Der Bericht des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2004 mit dem Titel „Sonderauswertung Wostok über Schleusungen unter missbräuchlicher Verwendung von Reiseschutzpässen“ ist der Innenverwaltung am 25. April 2005 zugänglich gemacht und durch mich zur Kenntnis genommen worden. Ein Entwurf ist dem Landeskriminalamt Berlin Ende 2003 durch das Bundeskriminalamt übermittelt worden und hat dazu geführt – das habe ich auf die Frage des Kollegen Henkel bereits dargestellt –, dass das Landeskriminalamt die von ihm selbst eingeleiteten 25 Ermittlungsverfahren mit dem Bericht abgeglichen und bei den übrigen Verfahren im Jahr 2003 keinen Anlass für einen Anfangsverdacht gegenüber Sonstigen gesehen hat. Vielleicht muss man das dahin gehend ergänzen, dass der Bericht neben den 25 von Berlin geführten Verfahren weitere 15 bis 20 Verfahren enthält – Verfahren, also nicht nur Reisebüronennungen –, die von der Staatsanwaltschaft Berlin auf Grund von Zulieferung der Bundesgrenzschutzdirektionen beziehungsweise anderer Staatsanwaltschaften geführt werden.
Danke schön, Herr Senator! – Jetzt ist der Kollege Henkel mit seiner ersten Nachfrage an der Reihe und erhält der Wort – bitte!
Herr Senator! Mit Reiseschutzpässen handeln offensichtlich 359 Firmen in Deutschland. Davon sollen 90 allein in Berlin sein. Angesichts dieser Tatsache sowie Ihrer Antwort gerade eben, frage ich Sie, ob es Überlegungen in der Innenverwaltung gibt, im Landeskriminalamt Berlin eine Sondereinheit einzurichten, die sich ausschließlich mit ukrainischen Schleusern oder mit der Thematik der Schleuserkriminalität insgesamt beschäftigt – ähnlich wie bei der Staatsanwaltschaft.
Herr Kollege Henkel! Wir haben eine Zuständigkeit des Landeskriminalamtes im Referat 22, das sich spezifisch mit Schleusungskriminalität befasst. Wir haben Schleusungskriminaltität in verschiedensten Erscheinungsformen. Wir haben die jetzt öffentlich geführte Debatte über Schleusungskriminalität mit diesen so genannten Reiseschutzpässen. Wir haben darüber hinaus eine Schleusungskriminalität mit Einladungen, die fingiert sind und wo es Verpflichtungserklärungen der Einladenden für die Sicherstellung der Rückkehr der eingeladenen Personen gibt. Und wir haben insbesondere im letzten Jahr eine neue Form der Schleusungskriminalität im Fokus des Landeskriminalamtes. Das sind diejenigen, die insbesondere auch aus dem Bereich China hierher kommen – als Studenten, die sich angeblich durch deutsche Sprachkurse vorbereiten –, wobei die Sprachkurse nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes und nach den durchgeführten Ermittlungsverfahren nur vorgeschoben sind.
Wir haben also verschiedenste Formen der Schleusungskriminalität. Ich bin gern bereit, noch einmal durch die zuständigen Institutionen – Polizeipräsident und Landeskriminalamt – überprüfen zu lassen, ob unsere Aufstellung optimal ist. Bisher habe ich den Eindruck, dass das Landeskriminalamt eine anerkannt gute Arbeit auch bei der Aufdeckung von Schleusungskriminalität leistet, was z. B. durch die 25 Fälle, die ich genannt habe, dokumentiert wird, denn diese Ermittlungsverfahren des Landes Berlin sind völlig unabhängig von dem Auswerteprojekt des Bundes erfolgt. Diese Verfahren wurden in den Jahren 2001 und 2002 eingeleitet – bis auf zwei, die erst im Jahr 2004 eingeleitet wurden –, und diese Verfahren sind abgeschlossen und liegen der Staatsanwaltschaft vor. Teilweise hat es dort auch schon zu entsprechenden Abschlüssen bei der Staatsanwaltschaft geführt – je nach Sachlage mit Strafbefehl, Anklageerhebung oder auch Einstellung des Verfahrens.
Herr Senator! Ihren Eindruck über die Leistungsfähigkeit Ihrer Behörde in allen Ehren – aber die ganze Republik diskutiert seit Monaten über den von Rot-Grün zu verantwortenden massenhaften Visamissbrauch. Sogar Bundesaußenminister Fischer hat eingestanden, dass er schuldig und verantwortlich ist – er weiß nicht mehr genau, wofür, aber er hat es eingestanden –,
und deswegen frage ich Sie noch einmal, warum Sie sich als allerletzter Innenminister in dieser Republik fundiert mit diesem Problem auseinander gesetzt haben. Sie erklären öffentlich, dass Sie am Montag dieser Woche den Wostok-Bericht persönlich zur Kenntnis genommen haben, den das BKA im Dezember 2003 an die Landeskriminalämter weitergegeben hat, und Sie reden das jetzt hier – seit Februar arbeiten wir im Abgeordnetenhaus an den Thema – permanent herunter, deckeln das und erklären, Sie fänden kein Problem. Wie erklären Sie das der Öffentlichkeit?
Die Schleusungskriminalität ist eine besondere Kriminalitätsform, die teilweise mit organisierter Kriminalität zusammenhängt, und deswegen haben wir in der Kriminalitätsbekämpfung auch einen Schwerpunkt bei Schleusungskriminalität. Dazu hat das Land Berlin durch sein Landeskriminalamt und durch die Polizei eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren durchgeführt, über die ich als Person auch teilweise unterrichtet bin, und zwar laufend seit 2001 durch entsprechende Lagebilder oder Ähnliches.
Herr Kollege Niedergesäß! Auf diese Verfahren hin ist von der Berliner Polizei ermittelt worden, und in den Jahren 2001, 2002 und 2003 sind Ermittlungen abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft weitergegeben worden. Sie können ja sagen, Sie machen irgendetwas gegen mich. Das haben Sie umsonst. Aber ich empfinde es als schlichtweg niederträchtig gegenüber den Mitarbeitern meiner Polizei,
die dort seit Jahren ermitteln und entsprechende Verfahren machen, wenn man sagt, sie hätten geschlafen –
bei aller Liebe zur politischen Polemik. Die Polizei ist an der Thematik seit Jahren dran, ermittelt – –
[Dr. Lindner (FDP): Der zuständige Senator aber nicht! – Henkel (CDU): Der Senator nicht! – Weitere Zurufe]
Herr Kollege Lindner! Ich habe etwas dazu gesagt. Wir haben diese Problematik thematisiert. Wenn Sie sich in den letzten Jahren, wo Frau Schubert und ich das gemacht haben, mit dieser Problematik – der organisierten Kriminalität, den Lagebildern und diesen Fragen – nicht auseinander gesetzt haben, dann tut es mir Leid. Dann müssten Sie einmal nachlesen, was wir in den letzten Jahren dazu gesagt haben.
Der Wostok-Bericht selber – auch das muss man sagen – ist nicht etwa ein Ermittlungsverfahren des Bundeskriminalamtes, sondern er ist die statistische Zusammenfassung und Auswertung dessen, was in den Ländern gelaufen ist, so dass sich im Wostok-Bericht im Grunde nur das wiederfindet, was auch vom Land Berlin an Ermittlungsverfahren zugeliefert wurde, weil diese Ermittlungsverfahren hier bei uns gelaufen sind. Zusätzlich haben wir über den Wostok-Bericht Büronamen erfahren, die mit Reiseschutzpässen gehandelt haben. Herr Ritzmann, jetzt können Sie sagen, Sie hielten das mit den Reiseschutzpässen für nicht in Ordnung. Das ist Ihr gutes politisches Recht.
[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das war Kinkel! – Dr. Lindner (FDP): Blödsinn! Es ist doch dann erst angestiegen!]
Aber Sie müssen einfach sehen, dass diese Form der Tourismusvermittlung nicht illegal gewesen, sondern ausdrücklich zugelassen worden ist. Ja, es gibt auch viele Leute, die die Sicherstellung der Rückführung der Leute durch eine Versicherung im Grunde für eine vernünftige Regelung halten. Diese vernünftige Regelung gibt es seit dem Jahr 2003 nicht mehr, und zwar deshalb – auch darauf habe ich am 24. Februar hingewiesen –, weil auch wir vom Senat dieses Verfahren mit den Reiseschutzpässen für missbrauchsanfällig gehalten haben. Es hat auch entsprechend zu Missbräuchen geführt. Das ist auch der Grund, warum der Bund und das Auswärtige Amt im
Vielen Dank, Herr Präsident! – Man hat den Eindruck, dass die Fragesteller den WostokBericht selbst und wohl auch die Vernehmung des Verfassers im Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestages nicht zur Kenntnis genommen haben, denn sonst könnten sie in diesem Zusammenhang nicht solche unqualifizierten Fragen stellen.
[Niedergesäß (CDU): Fragen Sie doch etwas! – Wansner (CDU): Das ist das schlechte Gewissen! – Weitere Zurufe von der CDU]
Herr Senator! Ich frage Sie: Trifft es zu, dass der Verfasser des Wostok-Berichtes, der Kriminalbeamte Rückheim, im Februar 2005 bei seiner Vernehmung im Visa-Untersuchungsausschuss gerade keinen Zusammenhang herstellen konnte – durch belastbare Zahlen – zwischen dem so genannten Volmer-Erlass und einem angeblichen Anstieg im Zusammenhang mit den Versicherungen der Reiseschutz AG?
[Henkel (CDU): Nicht gelesen! – Dr. Lindner (FDP): Hält der Abgeordnete Ratzmann eine Volksrede? – Henkel (CDU): Eine Volksverdummungsrede! – Weitere Zurufe]
Herr Kollege Ratzmann! Ich bewerte nicht die Aussage von Menschen vor einem Untersuchungsausschuss – auch nicht vor dem Bundestag. Es gibt eine politisch unterschiedliche Wertung der Vorgänge. Dabei sollte man es aber auch belassen. Es gibt eine unterschiedliche Wertung: Die Opposition bewertet dieses Verfahren mit den Reiseschutzpässen anders, als es die Bundesregierung bewertet hat.
Wir können allerdings nicht wegdiskutieren, dass es in diesem Bereich dann durch eine gutgemeinte Reiseschutzpassinitiative auch einen Missbrauch gegeben hat. Den gibt es übrigens in allen anderen Bereichen auch. Den gibt es auch in der sonstigen Schleusungskriminalität.
Herr Kollege Lindner! Wenn Sie in das Ausland reisen – und ich bin auch einige Mal außerhalb von Berlin gewesen –, dann ist es üblicherweise so, dass ich nicht zur Botschaft des fremden Staates, sondern in ein Reisebüro gehe,
meine Reise buche und dort im Reisebüro dann, wenn Visumpflicht besteht, den entsprechenden Visumsantrag ausfülle.
Das ist das international übliche Verfahren. Aber auch dieses Verfahren – das hat mit der Wostok-Problematik überhaupt nichts zu tun – hat in einer Vielzahl von Fällen zu Missbräuchen geführt, weil die Reisebüros dann entsprechend bei bestimmten Reisen falsche Erklärungen und falsche Verpflichtungserklärungen abgegeben haben. Auch dazu ermittelt die Berliner Polizei und die Berliner Staatsanwaltschaft.
Solange es diesen Migrationsdruck aus osteuropäischen oder asiatischen Ländern gibt, wird es immer wieder den Versuch von Kriminellen geben, die Verfahren, die wir haben und die vom Grundsatz her liberal sein sollen, zu missbrauchen. Wir haben alle gemeinsam einmal gesagt, dass wir froh sind, dass der Eiserne Vorhang weg ist, und wir sollten es nicht vernachlässigen, dass wir das einmal gesagt haben. Diese liberalen Verfahren führen selbstverständlich auch dazu, dass Menschen diese Verfahren missbrauchen – ob das nun der Reiseschutzpass ist, das Einladungsverfahren, Studienaufenthalte oder Ähnliches. Das haben wir zu allen Zeiten gehabt, und das werden wir auch nicht wegdiskutieren können.
[Dr. Lindner (FDP): Sie haben das billigend in Kauf genommen! – Ratzmann (Grüne): Langsam reicht es. Passen Sie auf, was Sie sagen!]
Unsere Aufgabe wird es sein, dort immer wieder einzuhaken und immer wieder Ermittlungen dagegen zu führen, um derartige Dinge auszutrocknen.