Der Antrag ist auch kontraproduktiv, was Inhalt, Form und auch das Instrument eines Antrags betrifft. Dieser Regierende Bürgermeister hat ein Problem, aber kein privates, sondern ein politisches Problem in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister. Und dieses Imageproblem ist nicht nur sein persönliches Problem, sondern ein Problem für Berlin. Deshalb ist es ganz richtig, dass das Parlament sich die Freiheit nimmt, sich damit auseinander zu setzen. Ich persönlich finde Debatten über Anzug- und Krawattenfarben, wie wir sie vor 14 Tagen hatten, überflüssig.
Ich stelle mir manchmal vor, wie Menschen in der Stadt, die existentielle Probleme, die Nöte haben, auf solche Debatten reagieren würden.
Das ist auch ein aktiver Beitrag zur Politikverdrossenheit von Teilen der Medien, aber auch von Teilen aus diesem Haus.
Ich empfinde es meist als positiv, dass dieser Regierende Bürgermeister für ein modernes, weltoffenes, vielfältiges Berlin steht, auch Ausdruck der Vielfalt selbst ist – im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger. Aber ich muss auch sagen: Mittlerweile vermisse ich es schmerzlich – denn ich bin hier nicht nur Opposition, sondern auch Bürgerin dieser Stadt, Herr Wowereit –, dass in Ihren Auftritten diese andere Seite, die Berlin auch hat, komplett nicht vorkommt. Die 30 000 Alleinerziehenden kommen nicht vor, die Suppenküchen kommen nicht vor, die Armen kommen nicht vor. Die kommen bei Ihnen als Sozialdemokrat einfach überhaupt nicht vor. Es fehlt Ihnen ein Maß an sozialer Empathie, was für das Regieren dieser Stadt wirklich vonnöten wäre. Das ist schon ein Problem, das Sie mit Ihrer „Regentschaft“ oder wir mit Ihrer „Regentschaft“ haben.
Es gibt eine inhaltliche Leere, und diese inhaltliche Leere bezeugen auch Sie mit Ihrem Antrag, Herr Dr. Lindner! Frau Grunert ist nicht da, aber wir alle in diesem Haus wissen, dass man eines bestimmt nicht mehr sagt oder schreibt – auch nicht in einem Antrag: „Der Stand des Verfahrens zu der Haushaltsklage des Landes Berlins.“
Dieser Antrag strotzt im Übrigen vor Fehlern, aber diesen Fehler macht man einfach nicht mehr, seit Frau Grunert – das ist ihr Verdienst – darüber geschrieben hat. Herr Lindner! Die Form dieses Antrags zeigt, dass Sie ihn selbst nicht ernst nehmen. Sie nehmen sich selbst mit diesem Antrag nicht ernst.
Deswegen können wir – auch wenn wir finden, dass die Kritik teilweise berechtigt ist – diesem, von Ihnen unernst gemeintem Antrag leider nicht zustimmen.
In einer Diktatur weiß niemand, was die Regierung als Nächstes tut oder was ihre Mitglieder wirklich denken. Entscheidungen fallen hinter geschlossenen Türen. Die öffentliche Debatte, falls überhaupt eine stattfindet, ist eine Farce. Stattdessen veranstaltet der Staat einen permanenten Staatszirkus, Aufmärsche und bestellte Demonstrationen wie in
der DDR, endlose Führerreden wie in Kuba, glanzvolle Feste wie bei Hofe, wie in Persien beim Schah. Manchmal denke ich, bei uns läuft das ähnlich.
Herr Breitenstein und die „Zeit“ – das ist nicht ein Organ der Freien Demokratischen Partei, der CDU oder einer anderen Partei, sondern das ist ein sehr ernst zu nehmendes Wochenblatt.
Wenn das der äußere Eindruck ist, dann ist es unsere Pflicht, Frau Klotz, hier darauf hinzuwirken, dass wir uns über dem Tages-Kleinklein auch in eine Generaldebatte begeben, in der einerseits die Regierung – vertreten durch den Regierenden Bürgermeister – Stellung bezieht, aber andererseits selbstverständlich auch die Opposition – bestehend aus unseren drei Fraktionen in diesem Haus – in einem Gesamtkontext klarmacht, was sie eigentlich will. Dazu müssen wir kommen,
und deswegen müssen Sie – nüchtern betrachtet, wenn Sie einmal diesen Kleinkleinkram, den Sie gerade anführten, beiseite lassen – unserem Ansinnen entgegenkommen, eine Generaldebatte in Berlin herbeizuführen, und diesem Antrag zustimmen.
Herr Präsident! Frau Klotz! Ihre letzte Bemerkung hat gezeigt, wo der Unterschied ist: Wir sind eine Partei der Bürger – oder sagen wir einmal korrekt: der Bürgerinnen und der Bürger –, und Sie sind eine Partei der Magisterinnen und der Magister.
Ich gebe Ihnen in zwei Punkten Ihrer Ausführungen Recht: Erstens halte auch ich diese Krawatten- und Anzugsdiskussion für völlig daneben und schädlich. Wir haben die nicht angestrengt.
Wir haben auch nicht danach gefragt. Vielmehr hat sich in der letzten Fragestunde – also nicht heute, sondern in der vorigen Sitzung – der Regierende Bürgermeister dazu bequemt, selber hier stundenlang über diese Frage zu reden – zu Fragen, die überhaupt keiner in diesem Raum gestellt hat. Wir jedenfalls nicht!
Nein! Dann schauen Sie einmal genau nach, was Herr Hahn gefragt hat. Er hat nach dem Volkstrauertag und nach ganz anderen Dingen gefragt – jedenfalls nicht nach der Krawattenfarbe oder der Anzugsfarbe bei irgendwelchen Auslandsreisen.
Ich komme zur zweiten kurzen Bemerkung: Auch wir halten Repräsentation für wichtig und richtig. Ich meine auch, dass der Herr Regierende Bürgermeister dabei eine in der Regel gute Figur macht. Das ist richtig und vernünftig so. Aber wir meinen, dass es einen zweiten Teil gibt, und dieser zweite Teil ist mir ein äußerst ernstes Anliegen: Es geht darum, Politik zu machen und auch eine Generaldebatte zu führen.
Hierzu erlaube ich mir, noch einmal aus der „Zeit“ von heute zu zitieren. Daran sehen Sie einmal, wie das außerhalb unseres Dunstkreises ankommt, was wir hier treiben: dieses Fragmentarische, dieses Kleinklein in Fragestunden, kleinen Anträgen usw.
Ich komme zur sofortigen Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der FDP Drucksache 15/3441 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke! Das ist die FDP und die CDU. Die Gegenprobe! – Das sind SPD und PDS. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Grünen. – Danke schön!
zurückkommen. Da hat unser System leider nicht die begehrte namentliche Abstimmung ausgedruckt, sondern nur die einfache Abstimmung. Um die Namen feststellen zu können, müssen wir diese Abstimmung wiederholen.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann ist das so beschlossen.