Protocol of the Session on March 17, 2005

Vizepräsident Dr. Stölzl

Meine Fraktion hat seit Beginn der Legislaturperiode in diesem Sinne gehandelt und zahlreiche Anträge eingebracht. Wobei es uns bei den Deregulierungsvorschlägen nicht darum geht, dass sie eins zu eins umgesetzt werden,

es geht uns eher um die Diskussion dieser Vorschläge. Aber genau dies ist uns bislang noch nicht so richtig gelungen.

Sie, meine Damen und Herren von SPD und PDS, aber zum Teil leider auch von der CDU und den Grünen haben fast alle Initiativen abgeblockt und sich systematisch jeder Diskussion verweigert.

Ich komme zu den Gründen. – Senat und Regierungsfraktionen haben ihrerseits in kaum erwähnenswertem Umfang Vorschläge zum Vorschriftenabbau eingebracht. Stattdessen haben Sie die zahlreichen Anregungen der Kommission „Staatsaufgabenkritik“ und vieler Verbände sowie Kammern nachhaltig ignoriert.

stimmen! – Enthaltungen? – CDU und FDP. Dann ist das so angenommen.

Zum FDP-Antrag mit der Drucksachennummer 15/3774 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz vorgeschlagen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Mit der soeben erfolgten Annahme der Entschließung sowie der Neufassung des Innenausschusses ist ein weiterer Antrag erledigt. Die Fraktion der Grünen zieht ihren Antrag „Zwangsheirat verletzt die Menschenrechte“ mit der Drucksachennummer 15/3456 zurück.

Damit sind wir, wenn ich mein Versehen nicht heilen kann, am Ende dieses Tagesordnungspunktes.

[Henkel (CDU): Jetzt kann Frau Schubert das Wort ergreifen, aber nicht in der Abstimmung!]

Der Senat kann das Wort ergreifen, auch nach der Abstimmung.

[Zurufe]

Wir haben noch einen Nachtrag. Zum FDP-Antrag Drucksache 15/3774 ist auch die Überweisung in den Innenausschuss beantragt worden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Damit haben wir diesen Abstimmungsmarathon beendet.

Wir kommen zur Priorität der Fraktion der FDP:

lfd. Nr. 4 b:

II. Lesung

Mehr Berlin, weniger Staat (60) – Aufhebung des Berliner Nachbarrechtsgesetzes

Beschlussempfehlung BauWohnV Drs 15/3673 Antrag der FDP Drs 15/3450

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II, Drucksache 15/3450. Ich beginne mit den Wortmeldungen. Es beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Lüdeke. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundespräsident hat in seiner denkwürdigen Rede am vergangenen Dienstag gesagt:

In jedem Fall sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um den Bürokratieabbau endlich wirksam voran zu treiben.

[Beifall bei der FDP]

[Brauer (PDS): Haben Sie einmal über die Gründe nachgedacht? – Doering (PDS): Vielleicht liegt es an den Anträgen!]

[Zuruf des Abg. Klemm (PDS)]

Ein aktuelles Beispiel ist die Weigerung, sich auf die Beseitigung des Berliner Nachbarrechtgesetzes einzulassen. Es mag sein, dass manchem von Ihnen flau im Magen wird, wenn er die Bürgerinnen und Bürger aus dem vermeintlichen Schutz bestenfalls gut gemeinter Gesetze und Vorschriften entlassen soll. Seien Sie ruhig mutig und trauen Sie den Bürgerinnen und Bürgern mehr Eigenverantwortung zu.

[Beifall bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Verzichten Sie auf die staatliche Rundumregulierung. Unser Land befindet sich unter anderem wegen seiner Überregulierung auf Talfahrt. Prüfen Sie lieber einmal, wie viele EU-Staaten ohne ein Nachbarrechtgesetz bestens auskommen.

Nun zu den unsäglichen Kommentaren der Justizverwaltung zu unserem Gesetzesantrag. Das private Nachbarrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch deshalb knapp geregelt worden, weil man seinerzeit die Bürger noch für mündig gehalten und nicht, weil man auf regionalspezifische Ergänzungen durch Landesrecht gesetzt hat.

[Beifall bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Sehr richtig!]

Was soll der absurde Hinweis auf die richterliche Rechtsfortbildung im Nachbarrecht? – Diese ist selbstverständlicher Bestandteil einer rechtsstaatlichen Ordnung, aber vielleicht nichts für bürgerbevormundende Behörden, die um ihre Aufgaben bangen. Auch der Hinweis auf die Arbeitserleichterungen für die Schiedsgerichte ist abwegig, denn mit diesem Argument könnte man die zivilrechtliche Regelungsdichte allseits massiv ausbauen. Lediglich der Hinweis auf das so genannte Hammerschlag- und Leitersrecht scheint mir stichhaltig zu sein. Darüber kann man reden, wenn die Gesprächspartner ansonsten den Vorschriftenabbau ernsthaft wollen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das Glück, diesem Parlament schon etliche Jahre anzugehören. Im Prinzip ist es frustrierend, dass die größte Presseresonanz, die ich einmal bekommen habe, die Abschaffung der Berliner Badebekleidungsverordnung war. Auch so etwas gab es mal. Es war dort geregelt worden, in welcher Bekleidung man sich geziemlich ins Berliner Badewasser, also die Berliner Seen, begeben darf. Es war damals noch die Frau Kollegin Laurien, die diese doch etwas hinter der Zeit herlaufende Regelung aufgehoben hat. Ich würde mich daher in der Tat freuen – hier bin ich mit der FDP und Herrn von Lüdeke einer Meinung –, wenn der Abbau von Vorschriften etwas schneller und effizienter erfolgen würde.

Meine Damen und Herren speziell von der SPD! Sie wollen den Vorschriften- und Bürokratieabbau nicht wirklich. Sie verschanzen sich hinter juristischen Bedenken. Hätten Sie diese wirklich, müssten Ihre Freunde im Deutschen Bundestag angesichts ihres dreisten Anschlags auf das Bankgeheimnis vor Scham dunkelrot anlaufen.

[Beifall bei der FDP]

Wir kennen den wirklichen Grund für Ihr Nichtwollen. Sie sind der verlängerte Arm der Berliner Bürokratie. Sie sind der Vortrupp des über Jahrzehnte durch die Berlinhilfe fett gemästeten öffentlichen Dienstes dieser Stadt, der in eigener Sache kleinteilige juristische Bedenken nur all zu gern liefert. Sie vertreten nicht mehr Arbeitnehmerinteressen, sondern die Interessen der Bürokratie. Oder, um einen bekannten Zeitkritiker zu zitieren: Es wird ein knallharter Klassenkampf ausgetragen zwischen dem produktiven Sektor und dem öffentlichen Dienst. – Ich fordere Sie auf: Wechseln Sie endlich die Seiten! Stellen Sie sich der Staatsaufgabenkritik, dem Vorschriften- und Bürokratieabbau, setzen Sie Ihre Prioritäten, denn hier liegt eines der Hauptprobleme unserer Stadt. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr von Lüdeke. – Es folgt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Herr Kollege Schimmler. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP macht hier einen Vorschlag, der in der Tat beschäftigungswirksam sein könnte für viele hundert Berliner Rechtsanwälte, aber nicht zur Lösung von Problemen und zur Beschleunigung von Entwicklungen beispielsweise im Baubereich beitragen könnte.

Natürlich können Beziehungen zwischen Grundstücksnachbarn immer privatrechtlich geregelt werden, wie es Herr von Lüdeke auch im Ausschuss vorgetragen hat.

[Brauer (PDS): Nicht alle!]

Allein aber die umfangreiche Kommentierung zu dem Gesetz zeigt, was inzwischen alles an vielfältigen Streitmöglichkeiten – wir streiten uns in dieser Stadt und in diesem Land augenscheinlich gern, insbesondere Nachbarn – möglich ist.

Ein solches Gesetz entlastet auch Gerichte, Herr Kollege Dr. Lindner. Es sind Regelungen für standardisierte Fälle getroffen worden, die immer wieder vorkommen. Für nachbarschaftliche Verhältnisse wird damit Rechtssicherheit geschaffen. Man kann sich daran orientieren und Streitpunkte bereits vorab regeln. Ich sage Ihnen aus der Erfahrung eines Innenstadtbezirkes: Wenn Sie dort versuchen, als Bauherr, der ein Grundstück besitzt, das eine Lücke darstellt, eine Lückenbebauung hinzubekommen, können Sie die Eurozeichen in der Iris Ihrer beiden Nachbarn zur Linken und Rechten schon sehen. Das verteuert das Projekt. Allein die Verhandlungen über die Zustimmung, damit man die Genehmigung für den Bau erhält,

verteuert und verzögert Investitionsmaßnahmen. Insoweit ist das, was wir hier insgesamt und grundsätzlich geregelt haben, richtig. Man kann alles privatrechtlich aushandeln, aber es wird teurer und verzögert an vielen Stellen. Deshalb ist dieses Gesetz, das eine vernünftige Entscheidung ist, die sich aus der Erfahrung vieler Jahrzehnte ergeben hat, richtig. Wir werden dabei bleiben und Ihren Antrag ablehnen. – Danke sehr!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Schimmler! – Es folgt die CDU. Das Wort hat der Kollege Dr. Heide. – Bitte schön!

Ich erinnere mich noch, dass wir in einer der letzten Ausschusssitzungen eine Vorlage hierzu hatten und wir gerade drei magere Vorschriften aus dem Bereich des Bauens – zwei davon waren Überleitungsvorschriften, die sich ohnehin durch Zeitablauf erledigt hatten – vorgeschlagen haben. Es gibt sicherlich sehr vieles, was sich vereinfachen ließe. Ich hoffe, dass der Referentenentwurf der neuen Bauordnung auch ein Schritt in die richtige Richtung zu mehr Eigenverantwortung auch der Architekten und entsprechenden Beratungsberufe ist. Es ist so, dass dieser Bürokratieabbau notwendig ist.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke sehr, Herr Kollege Gram!

Zum Thema Beschäftigungsprogramm für Anwälte kann ich nur entgegnen, Herr Kollege Schimmler, dass Sie sich vor diesen Mandanten hüten sollten. Solche können Sie im Prinzip nur ablehnen. Bei diesen Streitwerten und dem Arbeitsaufwand, aber der Vehemenz, mit der dort gefochten wird, ist dieses für den Anwalt mit Sicherheit nur ein Verlustgeschäft.

[Schimmler (SPD): Das ist etwas Anderes!]

Deshalb halte ich– im Unterschied zur FDP – dieses Berliner Nachbarschaftsrecht für sehr wichtig. Es geht dabei nicht um Fragen des Abstands oder der Fensterflächen, die weitestgehend in der Bau- und Baunutzungsverordnung geregelt sind, sondern vieles um Fragen den Außenbereich betreffend, weil gerade hier sehr vieles geregelt wird, was immer wieder zu Streitigkeiten führt, beispielsweise die Bepflanzung an der Grenze, die Höhe der