Protocol of the Session on August 18, 2005

Wo sind wir eigentlich, wenn jetzt schon eine Partei, die sich hinstellt und ab 60 000 € Einkommen im Land eine deutliche Erhöhung der Besteuerung fordert, die die Belastung austeilt, die allerdings der Auffassung ist, dass Besserverdienende und Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland auch Lasten zu tragen haben – offenkundig anders als Sie –, wie man eine solche Politik mit Populismus gleichsetzen kann, das ist schon eine ziemliche Schieflage auch in der öffentlichen Darstellung.

[Zurufe von der FDP und den Grünen]

Da passt zwischen das, was ich an Politik in Berlin vertrete, was Stefan Liebich und andere an Politik in Berlin auf der Konsolidierungsebene vertreten, und das, was wir für die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland insgesamt für richtig halten, nämlich eine Stärkung der Finanzkraft, eine Stärkung der öffentlichen Haushalte, und zwar mit der Intention, sie handlungsfähig zu halten,

kein Blatt Papier. Das ist eine innere Konsequenz, selbst wenn sie Ihnen nicht gefällt.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Dann gibt es ein Grundprinzip in der rot-roten Haushaltspolitik, von dem ich auch gerne möchte, dass es sich nicht nur auf der Ebene unserer Landesregierung und unserer Politik widerspiegelt, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Das ist der gute Grundsatz, dass diejenigen, die Belastungen besser tragen können als andere mit weniger Einkommen, das auch zu tun haben. Da ist auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland, dessen, was dort an Politik gemacht worden ist, beispielsweise mit Hartz IV – das bedeutet für Berlin einen Kaufkraftverlust von 300 Millionen € –, eine deutliche Grenze überschritten worden. Das machen wir in Berlin bei der Verteilung von Belastungen anders. Das finde ich besser, was wir da machen. Es ist angemessener, und es hat mittlerweile einen entsprechenden Rückhalt in der Berliner Bevölkerung. Das ist auch der Grund dafür, warum wir uns insgesamt ein Lob von Ihnen für unsere Haushaltspolitik einholen. Sie stellen fest, dass bei allen harten Einschnitten, die wir in den letzten Jahren vertreten haben, die Akzeptanz nicht nur von Rot-Rot insgesamt, sondern insbesondere auch der Haushalts- und Konsolidierungspolitik deutlich gewachsen ist. Das bringt Sie offensichtlich insofern zum Nachdenken – als Sie wenigstens verbal bekunden, auch Teil dieser Erfolgsstrategie bezogen auf die Konsolidierung der Berliner Landesfinanzen sein zu wollen. Aber wenn man allgemein die Konsolidierung im Schild führt und sich jedes Mal, wenn es konkret wird, in die Büsche schlägt, ist das keine glaubwürdige Politik für die Berlinerinnen und Berliner. Deshalb wird Ihre Strategie der Anbiederung an die rotroten Konsolidierungserfolge nicht funktionieren.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Ich will noch einen Satz zu Karlsruhe sagen: Das ist zu Recht der Fixstern der Berliner Finanzpolitik insgesamt. Ich will aber denjenigen widersprechen, die sagen: Was wir jetzt an Konsolidierungsmaßnahmen gemacht haben, sei gewissermaßen nur ein Prolog dessen, was kommt, wenn man die Entscheidung aus Karlsruhe hat. – Ich glaube, was wir an Konsolidierungspolitik in Berlin gemacht haben und was wir im Rahmen des beschlossenen Sanierungskurses noch machen werden – immerhin eine Senkung von 700 Millionen € pro Jahr, auch in den kommenden Jahren, Herr Kollege Eßer –, das ist das, was man Berlin tatsächlich abverlangen kann, was diese Stadt zu leisten in der Lage ist. Man kann sich nicht einerseits nach Karlsruhe begeben und sagen: Wir haben alles getan, was wir tun können, und werden unseren Beitrag in den Folgejahren noch leisten, aber wir brauchen darüber hinaus eine Entschuldung –, wenn man nicht wirklich meint. Ich meine es wirklich, und deshalb glaube ich auch, dass es eine falsche Strategie ist, beispielsweise – wie Sie das tun, Herr Lindner – den öffentlichen Dienst in den Folgejahren zum Abbruch freizugeben oder an Sozialleistungen heranzuwollen über das hinaus, was wir gemacht haben. Das ist keine kluge Strategie für Berlin.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Bin ich! – Letzter Satz: Mit diesem Haushalt liegen wir nicht nur in der Kontinuität dessen, was wir bisher gemacht haben, sondern wir setzen auch einen gewissen Schlussstein unter das, was wir als Sanierungsstrategie nach Karlsruhe geschickt haben. Das war klug, und daran halten wir fest. Das wird diese Haushaltsberatungen sicher überdauern, wie ich auch annehme, dass Rot-Rot diese Legislaturperiode überdauern wird, u. a. auf Grund unserer erfolgreichen Haushaltssanierungspolitik in diesem Land. – Danke schön!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Das Wort zu einer Kurzintervention erhält jetzt Frau Kollegin Dr. Klotz. – Bitte schön!

Herr Wechselberg! Erstens: Wir können uns durchaus über kritische Momente der Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik der Bundespolitik der letzten Jahre unterhalten. Das ist überhaupt nicht mein Problem. Das ist auch nicht, was ich Ihnen vorwerfe. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie unredlich argumentieren. Das Erste ist dabei der Spitzensteuersatz. Ich habe es vorhin gesagt: Wir sind nicht mit einer Senkung des Spitzensteuersatzes angetreten, aber wir haben gesagt, wir könnten damit leben, wenn die Steuerschlupflöcher geschlossen, wenn die Subventionen abgebaut werden.

[Zuruf des Abg. Over (Linkspartei.PDS)]

Das ist in den letzten Jahren deshalb nicht passiert – lieber Kollege Freke Over, das müsstest auch du wissen –, weil der Bundesrat dagegen war, weil es in diesem Land keine politische Mehrheit gab, an die Eigenheimzulage, die Entfernungspauschale, das Ehegattensplitting und andere Subventionen heranzugehen. Das war ein Fehler, dass diese Senkung des Spitzensteuersatzes nicht durch ein Schließen der Steuerschlupflöcher gegenfinanziert war.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Over (Linkspartei.PDS)]

Zweitens: Sie tun hier ständig so, als könne man Unternehmenssteuern wie nach Bedarf, je nach dem, was man hereinhaben will und was man braucht, erhöhen, senken oder was auch immer. Sie machen der Bundesregierung zum Vorwurf, dass sie Unternehmensteuern zu drastisch gesenkt hat, was zu Einnahmeausfällen geführt hat. Zu Berlin komme ich gleich; da rechnen Sie nämlich falsch. Warum haben Sie in Berlin nicht die Gewerbesteuer erhöht? – Wir könnten doch die Einnahme gut gebrauchen. Was befürchten Sie dann? Befürchten Sie etwa, dass Unternehmen abwandern? – Und wenn Sie das tun, Herr Wechselberg, dann können Sie vielleicht auch nachvollziehen, dass Unternehmensteuerentscheidungen keine Entscheidungen sind, die man einzig und allein nach dem nationalen Maßstab treffen kann.

Wechselberg

[Zuruf des Abg. Liebich (Linkspartei.PDS)]

Drittens – zu den Mindereinnahmen in Berlin durch die letzte Steuerreform: Nach der Rechnung von Herrn Sarrazin – das hat er vorhin gesagt – ist ein großer Teil der Steuermindereinnahmen, drei Fünftel, durch fehlendes Wirtschaftswachstum verursacht worden. Wenn das so ist, dann reden wir hier über 400 Millionen € von Ihrer Milliarde für Berlin. Sie haben aber 300 Millionen € durch die Hartz-IV-Reform, die Sie sonst auf Bundesebene so deutlich bekämpfen, mehr eingenommen. Wir reden also noch über 100 Millionen € und nicht über 1 Milliarde €. Wenn Sie diese Rechnung aufmachen, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie sie auch ehrlich aufmachen und das benennen, was Sie in Berlin durch Hartz IV eingespart haben. Ich mache Ihnen öffentlich zum Vorwurf, dass Sie das nicht tun.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Dr. Klotz! – Herr Wechselberg erwidert nun. – Bitte schön!

Mit der Ehrlichkeit ist es immer so eine Sache, Frau Kollegin Klotz! Sie hätten doch wissen können, dass Sie es mit einer schwarzen Bundesratsmehrheit zu tun haben, die Ihnen entsprechende Entlastungstatbestände, die Sie jetzt abschaffen wollen, hätte genehmigen müssen. Sie hätten doch wissen können, dass es mit denen nicht zu machen ist.

[Unruhe bei den Grünen]

Aber wenn man einmal auf der Ebene der Bundesregierung an die Sätze herangegangen ist und meint, man könne das mit einer Gegenfinanzierung kompensieren, die die Zustimmung der CDU und der FDP braucht, werfe ich Ihnen bestenfalls noch vor, dass das in der Finanzpolitik reichlich naiv war.

[Zuruf von den Grünen]

Sie hätten ja an die Sätze nicht heran gemusst.

Sie haben auch das Problem in der Gesamtbelastung nicht gelöst. Wir haben eine Tendenz in der internationalen Debatte – das hat Herr Sarrazin an anderer Stelle schon einmal vorgerechnet –, wo im Vergleich der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Ländern, die durchaus zum Teil niedrigere Körperschaftsteuertarife haben, als wir sie haben, diese trotzdem eine wesentliche breiterer Bemessungsgrundlage haben. Aber wenn man diese nicht hat, darf man auch die Tarife nicht so ohne weiteres senken. Das ist das Problem Ihrer Fiskalpolitik gewesen, und deshalb müssen Sie sich auch die Einnahmeausfälle zurechnen lassen. Da kann ich Sie auch nicht aus der Verantwortung entlassen.

Man muss schon wissen, was man tut. Das werfe ich der rot-grünen Bundesregierung vor, dass sie es – selbst wenn man Ihnen jetzt gutwillig folgt – offensichtlich nicht überblickt hat, was sie da macht. Ich unterstelle jedoch, dass dem eine andere Strategie zu Grunde lag und man

meinte, durch die Senkung der Steuersätze einen Aufschwung zu generieren. Das ist schief gegangen. Das hat Ursachen, den 11. September zum Beispiel. Es hat aber vor allem zu einer enormen Erosion der öffentlichen Haushalte geführt. Das beklage ich, und hierzu habe ich als Haushälter auch durchaus ein Recht. Man muss schon wissen, was man tut.

Bei Hartz IV ist die Sache etwas komplizierter. Bei Hartz IV werfen wir Ihnen mehrere Dinge vor. Wir werfen Ihnen unter anderem vor, dass Sie damit die Kaufkraft in Berlin um 300 Millionen € senken, und zwar ausgerechnet bei denen, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben. An dieser Stelle stellt sich das Gerechtigkeitsproblem. Ich meine auch, dass Sie nach den neueren Erhebungen – gestern gab es hierzu auch eine rote Nummer – die Einnahmen, die das Land Berlin hat, deutlich übertreiben. Wir liegen da, glaube ich, bei einem knappen Plus von 100 Millionen €. Dabei sind auch Prognosen berücksichtigt, die unterstellen, dass der Bund tatsächlich seinen Anteil an der Erstattung der Wohnkosten entsprechend beibehält.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Darüber streiten wir doch schon eine Weile!]

Das ist doch eine deutlich relativierte Einnahme für den Berliner Landeshaushalt.

Unter dem Aspekt der Gerechtigkeit in diesem Land gibt es im Übrigen durchaus Geld, das ich nicht haben will.

[Eßer (Grüne): Dann gibt es doch zurück!]

Hartz IV gehört ganz bestimmt dazu. Dann muss ich nämlich immer noch überlegen, wo es herkommt. In dem Fall ist es von denen genommen worden, die es in dieser Republik nicht so „dicke“ haben. Da hätte ich dann durchaus auch gern verzichtet, selbst dann, wenn die Maßnahme mehr Einnahmen für das Land Berlin bedeutet. – Danke schön!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Herr Wechselberg! – Es folgt die FDP. Der Vorredner Dr. Lindner hat dem Nachredner Dr. Lindner zwei Minuten Redezeit gelassen – eine Herausforderung an die Redekunst. – Bitte schön!

Ich möchte gern noch einmal auf Herrn Dr. Sarrazin und seine Bemerkungen zu den bereinigten Einnahmenentwicklungen eingehen. Sie hatten gesagt, die anderen Ländern erzählten Unsinn, aber Ihren mittelfristigen Finanzplanungen sei Glauben zu leisten. Dann beschränke ich mich auf Vergleiche, wo Ist-Zahlen vorliegen. Wenn man sich die bereinigten Ausgaben anschaut, stellt man fest, dass auch 2003 auf 2004 SachsenAnhalt deutlich besser ist, übrigens auch Niedersachsen und das Saarland. In der nächsten Periode, 2004 auf 2005, erst echt, denn da läge Berlin an schlechtester Stelle.

Frau Dr. Klotz

[Gaebler (SPD): Fangen Sie am besten mit brutto und netto an!]

Ich habe zu Ihren Gunsten die mittelfristige Entwicklung in den anderen Ländern berücksichtigt, denn so sieht es für Berlin nicht ganz so schlecht aus.

Übrigens auch was die Primärausgaben angeht, ist die Betrachtung hochinteressant. Da haben Sie ebenfalls eine Entwicklung, die in den ersten beiden Jahren 2004/2005, in denen Ist-Zahlen vorliegen, für Berlin deutlich schlechter ist.

[Gaebler (SPD): Ist das jetzt brutto oder netto?]

Darauf würde ich mich an Ihrer Stelle jetzt nicht einlassen. Es ist auch völlig absurd, dem Land Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Entwicklung noch die Gemeinden zuzurechnen, die teilweise von den linken Leuten regiert werden.

Nun aber noch zwei Sätze zu den Personalausgaben: Im Verhältnis zum Doppelhaushalt 2004/2005, wo Sie noch rund 3 % im ersten, 1,5 % im zweiten und 5 % im dritten Haushaltsjahr abgebaut haben, haben Sie 2005 auf 2006 nur 0,87 % und 2006 auf 2007 0,58 %. Das ist also insgesamt 1,4 %. Das ist deutlich unter der Fluktuation. Mir ist schon bekannt, Herr Senator Sarrazin, dass es schwierig ist, Personal im öffentlichen Dienst freizusetzen. Wenn Sie aber bei 4 % Fluktuation mit deutlich unter 1 % Abgang rechnen, ist es sogar unter Berücksichtigung Ihrer Instrumente möglich, mehr Personal abzubauen. Da müssen Sie jedoch systematischer herangehen, und daran mangelt es Ihnen.

Eine letzte Bemerkung zu dem Thema: Nicht der Staat wirtschaftet schlecht, sondern die Menschen. Das ist richtig. Aber Gewinne, das Gewinnstreben als Salz in der Suppe, treiben den Menschen an, mehr zu leisten als ein staatliches Unternehmen, wo man Vergütungen, Gehälter bekommt als ehemaliger SPD-Staatssekretär, unabhängig davon, wie sich das Unternehmen entwickelt. Dies bringt es mit sich, dass regelmäßig privat gehaltene Unternehmen – schlichtweg weil die Unternehmen davon leben – besser dastehen als staatlich gehaltene.

Ich freue mich, dass Sie mit uns in der Zielsetzung, Personal auf 80 000 abzubauen und deutlich mehr zu privatisieren, einhergehen, ganz egal, welches Parteibuch Sie in der Tasche haben. Das ist die richtige Zielsetzung, und sie zeigt Ihnen übrigens, dass das, was Sie hier vorgelegt haben, deutlich zu wenig ist. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Dr. Lindner! – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Das Haushaltsgesetz wurde bereits – mit Ausnahme des Petitionsausschusses und des Ausschusses für Verfas