In einem Bündnis mit der Union werden wir dieses Land regieren und diesem Land genauso wie auch dieser Stadt wieder die Perspektive geben, die Niedersachsen hat, die Sachsen-Anhalt hat, die Nordrhein-Westfalen hat, die all die anderen Länder auch haben. Dann wird es mit diesem Land auch wieder vorangehen. – Herzlichen Dank!
Die verbleibende Restzeit: zwei Minuten. – Nun erhält der Finanzsenator Dr. Sarrazin das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte jetzt eigentlich eine ganz normale Haushaltsrede halten. Sie besteht aus Zahlen und Erfolgsmeldungen. Am Ende ging es kaum noch um den Haushalt. Ich werde die Haushaltsrede trotzdem halten.
Aber vielleicht nehmen wir es als Vorschub: Wir sind immer noch im Landesparlament und nicht im Bundestag.
Wir sollten hier die Dinge anpacken, die wir selbst lösen können und nicht Dinge, die andere vielleicht auch nicht lösen und für die wir nicht zuständig sind.
Ich bin – und das ist schön – für das, was im Land geschehen ist, auch gelobt worden. Das Lob geht nicht nur an mich, sondern an alle, die daran beteiligt waren. Ich bin dafür dankbar, dass man über die Parteigrenzen hinaus immer wieder Partner hat, mit denen man auch über Inhalte reden kann. Andererseits – wenn man von der FDP und von den Grünen so gelobt wird, muss man sich fragen, ob man auch etwas falsch gemacht haben könnte.
Aber Herr Kaczmarek hat mich gar nicht gelobt, und daraus lese ich: Ich habe alles richtig gemacht. – Dies zur Einstimmung.
Dieser Haushaltsentwurf ist der dritte Doppelhaushalt, den ich in diesem Hause vorlegen konnte. Er setzt das um, was wir mit unserem Eckwertbeschluss vom 5. Februar 2002 gesagt haben. Damals war Berlin im absoluten Schuldensumpf. Weil man nicht Politik machen kann, indem man sagt, wenn ihr jetzt alle spart, wird es uns im Jahr 2018 vielleicht besser gehen, kam es darauf an, ein Ziel zu setzen, das richtig und das politisch als Wegmarke umsetzbar ist. Und das war das Primärdefizit. Denn es ist völlig klar, Herr Kaczmarek und wer sonst noch dieses Ziel unzureichend findet: Das Primärdefizit ist nicht alles, aber ohne dessen Abbau ist alles nichts.
Es ist wie bei einem Privaten, der zu viele Schulden hat und zur Schuldnerberatung geht. Das Erste, was dort geschieht, ist, dass man die Einnahmen und Ausgaben anschaut und sagt: Guter Mann, jetzt müssen Sie eine andere Wohnung beziehen und können auch nicht mehr so oft ins Kino gehen. Das Auto wird abgeschafft, die BVG fährt auch. Jetzt werden wir Ihnen einmal zeigen, wie Sie mit 1 300, 1 400 € vernünftig leben können. – Wenn das klar ist und er sich daran hält, dann kann man eine Umschuldung vornehmen und mit der Sparkasse verhandeln, dass sie vielleicht Altschulden erlässt – nicht dann, wenn der alte Unfug immer weitergeht.
Genauso ist es bei jedem öffentlichen Haushalt. Zunächst einmal muss man sich und der Öffentlichkeit und denen, von denen man Geld will, zeigen, dass man mit dem Geld, das man hat, grundsätzlich wirtschaften kann. Wenn man das nicht kann oder zeigen kann oder will, ist man auch nicht legitimiert, gegenüber anderen aufzutreten und mehr zu fordern.
Ihre Vergleiche, Herr Kaczmarek, sind derartig – ich bin fast versucht zu sagen: albern, aber ich will nicht polemisch werden. Ich wollte sie eigentlich ignorieren. Ich sage es trotzdem. Ihre Aussage ist: Sarrazin, du hast mehr Schulden gemacht als Senator Pieroth, also bist du der Schuldenkönig und nicht ein CDU-Senator. Ich rechne Ihnen das einmal vor: Pieroth fing als Finanzsenator im Jahre 1991 mit einer Neuverschuldung von 1,6 Milliarden € an. In seinem letzten Jahr betrug die Neuverschuldung 5,5 Milliarden €. Ich meine den Finanzierungssaldo.
Nun ging es hoch. Es ging absolut aufwärts bei Pieroth – allerdings nur mit den Schulden. In meinen fünf Jahren, vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2006 – wenn man davon ausgeht, dass die Zahlen eintreffen, und sie werden mindestens so eintreffen – war der Finanzierungssaldo im ersten Jahr 4,9 Milliarden €. Er ist also kontinuierlich gefallen. Er wird weiter fallen und im Jahr 2006 – auch nach fünf Jahren – 3,2 Milliarden € betragen.
Es waren beides Euro. Das Erste war umgerechnet, sonst wären es 10 Milliarden DM gewesen. Sie haben offenbar Ihre eigenen Zahlen nicht im Kopf. –
Dann hatte Pieroth – weil man in den 80er Jahren fast keine Schulden machen konnte, man bekam das Geld aus Bonn geschenkt – in seinen fünf Jahren durchschnittlich Zinsausgaben von 843 Millionen €. In meinen fünf Jahren werden die durchschnittlichen Zinsausgaben 2,29 Milliarden € betragen, also fast das Dreifache. Denn Pieroth hat davon gelebt, dass Berlin in den 80er Jahren sehr gut ausgestattet war, während ich damit umgehen muss, dass die Schulden Pieroths auch die Schulden sind, die ich weiter verwalten und für die ich Zinsen zahlen muss.
Jetzt zum Primärdefizit. Klar, dass das Primärdefizit für Sie völlig unbedeutend ist. Aber auch hier will ich die Zahlen vorlesen. In Pieroths erstem Jahr betrug das Primärdefizit 1,1 Milliarden €, in Pieroths letztem Jahr war es bei 5,1 Milliarden €. Von Jahr zu Jahr war das ein kontinuierlicher Aufwuchs im Primärdefizit. Sarrazin, erstes Jahr 2002: Primärdefizit 2,9 Milliarden, Sarrazin 2006: Primärdefizit knapp 800 Millionen €. Das Jahr 2007 nehme ich fairerweise nicht dazu, da ist es auf Null. Da sehen Sie dieses einmal im Vergleich. Auf Deutsch: Pieroth hat eine riesige Müllhalde an Schulden aufgehäuft, die ist er hochgegangen. Und ich gehe über diese Müllhalde wieder herunter, das ist der Unterschied.
[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Frau Dr. Klotz (Grüne): Und die Sozialdemokratie hat nicht aufgehäuft in diesen Jahren?]
Ja, gut, aber ich bin nun einmal hier SPD-Senator und setze mich mit einem ehemaligen CDU-Senator auseinander. Das reicht wohl in diesem Zusammenhang aus, ja?
Und, Frau Klotz, normalerweise begebe ich mich gar nicht auf eine solche Ebene, weil man lange reden kann, wer in der Vergangenheit an was schuld gewesen sei. Darüber kann man ewig diskutieren, das ist irgendwo albern, weil ohnehin alle wissen, wie es gewesen ist.
Ich möchte bloß derartigen Dingen, wie sie Herr Kaczmarek immer wieder sagt, im Durchschnitt hätten Pieroth und ich den selben Weg zurückgelegt, dieses entgegnen. Er hat es vor zwei Jahren gesagt, jetzt ist die Rede auf Wiedervorlage. Er hat es wieder gesagt. Er hat es gestern gesagt. Insofern kann man sich auch vorbereiten. Er wird es weiter sagen, dann werde ich wieder so antworten. Herr Kaczmarek, es müsste Ihnen jetzt einmal etwas anderes einfallen.
Nun zu den Zahlen selbst: Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren gezeigt, dass wir nicht nur ankündigen, sondern diesen Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Unsere Ist-Ausgaben, ob bereinigt oder primär, sind seit dem Jahr 2002 kontinuierlich gesunken. Die Primärausgaben haben in dieser Zeit von 2002 bis zum Jahr 2005um knapp 1 Milliarde € abgenommen,. Die Vorlage zum voraussichtlichen Ist wurde gestern dem Abgeordnetenhaus zugeleitet. Die bereinigten Ausgaben sanken trotz steigender Zinsen um 700 Millionen €. Das ist mit Verlaub ein bundesweit beispielloser Erfolg.
Das Defizit ist dank der zahlreichen, oft sehr harten Entscheidungen, die wir zu treffen hatten, noch mehr zurückgegangen, und zwar kontinuierlich. Das Primärdefizit – ich habe es eben schon gesagt – sank von 3 Milliarden € auf 1,1 Milliarden € in diesem Jahr. Ich rede jetzt nur von den Ist- Zahlen, nicht von den Hoffnungswerten. Aber die Hoffnungswerte werden auch so eintreffen, weil wir sie nach der selben Art veranschlagt haben. Der Finanzierungssaldo sank von 2002 bis zum Jahr 2005 – voraussichtliches Ist – von 4,9 auf 3,4 Milliarden €. Das heißt, trotz steigender Zinsausgaben ist unsere Neuverschuldung Jahr für Jahr gesunken. Wir werden das Jahr 2005 wie auch das Jahr 2004 besser abschließen als im HaushaltsSoll. Ich erinnere mich an die Haushaltsdebatte von vor zwei Jahren, wo alle sich einig waren – Grüne, CDU und FDP –, dass wir diesen Haushalt niemals würden einhalten wollen, und Sie haben uns Nachtragshaushalte ohne Ende vorausgesagt. Trotz fortgesetzter Steuermindereinnahmen ist davon nichts eingetreten.
Diese positiven Ergebnisse gewinnen noch an Bedeutung, wenn wir uns die Rahmenbedingungen anschauen. Nun komme ich zu den Steuern. Ich habe mir das noch einmal angeschaut, weil man es wissen will, habe mir einmal ausdrucken lassen, wie sich die Steuereinnahmen vom Jahr 1950 bis Ende der 90er Jahre entwickelt haben.
Der durchschnittliche Anstieg bei den Steuereinnahmen betrug in den 50er Jahren 15 bis 18 % pro Jahr, nominal. In den 60er Jahren waren es 7 %, in den 70er Jahren 6 %, in den 80er Jahren 5 bis 6 %, in den 90er Jahren 3 bis 4 %. Die jetzige Phase, dass wir in Berlin und in Deutschland fünf Jahre per Saldo überhaupt keine Steuermehreinnahmen hatten, ist historisch einmalig.
Wir haben ernsthaft diskutiert im Senat – das heißt, nicht ganz ernsthaft, weil am Ende doch jeder wusste, dass man das so nicht machen kann –, dass man bei diesem Trend künftige Haushalte sowieso ohne steigende Einnahmeerwartung aufstellen sollte. Nur, das geht in Deutschland nicht. Unsere Systeme sind eingestellt auf Wachstum. Die demographisch bedingte Alterslast
wächst, es wachsen die Gesundheitskosten, es wächst der weltweite Wettbewerb. Und wenn wir nicht wachsen in der Wirtschaftspolitik, dann wächst die Arbeitslosigkeit. Das heißt, damit diese nicht wächst, muss alles andere wachsen. Das sind unsere Systembedingungen. Darüber muss man sich klar sein. Da kann es nicht sein, dass alles wächst, nur die öffentlichen Haushalte nicht. Auch die sind auf wachsende Einnahmen eingestellt, sonst gerät ihre innere Mechanik – bei der Sozialhilfe, bei den Pensionslasten und bei zahlreichen anderen Ausgaben – in Unordnung. Dass wir zu einer anderen inneren Mechanik finden, die das alles zeitlich unbegrenzt geradeaus fahren kann, wage ich zu bezweifeln.
Wir haben in diesen Haushalt nach einigem Zögern für die Jahre 2006 und 2007 die bundesweiten Annahmen zu den Steuereinnahmen eingestellt. Das sind im Jahr 2006 plus 2,2 % und im Jahr 2007 plus 3,8 %. Ob das eintrifft, wissen wir nicht. Wenn ich manchen Hoffnungen glauben darf, was ich natürlich nicht tue, dass eine neue Bundesregierung wesentliche Änderungen bewirkt, dann könnte man optimistischer sein. Ich bin es aber nicht. Gleichwohl haben wir diese Zahlen eingestellt, weil es nicht anders funktioniert.
Ich sage an dieser Stelle auch: Dies ist das Hauptrisiko dieses Haushalts. Und ich sage auch: Das ist das einzige wesentliche Risiko. Ich sehe auch Risiken auf der Ausgabenseite. Doch ich sehe bei den Ausgaben auch noch gewisse Chancen, zum Beispiel bei den Zinsausgaben. Ich glaube fest, sagen zu können, wenn wir hier in zwei Jahren wieder stehen und auf diesen Haushalt zurückschauen, können wir sagen: Bei der Ausgabenseite lag er insgesamt richtig. Ich sehe netto über die unterschiedlichen Elemente keine ins Gewicht fallenden Risiken auf der Ausgabenseite. Ich sage das mit dem Gewicht dessen, der auch in den vergangenen vier Jahren gezeigt hat, dass diese Einschätzungen richtig waren.
Dieser Haushalt führt die Politik der kontinuierlichen strikten Ausgabensenkung fort. Nun muss man einmal mit einem großen Missverständnis aufräumen. Politik besteht nicht darin, hektisch eine neue Sparentscheidung auf die andere aufzuhäufen, sondern man muss Entscheidungen sorgfältig durchdenken, man muss sie richtig treffen, dann muss man sie durchhalten, zum Beispiel bei der Anschlussförderung. Der Verzicht auf die Anschlussförderung und auf neue Förderungen hat uns bereits jetzt Einsparungen von rund 300 Millionen € gegenüber den IstAusgaben des Jahres 2002 erbracht. Er wird uns bis zum Jahr 2009 Einsparungen von weiteren 400 Millionen € erbringen,