Protocol of the Session on April 28, 2005

[Doering (PDS): Das Gehalt der BVG-Fahrer erhöhen!]

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte!

Erst einmal ist jedem persönlich – auch dem Busfahrer – das Geld zu gönnen, das er vertraglich vereinbart hat. Wenn ein Arbeitnehmer einen Dienstherrn findet, der mit ihm einen Arbeitsvertrag schließt, ist dies gut. Es ist die Aufgabe des Arbeitnehmers gegenüber seiner Familie, zu möglichst günstigen Bedingungen abzuschließen. So funktioniert der Markt.

Die historischen Abschlüsse bei der BVG, die ein politisch sehr verwöhntes Unternehmen war, waren bereits bei ihrem Abschluss hinsichtlich ihrer Rahmenbedingungen deutlich vom Markt entfernt und haben sich seitdem noch mehr entfernt. Die BVG hat deshalb bereits im Jahr 1997 die Tochter BT Berlin Transport GmbH gegründet,

Frau Dott

für die übrigens auch Verdi den Tarifabschluss verhandelt hat. Dort bekommen die Busfahrer, bezogen auf die tatsächlich geleisteten Dienste am Lenkrad, durchschnittlich 30 % weniger als bei der Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Busse fahren übrigens genauso gut. Sie fahren genauso pünktlich, und es gibt keinen Mangel an Bewerbern, weil es eben marktgerechte Preise sind.

[Dr. Lindner (FDP): Echt? – Marktgerecht!]

In Brandenburg und auch in Hamburg fahren die Busfahrer zu den gleichen Tarifen.

Das Problem bei der BVG ist die Tatsache, dass die 10 000 Altbeschäftigten – abgesehen davon, dass es hiervon im Verhältnis zu den betrieblichen Aufgaben zu viele sind – größtenteils Konditionen haben, die nicht mehr marktgerecht sind.

Entschuldigung, Herr Senator, dass ich Sie unterbreche! – Herr Kollege LehmannBrauns! Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen oder das Handy auszuschalten. Ich habe heute schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass das die Lautsprecheranlage stört. Auch wenn Sie Nachrücker sind, wissen Sie, dass das Telefonieren mit Handys im Saal nicht zulässig ist. Bitte schalten Sie es ab! – Fahren Sie fort, Herr Dr. Sarrazin!

[Zuruf des Abg. Wansner (CDU)]

Jetzt muss ich den Faden wieder finden.

[Zuruf des Abg. Ritzmann (FDP)]

Genau, Stichwort: nicht marktgerecht! – Dies war bis vor kurzem nur eine Sorge des Landes Berlin, weil es mit seinem gewaltigen Zuschuss von 450 Millionen € letztlich die Unterschiede zum Markt bezahlen musste. Es wird nach dem neuen europäischen Recht in wenigen Jahren auch eine Sorge aller sein, die sich für die BVG interessieren, weil wir die Leistungen ohne Ausschreibung nicht an ein Unternehmen vergeben dürfen, das nicht zu marktgerechten Preisen produziert. Das ist keine Überlegung des Finanzsenators. Das weiß die Verkehrssenatorin noch viel besser als ich. Sie könnte Ihnen das noch anschaulicher erklären. Deshalb ist es auch keine Frage guten oder bösen Willens, sondern wir täten auch den Beschäftigten der BVG einen Tort an, wenn wir jetzt den Eindruck erweckten, dass wir sie zu Bedingungen, welche am Ende nicht den europäischen Regelungen genügen, vor Ausschreibungen schützen können. Das ist der abstrakte Rahmen. Ob es gelingt, das Unternehmen bis zum Jahr 2008 mit wettbewerbsfähigen Kostenrahmen zu führen, ist eine Frage, die über die Existenz des Unternehmens BVG objektiv entscheidend ist.

Danke schön! – Eine Nachfrage? – Herr Dr. Lindner, bitte schön!

Ja, ich bin ganz bei Ihnen. Um diese Marktgerechtigkeit, diese Marktkonformität zu erreichen, werden Sie sich insbesondere im Aufsichtsrat der

BVG dafür einsetzen, dass die Löhne bei der BVG erst dann wieder erhöht werden, wenn sie dem Durchschnittsniveau der Einkommen von Berufskraftfahrern in Privatunternehmen entsprechen, oder werden Sie der Empfehlung des parlamentarischen Geschäftsführers der SPDFraktion, Ihres Parteifreundes Gaebler, folgen und Ihr Aufsichtsratsmandat bei der BVG niederlegen?

Herr Senator Dr. Sarrazin!

Eine derartige Empfehlung hat mich bisher nicht erreicht.

[Ratzmann (Grüne): „Tagesspiegel“!]

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie jemals ausgesprochen wurde. Im Übrigen setze ich mich ununterbrochen dafür ein, dass die Löhne der BVG marktgerecht werden, wo sie dies noch nicht sind. Da der BAT ausläuft, d. h. Lohnerhöhungen im Rahmen des BAT künftig nicht mehr stattfinden, können wir bei jährlich durchschnittlich 1,5 bis 2 % Lohnerhöhungen und Lohnpause bis zum Jahr 2009 davon ausgehen, dass die Löhne bei der BVG AöR, wenn man gar nichts tut, etwa im Jahr 2025 marktgerecht sein werden. Bis dahin kann es dort aus meiner Sicht keine Lohnerhöhungen geben.

[Gelächter bei der FDP]

Meine Damen und Herren! Nach der ersten Runde in der Stärke der Fraktionen erfolgen die weiteren Wortmeldungen im freien Zugriff. Ich eröffne diese Runde mit dem Gongzeichen. Mit dem Ertönen des Gongs können Sie sich anmelden.

[Gongzeichen]

Es beginnt der Kollege Tromp. Ihm folgt der Kollege Hahn. – Bitte, Herr Tromp!

Ich habe eine Frage an den Wirtschaftssenator Wolf: Vor dem Hintergrund, dass Sie erst in der letzten Woche mit dem Regierenden Bürgermeister und anderen Senatsmitgliedern in Brüssel waren, um für eine stärkere Berücksichtigung Berlins bei der Regionalförderung ab 2007 zu werben, frage ich Sie, ob Ihre Weigerung, sich klipp und klar für die EU-Verfassung auszusprechen, Berlins Position bei den künftigen Verhandlungen schwächt.

Herr Senator Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Ich weiß gar nicht, woher Sie wissen wollen, dass es von meiner Seite aus eine Weigerung gibt, klipp und klar Position zu beziehen. Ich bin der Auffassung – das ist meine persönliche Überzeugung –, dass es ein historischer Fortschritt bei der europäischen Integration ist, wenn wir eine europäische Verfassung haben. Wir sind nicht in einer Phase, in der wir darüber diskutieren, wie diese Verfassung noch besser ausgestaltet werden kann, sondern wir sind zurzeit in einem Ratifizierungsprozess. Zur politischen Entscheidung steht die Fra

Sen Dr. Sarrazin

ge an, ob diese Verfassung ratifiziert wird oder der Vertrag von Nizza weiterhin die Grundlage des europäischen Integrationsprozesses bleibt. Ich bevorzuge die Verfassung gegenüber dem Vertrag von Nizza. Das ist meine persönliche Überzeugung. Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass es im Interesse des Landes Berlin ist, der Verfassung im Ratifizierungsprozess zuzustimmen, weil Berlin ein großes Interesse am Voranschreiten des europäischen Integrationsprozesses haben muss.

Danke schön! – Eine Nachfrage? – Bitte schön!

Darf ich Ihren Worten entnehmen, dass Sie im Senat für ein Ja Berlins im Bundesrat bei der Abstimmung über die EU-Verfassung stimmen werden?

Herr Senator Wolf!

Sie dürfen meinen Worten entnehmen, dass ich im Senat so agieren werde, dass der Senat von Berlin im Bundesrat wird zustimmen können.

Jetzt hat der Kollege Hahn das Wort. – Bitte schön!

Meine Frage richtet sich an den Innensenator, der gerade telefoniert.

Telefonieren ist zulässig, aber nicht die Störung der Lautsprecheranlage.

Meine Frage bezieht sich auf eine Meldung der „Berliner Zeitung“ aus dem Februar, derzufolge Sie, Herr Senator, den ca. 4 000 bis 5 000 türkischen Staatsbürgern in dieser Stadt eine schnelle, unbürokratische Wiedereinbürgerung versprochen haben, die ihre deutsche Staatsbürgerschaft nach dem seit dem 1. Januar 2000 geltenden deutschen Staatsbürgerschaftsrecht dadurch verloren haben, dass sie nach der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft die zuvor abgegebene türkische Staatsbürgerschaft unzulässigerweise wieder angenommen haben. Ich frage Sie, auf welcher Rechtsgrundlage Sie eine solche Wiedereinbürgerung versprechen.

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Hahn! Das erfolgt auf der Grundlage des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes und des geltenden Aufenthaltsrechts.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Eine Nachfrage? – Bitte schön!

Herr Senator! Wie stehen Sie zu der kürzlich bekannt gewordenen Haltung des Bundesinnenministers Otto Schily zu diesem Problem? – Dieser strebt bekanntlich ein Abkommen mit der Türkei an, damit solche „Doppelstaatler“ Deutschland gemeldet werden und der Bundesinnenminister ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen kann. In diesem

hörigkeit entziehen kann. In diesem Zusammenhang hat der Bundesinnenminister erklärt, dass er solche Wiedereinbürgerungen nicht erlauben will.

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Hahn! Da müssen Sie etwas missverstanden haben.

[Hahn (FDP): Meldung der „taz“!]

Der Bundesinnenminister kann keinem Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen. Dafür hat er keine Zuständigkeit. Das betrifft übrigens nicht nur Türken, sondern auch Menschen, die mit Amerikanern verheiratet sind, deshalb die amerikanische Staatsangehörigkeit angenommen haben und jetzt zu ihrer Überraschung feststellen, dass sie gleichzeitig die deutsche verloren haben. Man verliert nach dem geltenden Recht, wenn man eine fremde Staatsangehörigkeit annimmt, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Da brauche ich keine Entziehung oder wie auch immer. Was der Bundesinnenminister gemacht hat, ist die Bitte an die türkischen Behörden, nachdem bekannt geworden ist, dass es eine Vielzahl von ehemals türkischen Staatsangehörigen, die Deutsche geworden sind, gegeben hat, die dann wieder – wie das früher möglich war – die türkische Staatsangehörigkeit zusätzlich erworben haben, den deutschen Behörden dieses bekannt zu geben, damit man dann mit den Betreffenden über die notwendigen Folgerungen reden kann. Teilweise sieht das Aufenthaltsrecht übrigens, was den Aufenthaltsstatus betrifft, ausdrückliche Vergünstigungen vor. Ehemalige deutsche Staatsangehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit abgelegt haben, haben nach dem Aufenthaltsrecht ein leichteres Verfahren zum Erwerb einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Niederlassungserlaubnis. Das ist auch der Schwerpunkt dessen, was ich gegenüber den türkischen Verbänden vorgetragen habe: Wir werden das, was im Aufenthaltsrecht steht, nutzen, um Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, die in einer für sie unklaren Situation ab 2000, teilweise auch durch eine falschen Beratung durch türkische Behörden, zusätzlich auch die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben haben, wieder einen klaren Rechtsstatus zu verschaffen. Der klare Rechtsstatus ist erst einmal der Aufenthaltsstatus. Menschen, die seit 40 Jahren hier leben, müssen wieder einen vernünftigen Aufenthaltsstatus haben. Und bei denjenigen, die sich jetzt klar entscheiden wollen: Ich will nicht mehr Türke sein, wenn es keine Doppelstaatsangehörigkeit gibt, sondern ich will nur deutscher Staatsangehöriger sein. –, nutzen wir die Möglichkeiten des Staatsangehörigkeitsrechts, um ihnen die Einbürgerung zu den üblichen Bedingungen – übrigens auch zu den üblichen Gebühren – wieder zu ermöglichen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Durch Zeitablauf ist die Spontane Fragestunde beendet.

Ich rufe auf