Protocol of the Session on February 10, 2005

[Niedergesäß (CDU): Na, na!]

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zuruf der Frau Abg. Schultze-Berndt (CDU)]

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Hören Sie auf mit Ihren infamen und dümmlichen Monokausalitäten, und lassen Sie uns lieber am 8. Mai auf die Straße gehen. Das Angebot steht nach wie vor.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Hoffmann (CDU): Andere beschimpfen, aber dann Gemeinsamkeit einfordern!]

Herr Hoffmann! Wir müssen Gesicht zeigen gegen die Rechten, und zwar immer wieder, wo auch immer sie auftauchen. Wir müssen allem entgegentreten, was sie und ihre Parolen hoffähig macht.

Es ist leicht, gegen die hässlichen Glatzen mit Bomberjacken und Springerstiefeln zu sein. Aber zunehmend gefährlich sind die verkleideten Glatzen, die, die sich demokratisch geben, die, die in Sachsen im Landtag sitzen. [Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Dass es nicht gelingt, sie zu isolieren, dass ihre Anträge Zustimmung aus anderen Parteien bekommen, das ist das Alarmsignal, das ist gefährlich.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Man muss darauf hinweisen, immer und immer wieder: Sie sind rassistisch, sie sind deutschtümelnd, sie geben sich sozial und wollen doch den Sozialstaat abschaffen. Die Freiheit des Einzelnen ist ihnen nichts wert. Das darf nie wieder salonfähig werden.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Weil wir aus der Geschichte wissen, wohin das führt, versuchen sie sich und ihr Gedankengut zu legitimieren, indem sie die Geschichte relativieren. „Schluss mit dem Schuldkult!“ – das ist doch deutlich. Ihr Ansinnen, im sächsischen Landtag am Auschwitz-Gedenktag Opfer und Täter gleich zu setzen, ist und bleibt infam. Aber der Ansatz verfängt. Die Möllemänner und die Hohmanns, das sind ihre Propagandisten. FDP und CDU haben sie rausgeworfen – ja, das war richtig, Glückwunsch dazu, das ist die einzig richtige Reaktion gewesen.

Für mich und meine Generation war die Zeit zwischen 1933 und 1945 immer noch lebendig. Meine Eltern haben sie erlebt, und bei uns daheim war das immer präsent. Ich konnte fragen: Was habt ihr gemacht? Was habt ihr erlebt? – Natürlich hatte ich auch Angst zu fragen: Was habt ihr gemacht, und warum habt ihr nicht mehr gemacht? – Ich musste mich damit auseinander setzen, dass die Familie gelitten hatte und dass das sein musste,

weil die Befreiung nicht anders zu ermöglichen war. Aber das alles haben die nachfolgenden Generationen nicht mehr. Da darf es keine Verdrehung geben.

Natürlich, um das auch klar zu sagen, darf und muss man die Kriegsverbrechen der Alliierten benennen dürfen, das Leid, das die deutsche Zivilbevölkerung erfahren hat. Das sind doch keine Tabus mehr. Wer die „taz“ am 2. Februar gelesen hat, der hat eine lange Dokumentation über die Bombardements auf Berlin lesen können. Das hätte es vor fünf, vor zehn Jahren nicht gegeben. Wir sind ein Stück weiter gekommen in der Betrachtung. Aber es zuzulassen, dass Geschichte relativiert wird, das ist fatal. Deshalb, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, zeige ich in Berlin mit dem Finger auf die, die das versuchen.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Die BVV Steglitz-Zehlendorf, um das klarzustellen, ist weit von geistiger Nähe zur NPD entfernt. Aber sie hat sich zu einem Beschluss

[Gaebler (SPD): Die Mehrheit!]

hinreißen lassen, wonach der 8. Mai nicht eindeutig für die Befreiung steht. Das ist das gleiche Muster, mit dem die NPD im sächsischen Landtag versucht hat, Geschichte zu relativieren.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Sie haben mit den Stimmen Ihrer Fraktion in der BVV in einem Beschluss geschrieben, der 8. Mai stünde auch für Schrecken und das Leid der Bevölkerung,

[Hoffmann (CDU): So etwas muss man sich gefallen lassen!]

das die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat. Nein, dafür steht der 8. Mai nicht!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Er ist der Tag der Befreiung vom Faschismus, und das bleibt er auch. An diesem Tag gilt unser Dank den Alliierten, die unter millionenfachen Opfern das vollbracht haben, was die Deutschen allein nicht geschafft haben: die Deutschen zu befreien. Da darf es kein Aufweichen geben.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Wir brauchen diese Tage mit den klaren Botschaften. Herr Stölzl hat in einem Interview gesagt, Erinnerungstage, Gedenktage, sind Notbehelfe der Erinnerung. – Ja, Herr Stölzl, das ist richtig! Gedenktage sind Notbehelfe des Erinnerns, aber zwei Generationen nach dem Ende des Faschismus sind wir in Not. Die Erinnerung verblasst, deshalb müssen wir uns diese Rettungsanker erhalten, wir müssen sie pflegen, sonst treiben wir ab.

[Zuruf der Frau Abg. Herrmann (CDU)]

Unrecht und Brutalität der Anderen zu benennen, um sich darauf zu berufen, ist das Verhalten der moralisch Anspruchslosen.

Das hat Theodor Heuss gesagt. Diese Anspruchslosigkeit darf es in Berlin nicht geben.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Handeln Sie, Herr Zimmer, Herr Lindner, Herr Zeller, gerade wenn Ihre Fraktionen in der BVV sich jetzt weigern, den Beschluss zu revidieren. Am Mittwoch wird es in der BVV Steglitz-Zehlendorf von einigen Fraktionen, die sich nun weigern, den Beschluss mitzutragen, einen Rückholantrag geben. Auch ich appelliere an Sie: Treten Sie in den kritischen Dialog mit Ihren Parteifreunden, und überzeugen Sie sie davon, dass das, was Sie, Herr Lindner, gesagt haben, richtig ist: Es darf keine Verdrehung von Ursache und Wirkung geben. Der Tag, der 8. Mai, muss eindeutig im Kontext stehen, dass er der Tag der Befreiung ist.

Lassen Sie uns alle heute verabreden, alle, die wir hier sitzen, 141 Mitglieder des Parlaments, dass wir mit unserem Präsidium an der Spitze am 8. Mai auf der Straße sein werden, um zu zeigen, dass es in Berlin keinen Platz für Nazis gibt.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Ratzmann! – Für die FDP erhält das Wort der Herr Kollege Ritzmann. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ratzmann! Wir Liberale sind immer engagierte Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Ihre in Teilen mit Doppelmoral durchtränkten Ausführungen und Unterstellungen gegen die FDP, gegen die Meinung der Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung in Steglitz-Zehlendorf, hat die für mich erträgliche Grenze überschritten.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Da bilden Sie heute das Trio infernal. Kollege Müller fängt an und sagt: Der Stoiber hat den Konsens der Demokraten verlassen. Er bricht aus und stellt das Verhalten der Bundesregierung in den Zusammenhang mit der NPD. – Der nächste Satz ist dann: In Steglitz-Zehlendorf haben die BVV-Fraktionen von FDP und CDU durch einen Beschluss für Unheil gesorgt. Sie kommen mit einer Doppelmoral her, schwingen das große Schwert, appellieren an die Geschlossenheit der Demokraten und brechen sie als erster auf.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Zu den inhaltlichen Positionen des BVV-Beschlusses, zu unseren Positionen dazu, die wir bereits mitgeteilt haben, möchte ich mich nicht wiederholen.

Wir diskutieren immer wieder den Ansatz der Protestwahl. Wir müssen uns klar werden, dass wir der Bevölkerung, die sich von den demokratischen Parteien nicht ernst genommen sieht, Alternativen bieten müssen außer der Wahl von extremistischen Parteien. Ein Vorschlag ist die Einführung von bzw. Absenkung der Hürden bei Volksentscheiden. Wer keine andere Möglichkeit hat, wer fest davon überzeugt ist, dass die Politik versagt, der bleibt entweder zu Hause – das sind 40 bis 50 % – oder wählt Extremisten, um uns alle zu ärgern. Damit können wir uns nicht zufrieden geben. Deswegen brauchen wir Volksentscheide, mit denen gegengesteuert werden kann, wenn die Bevölkerung der Meinung ist, dass die Politik versagt.

Zum Thema Rechtsextremismus: Die NPD und der Wahlerfolg in Sachsen, zum Beispiel – Wut, Ärger, Unverständnis, das haben viele von uns empfunden. 9,2 %, das sind 190 000 Menschen in Sachsen, haben die NPD gewählt, 14 000 Menschen weniger, als SPD gewählt haben. Das ist ein Ergebnis der bisherigen Vogel-StraussPolitik, die folgendermaßen aussieht: Wir ignorieren die Rechten, wo wir können. Wir hoffen, dass das Problem irgendwie von selbst verschwindet. Wir lassen sie eben rechts liegen.

Die andere Seite ist: Wir verbieten, was auch nur zu verbieten ist. Die Betroffenheit, die dadurch entsteht, dass das Problem nicht gelöst wird, haben wir heute hier wieder dokumentiert, die ist auch echt, aber sie reicht eben nicht. Untätigkeit bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der NPD und Übereifer bei staatlichen Verbotswünschen, das fällt uns zurzeit auf die Füße. Und das schmerzt.

Was bietet die NPD eigentlich den Sorgen, den Ängsten der Menschen? Was bietet sie zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit? – Ich habe mir das Wahlprogramm der NPD angesehen. Ich möchte Ihnen die drei wesentlichen Punkte in der Arbeitsmarktpolitik der NPD vortragen. Erster Punkt:

Arbeitsplätze zuerst für Deutsche. Deutsche sind gleich qualifizierten Ausländern vorzuziehen.

Zweiter Punkt:

Einführung von Schutzzöllen und Abschottung der Wirtschaft, Heimatproduktion.

Dritter Punkt:

Einwanderungsstopp und ein Gesetz zur Ausländerrückführung, denn Deutschland ist das Land der Deutschen.