Es gehört zu den Vertragsbedingungen von PISA, dass wir die Schulen, die teilgenommen haben, nicht veröffentlichen dürfen. Es sagt im Übrigen auch nichts über die Schule als solches aus: Es sind 15-Jährige, und es ist eine Systemstudie.
Ich habe mir angeschaut, welche Schulen in Berlin ausgewählt wurden. Wir haben einen sehr hohen Quotienten, mehr als Bayern übrigens, um die Differenziertheit auszubilden. Das ist übrigens exakt gelungen, auch bei dem Migrantenanteil. Ich bin mehr als überrascht über das, was bei den Kompetenzen herausgekommen ist. Diese Ergebnisse bei den Berliner Gymnasien habe ich nicht erwartet.
Wir müssen uns mit diesen Ergebnissen auseinander setzen, auch in den Gymnasien. Das ist auch möglich. Die Hauptaufgabe liegt nach meiner Einschätzung darin, dass wir die Didaktik und Methodik in den Gymnasien verbessern, insbesondere für den Mathematikunterricht. Da kann man durch Fort- und Weiterbildung einiges tun. Die Schulen sind hier bereits auf dem richtigen Weg.
Generell gilt für die Berliner Schule, dass jede Unterrichtsstunde pünktlich zu beginnen hat. Es ist nicht hinzunehmen, dass 30 % der Schüler angeben, in den letzten 14 Tagen zu spät gekommen zu sein. Der pünktliche Beginn setzt voraus, dass die Lehrerin bzw. der Lehrer da ist und dass in der Schule ein Klima herrscht, das den Schülern verdeutlicht, dass Unterrichtsteilnahme etwas über das Interesse an Bildung aussagt und entsprechend benotet wird. Dies kann man ohne zusätzliches Geld erreichen. Diese kulturelle Leistung ist von der Schule eigenständig zu erbringen.
Zum Zweiten, bezüglich der Aktivitäten der Schule: Hier kann ich den Vorwurf an die Bildungsverwaltung nicht nachvollziehen. Es zeigt sich, dass nur gut 30 % aktiv sind und sagen, wir sind belastet und aktiv. Das heißt, sie nehmen also teil an den Prozessen. Hier sind übrigens die Schulleiterinnen und Schulleiter selbst befragt worden. Wenn sie sich selbst attestieren, dass sie passiv sind, obwohl es Probleme gibt, dürfen sie nicht mit dem Finger auf die Bürokratie zeigen, sondern müssen sich auf den Weg machen, wie dies bereits viele andere Lehrerinnen und Lehrer tun. Es ist nicht akzeptabel, sich zurückzulehnen und nichts zu tun.
Eine solche Systemstudie gilt es als Gesamtheit wahrzunehmen. Wir sollten uns aber hüten, alle pauschal in
eine Richtung zu drängen. Nach meinem Eindruck ist die Berliner Schule in ganz weiten Teilen auf einem gemeinsam getragenen, nicht einfachen und durchaus konfliktreichen, aber energischen Reformweg. Das sollten wir gemeinsam unterstützen.
Im Übrigen will ich auch nicht der Kontroverse ausweichen, die es ganz offensichtlich gibt: Die CDU hat nach Kurzstudium des PISA-Werkes – also ohne lange Lesekompetenz – bereits verlauten lassen, es gebe in Berlin ein Discount-Abitur. Da könnte ich erst einmal zu den Damen und Herren der CDU sagen: Lieber Kollege Steffel, willkommen im Club! Sie haben doch in Berlin Abitur gemacht.
Ich habe nicht in Berlin Abitur gemacht. Ich bin deshalb nicht besser. Herr Lindner war auch woanders.
Schön, dass Sie das gemacht haben! Sehen Sie, nach einem Discount-Abitur kann man auch promovieren. Dann sagen Sie doch bitte Ihrer schulpolitischen Sprecherin, Sie soll aufhören, Berliner Abiturienten zu diffamieren!
Und wer Lesekompetenz fordert, soll erst einmal die Studie lesen: Es sind gar keine Abiturienten getestet worden, sondern 15-Jährige.
Frau Dr. Laurien ist mir wichtig und wird von mir hoch geschätzt. Aber auch sie hat bestimmte Dinge nicht geändert, die wir jetzt ändern. Doch darum geht es jetzt nicht. Ich schätze sie auf jeden Fall sehr. Frau Dr. Laurien hatte übrigens eine andere Position als Sie: Sie wollen die frühzeitige Aufteilung ab Klasse 4. Jedenfalls habe ich Sie so verstanden. Frau Dr. Laurien wollte das in ihrer Amtszeit nicht. Wenn Sie das Elternwahlrecht abschaffen wollen, dann sagen Sie das der Berliner Bevölkerung! Wir wollen das nicht. Und dann werden wir sehen, wie sich die Mehrheit in dieser Stadt entscheidet. Das ist ziemlich einfach.
die Berliner Gymnasien hätten meistens Schüler und Schülerinnen, die gar keine Gymnasialempfehlung hätten. Das stimmt überhaupt nicht. Im Übrigen gibt es ein Pro
behalbjahr und nach dessen Ablauf können sich die Gymnasien auch von Schülerinnen und Schülern trennen,
wenn sie glauben, dass es nicht geht. Das ist nie ein guter Weg. – Aber, wie gesagt, manche Behauptungen stimmen überhaupt nicht, und deshalb bin ich gegen diese Pauschalmethoden.
Ich bin auch gegen die einfache Methode, lieber Kollege Mutlu, zu sagen: Wir haben Probleme in den Hauptschulen, also schaffen wir die Hauptschulen ab, legen sie mit Realschulen zusammen, und schon sind die Probleme gelöst!
Diese einfache Nummer ist nun wirklich nicht richtig. Die bringt uns nicht weiter. Sie wissen es, Herr Kollege Mutlu: Die Hauptschulen haben tatsächlich einen schwierigen Stand und eine Schülerklientel, die vielfältig benachteiligt ist und eine große Herausforderung darstellt. Und wir haben auch ein Jahrzehnt lang manche Ressourcen dorthin gegeben, aber nie gefragt, welche Abschlüsse erreicht wurden. Das kann man nicht so belassen. Es ist höchste Zeit, auch dort klare Verbindlichkeiten zu formulieren und zu fordern. Und die Hauptschulen sind auch bereits auf diesem Weg.
Ich bin nicht borniert oder bemühe mich jedenfalls, es nicht zu sein: Wenn es von der Basis her Möglichkeiten und Chancen gibt, Haupt- und Realschulen zu verbinden, dann werde ich das nicht unterbinden, sondern werde sagen: Ja, lasst uns das zusammen machen, aber bitte immer mit der Hauptorientierung darauf, die Qualität des Unterrichts und die Schülerinnen und Schüler zu einem besseren Ergebnis zu führen! Nicht etwas zusammenwerfen, was gar nicht zusammen will – mit riesigem Ärger –, sondern zusammenführen, wenn es geht!
Die Hauptschulen sind in einem großen Reformprozess, und ich habe großen Respekt vor denjenigen, die sich auch dieser nicht einfachen Schülerklientel stellen. Davor ziehe ich täglich meinen Hut.
Genauso, lieber Kollege Mutlu, sage ich zur Integrationsarbeit: Hüten wir uns davor, alles in Bausch und Bogen zu verdammen! Es läuft unglaublich viel. Es beginnt in den Grundschulen. Wir haben bewusst den Ausbau der Ganztagsgrundschulen schwerpunktmäßig in die Bereiche gelegt, die zu den „soziale Stadtquartieren“ zählen. Wir haben das Quartiersmanagement, soziale Stadtentwicklung und Schule miteinander verbunden. Wir haben versucht – und werden das fortsetzen –, Nachbarschaft in der Schule zu organisieren und die Eltern zu interessieren.
Ich habe großen Respekt vor allen Organisationen der Migranten. Ich rede laufend mit ihnen. Sie sind ungeheuer wichtig. Sie haben meinen Respekt und meine Anerkennung. Ich habe aber auch Forderungen an die Menschen, die hier bei uns sind und auch bleiben sollen, weil ich
will, dass sie ihre Chancen in dieser Stadt verbessern können. Das ist eine schwierige Aufgabe, bei der man am besten – da haben Sie Recht – mit der Kitabildungszeit beginnt. Und sie wird dann noch schwieriger, wenn von den Elternhäusern nahezu null Unterstützung kommt und man auf keinerlei Interesse trifft, damit wenigstens das Kind die Sprache dieses Landes lernt. Das heißt ja nicht, dass das Kind die Muttersprache verlieren soll. Aber schon um diese Ermutigung müssen wir gemeinsam ringen – um noch mehr Menschen davon zu überzeugen.
Am Ende meine ich sagen zu können: Dieser Schock war für Berlin heilsam. Die eingeleiteten Reformmaßnahmen sind richtig. Wir brauchen Ausdauer und Konsequenz. Und ich wäre ein schlechter Bildungspolitiker, wenn ich nicht noch eine Weisheit anführen würde: Frühzeitig in diese Fragen zu investieren, das ist immer preiswerter, als später sehr teuer zu reparieren. – Vielen Dank!
Wir kommen jetzt zur zweiten Rederunde. – Frau Jantzen hat das Wort und eine Redezeit von fünf Minuten. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht angebracht, angesichts der Ergebnisse von PISA in die Gewohnheit zu verfallen, entweder alles schwarz oder alles weiß zu malen. Ich finde es etwas bedauerlich, wie das hier teilweise geschehen ist. Auch wenn man etwas kritisiert, bedeutet das nicht, dass alles schlecht ist, was läuft.
Die Probleme, die wir in den Schulen haben, kennen wir nicht erst seit der ersten PISA-Studie. Die PISAStudie vergleicht uns mit anderen Ländern, und wir haben darin schlecht abgeschnitten. Aber die Zahl der „Schulschwänzer“, der Unterrichtsausfall, der Anteil von 20 % an Kindern ohne Schulabschluss – bei Migrantenkindern sogar ein Anteil von 38 % –, diese Tatsachen sind nicht erst seit PISA bekannt. Deswegen waren Schulreformen schon vor PISA nötig, sie waren nach PISA nötig, und sie sind eingeleitet worden. Darin sind wir uns einig, und viele der Reformen haben wir auch unterstützt. Sie sind richtige Schritte, um die Kinder besser zu fördern und die Qualität des Unterrichts in den Schulen zu verbessern.
Das Bildungsprogramm in Kitas – das ist richtig und gut. Aber, Herr Böger, wir wissen auch, dass die Bedingungen in den Kindertageseinrichtungen noch nicht so optimal sind, dass man das dort tatsächlich umsetzen kann. Die Multiplikatoren für die Umsetzung des Bildungsprogramms sind die Leiter und Leiterinnen in den Kitas. Sie werden fortgebildet, um das zu machen. Ich erinnere daran, dass die Freistellung für diese Aufgaben gekürzt wurde. Insofern besteht noch eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit – auch in Bezug auf die Unterstützung, die der Senat dort leistet.
Die Reformschritte sind aufgeführt worden. Nehmen wir als Beispiel die flexible Anfangsphase und den Aus
bau der Ganztagsangebote an den Grundschulen! Wir haben ein Leitbild vorliegen, wie diese offene Ganztagsgrundschule aussehen soll, und da stehen wunderbare Sachen drin: Die Schule soll sich zum Stadtteil hin öffnen. Sie soll mit anderen kooperieren. Es sollen andere Professionen in die Schule kommen – Künstler, Vertreter aus den Musikschulen. Es soll alles in dieser Schule angeboten werden. Aber, Herr Böger, wir stellen dann fest, dass diese Kooperationen nicht so einfach möglich sind. Zum einen wird in der Kinder- und Jugendhilfe gekürzt, d. h. einige der Partner sind nicht ausreichend finanziert. Zum anderen fehlen die entsprechenden Vereinbarungen, und es gibt offensichtlich ziemlich viel Verwaltungsaufwand, um solche Kooperationen überhaupt zu ermöglichen. Da wird viel Zeit in Kooperationsvereinbarungen, in Bürokratie und die Beschaffung von Geld investiert, und diese Zeit geht den Kindern vor Ort in den Schulen verloren, weil die betreffenden Personen keine Zeit haben, mit den Kindern etwas in der Schule zu machen, und das ist bedauerlich.