Protocol of the Session on August 18, 2005

Ja, das war unter der großen Koalition! – Beim Verkauf dieses Grundstücks, das dem Land nicht gehörte, wurden dem potentiellen Investor alle Mittel in die Hand gegeben.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Da gab es auch eine grüne Senatorin mit grüner Staatssekretärin!]

Diese Mittel hat er auch weidlich ausgenutzt, und zwar zum Nachteil des Tränenpalasts. Dieser Käufer hatte den Knebel in der Hand, und den hat er auch eingesetzt.

Die Tränenpalastbetreiber sollten nach unserem Wunsch unbedingt als Kulturveranstalter an diesem Ort bleiben,

[Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Lehmann-Brauns (CDU)]

denn damit würde auch dem historischen Ort ein Schutz bewiesen werden, der oft genug durch Aufhebung des Denkmalschutzes – der mit diesem Ort als der ehemaligen Grenzabfertigungshalle auch verbunden ist – missachtet worden ist. Wir wissen ja, wie mit dem Denkmalschutz Schindluder getrieben wird. Deswegen war es wichtig, den aktiven Betrieb des Tränenpalasts zu sichern, ein Umstand, der den Senat in seinem Handeln nicht interessierte.

Jetzt muss man sich fragen, warum der Senat dem Investor des Nachbargrundstücks die Kaufoption zum Erwerb des Tränenpalasts gleich mit übertragen hat und damit den Kulturstandort als solchen riskiert. Das ist das,

was über allem steht, und wir fragen uns heute noch, warum man das gemacht hat. Wir hingegen haben mit unserem Antrag gesagt: Die alten Fehler sind nicht zu korrigieren, aber an dieser Stelle könnt ihr wenigstens den Kulturbetrieb durch einen langfristigen Mietvertrag sichern. – Aber der Senat und mit ihm das Abgeordnetenhaus in seiner rot-roten Mehrheit hat sich geweigert, diesen langfristigen Mietvertrag zu unterschreiben und damit den Tränenpalast auf Dauer zu erhalten. Wir finden, dass das ein Skandal ist. Das hat nichts mit einer Kulturwirtschaftsinitiative zu tun, sondern ist einfach nur ein Wegdrängen eines Veranstaltungsbetreibers, der hier seit vielen Jahren wirtschaftet.

[Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Lehmann-Brauns (CDU)]

Ich denke, dass Sie es mit der Förderung der Kulturwirtschaft eben nicht ernst meinen, sondern dass das, was sich mit einem Investor und seinem Bauprojekt verbindet, immer Priorität hat. Das ist eher peinlich, weil es gerade nicht zukunftsweisend für die Stadt ist, in der wir so viel Leerstand haben.

Jetzt schauen wir uns die aktuelle Situation an. Interessant ist, dass der Investor alles bekommen hat, was er wollte, alle seine Forderungen sind erfüllt worden. Er selbst hat sich jetzt als gnädig erwiesen und hat gesagt, er werde dem Tränenpalast die Miete etwas reduzieren. Aber er hat den Mietvertrag nicht verlängert, und ich bin fest davon überzeugt, dass er zwei Ziele verfolgt: erstens langfristig weg mit dem Tränenpalast und zweitens, auf dem Gelände des Spreedreiecks sein lange gewünschtes Hochhaus zu bauen. Dieses Hochhaus ist erstaunlicherweise von Herrn Stimmann bisher verhindert worden, der immer seine Traufhöhe verfolgt.

[Beifall des Abg. Wieland (SPD)]

Das ist der einzige Grund, weshalb jetzt der Investor den Betreibern des Tränenpalasts entgegengekommen ist. Er ist nicht blöd; er kauft sich so zu sagen den Kultursenator ein und sagt, wir sichern für wenige Jahre den Tränenpalast, aber danach, mein lieber Kultursenator, gebe ich dir keine Sicherheit, und du musst bei deinen Kollegen dafür sorgen, dass an dieser Stelle mein Hochhaus realisiert wird, sonst haue ich die Betreiber des Tränenpalasts gleich weg.

Summa summarum ist das Ganze eine unrühmliche Geschichte. Wir werden uns wieder sprechen, denn es bleibt zu befürchten, dass hier ein Bauprojekt realisiert wird, das völlig überdimensioniert ist und an dessen langfristiger Wirtschaftlichkeit gezweifelt werden muss. Auf der anderen Seite steht der Tränenpalast, dessen Betreiber ruiniert ist und dessen Gebäude irgendwann dem Erdboden gleichgemacht werden wird. Wir werden jedoch von unserer Seite aus alles tun, um dieser Entwicklung entgegen zu steuern. Ich bin sicher, auch was die Zukunft des Spreedreiecks als Bauprojekt angeht, dass wir uns hier wieder sprechen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vizepräsident Dr. Stölzl

Vielen Dank, Frau Kollegin Ströver! – Die Nächste in der Rederunde ist die Fraktion der SPD. Herr Kollege Dr. Flemming hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 15. Juni hat der Hauptausschuss ohne Aussprache diesen Antrag deshalb abgelehnt, weil bereits am 7. Juni 2005 ein Investor unter folgenden Bedingungen den Tränenpalast erworben hat: Er hat ihn für 915 000 € erworben, das ist genau der abgesenkte Verkehrswert, entsprechend dem vorhandenen Nebenbau. Es gibt eine fünfundzwanzigjährige Nutzungsbindung mit Standortbindung als Kultur- und Veranstaltungsstätte, es ist eine Vertragsstrafe von 275 000 € vereinbart worden, die für mehrere Verstöße mehrfach erhoben werden kann. Wir haben also einen Zustand, der den Antrag, den wir heute beraten, obsolet macht. Wenn wir jetzt darüber reden, ist das Geschichtsbearbeitung. Mir hat einmal ein Historiker gesagt, dass man Geschichte erst 50 Jahre später betrachten könne. Lassen Sie mich trotzdem etwas darauf sehen.

Es gab eine Altlast, die Ihnen bekannt ist. Dazu gab es mit Müller-Spreer einen Vertrag. Darin war geregelt, dass er dieses Haus dort bekommen könne. Sie kennen die alte Geschichte. Es ging um die Frage, wie man mit dem Tränenpalast weiter umgeht. Sowohl unter dem Finanzsenator Kurth als auch unter Herrn Sarrazin gab es keine rechtliche, wohl aber eine politische Zusage, dass der Betreiber das Prä hat, den Tränenpalast zu erwerben, wenn dieser verkauft wird – und zwar zum Verkehrswert. Dieses Angebot ist ihm wiederholt gemacht und auch abgesenkt worden. Er hat am 9. Mai 2005 erklärt, dass er nicht in der Lage sei, diesen Kaufpreis zu belegen, auch nicht durch Bankkredite. Dieses liegt schriftlich vor, Sie können die Unterlage gerne einsehen.

Herr Kollege Dr. Flemming, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Lehmann-Brauns?

Aber bitte schön!

Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Kollege! Ich will Ihren Redefluss nicht unterbrechen, aber halten Sie die Abwesenheit des Kultursenators bei dieser Debatte für einen Ausweis von Interesselosigkeit, von Hilflosigkeit, oder ist sie ideologisch motiviert?

Ich habe das nicht zu beurteilen, das ist Angelegenheit des Kultursenators, da müssen Sie ihn schon persönlich fragen. Ich weiß nicht, ob Sie einen Antrag gestellt haben, dass er hereingerufen wird, oder wollen Sie meine persönliche Meinung dazu wissen? Die hilft uns im Moment wohl nicht weiter.

[Zuruf des Abg. Dr. Lehmann-Brauns (CDU)]

Ich begrüße immer, wenn der Senator hier ist. Ich werde mich hüten, das Gegenteil zu tun.

[Gaebler (SPD): Mach einfach weiter!]

Wenn Sie seine Anwesenheit wünschen, so beantragen Sie das. Ich möchte weiter auf die Geschichte eingehen.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Es wäre auch schön, wenn die CDU bei solchen Debatten teilnähme!]

Das erwarte ich gar nicht, das ist doch nicht notwendig.

Wir haben dieses Thema ja schon mehrere Male behandelt. Als der von der CDU abgeschlossene Vertrag zu wirken begann, haben wir Sicherheiten dafür eingeführt, dass der Bau den Tränenpalast nicht berührt. Das ist auch in dem Vertrag geregelt; wir haben einen Streifen von 3 Metern gelegt, das Land hat Nutzungsbereiche gewährt, und wir haben andere Zusagen gemacht. Eines konnten wir allerdings nicht machen: zu Gunsten des Betreibers auf die Einnahmen für das Land verzichten. Da es einen anderen Käufer gab, der den Verkehrswert geboten hat, mussten wir mindestens in dieser Höhe verkaufen. Wenn wir es offen angeboten hätten, hätte logischerweise derjenige den Zuschlag bekommen, der das meiste geboten hätte.

Ich habe mir die Mühe gemacht, die letzten drei Jahre Revue passieren zu lassen, was im Tränenpalast veranstaltet wurde. Neben Karneval, Evangelisierung der Jugend, augenblicklich „Elvis in Berlin“, Jazzkonzerte – alles wunderbare und interessante Veranstaltungen. Doch das hätte auch woanders stattfinden können, nicht unbedingt im Tränenpalast. Dass der Tränenpalast unabhängig davon auch erhalten werden soll, ist richtig. Aber die Verknüpfung, dass nur der Tränenpalast und nur dieser Betreiber Kultur betreiben könnte und wir deswegen auf Einnahmen verzichten müssen, geht nicht auf. Ich bedauere, dass der Betreiber das Geld nicht hat erbringen können, ich kann nicht beurteilen, warum er keine Kredite bekommen hat. Ich bin mir aber sehr sicher, dass der jetzige Investor mit der Bindung von 25 Jahren und mit den Vertragsstrafen logischerweise dort Kultur betreiben wird. Er wird den jetzigen Betreiber, wenn dieser das gut macht, behalten, andernfalls wird er sich einen anderen suchen müssen.

[Frau Ströver (Grüne): Wir sprechen uns wieder, Herr Flemming!]

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Müller-Spreer dann plötzlich anfangen wird zu tanzen. Ich nehme an, er wird weiterhin einen Betreiber suchen, der das Metier beherrscht, und ich bin mir ganz sicher, 25 Jahre sind eine Zeit, die man überblicken kann. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Flemming! – Für die CDU spricht Herr Kollege Apelt. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht sollten wir zunächst einmal den Kultursenator bei uns wissen. Es ist ein unglaublicher Vorgang: Es geht um das Geld der Stadt

Berlin, das wir, wie ich finde, an dieser Stelle richtig einsetzen, und der Kultursenator hat wahrscheinlich eine private Teestunde. Ich stelle hiermit den Antrag, dass der Kultursenator wenigstens bei dem Thema „Tränenpalast“ anwesend ist.

[Beifall bei der CDU]

Wir unterbrechen die Sitzung und bitten den Senat, für die Anwesenheit des Kultursenators zu sorgen.

[Kurze Unterbrechung]

Wir fahren mit der Sitzung fort, der Kultursenator ist eingetroffen. – Bitte, Herr Kollege Apelt, Sie haben das Wort!

Wir wollten Sie nicht vom Tee abhalten, Herr Senator, aber wir finden, dass Sie bei so einem Thema zuhören sollten. Es gibt nämlich kaum einen wichtigeren Ort, an dem heute Erinnerungskultur stattfinden kann, als den Tränenpalast. Es gibt keinen Ort in Berlin, an dem so viele Tränen des Abschiedes vergossen wurden, und es gibt wohl keinen Berliner, der nicht ganz persönliche Erlebnisse mit dem Ort verbindet. Es konnte demzufolge auch kein anderer Name als Tränenpalast dafür gefunden werden.

Hier steht ein Ort der Erinnerung an die SEDDiktatur, der durch die stadtentwicklungspolitischen Zwänge oder Wünsche Einzelner seit dem Jahre 2000 in Bedrängnis gekommen ist. Wir erinnern uns: Der Betreiber des Tränenpalastes hat alles unternommen, die Kulturstätte zu erhalten. Bedingt durch die langjährigen Planungsunsicherheiten und die unsichere Perspektive entstand eine wirtschaftliche Schieflage. Im Mai 2005 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, und das Grundstücksgeschäft wurde vom Senat im Juni zu Gunsten des Investors am Spreedreieck entschieden. Die Haltung – man kann auch sagen: Geschichtsvergessenheit und Kulturfeindlichkeit – der Kulturverwaltung des Senats hat letztlich dazu geführt, dass nach jahrelangen Bemühungen um den Erhalt der Kultur im Tränenpalast die Grundstücksinteressen höher im Kurs standen. Nun ist nur zu hoffen, dass sich Investor und Kulturbetreiber am Ende doch noch einigen. Auf die Hilfe dieses Senats kann man wohl nicht mehr bauen.

Wie ist die Ausgangsposition? – Der Verkauf an den Investor ist mit Nutzungsauflagen verbunden. Der denkmalgeschützte Tränenpalast unterliegt einer 25-jährigen Nutzungsbindung als Kulturstandort. Gewisse Regelungen zur Sicherung des Kulturbetriebs während der Bauphase sind auch enthalten. Ausgleichszahlungen für die damit verbundenen Nutzungseinschränkungen fehlen allerdings völlig, ebenso wie eine Überwachungsfunktion durch den Senat. Der derzeitige Mietvertrag hat bzw. hätte noch eine Laufzeit bis 2008, bietet aber nach dem Insolvenzantrag nicht genug langfristige Sicherheit für die Gründung einer neuen Betreibergesellschaft, also einer Auffanggesellschaft. Nachdem der Erwerb des Grundstücks durch den Betreiber gescheitert war und der letzte

Teilbereich des Spreedreiecks im Juni 2005 mit Auflagen an den Investor verkauft wurde, setzten zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Investor erwartungsgemäß die Gespräche ein. So weit scheint ja alles in Ordnung, doch leider wird hier weiter gezockt. Der Investor bietet dem Betreiber zwar überdurchschnittlich gute Konditionen und Mietnachlässe – das allerdings nur für einen Übergangszeitraum – und signalisiert die Bereitschaft, im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Entwicklung und Bebauung des Spreedreiecks erhebliche Mittel in den Tränenpalast zu investieren. Dies gilt aber nur unter Bedingungen, die einseitig vom Investor aufkündbar bleiben. Der Investor sitzt immer am längeren Hebel. Eine echte partnerschaftliche Verhandlungsebene für einen langfristigen Miet- und Nutzungsvertrag als Grundbedingung zur Gründung einer Auffanggesellschaft und Abwendung der Insolvenzgefahr des Betreibers ist von Seiten des Investors bisher nicht zu erkennen. Und die Zeit läuft und läuft gegen den langjährigen Bewahrer und Retter dieses Kulturstandortes.

Ziel unseres Antrags vom Juni dieses Jahres war es, genau hier zu helfen, möglichst schnell Planungssicherheit für den Kulturstandort und den Spielbetrieb zu erreichen. Doch die politische Mehrheit in den Ausschüssen lehnte dies ab, und jetzt steht David gegen Goliath. Die Kulturverwaltung sieht sich nicht mehr in der Pflicht und macht erst einmal Sommerpause. Richtig beendet ist diese aber offenbar immer noch nicht. Es gibt keine Initiative der Kulturverwaltung im Sinne unseres Antrages, so jedenfalls die Staatssekretärin am Montag dieser Woche im Kulturausschuss, keine Unterstützung der Betroffenen oder Moderation des Verfahrens.

Ohne eine nochmalige und nachhaltige Aufforderung des Parlaments an diesen offensichtlich noch im Sommerschlaf befindlichen Senat wird dieser Kulturbetrieb in den Ruin geschickt. Ohne die Rettung der derzeitigen kulturellen Nutzung wird nach einer langjährigen Bauphase irgendwann im Jahr 2008 oder 2010 eine Kulturnutzung in einem kleinen Bereich eines monströsen Geschäftsgebäudes ein Aschenputteldasein fristen. Sie können sicher sein, es wird nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem jetzigen historischen und kulturellen Wert, für den wir streiten, zu tun haben.

Deshalb bitten wir, entgegen der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses unserem Antrag zuzustimmen. – Danke sehr!

[Beifall bei der CDU]

Schönen Dank, Herr Kollege Apelt! – Das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat nunmehr Frau Dr. Hiller. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!