Protocol of the Session on March 21, 2002

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Sen Dr. Flierl

Im Übrigen wird Ihnen in den nächsten Tagen – oder ist bereits – ein Bericht an das Abgeordnetenhaus zugeleitet über die Einführung eines zentralen Überhangmanagements bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur.

Lassen Sie mich zum Abschluss kommen: Zu den Folgen der vom Senat angekündigten Haushaltskürzung, darauf zielte Ihre Frage. Wenn Sie mich fragen, worin die Folgen bestehen, dann sage ich zunächst: Sie sind relativ gering. Es war nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Senatsklausur zu spüren, dass es so eine Mischung zwischen Erleichterung und Enttäuschung gab. Erleichterung, dass es nicht zu schwerwiegenden Eingriffen kam, Enttäuschung, dass die Eingriffe nicht groß genug waren. Es gab auch die Meinung, erst habe der Kultursenator nicht genügend für die Kultur gekämpft, und anschließend hat er nicht genügend gespart.

Ob wir an der richtigen Stelle gespart haben, werden Sie ja mit uns zusammen im Rahmen der Haushaltsberatungen erörtern können. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich, glaube ich, nur einschätzen, dass wir Zeit gewonnen haben für die Vorbereitung von tiefgreifenden Strukturveränderungen, dass wir dazu in besonderer Weise auch das Parlament brauchen, und insofern steht die Herausforderung für die Kulturpolitik noch bevor – sowohl für die Regierung als auch für die Opposition. Insofern freue ich mich auf konstruktive Beiträge der Opposition zur Bewältigung der gemeinsamen Probleme der Kulturpolitik dieser Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Senator Dr. Flierl! – Wir treten nun in die Besprechung ein, und für die FDP ergreift das Wort Herr Dr. Augstin. Sie haben das Wort. Das Forum Kultur ist vorerst das Parlament. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Flierl können deshalb nicht zufrieden stellen, da er uns vieles im Detail nicht dargelegt hat. Man kann aber doch resümierend sagen: Er sagt, er wolle die Kultur konzentrieren, aber die Frage bleibt zu stellen, ob diese Konzentration nicht zu guter Letzt zu Lasten der Urbanität der Stadt geht, indem nämlich im Zentrum mehr, aber in der Breite der Stadt weniger stattfinden kann.

Dieses gilt insbesondere auch für den Südwesten der Stadt. Hierzu hat die FDP im Kulturausschuss einen Antrag zur Abstimmung gestellt, nämlich: Der Senat wird aufgefordert, die Voraussetzungen für den Erhalt des Schloßpark-Theaters in Steglitz zu schaffen. – Wir alle wissen, dass es dazu ein Gutachten gibt, und Gutachten haben die Eigenschaft, dass sie zwar die Meinung der Gutachter wiedergeben, aber ob diese dann stringent auch jene des Parlaments sein kann, muss überprüfbar sein. Dabei bleibt ein Vorbehalt gegenüber diesem Gutachten deshalb schon, weil die Gutachterin Frau Friedrichs selber in einem Dissens mit Herrn Sasse stand und daher durchaus eine Befangenheit nicht auszuschließen ist.

Auch muss die Frage möglich sein, inwieweit die Auslastung des Hauses maßgeblich für die Entscheidung gewesen ist. So stellt man fest, dass etwa für ein Stück, das gerade auch noch läuft, eine Auslastung bis zu 87 % erfolgt, nämlich für „Die Glut“, andererseits, wenn auch einmal etwas experimentell anderes zum Tragen kommt und eine Auslastung bei etwa 35 % liegt, ich meine hier das Stück von Hochhuth „Hitlers Doktor Faust“, dass das ein Beitrag für die Stadt ist, nicht nur konventionelles Unterhaltungstheater zu schaffen, sondern eine gute Sprechbühne zu sein. So etwas ist nicht ohne Weiteres verzichtbar in dieser Stadt.

Nun will ich mich hier nicht für Herrn Sasse einsetzen, denn das steht mir fern. Mir geht es um die Urbanität der Stadt, und offensichtlich geht es auch der Staatssekretärin Frau Christa Tebbe so, denn sie hat im Ausschuss dargelegt, dass das Haus gar nicht geschlossen werden sollte, sondern dass es weiter

bespielt werden solle. Wenn dem so ist, Herr Flierl, dann weiß ich nicht, warum die PDS gegen unseren Antrag gestimmt hat. Ich lese ihn einfach noch einmal vor, damit Sie wissen, um was für eine Abstimmung es geht, nämlich: Es sollen die Voraussetzungen für den Erhalt des Schloßpark-Theaters in Steglitz geschaffen werden. – Wenn Sie aber selbst durch Ihre Staatssekretärin sagen lassen, dass diese Voraussetzungen ja eigentlich erfolgen sollen, dann frage ich mich, Herr Flierl, warum in Ihrem Referat nicht ein Konzept für dieses Haus entwickelt wurde, aber auf der anderen Seite durch die Ablehnung unseres Antrags bereits die Entscheidung zum Tragen kommt, dass dieses Haus geschlossen werden soll.

Das ist wiederum für die Stadt ein finanzielles Chaos oder anders ausgedrückt: Wenn erst einmal dieses Haus geschlossen wird, bedeutet es, dass die Belebung dieses Hauses wieder Geld kosten wird. Das hängt damit zusammen, dass man durch ein Budget eine Bespielbarkeit schaffen muss. Wenn Sie aber dieses bisherige Budget verwenden, und zwar im Ganzen, um andere Dinge zu fördern, frage ich mich, wie glaubhaft die Aussage im Ausschuss ist – diese Frage müssen Sie sich einfach gefallen lassen –, dass die Bespielung des Hauses erfolgen soll.

Und dann noch etwas: Wenn Sie sagen, Sie machen Konzepte, und es gibt einen Input und einen Output, dann haben Sie den einen Input bereits getan, aber den Output haben Sie im Grunde genommen bereits verspielt, indem Sie nämlich die Voraussetzungen für das, was Sie uns im Ausschuss vermitteln wollten, gar nicht schaffen. Mit anderen Worten: Ist das nun eine Vernebelung oder aber stimmen Sie doch einfach unserem Antrag zu. Dieser beinhaltet eigentlich nur, dass diese Voraussetzungen, die Sie beabsichtigen, zu schaffen, auch von Ihnen geschaffen werden sollen, und dann dokumentieren Sie, indem Sie den Antrag auch Ihre Stimme leihen, dass Sie glaubwürdig sind. Und glaubwürdig, das ist eine Frage, die Sie sich hier ernsthaft stellen lassen müssen.

[Brauer (PDS): Der Antrag ist einfach fehlerhaft!]

Sie könnten sagen, der Antrag wäre schon gar nicht mehr nötig, wenn die Erklärung einmal erfolgt: Das Haus soll wieder bespielt werden. Aber wir wollen ja nicht nur, dass es wieder bespielt wird, sondern wir wollen auch die Voraussetzungen haben. Wenn die einfach weggezogen werden und darüber hinaus kein Konzept – jedenfalls kein glaubwürdige Konzept – vorgelegt wird, muss man an der Glaubwürdigkeit des Senats zweifeln.

Dieser Zweifel ist nicht nur an dieser Stelle zu sehen, sondern er stellt sich genauso, wenn Sie uns heute vermitteln, dass Sie in vielen Fällen, ob das Bethanien, ob das Tacheles, ob das Podewil oder die Ufa-Fabrik ist – all das ist ein Beitrag für eine breite kulturelle Szene –, neu strukturieren wollen, und dann erklären Sie heute, Sie wollen alles konzentrieren, aber wenn Sie schon an einem konkreten Beispiel, wie beim Schloßpark-Theater deutlich machen, dass Sie auf ein Konzept gar keinen Wert legen, sondern die Arbeit am Besten dadurch erledigen, dass Sie sie niederstimmen, dann frage ich mich – und das an die Stelle des Regierenden Bürgermeisters gewandt, der jetzt nicht da ist,

[Zurufe: Da ist er doch!]

der uns in die Pflicht genommen hat, wir sollten auch einen konstruktiven Beitrag leisten –, dann frage ich Sie, Herr Flierl, in Vertretung für unseren Bürgermeister: Wenn wir einen Antrag einbringen, der es erst zur Grundlage macht, dass Sie auch eine Unterstützung in der Kulturpolitik haben – nämlich durch die FDP –, wieso ignorieren Sie den und verfahren so, wie im Ausschuss geschehen, der gern mit Ihnen oder aber Ihrer Staatssekretärin – da Sie nicht da sein konnten – über die Eckdaten diskutiert hätte, dass Sie durch Ihre Koalition einfach abstimmen lassen, dass nicht diskutiert wird? Warum wird nicht diskutiert? Weil Sie es offensichtlich besser wissen, und eine Diskussion mit der Opposition überhaupt nicht wollen. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP – Brauer (PDS): Die Zahlen, die Sie wissen wollten, die gab es noch nicht!]

Vielen Dank, Herr Dr. Augstin! – Für die Sozialdemokratische Partei ergreift das Wort Frau Brigitte Lange. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt muss ich doch als Erstes mit dem Schloßpark-Theater anfangen. Ich sage es noch einmal: Es gab eine Evaluation, die von staatsfernen Experten durchgeführt wurde. Es wurde über eine Zuwendung von 4 Jahren entschieden. Es wurde nicht darüber entschieden, ob das SchloßparkTheater geschlossen wird.

In dem Zusammenhang möchte ich mit Genehmigung des Präsidenten aus der 17. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 26. Oktober zitieren, wo Herr Stölzl gesagt hat:

Trotzdem stehen wir dafür, dass verantwortliche Kulturpolitik bei den Großen wie bei den Kleinen niemals von einer Utopie, einer flächendeckenden staatlichen Kulturversorgung ausgeht. Wir müssen das Etablierte, ob groß oder klein, immer dauernd kritisch hinterfragen.

[Beifall bei der SPD]

Erst recht, wenn es durch chronische Defizite Anlass zur Sorge gibt. Und warum? Schon deswegen, weil jeden Tag neue förderungswürdige Talente und Gruppen auftreten und ihren Abspruch anmelden. In Zeiten des schwierigen Sparens ist nicht Erhaltung von Erbhöfen, sondern Bewegung das Motto.

Und genau in diesem Sinne hat die Expertenkommission entschieden. Ich bin ganz sicher, dass die CDU, was das Schloßpark-Theater angeht, auch diese Meinung vertritt. Denn ansonsten müsste ich mich fragen, ob gilt, wie es im Kulturausschuss vorgekommen ist: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Herr Dr. Jungnickel, eines ist klar, wir sind gar nicht so weit auseinander. Was uns verbindet, ist es, den Stellenwert von Kunst und Kultur in Berlin zu erhöhen und darauf zu achten, dass auch die Vielfalt erhalten bleibt. Insofern sind wir wirklich sehr dicht zusammen. – Zu den einzelnen Punkten Ihrer Anfrage hat Herr Senator Flierl schon Stellung genommen. Allerdings möchte ich dazu sagen, dass ich auch die Einschnitte besonders im jugendkulturellen Bereich besonders schmerzlich finde.

„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“, dieses Zitat von Karl Valentin ist hochaktuell, besonders vor dem Hintergrund unserer Haushaltssituation. Wir haben intensiv dafür gekämpft und gerungen, dass der Kulturhaushalt nicht im selbem Maße von Einsparvorgaben betroffen wird wie die anderen Ressorts. Wir alle wissen, dass Kunst und Kultur für die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger mehr bedeuten als nur ein schwarzes Loch in der Haushaltskasse oder als eine pauschale Minderausgabe. Die Teilhabe an Kunst und Kultur ist für die Bürgerinnen und Bürger unverzichtbar, insbesondere in einer Metropole wie Berlin. Kunst und Kultur sind sinnstiftend und im wahrsten Sinne des Wortes Balsam für die Seele.

Hier ist die Kulturpolitik gefragt. Wir haben die Rahmenbedingungen zu setzen und die Teilhabe für alle zu sichern. Kultur darf kein Luxus für Besserverdienende sein, sie muss für alle offen sein. Dies ist das Ziel der Kulturpolitik der SPD-Fraktion.

[Beifall bei der SPD – Kittelmann (CDU): Phrasen! Was ist die Konsequenz?]

Kunst und Kultur, das sind die Pfunde, mit denen Berlin noch wuchern kann. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im März noch einmal darauf hingewiesen, dass die Zukunftsfähigkeit gerade in Berlin in höchstem Maße von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Kultur abhängig ist. Wie Sie der Presse vom 13. März entnehmen konnten, habe ich als kulturpolitische Sprecherin festgestellt, dass eine Einsparvorgabe von 170 Millionen § absurd und viel zu hoch gewesen wäre und dass durch solche Meldungen ein Klima der Verunsicherung entsteht. Wäre die Kürzung in diesem Umfang beschlossen wor

den, wäre es in der Tat eine Katastrophe geworden. Und ich habe Herrn Senator Flierl aufgefordert, Farbe zu bekennen. Daher habe ich mit Freude jetzt zur Kenntnis genommen, dass sich der Regierende Bürgermeister und Herr Senator Flierl in unserem Sinne für die Belange der Kulturpolitik stark gemacht haben.

[Frau Ströver (Grüne): Das Gegenteil ist der Fall!]

Wir haben viel erreicht, z. B. haben wir erreicht, dass kein Standort geschlossen wird. Für die SPD-Fraktion war und ist Bildung und Kultur ein Schwerpunkt der Politik. Wir werden dafür sorgen, dass es auch so bleibt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich freue mich, dass die Nacht der langen Messer für den Kulturbereich glimpflicher ablief als für andere Ressorts,

[Frau Ströver (Grüne): Stimmt doch gar nicht!]

wobei wir da auch eine große Verantwortung tragen. Die Haushaltsklausur liegt hinter uns, das bedeutet aber nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Es gibt niemanden, der für uns einen Zauberkasten aufmacht und uns mit einem reichen Geldsegen beschenkt. Den brauchten wir für unsere Kultur. Aber nicht zuletzt hat die Misswirtschaft von Bankern, deren unsägliches Bakschisch-Banking die Zukunft der ganzen Stadt aufs Spiel gesetzt.

Dennoch haben wir einen großen kulturellen Reichtum in der Stadt. Es gibt drei Opernhäuser, vier staatliche und 14 private Sprechtheater sowie über 200 Off-Theater und Tanzgruppen. Wir besitzen fünf Sinfonie- und drei Opernorchester, 170 Museen und Sammlungen, 2 300 kulturelle Einrichtungen mit 25 000 Kunst- und Kulturschaffenden, darunter z. B. 5 000 bildende Künstler und Künstlerinnen und rund 1 200 Autoren und Autorinnen. Diesen Reichtum gilt es zu erhalten. Und in diesem Sinne handelt der Regierende Bürgermeister verantwortlich, wenn er sagt, mit uns gibt es keinen Kahlschlag in der Kultur.

[Beifall bei der SPD – Wieland (Grüne): Oh!]

Was wir jetzt brauchen, und das brauchen wir schnellstens, Herr Senator Flierl, da sind Sie gefragt. Wir brauchen eine Kulturkonzeption, die diesen Schatz Berlins, seine lebendige Vielfalt und die historische Bedeutung andererseits pflegt und erhält. Die lange Geschichte der immer wieder gescheiterten Kulturkonzepte und der auch immer wieder gescheiterten Senatoren und Senatorinnen muss endlich ein Ende haben.

[Wieland (Grüne): Eine lange Frage, er hört nicht zu!]

Ich bin sicher, dass Herr Stölzl davon auch ein Lied singen kann. Es reicht halt doch nicht, eher in die Selbstdarstellung als in das Gelingen verliebt zu sein.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir brauchen Planungssicherheit für die Bühnen, damit sie in Ruhe arbeiten können. Es ist zu häufig vorgekommen, dass durch gezielte Schließungsgerüchte Angst verbreitet wird. Dazu gehört die Bühnenstrukturreform. Alle bisherigen Ansätze sind ausnahmslos gescheitert.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]