Protocol of the Session on October 27, 2005

Der vorliegende Antrag ist in einem guten Sinne populistisch. Wir wollen, dass der Zugang von Fußball für Millionen von Fußballenthusiasten erhalten bleibt, also auch für die allein erziehende, möglicherweise arbeitslose Mutter, um die sich die Berliner CDU – wenn ich richtig verstanden habe – besonders kümmern möchte. Auch deren Kinder sollen weiter Fußball gucken können. Aber das ist schwer, schaut man sich an, was man bei Premiere zu zahlen hat: 14,90 € monatliche Grundgebühr, dazu für Premiere Fußball live einen Zusatzobolus, macht insgesamt 35 €. Das zur Rundfunkgebühr, die es ohnehin schon gibt. Fußballgucken kann in Deutschland richtig teuer werden. Wir wollen das verhindern. Indem wir diese Diskussion zeitig beginnen und hoffen, viele Leute zu erreichen, ist es auch möglich, das zu verhindern. So pessimistisch wie Sie, Herr Braun, bin ich nicht. Ich weiß, dass

wir nicht bei „Wünsch dir was“ sind, aber an dieser Stelle sollte etwas machbar sein.

Natürlich weiß ich, dass es um viel Geld geht. Sehen wir uns einmal Premiere an. Herr Kofler hat, seitdem er Fußballberichterstattung live ausstrahlt, 50 % mehr Zuschauer und damit auch mehr Zahler. Er hat eine Erhöhung des Umsatzes um 22 %, 20 % der Einnahmen allein stammen aus den Fußballübertragungen. Er hofft zudem auf weitere Gewinne, logisch, diese Erwartung geht mit dem Kauf der Fußballübertragungsrechte einher. Dies gelingt aber nur, wenn die Direktausstrahlung der gesamten Bundesliga erfolgt und die Exklusivrechte bei Premiere liegen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk erst wesentlich später berichten darf, ab 22 Uhr. Das ist alles legitim, wir haben aber ein anders Anliegen: Wir wollen die Nutzer unterstützen, die breite Masse. Wenn heute Premiere für 3,3 Millionen Nutzer zugänglich ist, gibt es noch ein großes Potential, das im Free-TV schauen möchte. Genau diese Personengruppe wollen wir schützen. Ich gebe zu, Profifußball ist nicht unbedingt das, was ich mir ständig im Fernsehen ansehe, es gibt genug Dinge, die dagegen sprechen: Millionenverdienste für mäßige Leistungen einiger weniger Spieler, der Schiedsrichterskandal um Hoyzer, fehlende Dopingkontrollen, nationalistische Sportkommentatoren,

[Ritzmann (FDP): Was? – Henkel (CDU): Wieso, Heinz Florin Oertel kommentiert doch gar nicht mehr!]

Geschichten um alte Herren wie Maier-Vorfelder, das alles ist eher erschreckend und abschreckend beim Profifußball. Aber Millionen Menschen sehen das anders und wollen weiter Fußball gucken. Deshalb muss man sich für Fußball als Volkssport weiter einsetzen. Der Nachwuchsfußball hat enormen Zulauf.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Braun?

Wenn es nicht von meiner Redezeit abgeht, bitte.

Es geht nicht von der Zeit ab, kein Problem. – Bitte schön, Herr Braun!

Frau Dr. Hiller! Ich überlege die ganze Zeit, was eigentlich der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Populismus ist. Können Sie mir das kurz erläutern?

Das erkläre ich Ihnen einmal extra, das passt jetzt nicht. Das, was ich mache, ist guter Populismus.

[Heiterkeit]

Sie wollten mich aus dem Konzept bringen. Das ist Ihnen gelungen.

Wenn das Geld in den Nachwuchsfußball fließen würde oder in eine neue Tribüne für den 1. FC Union Ber

lin, wäre es schön. Aber das wird es nicht. Fußballer sind Idole für Jugendliche, das muss man weiter nutzen. Das will ich auch weiter unterstützen. In diesem Sinn hat Fußball viele gute Seiten und ist auch ein Sport zur körperlichen Leistungsertüchtigung, das soll nicht unter den Tisch gekehrt werden. Wenn sich der Deutsche Fußball-Bund weiter um Frauenfußball, Nachwuchsförderung und Fußball für alte Herren am Sonntagnachmittag kümmert, soll er das tun. Denn das alles gehört zum Fußball dazu und nicht nur der Profifußball mit seinen negativen Auswüchsen. Wir wollen im Ausschuss darüber streiten, worauf ich mich freue. Diese Willensbekundung, die wir mit dem Antrag lediglich machen können, und die der Regierende Bürgermeister in die Diskussion mitnehmen kann, sollten wir abgeben. In diesem Sinn hoffe ich auf eine interessante Diskussion. Um mit Trappatoni abzuschließen: Habe fertig!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Hiller! – Der Ball ist gerade in den grünen Bereich gerollt und wird von Frau Ströver aufgenommen, die das Wort hat. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte jetzt noch fragen, ob es einen geschlechtsspezifischen Populismus gibt, also den für die Männer und den für die Frauen. Ich jedenfalls bekenne: Auch ich bin für Fußball. Die Millionen Zuschauer setzen sich nicht nur aus Vertretern des männlichen Geschlechts zusammen.

[Pewestorff (Linkspartei.PDS): Erfolgreicher Frauenfußball!– Henkel (CDU): Sehr gut!]

Ja, Weltmeisterinnen, ich weiß es. Sehen Sie, den Test habe ich bestanden.

[Henkel (CDU): Die Frauen haben es schon geschafft!]

Genau, so weit müssen die Männer erst noch kommen.

Aber nun zum Antrag: Einen ernsten Kern hat der Koalitionsantrag wirklich. Es ist erfreulich, dass die Koalitionsfraktionen erkennen, wie wichtig der Schutz bestimmter Programme außerhalb des Bezahlfernsehens ist. Ich wünsche mir allerdings, dass das auch für andere informationsorientierte Programme gilt. Natürlich ist dieser Antrag in erster Linie ein Notantrag, weil die Verhandlungen bereits laufen und Sie mit diesem Ansinnen viel zu spät kommen. Sie kommen auch deshalb zu spät, Herr Zimmermann, weil ich mich noch sehr gut erinnere – Sie wahrscheinlich auch –, dass wir als Fraktion den Schutz der Bundesliga im freien Fernsehen bereits in einem Antrag gefordert haben. Da jedoch standen Sie auf der Seite derjenigen, die diesen Antrag abgelehnt haben. Aber späte Einsicht ist besser als keine und deshalb unterstützen wir das Anliegen.

Was ich allerdings nicht verstehe, Frau Dr. Hiller und Herr Zimmermann, ist, warum wir über diesen Antrag nicht jetzt gleich abstimmen. Es ist hohe Zeit dafür, dass

wir sagen: Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Gehen Sie in die Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten und ändern Sie § 5a des Rundfunkänderungsstaatsvertrages, damit das Recht der freien Berichterstattung für den Bereich Fußball als ein wichtiges Informationsgut auch erhalten bleibt!

[Dr. Lindner (FDP): Wollen Sie ihn blamieren?]

Nein. Ich glaube, das ist keine Blamage. Im Vorfeld der Fußball-WM muss man sagen, dass es sich dabei um ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis handelt. Für Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung besteht ein Informationsrecht im freien Fernsehen. Deshalb wäre es gut, man würde in diese Richtung wirken.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Um Gottes willen!]

Ich nenne Ihnen noch ein zweites Argument, weshalb dies aus meiner Sicht richtig ist: Die Deutsche Fußball Liga und die 36 Profivereine, die sich darin vereinigt haben, haben ein anderes als nur das rein kommerzielle Interesse zu haben. Hier muss man von staatlicher Seite entgegenwirken und deutlich machen, dass es so nicht weitergeht. Wir können wahrscheinlich nicht die Kommerzialisierung des Fußballsports verhindern, aber dort, wo es um das Informationsrecht der Bevölkerung geht, schreiten wir ein und versuchen von gesetzgeberischer Seite, der reinen Kommerzialisierung vorzubeugen. Man muss sich einmal Folgendes vergegenwärtigen: Die FußballBundesligaspiele werden auf Wunsch der Japaner – zumindest wird das gerade diskutiert, die Kenner unter Ihnen werden es wissen – zeitlich so auseinandergezogen, dass bestimmte Fußballereignisse im japanischen Fernsehen live übertragen werden können.

[Ritzmann (FDP): Japaner haben auch Rechte!]

Darüber wird derzeit diskutiert, und so sollen dann auch dort die Bundesligaspiele vermarktet werden. Hier im Land jedoch sollen dieselben Spiele nicht mehr im freien Fernsehen empfangbar sein.

[Dr. Lindner (FDP): Wer sagt denn das?]

Das ist doch absurd, und ich hoffe sehr, dass wir dieser Entwicklung etwas entgegen setzen.

[Dr. Lindner (FDP): Was reden Sie denn da?]

Deshalb ist es richtig, dass wir zu einer Beschlussfassung kommen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Seelig (Linkspartei.PDS)]

Der dritte Punkt ist, wie weit – deshalb, Herr Zimmermann, kann man es nicht nur auf die Frage Free-TV oder Nicht-free-TV reduzieren – die Abzocke der Deutschen Fußball Liga um die Fernsehübertragungsrechte überhaupt geht. Auch hier gibt es aus meiner Sicht eine Grenze. Hier müssen sich die politisch Verantwortlichen vergegenwärtigen, dass die Gesamtentwicklung der Medien nach Qualitätskriterien zu befördern ist. Es ist nicht im Sinne des Erfinders, wenn die öffentlich-rechtlichen Anstalten irrsinnig viel Geld dafür aufwenden, um die

Fußballrechte zu erwerben und auf der anderen Seite den Nachmittag mit Telenovela à la „Sturm der Liebe“ füllen. Diese Frage gehört in den Kontext des Gesamtauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gerade heute habe ich gelesen, dass innerhalb des ersten Fernsehprogrammes der Kulturanteil im Rahmen des Gesamtangebots der ARD noch ganze 2,7 % ausmacht. An dieser Stelle kommen wir zur Kerndiskussion: Wie viel geben wir für Fußball aus, und wie viel geben wir für das aus, wofür der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch da ist? Da ist aus meiner Sicht die Zuständigkeit für den Sport wie auch für die Kultur.

Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss: Ja zur freien Berichterstattung, Herrn Kofler und seinem Sender Premiere wollen wir nicht die exklusiven Fußballrechte überlassen. Kurzberichterstattung ist nur ein notwendiger erster Schritt, aber insgesamt werden sich hoffentlich die öffentlich-rechtlichen Anstalten weiter um die Fußballbundesligaberichterstattung im freien Fernsehen bemühen, aber nicht um jeden Preis.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Seelig (Linkspartei.PDS)]

Danke schön, Frau Kollegin Ströver! – Nun hat die FDP das Wort. – Herr Kollege Dr. Lindner, bitte schön!

[Gaebler (SPD): Himself? – Ritzmann (FDP): Er ist der medienpolitische Sprecher! – Doering (Linkspartei.PDS): Er guckt auch gerne fern!]

Das war jetzt der verfeinerte Populismus von der Kollegin Ströver, nicht nur im Free-TV, sondern auch noch zu günstigen Preisen, das war die verfeinerte Variante.

[Gaebler (SPD): Das sagt der Antipopulist!]

Nein, Herr Gaebler, vom Populismus verstehe ich ein bisschen etwas.

[Allgemeine Heiterkeit und Beifall]

Der Populismus, Herr Gaebler, muss dann aber auch gut gemacht werden.

[Frau Dr. Hiller (Linkspartei.PDS): Auch der grobe muss gut gemacht werden!]

Das ist hier das Problem. Er ist hier vielleicht gut gemeint, aber hundsmiserabel gemacht.

[Schruoffeneger (Grüne): Hier spricht der Profi!]

Es gibt gar keinen Anlass. Sie haben selbst gesagt, es habe in Premiere einmal eine Übertragung gegeben. Das Projekt ist letztlich – so wie es damals gemacht wurde – gescheitert. Warum? – Weil die Bundesliga ein ureigenes Interesse auf eine Massenvermarktung hat. Fußball, Frau Ströver, ist ein Massensport,

[Frau Ströver (Grüne): Ach!]