Protocol of the Session on March 21, 2002

[Kittelmann (CDU): Kann er nicht!]

Hat er auch offenbar nicht. Bleibt das Geld aus den Zuschüssen für Hansa- und Schloßpark-Theater wenigstens in Ihrem Haushalt oder stimmen Gerüchte, dass Herr Sarrazin auch da zugreifen möchte. Darüber würden wir auch gern Bescheid wissen, denn auch das wäre eine entsprechende Absenkung.

Dass Sie dann aus lauter Hilflosigkeit meinen, der Bund müsse die Kosten für den Ausbau der Museumsinsel übernehmen, können wir verstehen. Man sollte nur möglichst die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Ihre Bezahlpolitik sieht ein bisschen nach Zechprellerei aus: Der Herr am Nebentisch zahlt unsere Rechnung, Herr Ober!

[Beifall bei der CDU]

Falls es Ihnen entgangen sein sollte, Herr Flierl, soeben haben die Länder ihren Austritt aus der Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angekündigt. Hier kommt auf den Bund und auch auf Berlin eine Menge mehr finanzieller Belastung zu. Meinen Sie, das sei der richtige Zeitpunkt, sich jetzt ganz schnell auf die Vergangenheit zu beziehen und zu glauben, der Bund wolle die Finanzierung der Museumsinsel allein bestreiten? – Man fragt sich ratlos, was die Regierung Wowereit in den letzten acht Monaten getan hat, im angeblich so fruchtbaren Dialog mit der Bundesregierung?

Christoph Stölzl hat es seit Sommer 2000 in Gesprächen mit Michael Naumann und Reinhard Klimmt erreicht, dass die überproportional starke Belastung Berlins mit den Baukosten auf der Insel als im Prinzip ungerecht erkannt worden war. Das Ergebnis einer Unterredung mit dem Finanzstaatssekretär Manfred Overhaus war der Plan, die Entflechtung des kulturpolitischen Engagements in den Ländern zu Gunsten einer tragfähigen Berlinlösung vorzubereiten. Was ist daraus geworden? – Seit Mai 2001 hat offenbar die Stimme Berlins beim Bund jedes Gewicht verloren. Es reicht eben nicht, wenn man die Hand aufhält oder den Bund verbal in die Zange zu nehmen versucht, wie es Klaus Wowereit bei seiner reichlich kulturarmen Rede zur Eröffnung der Nationalgalerie getan hat.

[Gaebler (SPD): Wie viel gab es denn vor dem Jahr 2001 vom Bund?]

Wir sind in Bezug auf die Lust des Bundes auf die Museumsinsel eher skeptisch. Aber da könnte doch endlich einmal die SPD hilfreich sein. Noch stellt Ihre Partei den Kanzler und den Kulturstaatsminister, Herr Wowereit. Herr Schröder macht seinen Genossen gelegentlich gern kleine Kulturgeschenke, wie damals bei der Staatsoper. Wenn solche wenig begründeten und in ihrer Wirkung eher problematischen Gaben so unkonventionell möglich sind, um den Glanz des Kanzlers und des Rechtsanwaltes Gysi zu erhöhen, dann dürfte im Wahlkampfjahr auch die Museumsinsel drin sein. Das jedenfalls wäre toll, Herr Wowereit.

Die Rechnungen zu Lasten Dritter sind bequem, nicht wahr? – Sie machen Sie leider auch zu Lasten der Bezirke, Frau Lange. Sie waren nicht mehr im Parlament, Herr Flierl, als wir im Kulturausschuss einen Bezirkskulturfonds gegründet haben. Und Ihr famoses Wahlprogramm sagt dazu:

Die Entwicklung der kommunalen Kulturarbeit in den Bezirken ist auch eine gesamtstädtische Aufgabe. In einem Gesetz sollen die Aufgaben der Kulturarbeit in den Bezirken unter Mitverantwortung des Landes festgeschrieben werden.

Na prima! Jetzt schreiben Sie den Niedergang fest und Ihre Mitverantwortung dafür, wenn es in Ihrem Pressepapier heißt, dass:

die bezirksübergreifenden kulturellen Aktivitäten in den Bezirken in einem vertretbaren Maß abgesenkt werden.

Es ist eben allzu einfach, sich auf diese vielen Kleinen zu stürzen, statt längst überfällige grundlegende Strukturreformen anzugehen, die Senator Stölzl in seiner Amtszeit angebahnt hat.

[Beifall bei der CDU]

Wo bleiben die wirklich anspruchsvollen Überlegungen? Wo bleibt die SPD, die mit dabei war, wenn Sie nach der fälligen Strukturdebatte für die Berliner Theater fragen? Oder das Opernkonzept, der Opernrat? – Alles das war beschlossen; Sie waren dabei – Sie persönlich nicht, die Genossen wohl!

[Zurufe der Abgn. Gaebler (SPD) und Kittelmann (CDU)]

Oder die Rechtsformänderungen im großen Stil? Die ist zum Beispiel bei den Philharmonikern erfolgreich. Verehrter Herr Senator! Was ist mit den langfristigen Verträgen, wie bei Hochschulen auch in der Kultur? – Das hatten wir in der kurzen letzten Legislaturperiode beschlossen. Und? – Ich zitiere noch einmal das PDS-Programm.

[Klemm (PDS): Das ist immer gut!]

Das hatte sogar Ihre Partei kapiert:

Die PDS schlägt vor: Einführung mehrjähriger Rahmenverträge für alle Kulturinstitutionen, mit denen zugleich ein langfristiges Personalkostenmanagement vereinbart wird. So können die Einrichtungen höhere Planungssicherheit, Selbstständigkeit und Flexibilität erlangen, ohne ständige Existenzgefährdung.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Hiller (PDS)]

Richtig! Lesen Sie Ihr Programm noch einmal, und vor allen Dingen: Beherzigen Sie es, Herr Flierl!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Setzen Sie es um! Setzen Sie sich gegen Herrn Sarrazin durch, entlassen auch Sie die Kulturhäuser in die Freiheit! Aber heute seien wir ehrlich! Statt zu sagen: Wissenschaft und Kultur bleiben Schwerpunkt, Herr Senator, müssten Sie vorrechnen:

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Von 330 Millionen § Einsparungen im konsumtiven Bereich muss allein die Kultur 27 Millionen § tragen. Das sind fast 10 Prozent.

[Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Würden Sie zum Schluss kommen, Frau Kollegin?

Ich bin beim Schlusssatz! – Nur 45 Millionen § auf die Hauptverwaltung, davon 27 Millionen § bei der Kultur! Das ist kein Schwerpunkt zu Gunsten, sondern zu Lasten!

[Klemm (PDS): Wo haben Sie denn rechnen gelernt?]

Ihre Kollegen und Sie haben uns darüber hinaus angekündigt, dass der nächste Haushalt erst richtig schwierig wird. Da kann ich nur sagen – frei nach Walter Ulbricht –: Niemand hat die Absicht, ein Theater zu schließen. – Oder? – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Grütters! – Das Wort hat nunmehr für die Fraktion der PDS Herr Brauer. – Bitte schön, Herr Brauer! Ergreifen Sie das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Grütters! Ihre heutige Rede hätten ich mir vor ein oder zwei Jahren gewünscht,

[Beifall bei der PDS – Zuruf des Abg. Kittelmann (CDU)]

aber da waren das andere Töne, wenn ich mich recht entsinne. Ansonsten: Das Bild mit dem Nachbartisch und der gastronomischen Einrichtung finde ich hübsch,

[Dr. Steffel (CDU): Restaurant heißt das!]

es gibt auch Kneipen, Herr Kollege! – aber die Zechpreller sitzen nun einmal in diesem Hause auf diesem Flügel. Das vergessen Sie bitte auch nicht!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Ansonsten bin ich der Fraktion der FDP sehr dankbar für die heutige Große Anfrage. Sie gibt uns tatsächlich die Möglichkeit, im Vorfeld der Haushaltsberatung über das zu diskutieren, was sonst der üblichen Titelfeilscherei immer zum Opfer fällt – die Kulturpolitik. Allerdings kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese – wie gehabt – auf den parteipolitischen Schlagabtausch reduziert wird und die Bedürfnisse der kulturellen Einrichtungen dieser Stadt, der in und mit ihnen tätigen Künstler und die Bedürfnisse des Publikums erst recht bei dieser Pingpongspielerei kaum eine Rolle spielen.

[Ritzmann (FDP): Sie sind doch das beste Beispiel dafür!]

Begleitkonzert ist der immer noch schier unausrottbare Aberglaube, dass in den Kulturausgaben des Landes ein gigantisches Sparpotential stecke, mit dem ein überschuldeter Haushalt wirksam mitsaniert werden könne. Dann werden diese kühnen Rechenübungen immer noch vom Totschlagargument gestützt, dass in Zeiten, in denen man an Krankenhausbetten spare, keine teuren Opernhäuser subventioniert werden dürften. Und Menschen, die sich für kulturvoll halten, sekundieren dann noch mit der hanebüchenen Bemerkung, dass die Opernhäuser der darbenden Offkultur und wahlweise der Kiezkultur die Mittel wegfräßen. Jedes Schließungsgerücht – auch von den Kolleginnen und Kollegen der Opposition – wird begierig aufgesogen, von den einen freudig begrüßt, weil man hinter angeblichen

Sparzwängen wunderbar das eigene Banausentum verbergen kann, von anderen mit großer Freude heftig attackiert, weil man damit – Lieblingsspiel nicht nur eines nicht ganz unbekannten Berliner Intendanten – nachweisen kann, dass Politiker, in der Regel die der anderen Parteien, allesamt Kannibalen seien. Die Wirrnis ist eine vollkommene; jedes Schließungsgerücht führt inzwischen – seit Jahren durch bittere Erfahrung genährt – zu Ängsten und Lähmungen in den Ensembles. Auf der Strecke bleibt das Publikum; es reagiert und bleibt einfach weg. Auf der Strecke bleibt der Ruf der Stadt; Berlin gilt inzwischen als „Schließungshauptstadt“. Und auf der Strecke bleibt die Kunst, verludert ihr ureigenster Auftrag, wesentliches Mittel gesellschaftlicher Selbsterkenntnis zu sein, humanitätsbildend zu wirken. Das Schielen auf bloße Kasseneinnahmen führt inzwischen zu skurrilen ästhetischen Deformationen, das Sankt-FloriansPrinzip feiert in den Kultureinrichtungen dieser Stadt fröhliche Urständ.

Dem gilt es entgegenzusteuern, und genau dies ist der Wille der Koalition. Die notwendigen Kürzungen im Landeshaushalt führen eben nicht – wie von Ihnen, Frau Kollegin Grütters, behauptet – zu allseits großflächigen Schließungen im Kulturbereich. Eine große Berliner Tageszeitung stellte jüngst fest, dass es bizarr sei, aber „die Berliner Koalition hält sich an ihre Wahlversprechen“.

[Zurufe der Abgn. Frau Grütters (CDU) und Hoffmann (CDU)]

Das war die Presse offensichtlich in den letzten Jahren nicht gewöhnt! Bildung, Wissenschaft, Forschung und – nicht zuletzt – Kultur haben für uns Priorität, und das behalten sie auch.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Dieselbe Zeitung vermerkt auch, dass angesichts der Kassenlage die leider auch im Kulturbereich anstehenden Kürzungen „eine zumutbare Leistung“ seien. Diese Kassenlage – das scheinen Sie, von der CDU-Fraktion, vergessen zu haben – ist Frucht jahrelanger Misswirtschaft einer ganz anderen Koalition. An der waren Sie nicht ganz unwesentlich beteiligt!

[Zuruf des Abg. Kittelmann (CDU)]