Protocol of the Session on January 26, 2006

In der Geschichte dieses Hauses gibt es keine parlamentarische Missbilligung, die erfolgreich gewesen ist, aus dem guten Grund, dass eine Regierungsfraktion, die sich ihr anschließen würde, die Mittel, die sie hat, um exekutives Handeln im Vorfeld zu verändern, nicht angemessen genutzt hätte.

[Frau Jantzen (Grüne): Habt ihr ja auch nicht! – Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Aus diesem Grund haben SPD und Linkspartei.PDS dafür gesorgt, dass eine Entscheidung, wie sie hier getroffen wurde, rückgängig gemacht wird, und zwar rasch rückgängig gemacht wird. Wir haben es mit klar erkennbarer öffentlicher Kritik an dieser Entscheidung verbunden. Das ist es, was man in einer solchen Situation machen muss, statt dass man versucht, eine wirklich respektable Persönlichkeit, die unbestrittene Verdienste um das Land Berlin erworben hat, in aller Öffentlichkeit vorzuführen, als würde es sich um einen Schuljungen handeln, den man maßzuregeln hat. Das ist das Unangemessene an Ihrem Verhalten.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Goetze (CDU): Wen meinen Sie denn jetzt?]

Mit diesem Überziehen delegitimieren Sie auch den parlamentarischen Konsens,

[Frau Jantzen (Grüne): Das ist ja wohl eine Unverschämtheit!]

den wir in der Sachfrage durchaus haben. – Sie haben überhaupt keine Ahnung davon, worum es hier eigentlich geht! Sie sind weder in Haushaltsfragen noch in Sachen Tempodrom in irgendeiner Form bewandert, Frau Kollegin! – Der parlamentarische Konsens besteht darin, dass wir seit zwei Jahren sehr wohl diverse Erkenntnisse darüber gesammelt haben, dass die Landesbank Berlin erhebliche Verfehlungen bei dem Bürgschaftsverfahren begangen hat. Aus diesem Grund sind wir zu der Auffassung gelangt, dass es für die LBB erhebliche Schwierigkeiten geben wird, entsprechende Zahlungen gegenüber dem Land durchzusetzen. Das ist eine Erkenntnis, die wir haben. Es wird sich noch erweisen – dass muss man auch einmal sagen –, ob die Rechtsposition, die wir miteinander einnehmen, und das Material, das wir dazu über den Untersuchungsausschuss auf den Tisch legen, von einem Gericht letztlich so bewertet wird, wie wir es einschätzen. Dass der Finanzsenator sich nicht per se dieser Schlussfolgerung anschließen muss, finde ich legitim und völlig in Ordnung. Ich würde darauf setzen, dass es gelingt, ihn bei Vorlage dieser Unterlagen davon zu überzeugen, dass doch hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, sich gegenüber der LBB an dieser Stelle zu wehren. Ich würde auch jede Auseinandersetzung mit Ihnen nicht scheuen, Herr Sarrazin.

Ein Fehler war es zweifellos, dass Sie und Ihre Verwaltung die Reichweite des Beschlusses des Hauptausschusses nicht erkannt oder nicht gesehen haben.

[Gelächter bei der CDU und den Grünen – Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Das ist kritikwürdig, das haben wir kritisiert. Daraus abzuleiten – wie die Grünen es in einer völlig absurden Überhöhung tun –, dass der Senator Sarrazin mit einem bismarckschen Staatsverständnis auf das Parlament herabblickt – Sie, Herr Braun, haben das ja auch noch einmal erklärt –, ist in einem so hohen Maße verfehlt, dass es

wirklich jeder Beschreibung spottet. Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, überhöhen in einem Maße, wenn es um moralische Kategorien geht, da wird mir ganz schwindelig.

[Zurufe von der CDU und den Grünen]

Und das gerade vor dem Hintergrund des Parlamentsverständnisses, das Sie im Moment an anderer Stelle demonstrieren, nämlich im Deutschen Bundestag!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aus diesem Grund sage ich Ihnen mit aller Deutlichkeit: Kritik an der Sache und das Insistieren darauf, dass sich Politik ändert,

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

dass Entscheidungen revidiert werden, ist das eine. Die öffentliche Demütigung und Demontage eines Senators mag das Spiel der Opposition sein. Unseres ist es nicht.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Oh! bei der CDU – Gram (CDU): Wer überhöht denn jetzt?]

Vielen Dank, Herr Kollege Wechselberg!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit kurz auf die Tribüne zu richten. Wir begrüßen eine Delegation des Segelschulschiffs der Bundesmarine, der berühmten „Gorch Fock“, unter Leitung von Kapitänleutnant Jan Glenewinkel.

[Allgemeiner Beifall]

Herzlich willkommen in diesem Hause, das auch manchmal stürmisch ist, aber nicht so stürmisch wie das, was Sie auf den Ozeanen erfahren!

Ich fahre fort in der Tagesordnung. Für die FDP hat nun Herr Kollege Meyer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Wechselberg! Sie haben am Anfang darauf hingewiesen, dass der Vorgang nach der Debatte gestern im Hauptausschuss rückgängig gemacht wird. Sie und die SPD müssen sich aber fragen lassen: Wäre dieser Vorgang rückgängig gemacht worden, wenn nicht die Opposition, wenn nicht die CDU, die Grünen und wir so Alarm geschlagen hätten?

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Was wäre passiert? – Ich wage einmal die Prognose: Nichts wäre passiert. Deswegen sind die ganzen Ausführungen, die Sie und Frau Kolat hierzu gemacht haben, doch mit einem ziemlichen Fragezeichen zu versehen.

[Zuruf von der CDU: Verlogen sind die!]

Wir sind uns hier alle einig gewesen, sowohl im Untersuchungsausschuss als auch im Hauptausschuss, dass es eigentlich keinen Rechtsanspruch auf Auszahlung der Bürgschaft gibt. Natürlich ist es so, dass dieses Hin und

Die nächste Frage: Warum PwC? – Herr Schruoffeneger hat bereits darauf hingewiesen, es gibt einen Interessenkonflikt in dieser Unternehmung, was die Gesamtheit angeht, auf Grund der bereits angesprochenen Dienstleistungen, die PwC im Zusammenhang mit der Bürgschaftsvergabe erbracht hat. Allein deswegen wäre es eine Frage des Anstands und der politischen Hygiene gewesen, wenn

man vielleicht doch auf ein anderes Unternehmen zurückgegriffen hätte. Genau das ist einer der Punkte, wo man wieder sagt: Herr Sarrazin, Sie haben nichts gelernt, Sie machen weiter so wie bisher, ganz egal, was für Lippenbekenntnisse hier abgelegt werden, Sie hätten aus dem Tempodromskandal gelernt.

Wenn wir die Berichte, die wir gestern im Hauptausschuss bekommen haben, geprüft haben, werden wir uns selbstverständlich darüber Gedanken machen müssen, ob man den Rechnungshof einschaltet, ob man noch weiter prüft. Wir werden genau die Punkte – warum Zeitpunkt Ende letzten Jahres, warum nicht eine Beratung im Parlament, warum PwC? – noch einmal aufgreifen. Deswegen ist es aus unserer Sicht sicherlich nicht so, dass dieser Vorgang mit dem Missbilligungsantrag heute zu Ende ist. Letztlich für uns persönlich – und damit strafen wir die SPD und die PDS Lügen, was die Rechtsfertigung dieses Missbilligungsantrags angeht – ist das härteste Argument, warum man Herrn Sarrazin missbilligen muss, die rote Nummer, die hier schon angesprochen wurde. Dort steht nämlich am Ende:

Her, auch die Rückbuchung, den Rechtsanspruch und die Rechtsposition des Landes schwächen. Es wird niemand hier im Raum geben, der dieses in Abrede stellen wird. Spätestens das Hin- und Herbuchen schwächt die Rechtsposition des Landes, weil unser Antragsgegner, die andere Partei, die LBB, genau auf diese Missstände hinweisen kann und wird, die wir im internen Prozess offengelegt haben. Hierfür trägt Herr Sarrazin letztlich die Verantwortung.

[Beifall bei der FDP]

Der Ablauf dieser Geschichte – PwC-Gutachten am 14. November, 16. November Hauptausschussbeschlussfassung, dass dieser Bericht vorgelegt werden soll und dass keine Zahlungen getätigt werden sollen, bevor sich das Parlament damit beschäftigt hat – wurde schon ausreichend gewürdigt. Es ist ein Stück weit ein Problem, Frau Kolat, wenn Sie sagen, es habe keine Zahlung stattgefunden. Selbstverständlich hat eine Zahlung auf ein Konto stattgefunden, und zwar von der Senatsverwaltung, vom Land Berlin zur LBB. Wir können jetzt natürlich darüber diskutieren, ob dies eine Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung ist. Aus unserer Perspektive relativ klar: Nein! – Deswegen haben die Grünen ihren Antrag gestern im Hauptausschuss noch geändert, um dieses Missverständnis in ihrem Antrag aufzuklären.

Aber was in der Debatte bleibt, ist eine Reihe von Fragen: Es bleibt z. B. die Frage, warum dieses Geld unbedingt noch im letzten Jahr überwiesen werden musste und warum man nicht eine Hauptausschusssitzung Anfang Januar abwarten konnte. Warum hat man nicht Hauptausschusssitzungen genutzt, die zwischen der Vorlage des PwC-Gutachtens am 14. November und dem 22. Dezember lagen, um zu berichten und dann gemeinsam zu einer Positionierung zu kommen?

[Zuruf von der CDU]

Sie missverstehen die Frage der Zinsersparnis, Frau Kolat und Herr Wechselberg, die Sie hier ansprechen und auch gestern angesprochen haben. Eine Zinszahlung, eine Zinslast für das Land Berlin, ist nur dann zu erwarten, wenn wir im Ergebnis aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werden. Bisher waren wir uns hier aber alle einig, dass wir aus der Bürgschaft nicht in Anspruch genommen werden. Deswegen ist diese Zinsersparnis, die Sie hier immer als das hehre Motiv von Herrn Sarrazin vorhalten, selbstverständlich nur vorgeschoben. Wenn man nicht glaubt, dass man in Anspruch genommen wird, und das dadurch dokumentiert, dass man eine Zahlung leistet, müsste man die Zahlung nicht leisten. Das ist der Trugschluss, den Sie uns hier verkaufen wollen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Ich bitte, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.

Das heißt, die Senatsverwaltung für Finanzen hat selbst am Ende ihres Berichts darauf hingewiesen, dass mit diesem dürftigen einseitigen Bericht der Vorgang „parlamentarische Beschlussfassung über die Frage Bürgschaftszahlung“ aus ihrer Sicht erledigt ist. Und das ist nach unserer Meinung eine Missbilligung wert. – Danke!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zum Antrag der Oppositionsfraktionen – Drucksache 15/4669 – über die Missbilligung des Senators für Finanzen Dr. Thilo Sarrazin wurde die sofortige Beschlussfassung in namentlicher Abstimmung beantragt. Die Fragestellung lautet: Wer dem Antrag der Fraktionen der Grünen, der FDP und der CDU über die Missbilligung des Senators für Finanzen seine Zustimmung zu geben wünscht, der möge in namentlicher Abstimmung mit Ja stimmen. Es verbleibt auch die Möglichkeit, mit Nein zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten.

Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen aufzurufen, und weitere Mitglieder des Präsidiums, an den Wahlurnen zur Ausgabe der Stimmkarten Aufstellung zu nehmen. – Sie erhalten in unterschiedlichen Farben jeweils drei Stimmkarten mit den Kennzeichen „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“. Die Stimmkarte Ihres Votums bitte ich in die Wahlurne zu werfen und die nicht benötigten Karten neben die Wahlurne zu legen. Sind wir bereit? – Gut! Dann geht es los. Ich bitte, mit dem Namensaufruf in alphabetischer Reihenfolge zu beginnen.

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen hiermit nicht den ersten Antrag vor, der sich mit einer Nahverkehrsreform beschäftigt. Wir werden auch nachher noch Gelegenheit haben, mit den Grünen über ihre Große Anfrage zu sprechen, die auch in diese Richtung geht. – Viele Initiativen der FDP

Fraktion seit 2001 in diesem Haus betreffen die Reform des Berliner ÖPNV. Im Plenum und in den Ausschüssen haben wir damit aber leider immer wieder die gleiche Erfahrung gemacht: Die Anträge stießen fast immer auf komplette Ablehnung. Dabei wissen alle, wie wichtig die Reform des Berliner Nahverkehrs ist. Das liegt vor allem an der Bedeutung für den Berliner Landeshaushalt und speziell für den des abwesenden Wirtschaftssenators.

Dieses wissend und dabei immer wieder die Kritik von anderen hörend, wonach das, was wir vortragen, nicht realisierbare Hirngespinste seien, haben wir es uns geleistet, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Sie kennen unsere Gutachten, und ein anderes, nämlich das von Herrn Hesse, beschäftigt Sie ja auch. Diesmal haben wir ein Gutachten über den ÖPNV im Großraum Kopenhagen erstellen lassen. Wenn wir wissen, wie problematisch dieses Thema ist, müssen wir damit anfangen, über den Tellerrand hinauszublicken. Es ist sicherlich nicht falsch, gegebenenfalls auch von anderen zu lernen.

Zunächst haben wir uns gefragt, wohin man schauen sollte. Man hätte selbstverständlich auf die USA schauen können, aber dann hätten Sie wohl gesagt, dass das ein ultrakapitalistisches Land sei und man daraus nichts lernen könne, weil man es in Deutschland ohnehin nicht anwenden könnte. Das haben wir also gleich verworfen. Man hätte auf dieses etwas neoliberale England schauen können, aber trotz Labourregierung besteht auch bei diesem Beispiel die Gefahr der grundsätzlichen Ablehnung.

Darf ich fragen, ob jemand der Damen und Herren nicht aufgerufen worden ist? – Sind das jetzt die Letzten?

Ich habe eine dringendem und herzliche Bitte: Es sind nicht alle nicht benötigten Karten hier abgelegt worden, sondern zu Souvenirzwecken oder irrtümlich an die Plätze mitgenommen worden. Die Verwaltung bittet darum, dass alle Karten hier abgelegt werden, weil es große Mühe macht, sie auszufertigen. Helfen Sie uns sparen, indem Sie die nicht benötigten Karten hier vorn deponieren!