Herr Brauer möchte vermutlich nicht entgegnen. – Muss nicht sein, Herr Brauer! – Herr Lindner, bitte, z u r G e s c h ä f t s o r d n u n g !
Herr Präsident! Ich bitte um S i t z u n g s u n t e r b r e c h u n g u n d E i n b e r u f u n g d e s Ä l t e s t e n r a t e s. Zu Ihrer Bemerkung zu unserem Mitglied, das sei eine Bereicherung – zu Ihrer Kommentierung, Herr Präsident, bitte ich um eine sofortige Erörterung.
Nein, das ist die Übung hier im Haus, Herr Kollege Lindner. – Zweitens: Ich bitte um Entschuldigung. Das war in keiner Weise, wie man auch aus dem Wortlaut gut ersehen kann, abwertend gemeint. Sollten Sie das so verstanden haben, dann entschuldige ich mich ausdrücklich dafür. Es war nicht so gemeint. Ich bitte um Nachsicht. Es ging in die Richtung nach links, weil dort – na ja. Aber wir berufen nachher den Ältestenrat ein.
Danke schön! – Lediglich ein Satz: Herr Dr. Jungnickel, Sie haben mich missverstanden. Ich hatte nicht gesagt, bitte legen Sie seitens der Opposition Ihre Konzepte vor. Ich hatte gesagt: Wir bitten Sie um Ihre Mitarbeit in diesem Hause. Das ist ein Unterschied. Die Erlebnisse, die ich in den letzten beiden Kulturausschusssitzungen sammeln durfte, war ich so nicht gewöhnt. Ich möchte, dass wir wieder zu einer Sacharbeit zurückkehren. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Brauer! – Das Wort hat nunmehr für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Ströver. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht heute viel um die Töne. Herr Brauer, ich muss schon sagen, Ihre Töne sind jedenfalls in meinen Ohren ausgesprochen neu. Verglichen mit dem, was Sie in der letzten Legislaturperiode gesagt haben, haben Sie sich mindestens um 180 Grad gewendet. Aber wenn ich das so sagen darf, ist das vielleicht nicht das erste Mal in Ihrem Leben.
Es ist schon ein Problem, dass wir heute die Große Anfrage der FDP behandeln. Es ist richtig, dass man einem Senator 100 Tage gibt, in denen er seine Konzepte entwickeln kann und Zeit hat, sich inhaltlich zu äußern. Aber nach dieser Senatsklausur wird uns allen – ich werde Ihnen das gleich noch ausführen – angst und bange, weil dieser Senator in einer Demutsgeste ohnegleichen vor den Kürzungsvorschlägen eingebrochen ist, die wahrscheinlich vom Koalitionspartner kamen. Deswegen müssen wir heute sehr ernsthaft über die Zukunft der Kulturlandschaft in Berlin sprechen.
Weil in den letzten Tagen, angefangen von der Presseerklärung des Regierenden Bürgermeisters nach der sogenannten Sparklausur bis hin zur gestrigen Sitzung und der Pressekonferenz des Kultursenators eine Vielzahl von Zahlen und – daraus abgeleitet – eine Vielzahl von Ungereimtheiten, ich will nicht sagen, Unwahrheiten auf dem Plan sind, ist es richtig, dass wir heute die Gelegenheit haben, einigem davon einmal etwas Boden unter die Füße zu geben. Es ist sehr überraschend, Herr Brauer, dass Sie als Mitglied des Hauptausschusses zu den Zahlenvorgaben kein einziges Wort gesagt haben. Das ist sehr vielsagend. Dann würden Sie nämlich merken, dass im Kulturbereich nach den Plänen des Senats überproportional gekürzt wird.
Ich möchte Ihnen das gern vorrechnen, damit keine Dinge im Raum stehen bleiben, als ginge es nur darum, die Kultur zu schützen. Mitnichten wird die Kultur geschützt. Sie haben überhaupt nicht das Recht, der Kulturszene Sand in die Augen zu streuen, indem Sie sie glauben machen, sie bliebe insgesamt verschont. Nichts dergleichen wird geschehen.
Fangen wir an mit den einzelnen Posten: Es wird gesagt, die Investitionszahlung des Landes Berlin für die Museumsinsel werde eingestellt. – Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass das ein Vertragsbruch ist? – Der Vertragsbruch beruht auf der Kündigung des Abkommens zwischen dem Bund und dem Land Berlin, wonach beide Seiten jeweils 50 Prozent der Investitionskosten beim Preußischen Kulturbesitz zahlen. Jetzt steigt das Land einseitig aus. Ich bete mit Ihnen zu Gott – oder zur Göttin oder wem auch immer –, dass der Bund jetzt auf uns zukommt und diesen Posten tatsächlich übernimmt. Hier wird eine Maßnahme ins Blaue hinein beschlossen. Es ist noch keine zusätzliche Mark in der Anmeldung des Bundeshaushalts für die Investitionsleistung „Museumsinsel“ aufgenommen worden. Der Haushalt des Bundes wird gerade aufgestellt, weil die nicht ein halbes oder dreiviertel Jahr hinterher sind wie wir. Der Haushalt für das Haushaltsjahr 2003 wird im Bund aufgestellt, und es ist keine Mark angemeldet.
Euro auch nicht. 31 Millionen § – nichts dergleichen. – Sie machen das, ohne Sicherung. Ohne Netz und doppelten Boden geben Sie unsere Verpflichtung auf.
Weil ich mich erkundigt habe. Stellen Sie sich vor, Frau Freundl, noch haben wir einen guten Kontakt zur Bundesregierung und wissen, welche Haushaltstitel angemeldet wurden.
Kommen wir zu dem zweiten Posten, den 27 Millionen Einsparungen im konsumtiven Bereich. Sie haben hier noch einmal die Vielzahl an kleinen Einrichtungen aufgeführt, bei denen Sie kürzen, und zwar bis zum Aushungern. Auch langsames Aushungern führt zum Tod.
Konzeptionell müssen Sie mir einmal erklären, was das soll. Diese Gesamtsumme in diesem Bereich ist so marginal, jedoch auswirkungsreich für diese Einrichtungen. Ich weiß nicht, weshalb Sie das tun. Zumal wir hier eine Situation haben, die Ihrem
eigenen kulturpolitischen Credo widerspricht. Der so genannte BAT-freie Bereich – die freie Kulturszene – wird gekürzt. Im großen Bereich gehen Sie nirgends heran. Sie gehen nur an den freien Bereich. Das kann doch nicht Ihr kulturpolitisches Konzept sein. Das ist verheerend.
Zynisch wird es da, wo Sie sagen, dass das Podewil als ein Ort der darstellenden, modernen Kunst um 750 000 § gekürzt wird, und Sie gleichzeitig sagen, dass man den Museumspädagogischen Dienst als Mieter schickt, weil man dort dann sowieso nichts mehr machen kann. Das ist hochgradig zynisch und makaber.
Die freie Kulturszene nehmen Sie sich jetzt vor. Die großen Einrichtungen folgen hinterher, weil Sie den größten Teil der 27 Millionen bisher nicht unterlegen können.
Sie hoffen darauf, dass der Bund das Archiv der Akademie der Künste, die Stiftung Kinemathek und andere Einrichtungen übernimmt. Dafür gibt es kein einziges Signal. Abgesehen davon, dass es kulturpolitisch total idiotisch ist. Was uns hier leider fehlt – ich habe in den letzten Jahren versucht, es inhaltlich einzubringen –, ist eine konzeptionelle Debatte darüber, welche Aufgabe der Bund hat. Es geht nicht darum, Berlin von einer Beteiligung an den Institutionen des Preußischen Kulturbesitzes oder anderer Institutionen abzuschneiden und sie an den Bund abzuschieben. Vielmehr brauchen wir eine Entwicklung, die Berlin durchaus in der Verantwortung belässt, aber auch die anderen Länder, da wo es sich um das historische Erbe handelt – sei es beim nationalsozialistischen Gedenkstättenerbe oder beim Preußischen Kulturbesitz –, einbezieht. Wir brauchen ein neues Finanzierungsmodell, in dem der Bund, die preußischen Sitzländer und alle anderen Länder – soweit es sich um NS- und DDRGedenkstätten handelt – einspringen. Wir brauchen eine Debatte nicht im Sinne „Bund übernimm!“, sondern eine Debatte, bei der wir alle Bundesländer ins Boot holen. Das haben alle politisch Verantwortlichen in den letzten Wochen und in den letzten Jahren versäumt.
Seit 1995 hätte Herr Radunski spätestens diese Diskussion führen müssen. Das ist ein dramatisches kulturpolitisches Versäumnis.
Ich habe das Gefühl, dass es in diesem kulturpolitischen Dilletantenstadel, den wir hier erleben, sukzessive einer Einrichtung nach der anderen an den Kragen geht. Das wird es mit uns nicht geben. Solange wir hier noch mitreden können, werden wir dafür kämpfen, dass der Bund in eine Verantwortung tritt, die mit Hirn entwickelt ist.
Entschuldigen Sie, Frau Kollegin! – Ich habe den Eindruck, dass das Plenum kaum noch zuhört und viele interessante Gesprächsrunden in den einzelnen Reihen gepflegt werden. – Es verlängert zwar die Sitzung, aber ich bitte die Gesprächsgruppen, nach draußen zu gehen oder sich zumindest leiser zu unterhalten und in den Sitzreihen Platz zu nehmen und der Rednerin zuzuhören. – Bitte, fahren Sie fort!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Wenn man den neuesten Zahlen des Kultursenators folgt, wird es ab 2003 eine strukturelle Kürzung im Kulturplafonds um 38 Millionen § pro Jahr geben. Das hat er gestern auf seiner Pressekonferenz gesagt. Das ist – Frau Grütters sagte es bereits – der höchste Satz bei den Hauptverwaltungen. Kultur wird damit nicht am wenigsten, sondern von allen Bereichen am meisten belastet. Das muss auch die Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen.
Noch ein letztes Argument: Sie selbst, Herr Flierl, haben gesagt, wir sollten die Perspektivdebatten in einem so genannten Forum Kultur führen. – Aber es kann doch nicht sein, dass Sie die Perspektivdebatten nur mit den Einrichtungen führen, die die großen finanziellen Brocken ausmachen. Die Einrichtungen, um die es jetzt geht, machen Sie bis dahin platt. Sie haben mit keiner Einrichtung, bei der Sie jetzt kürzen, gesprochen. Heute sind jede Menge Anrufe auf meinem Anrufbeantworter eingegangen, und mich haben Faxe erreicht. Niemand ist beratend hinzugezogen worden. Sie haben diese Kürzungsmaßnahmen über alle Köpfe hinweg beschlossen. Damit machen Sie sich unglaubwürdig. Für eine zukunftsweisende Kulturpolitik stehen dieser Anfang und dieser ersten neun Wochen nicht. Für mich persönlich bedeutet das einen hohen Grad an Enttäuschung, weil ich erwartet habe, dass Sie für die Kultur kämpfen, dass Sie sich gegen die Maßgaben von Herrn Sarrazin und Herrn Wowereit wehren und dass Sie Ihren Mann stehen und sagen: Mit mir nicht! – Wenn es um die Kultur geht, die ein wichtiger Bestandteil der Berliner Landschaft ist, können Sie nicht hingehen und Vorreiter der Kürzungen sein. In dieser Demutsgeste überzeugen Sie in dieser Stadt niemanden.
Danke schön, Frau Kollegin! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.
Wir kommen zu der Abstimmung über die Anträge. Zu beiden Anträgen empfiehlt der Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten die Ablehnung. Ich lasse einzeln abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 15/272 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit. Dann ist das mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Lassen Sie mich ausreden, Herr Wieland. Ich denke daran, weil Sie mich immer daran erinnern. – Enthaltungen?
Nein, das kann man auch so machen. – Eine Enthaltung? – Jetzt werden es mehr. Bei Enthaltung der Fraktion der Grünen ist das mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen – gegen die Opposition von CDU und FDP – abgelehnt.
Wer dem Antrag der CDU – Drucksache 15/273 – zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit. Mit den Stimmen der Koalition und der Grünen ist der Antrag damit abgelehnt.