Protocol of the Session on November 24, 2005

Sie hier vorgetragen haben, mag möglicherweise in dem Ihnen bekannten Entwurf der Senatsverwaltung für die Rechtsverordnung stehen. Es steht aber nicht im Gesetz selbst. Da steht nichts von Einhausung. Es geht hier um § 13:

Die für den Umweltschutz zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, durch Rechtsvorordnung (...) zu bestimmen, dass die Errichtung, die Beschaffenheit und der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen bestimmten Anforderungen genügen müssen.

Es wird von bestimmten Anforderungen gesprochen, aber nichts weiter dazu ausgeführt. Sie wird in Absatz 2 ermächtigt, Immissionsrichtwerte festzulegen. Es ist keine Zahl, keine Einheit und nichts anderes genannt. Da kann sich die Senatsverwaltung aussuchen, was sie will. Das ist nicht die Art, wie an dieser Stelle Gesetze gemacht werden sollten.

Schauen Sie sich die von Ihnen zitierten Bundesgesetze an. Da sind die Grenzwerte aufgeführt, nachlesbar, mit Zahlen und Einheit. Es steht nicht darin, das die Bundesregierung ermächtigt wird, sich etwas auszudenken. Wenn dieses die Grundlage ist und nichts anderes geregelt werden soll, lieber Kollege Buchholz, dann geht Bundesrecht dem Landesrecht ohnehin vor. Dann braucht die Senatsverwaltung gar nichts anderes hineinzuschreiben. Dann braucht man aber auch keine Verordnungsermächtigung, denn die Landesermächtigung soll etwas anderes regeln, als das Bundesgesetz schon vorschreibt. Insofern war das leider gar kein Beitrag zum Thema, den Sie hier vorgetragen haben.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Goetze! – Herr Buchholz antwortet, wie nicht anders zu erwarten war. Er hat das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wir haben offensichtlich doch ein Kommunikationsproblem, Herr Goetze. § 8 und § 9 stellen das, was uns das BundesImmissionsschutzgesetz ermöglicht, weitere Tatbestände, neben dem Lärm und der Luftverunreinigung beispielsweise Strahlung und Staub, erstmals durch ein Landesgesetz in eine Regelung. Genau zu diesen Punkten soll es eine Rechtsverordnung geben. Diese wiederum orientiert sich am Bundes-Immissionsschutzgesetz. Der Bezug ist an dieser Stelle eindeutig. Wir nehmen uns – das ist ausdrücklich im Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehen – die Freiheit, bei zwei weiteren Tatbeständen die Dinge klar in das Gesetz hineinzuschreiben. Es gibt die Ermächtigung zur Rechtsverordnung. Das haben Sie völlig richtig zitiert, aber es gilt das Bundesrecht als Vorlage eben auch für die anderen Emissionen. Damit ist die Sache eindeutig. Ich freue mich schon auf die Rechtsverordnung der Senatsverwaltung.

Danke schön, Herr Kollege Buchholz! – Die Grünen folgen nun in der Rednerliste. Die Frau Kollegin Kubala hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Lieber Kollege Buchholz! – Liebe Kollegin Hinz! Ich finde es schon überraschend und phantastisch, wie Sie sich dieses Gesetz schönreden!

[Beifall des Abg. Goetze (CDU)]

Wir alle umweltpolitischen Sprecher haben ganz klar gesagt, dass dieses Gesetz grobe Mängel hat.

[Doering (Linkspartei.PDS): Alle können es nicht gewesen sein! ]

Alle umweltpolitischen Sprecher, Herr Doering, haben auf einer öffentlichen Veranstaltung gesagt, dass dieses Gesetz grobe Mängel hat, dass der Wegfall der Ruhezeiten nicht akzeptabel ist. Sie versuchen jetzt hier im Plenum, uns dieses Gesetz schönzureden. Das ist nicht akzeptabel!

[Beifall bei den Grünen und bei der CDU]

Der Senat hat die gleiche Begründungsschwäche. Mit dem Hinweis auf die Erfordernisse einer modernen Metropole werden die Ruhezeiten weggestrichen. Jeder weiß, dass eine Großstadt keine Dorfidylle ist. Aber den Lärm, dem die Berliner Bevölkerung Tag für Tag ausgesetzt ist, muss man jetzt nicht noch durch den Wegfall von Ruhezeiten verstärken. Frau Hinz, ich finde es fast zynisch, wenn Sie sagen, dass sich im Gewerbegebiet nichts verändert. Im Gewerbegebiet wohnen die Leute auch in der Regel nicht. Das ist keine Begründung dafür, die Ruhezeiten in den Wohngebieten und in den Mischgebieten wegfallen zu lassen.

Das heißt ganz konkret, dass morgens die BSR die Tonnen eine Stunde früher bringt und abholt und dass die Läden morgens und abends bis 22.00 Uhr beliefert werden. Das wird insbesondere kleine Kinder treffen und auch Menschen, die beispielsweise im Schichtdienst arbeiten. Dieser Wegfall der Ruhezeiten bringt für Menschen, die in der Großstadt leben, gravierende Probleme mit sich.

Dass Sie diesem Gesetz noch einen Antrag nachschieben, Frau Hinz, Herr Buchholz, das zeigt sehr deutlich, dass Sie diese groben Mängel durchaus auch sehen. Sie wollen die Ruhezeiten wegfallen lassen, nach einem Jahr sehen, ob Beschwerden eingegangen sind, und dieses auswerten. Was passiert dann? Wollen Sie die Ruhezeiten wieder einführen, wenn Sie feststellen, dass die Beschwerden zunehmen? Das ist wirklich eine sehr merkwürdige Sicht auf ein Gesetzgebungsverfahren. Sie nehmen damit Ihr eigenes Gesetz nicht ernst!

Die Folgen des Wegfalls der Ruhezeiten sind nicht absehbar, weil man natürlich nicht erwarten kann, dass sich die Menschen gleich beschweren und die Polizei holen. Das wollen wir auch nicht. Deswegen ist auch dieser Berichtsauftrag im Zusammenhang mit einem Gesetz wenig sinnvoll. Die PDS hat ohnehin sehr widersprüchliche Vorstellungen zum Lärmschutz. Frau Knake-Werner als Gesundheitssenatorin startet beispielsweise eine Kampag

ne zu weniger Lärm am Arbeitsplatz. Gleichzeitig fallen die Ruhezeiten weg, in denen die Bürger vor Lärm geschützt wären. Das ist ein eklatanter Widerspruch, der hier noch einmal klar wird.

[Beifall bei den Grünen]

Der Rat der Bürgermeister hat diesem Gesetz mit Recht nicht zugestimmt. Er hat gesagt, hier finde kein Bürokratieabbau statt, sondern dieses Gesetz werde weitere Beschwerden nach sich ziehen. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich in ihrer Nachtruhe gestört. Sie wenden sich an das Umweltamt. Aber das bekommt der Senat in der Regel nicht mit. Deswegen wird so leichtfertig ein Gesetz erlassen, das den Bürgerinnen und Bürgern schon in seiner Vorform als Lärmverordnung relativ wenig Schutz geboten hat.

Das Gesetz hat grobe Mängel, Frau Hinz, Herr Buchholz, das lässt sich nicht schönreden. Und es ist auch kein Landes-Immissionsschutzgesetz. Nur weil wir an der einen oder anderen Stelle eine Ermächtigungsgrundlage haben, das hat Herr Goetze schon richtig gesagt, ist es kein Gesetz, das alle Wirkungen von Emissionen oder Immissionen erfasst.

[Zuruf des Abg. Buchholz (SPD)]

Es fehlen Gerüche, Erschütterungen, Lichtemissionen – das brauchen wir gar nicht auszuführen. Selbst der Abteilungsleiter aus der Senatsumweltverwaltung hat nicht behauptet, dass hier alle Emissionen wirklich erfasst werden. Das Gesetz wird seinem Anspruch nicht gerecht. Dieses Gesetz schützt nicht die Bevölkerung, wie es die Gesetzesbegründung vorgibt, sondern es schützt lediglich die Wirtschaft. Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück! Unsere Zustimmung bekommen Sie zu diesem Gesetz nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kubala! – Die FDP folgt. Das Wort hat der Kollege Hahn. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Frau Kubala! Ihrem letzten Satz kann ich mich anschließen. Auch wir werden dieses Gesetz ablehnen – allerdings mit einer ganz anderen Begründung und einer ganz anderen Intention.

[Zurufe der Abgn. Frau Kubala (Grüne) und Frau Oesterheld (Grüne)]

„Mit dem Gesetzemachen ist es wie mit dem Wurstmachen: Man weiß besser nicht, wie sie gemacht werden.“ – Dieser sarkastische Satz stammt von Bismarck. Seit Bismarcks Zeit haben sich nur Anzahl und Umfang der Gesetze verändert – Jahr um Jahr werden es mehr, und sie werden immer dicker –, aber an der Art des Zustandekommens hat sich wenig geändert.

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Bedauerlicherweise leidet darunter zumeist auch die Qualität der Gesetze. Das Landes-Immissionsschutzgesetz

bietet sich geradezu exemplarisch an, das auszuführen. Das möchte ich in der gebotenen Kürze unternehmen.

Es beginnt schon mit der Frage der Notwendigkeit eines Gesetzes. Schließlich haben wir ein BundesImmissionsschutzgesetz. Die Vorlage zur Beschlussfassung verweist auf die Notwendigkeit der Anpassung der lärmschutzrechtlichen Regelungen an die Erfordernisse einer modernen Metropole. Das ist unzweifelhaft richtig und angebracht. Wir unterstützen diese Absicht ausdrücklich, das hebe ich hervor. Aber auch wenn es zu einer Reduzierung der Ruhezeiten für Maschinenlärm und Ähnlichem kommt und das vielleicht nicht immer belastungsneutral abgehen kann – wiewohl das, was hier an Befürchtungen geäußert wurde, weit übertrieben ist; wir haben im Rahmen der Anhörung erfahren können, dass der Lärm, der die Bürger am meisten belastet, von ganz alltäglichen kleinen Problemen herrührt wie Nachbarschaftslärm, der sich ganz anders regeln lässt, jedenfalls nicht notwendig durch dieses Gesetz –, so gilt für uns immer noch der Satz des Bundespräsidenten: Vorrang hat, was Arbeit schafft.

[Beifall bei der FDP]

In diesem Sinne treten wir für das Gesetz ein, auch dann, wenn es für den so genannten Freizeitlärm „Erleichterungen“ mit sich bringt, denn auch der gehört nun einmal zu einer modernen Metropole. Wir alle wollen doch, dass Berlin für Touristen wie auch für Bewohner attraktiv bleibt. Der Freizeitsektor ist ein großer Bereich, der Arbeit schafft. Wir von der FDP haben uns immer dafür eingesetzt, dass wir da einiges liberaler handhaben können. Und das wird mit dem neuen Gesetz geschehen.

So weit, so gut und richtig! Aber wenn die Vorlage weiteren Regelungsbedarf anspricht, zum Beispiel bei den Feinstaubemission, und daraus die Notwendigkeit einer Landesgesetzgebung ableitet, wird es problematisch. Was zu dieser Problematik im Gesetzentwurf steht, rechtfertigt das ganze Unternehmen bei Weitem nicht. Der Kern des Gesetzes ist die Modernisierung der Lärmschutzbestimmungen für die Metropole Berlin. Dafür hätte eine Modernisierung der geltenden landesrechtlichen Verordnung genügt.

An der Vorlage des Gesetzes zeigt sich aber eine Grundsatzproblematik des Föderalismus. Die Möglichkeit, parallel zur Bundesgesetzgebung zum gleichen Regelungssachverhalt als Landesgesetzgeber tätig werden zu können, leistet dem deutschen Regulierungswahn Vorschub, ja lädt geradezu dazu ein. So wird auch wieder mit diesem Gesetz überreguliert. Und das kritisieren wir. Denn das, was in den Entwurf eingegangen ist, ist teilweise hochproblematisch. Die IHK hat in einer schriftlichen Stellungnahme Kritikpunkte benannt und auch in der Anhörung vorgetragen. Das wurde von Ihnen, liebe Kollegen von der Koalition und der Mehrheit, gänzlich ignoriert. – Ich spreche nur zwei der Kritikpunkte an: Der eine betrifft die Ausdehnung des Vorsorgeprinzips auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Das sieht das Bundesgesetz nicht vor. Sie aber schreiben das ins Landesgesetz hinein.

Das wird zu einer Ausweitung des Bürokratiewahns führen. – Der zweite Punkt ist der vom Kollegen Buchholz zitierte Grundsatz der Verpflichtung, wonach ein jeder dafür zu sorgen hat, dass die Immissionsschutzpflichten auch von seinen Auftragnehmern eingehalten werden.

[Buchholz (SPD): Gut so!]

Nein, das können Sie gar nicht! Wenn Sie einen Handwerker beauftragen, eine Arbeit auszuführen, haften Sie mit dafür, dass er die Immissionsschutzpflichten einhält – das können Sie gar nicht, das ist nicht praktikabel. Sie haben nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass dieser Punkt kritisiert wurde.

Herr Kollege Hahn! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz?

Ja, gern!

Bitte schön, Herr Buchholz!

Herr Hahn! Ist Ihnen bekannt, dass die Industrie- und Handelskammer zu Berlin den Gesetzentwurf vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung gelobt hat? Wie passt das damit zusammen, dass Sie betonen, dass die Wirtschaft so belastet würde?

Wenn Sie die Vorlage gelesen hätten, Herr Buchholz, würden Sie festgestellt haben, dass die IHK gesagt hat, das Gesetz gehe bezüglich der Lärmschutzzeiten in die richtige Richtung, es schaffe Erleichterung, aber es blieben problematische Punkte im Gesetz selbst zurück. Diese Punkte sind so problematisch, dass sie uns dazu führen, das Gesetz in Gänze abzulehnen.

[Beifall bei der FDP]

Die Grundsatzproblematik, die sich darüber hinaus hier zeigt, ist diese Art des Gesetzemachens, dass Sie auch in diesem Gesetzesvorhaben die Dinge, die kritisiert werden, nicht aufgreifen und bessern und berechtigte Kritik nicht zur Kenntnis nehmen.

Das müssen wir Ihnen sagen, liebe Kollegen: Nach der Art darf man im Land Berlin nicht länger Gesetze machen. Das ist Wurstmachen. Beim Wurstmachen wollen wir von der FDP Ihnen nicht die Hand reichen.

[Doering (Linkspartei.PDS): Selbst Wurst machen können Sie nicht!]

Da fordern inzwischen schon die Verbraucherschutzbestimmungen mehr Transparenz als es beim Gesetzemachen gibt. – Bei dieser Art und diesem Gesetz kommt nichts Gutes für das Land Berlin heraus. Deswegen lehnen wir es ab. – Schönen Dank!

[Beifall bei der FDP]