Dann fühlt man sich bei dem Jahresendklamauk, den die CDU-Fraktion hier in der pseudojuristischen Auseinandersetzung mit diesen Fragen veranstaltet, natürlich in dem Gebot von Seriosität bei der Behandlung von Fragen hier im Haus massiv beeinträchtigt und eigentlich daran gehindert, über Fragen ernsthaft zu diskutieren.
dass Sie allen Ernstes glauben, dass, weil eine politische Abwägungsentscheidung getroffen worden ist, wie man den Sanierungsfall Tempodrom sowohl in der ersten Rettungsaktion als auch in der zweiten so weit auf die Beine helfen kann, dass die von Ihren Senatsmitgliedern zu verantwortende Landesbürgschaft über 10 Millionen nicht eintritt, das wäre doch die zu führende Diskussion, da können Sie sich doch nicht allen Ernstes hinstellen und daraus einen individuell einklagbaren Schadensanspruch gegenüber einzelnen Senatsmitgliedern machen, weil diese sich politisch in der Frage des Sanierungsfalls Tempodrom so verhalten haben, wie sie das getan haben.
Ich sage Ihnen auch noch einmal mit aller Deutlichkeit, dass wir am laufenden Band im Land Berlin vor ähnlichen Sanierungsentscheidungen stehen. In der Tat, Herr Kollege Schruoffeneger, das, was gestern im Hauptausschuss aufgetaucht ist, ist eben kein Ausnahmefall. Das Tempodrom ist es auch nicht. Es ist Teil der Probleme hier im Bundesland Berlin, dass wir in vielen Fällen – gerade wenn es um Landesbeteiligungen geht – vor dem Problem stehen, schwierige Sanierungsentscheidungen gegeneinander abwägen zu müssen und oftmals die Frage stellen, was ein größerer Schaden ist, ob noch einmal Geld investiert werden soll oder ob das realisiert werden soll, was im Fall von Insolvenzen und anderem passiert, weil beispielsweise das Land Berlin für Landesbürgschaften gerade steht. Genau das ist das Problem. Dieses politische Problem lassen wir nicht dadurch zukleistern, dass Sie versuchen, in einer pseudojuristischen Auseinandersetzung diese Probleme zu individualisieren, zu bagatellisieren und sie aus der Sphäre der Politik in gerichtssaalsähnliche Auseinandersetzungen hineinzutransferieren. Das muss ohne uns geschehen, Herr Braun.
Ich glaube nicht einmal im Ansatz, dass ein Gericht in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Angelegenheit zu einem Urteil gegen die beschuldigten Senatsmitglieder Sarrazin und Senator a. D. Strieder gelangt. Die Staatsanwaltschaft erklärt selbst, dass es sich um absolutes Neuland handelt, weil die Staatsanwaltschaft auf dem Trip ist, politisches Verhalten kriminalisieren zu wollen.
Dann sage ich Ihnen auch noch einmal etwas zu den angemessenen Konsequenzen aus dem Fall Tempodrom. Die angemessene Konsequenz aus dem Fall Tempodrom ist, dass man sich mit dieser Abwägung verdammt schwer tut. Deshalb, Kollege Schruoffeneger, haben wir gestern bei der Sanierungsentscheidung nicht einfach die Mittel freigegeben, sondern werden es uns in dieser Frage schwer machen. Aber ich sage Ihnen: Machen wir es uns nicht so einfach, und verabschieden wir uns nicht aus den Realitäten im Land Berlin. Denn es steht das Problem im Hintergrund, wo das Land Berlin am Ende mehr zahlt. Beim Tempodrom ist sowohl von Ihnen unter Rot-Grün als auch unter Rot-Rot völlig korrekt die Entscheidung getroffen worden: Ja, es macht Sinn, noch einmal Geld in die Hand zu nehmen, um die Insolvenz des Tempodroms zu verhindern und den Betrieb, der dort lief und immer noch läuft, so zu stabilisieren, dass das Land Berlin eine Chance hat, mit einem blauen Auge herauszukommen. Zu so einer rationalen und seriösen Politik wird die Berliner PDS immer bereitstehen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag mit Überzeugung ab. – Danke schön!
Inwiefern in diesem Fall eine Schadenersatzklage richtig wäre, ist sicher Teil des Untersuchungsauftrags. Aber ich halte es für fatal, es grundsätzlich abzulehnen, jemals ein Senatsmitglied zur Verantwortung zu ziehen. So etwas von der PDS zu hören, ist unglaublich.
Man wird sich die Mühe machen müssen, Frau Kollegin Oesterheld, sich im Einzelfall anzuschauen, um welche Fragestellung es geht. Das, was die CDU und die FDP betreiben und dem Sie sich als Fraktion der Grünen angeschlossen haben, ist die Kriminalisierung und die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen in einer Fragestellung, in der es um eine politische Abwägungsentscheidung ging, und zwar in der Annahme, dass man mit dieser Abwägungsentscheidung Schaden vom Land Berlin abhält. Das ist der Punkt. Es geht hier nicht um eine Frage, wo ein Stadtrat oder ein einzelner Beamter durch seine Sachentscheidung einen Fehler gemacht hat und dann Regressansprüchen ausgesetzt ist, sondern es geht hier um eine politische Abwägungsentscheidung – im Übrigen um eine Abwägungsentscheidung, die wir im Hauptausschuss am laufenden Band fällen. Ich wehre mich sowohl gegen eine Kriminalisierung dieser Fragen durch eine Staatsanwaltschaft als auch gegen das Problem, das Sie hier aufwerfen, ob in dieser Frage individuelle, zivilrechtliche Schadenersatzansprüche durchzusetzen sind. Da sage ich Ihnen: Ohne uns! – Das ist nämlich ein Rechtsverständnis, das ich mir nicht zu eigen mache. Weder ich noch meine Fraktion werden es zulassen, dass politische Entscheidungen, die von einem Parlament und von einem Senat zu fällen sind, individuell kriminalisiert und individueller Strafverfolgung ausgesetzt werden und dass individuelle Schadenersatzansprüche sich aus politischen Entscheidungen ergeben.
Da die Redezeit schon abgelaufen war, kann keine Zwischenfrage mehr gestellt werden. Deshalb erhält der Kollege Braun das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!
Offensichtlich gibt es hier Missverständnisse, Herr Kollege Wechselberg. Nicht die CDU klagt an und auch nicht dieses Haus, sondern die Berliner Staatsanwaltschaft.
Ich weiß, dass in Ihrem Staatsverständnis Gewaltenteilung nicht besonders vorkommt, aber achten Sie sie bitte!
Wenn es hier zu einer Entscheidung des Landgerichts Berlin kommt, zu einer Anklageerhebung und möglicherweise zu einer Verurteilung, dann ist das laut Artikel 91 der Verfassung von Berlin nicht disponibel. Herr Regierender Bürgermeister, ich fordere Sie in Abwesenheit von Frau Schubert auf, sich vor die Staatsanwaltschaft zu stellen, sich für ihre Unabhängigkeit einzusetzen und sie insbesondere vor den Angriffen Ihrer rot-roten Koalitionsfraktionen in Schutz zu nehmen.
Es kann nicht sein, dass die Staatsanwaltschaft permanent, wie es der Generalstaatsanwalt Neumann beim Kammergericht einmal äußerte, von der rot-roten Koalition gesteinigt wird.
Sie macht ihre Arbeit sorgfältig und frei von politischer Einflussnahme. Ich bitte Sie, das im Namen des Senats von Berlin zu erklären!
Herr Kollege Braun, die Senatorin Schubert ist heute entschuldigt. – Der Kollege Wechselberg möchte nicht erwidern. Dann hat die Kollegin Oesterheld das Wort zu einer weiteren Kurzintervention. – Bitte schön!
Herr Wechselberg, Sie haben mich etwas erschreckt. Ist das die neue Linie der PDS? – Wir haben uns im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft immer darüber auseinander gesetzt, welche Verantwortung Aufsichtsräte und Senatsmitglieder trifft. Es war bisher immer einhellige Meinung, dass, wenn dort Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können, dies auch passieren soll. Mir ist überhaupt nicht klar, weshalb Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, die Idee, vom Senat Schadenersatz zu fordern, sei schon ein Politikum und eine Unverschämtheit an sich. Das geht so nicht, und das stimmt so nicht. Wenn sich die Stadträte verantworten müssen, dann ist es wohl das Mindeste, dass sich auch der Senat und einzelne Senatsmitglieder verantworten müssen.
Weil Sie sich lamentierend über die Berliner Staatsanwaltschaft aufgeregt haben, sage ich Ihnen Folgendes: Ich werde mich keiner Meinung entledigen, nur weil ich eine habe. Ich habe eine zur Anklageerhebung. Ich habe eine klare, präzise und in der Öffentlichkeit stehende Meinung zu dieser Anklage: Ich halte sie für nicht substantiiert. Das ist noch keine Beleidigung der Staatsanwaltschaft. Es ist meine juristische Auffassung. Die vertrete ich nicht nur hier im Plenum, sondern auch in der Öffentlichkeit, und das auch nicht erst seit gestern, sondern schon seit vielen Wochen. Wenn sich die Staatsanwaltschaft davon so beeindruckt, eingeschüchtert und empört fühlt – was sie ganz sicher nicht tut, sondern Sie, Herr Braun, sind derjenige, der das tut –, dann tut es mir Leid. Ich bin denkendes Mitglied dieses Hauses.
Der Antrag der CDU-Fraktion ist sicher der richtige Weg. Der Senat soll aufgefordert werden zu prüfen. Wenn Rot-Rot diesen Antrag ablehnt, muss geprüft werden, ob
es eine andere Befugnis zur Antragsberechtigung gibt. Das wären naturgemäß zunächst sicherlich erst einmal andere Fraktionen oder einzelne Abgeordnete in diesem Haus. Wir haben noch ein ganzes Jahr, um dies zu prüfen. Ich kann nur für meine Fraktion sprechen: Wir werden dies sehr genau prüfen. – Danke!
Der Ältestenrat empfiehlt auf Wunsch der Fraktion der CDU die Überweisung des Antrags an den Rechtsausschuss. Dem ist durch die Fraktion der SPD widersprochen worden, die Sofortabstimmung wünscht. Gleichwohl lasse ich jetzt zuerst über den Wunsch der antragstellenden Fraktion auf Überweisung abstimmen. Wer dem Antrag der CDU auf Überweisung des Antrags an den Rechtsausschuss seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP und die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind SPD und PDS. Letzteres ist die Mehrheit. – Damit ist dieser Antrag abgelehnt. – Bitte schön, Herr Goetze!
(D Sie beantragen namentliche Abstimmung. Das ist in Ordnung. Über den Überweisungsantrag ist ja abgestimmt worden. Für den Antrag selbst, meinen Sie doch? – Ja, das können wir machen, wenn jeder seine Karte hat.
Ich werde mir meine Meinung zu dem, was die juristische Plausibilität von Strafanzeigen, Anklagen und entsprechenden Ermittlungsverfahren angeht, von Ihnen nicht in Abrede stellen lassen. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Das Wort für die Fraktion der FDP hat nun der Kollege Meyer. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, das richtige Stichwort in dieser Debatte hat Herr Schruoffeneger genannt. Der Antrag fordert eigentlich etwas Selbstverständliches ein. Es geht in der Tat darum, dass der Senat zumindest eine Prüfung vollzieht und einen Bericht über diese Prüfung ablegt, inwiefern Schadenersatzansprüche gegen ehemalige und derzeitige Senatsmitglieder gegeben sind. Dass SPD und PDS diesen Antrag in dieser Vehemenz ablehnen, wie wir heute hier gesehen haben, spricht für sich.
Ich mache ein paar Anmerkungen, die sich aus der Debatte ergeben haben: Nach meiner Auffassung wird hier insbesondere von Herrn Zimmermann ständig verwechselt, dass wir bei der Frage des Artikels 91 nicht über einen Untreuevorwurf reden, sondern wir reden über einen Verstoß gegen die Finanzverfassung des Landes Berlin. Das ist ein Unterschied, denn im Endeffekt geht es um den Vorwurf, inwieweit gerade mit der zweiten Rettungsaktion Senator Sarrazin und der ehemalige Senator Strieder dieses Haus hätten befassen müssen, eine Abstimmung im Hauptausschuss oder im Plenum hätten herbeiführen müssen. Dieses haben sie nicht getan. Hierin liegt der Verstoß gegen die Finanzverfassung des Landes Berlin.
Zum Vermögensschaden: Was mindestens als Vermögensschaden für das Land Berlin bleibt, sind vielleicht noch nicht einmal die 2 Millionen €, sondern es ist die Mehrwertsteuerverpflichtung, die das Land Berlin oder die IBB durch die Rechtsformwahl Sponsoringvertrag eingegangen ist. Diese 250 000 € – oder die Hälfte 125 000 € – sind der minimale Schaden, der für das Land Berlin übrig bleibt. Das ist auch der Schaden, um den es bei einem Schadenersatzanspruch gehen wird.
Herr Zimmermann hat einen einzigen richtigen Satz gesagt, und zwar zur Verjährung. Die Verjährung tritt offensichtlich zum 31. Dezember 2005 ein. Deswegen haben wir alle noch ein bisschen Zeit. Schön an Artikel 91 der Verfassung von Berlin ist, dass er relativ offen formuliert ist. Wenn ich mir den Artikel anschaue – ich habe mich auch mit einigen Juristen darüber unterhalten –, dann weiß ich z. B. spontan nicht, welche Rechtswegeröffnung sich aus diesem Artikel ergibt. Ich weiß insbesondere nicht, welche Antragsberechtigung, diesen Schadenersatz einzuklagen, sich aus diesem Artikel ergibt.
Ich bitte, jetzt die Stimme abzugeben. Die Fragestellung ist klar: Es wird über den Ursprungsantrag der CDU auf Schadenersatzansprüche Berlins gegen Mitglieder des Senats abgestimmt. Wer dem zustimmen möchte, muss mit Ja stimmen, wer ihn ablehnen will, muss mit Nein stimmen, und Enthaltungen gibt es natürlich auch. – Hat jetzt jeder seine Stimme abgeben können? – Das sieht man am Aufleuchten des roten oder grünen Lichtes – je nachdem. Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.