erledigen muss, werden verstärkt durch Dritte in Gewährleistung übernommen werden.

Ein Änderungsantrag mit vielen Einzelpunkten ist beschlossen worden. Das Parlament hat sich sehr intensiv mit den Vorschlägen des Senats auseinander gesetzt und Verbesserungen vorgenommen, die Richtung stimmte ohnehin. Berlin erhält ein zeitgemäßes Gesundheitsdienstgesetz, das sowohl den knappen Finanzen als auch den gesundheitspolitischen Erfordernissen gerecht wird.