Warum nicht den Neubau in Düppel auf 300 Plätze erweitern, warum nicht andere brach liegende Flächen für ähnliche Bauweisen wie in Düppel zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen nutzen? Die Kosten würden pro Haftplatz nur ca. 50 000 € statt 140 000 € betragen.
Ähnlich fällt die Prüfung aus, ob man Tegel noch einmal ausbauen sollte. Wir haben im Hauptausschuss und im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangele
genheiten, Immunität und Geschäftsordnung die Frage gestellt, welche Kosten auf das Land zukämen, wenn man statt eines Neubaus 300 Plätze in Tegel aufstocken würde. Die Antwort war immer gleich: Das ist nicht verwaltbar. – Wir haben nur nach den Kosten gefragt. Wir sind ein Land in einer extremen Haushaltsnotlage, und da muss es möglich sein, zumindest Gegenrechnungen zu machen, was sinnvoller ist. Was weniger sinnvoll ist, kann man anschließend auch vor dem Hintergrund prüfen, was verwaltbarer ist.
Die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen in den Anstalten ist immer noch sehr hoch. Der Aufwand für diese Inhaftierten steht oft in keinem Verhältnis zu den zu Grunde liegenden Tagessätzen. Es müssen Alternativen unter Berücksichtigung des staatlichen Strafanspruchs zu den bisherigen Verfahren gefunden werden. Mit der kompletten Herauslösung des Bereichs Ersatzfreiheitsstrafe aus dem gewöhnlichen Justizvollzug und der vollständigen Unterbringung in einer eigenen, möglicherweise weniger gesicherten Vollzugsanstalt ließen sich etliche Haftplätze in den bestehenden Justizvollzugsanstalten frei machen. Das haben wir immer wieder eingefordert.
Die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, insbesondere mit dem Land Brandenburg, muss dringend erweitert werden. Warum gibt es keine Zusammenlegung des Justizvollzugs nach dem Vorbild der Fusion der gemeinsamen Obergerichte? Die JVAs in Brandenburg sind nicht vollständig belegt. In einer Ihrer letzten Drucksachen, in der Sie versuchen, einen Neubau zu rechtfertigen, wird darauf hingewiesen, dass in Brandenburg die Belegung derzeit bei 86 % der Kapazität liegt. Hier wäre eine kurzfristige Möglichkeit zum Abbau der Überbelegung in Berlin gegeben.
Wir hoch sind die Entlastungspotentiale der Berliner Justizvollzugsanstalten bei verstärkter Haftverbüßung im Heimatland? – In den Berliner Justizvollzugsanstalten sitzen zahlreiche ausländische Mitbürger für einen sehr langen Zeitraum. Mehr als 30 % der Berliner Inhaftierten sind nichtdeutscher Herkunft. Die Möglichkeit der Haftverbüßung im Ausland wurde in der Vergangenheit zu wenig genutzt, auch weil die Rahmenbedingungen hierfür nicht in ausreichendem Maß bestanden. Gerade auf europäischer Ebene ist hierbei mittlerweile einiges in Bewegung. Bis heute gibt es keine Berechung der Senatsverwaltung über die Entlastungsmöglichkeiten einer verstärkten Haftverbüßung im Ausland. Heute haben Sie erstmalig erwähnt, dass es hierzu Berechnungen gibt. Legen Sie diese Berechnungen vor! Machen Sie eine Gegenrechnung mit den anderen Möglichkeiten, den Zweidrittelentlassungen und Ersatzfreiheitsstrafen!
Insbesondere müssen wir uns die Optimierungspotentiale betrachten, die wir im Berliner Justizvollzug haben.
Das muss analysiert werden. Seit Jahren wird zwischen den Anstalten und den freien Trägern über den Prozess und Durchlaufoptimierungen im Vollzug gestritten. Es fehlt eine sachliche, objektive Durchlaufanalyse, die die Problemfelder im Justizvollzug aufzeigt und Behinderungen in der Kette – Untersuchungshaft, geschlossener Vollzug, offener Vollzug und der Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung – abstellt.
Die Frage, ob ein Neubau unumgänglich ist, dürfte eigentlich erst zuletzt gestellt und beantwortet werden, nachdem alle anderen Möglichkeiten zur Entlastung geprüft und umgesetzt wurden. Der Senat geht den einfacheren Weg. Statt das vorhandene System zu warten, wird einfach dazugekauft. Das kostet zwar mehr Geld, ist aber weniger arbeitsintensiv und risikoärmer. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis für diesen Senat, sondern es wird uns als ein Punkt unter dem Stichwort „extreme Haushaltsnotlage“ immer wieder in Karlsruhe vorgeworfen werden, dass wir uns in solchen Fragen vor schwierigen Lösungswegen drücken und lieber den einfacheren Weg gehen und damit mehr Geld ausgeben.
Danke schön, Herr Kollege Meyer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.
Zum Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/4169 – neue Denkweisen statt neuer Knäste – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich mit den Stimmen von SPD, CDU und Linkspartei.PDS gegen die Stimmen der Grünen und der FDP, der Hauptausschuss mit den Stimmen von SPD und Linkspartei.PDS gegen die Stimmen der FDP und bei Stimmenthaltung der CDU und der Grünen, die Ablehnung. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP und die Grünen. Gegenprobe! – Das sind die Regierungsfraktionen. Letztes war die Mehrheit, so dass der Antrag abgelehnt ist. Die CDU enthält sich.
Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra Drs 15/4348 Antrag der SPD und der Linkspartei.PDS Drs 15/4228
Zur Drucksache 15/4228 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP, der Fraktion der CDU und der Grünen vor, nämlich die Drucksache 15/4228-1.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Tromp, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Koalition ist in einem Punkt grundsätzlich zu begrüßen, nämlich dass man das Internet nutzen will, um über die Europapolitik bzw. die Maßnahmen der Verwaltung zusätzlich zu berichten. Der ersatzlose Wegfall eines schriftlichen Europaberichts ist dagegen abzulehnen, weil dabei ignoriert wird, dass nicht jeder Bürger einen Computer bzw. einen Internetzugang hat. Wer über seine Europapolitik informieren will, sollte zumindest einmal im Jahr schriftlich darüber berichten.
Aus meiner Sicht ist der wesentliche Punkt an dem Antrag, dass die Koalition versuchen will, eine politische Debatte über ihre Europapolitik gänzlich auszublenden, indem sie im Abgeordnetenhaus noch nicht einmal mehr einmal im Jahr einen grundsätzlichen Bericht vorlegen will. Gestern hat sie im Ausschuss – deshalb die beiden dringlichen Anträge – deutlich gemacht, dass sie mit uns nicht darüber diskutieren will, wie ihre Positionen sind, wenn in Brüssel neue Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht werden. Sie will mit uns auch nicht darüber diskutieren, wie ihre politischen Prioritäten sind, wenn EURichtlinien im Land Berlin umzusetzen sind. Eine Koalition, die sich aus der Debatte über ihre Politik entziehen will, stellt sich ein Armutszeugnis aus.
Das geschieht auch vor dem Hintergrund – das dürfte Ihnen nicht entgangen sein –, dass die Föderalismusreform wahrscheinlich kommt und dass die Länder noch mehr Verantwortung bekommen. Bei EU-Richtlinien ha
ben sie dann größere Umsetzungspflichten, aber auch größeren Gestaltungsspielraum. Aus meiner Sicht ist es dann umso nötiger, dass man vor Ort darüber offen diskutiert und versucht, den richtigen politischen Weg zu finden.
Das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass mittlerweile 80 % aller neuen Gesetze, die in der Bundesrepublik Deutschland und ihren Ländern verabschiedet werden, ihren Ursprung in Brüssel haben.
Nicht weniger, sondern mehr Diskussionen werden in Zukunft nötig sein. Deswegen unterstützen wir den Änderungsantrag, den wir gemeinsam mit der FDP und den Grünen vorgelegt haben. Er nimmt das auf, was wir bezwecken, nämlich eine ausführliche Berichterstattung im Internet. Aber er fordert auch, dass Sie sich weiterhin der politischen Debatte stellen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Tromp! – Für die Fraktion der Grünen hat nun Frau Paus das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wollen offensichtlich weder Berichte noch Debatten. Wir sind jetzt im vierten Jahr Rot-Rot, und eines ist inzwischen zum erlittenen Allgemeingut in dieser Stadt geworden: Eine Europapolitik – zumindest eine sichtbare – gibt es im Berliner Senat nicht mehr. Da kann man dann natürlich die Konsequenz ziehen, dass man dann auch keine Berichterstattung mehr über europapolitische Aktivitäten des Senats braucht, dass man sie gleichfalls abschaffen kann. Das entspricht der Regierungslogik, völlig klar: Erst macht man nichts, und dann sorgt man dafür, dass nicht darüber diskutiert werden kann.
Wir sagen: Das schadet der Stadt. Herr Tromp hat die richtigen Stichworte bereits genannt. Deshalb ist es schlichtweg nicht akzeptabel.
Ich rede davon, dass dieses Parlament keinen Bericht mehr zur Europapolitik erhalten soll. Der allgemeine Bericht ist abgeschafft, im Internet kann der Senat machen, was er will. Er kann alles mögliche erklären. Ich kann mir im Internet etwas aus Brüssel, aus San Fransisco oder Tokio holen, aber hier in diesem Parlament gibt es keine Rechenschaft des Senats zum Thema Europapolitik.