Damit bin ich gleich beim nächsten Thema, dem Flughafen Schönefeld, das ist ja sehr wichtig für Berlin. Von unserer Seite wird es kein Wackeln und kein Zaudern beim Ausbau des Flughafens geben.
Es ist eines der ganz großen und wichtigen Infrastrukturprojekte für Berlin und die Region. Und wir werden alles für den zügigen Ausbau tun.
Herr Lindner, Sie haben sich von dem Schock wieder erholt, dass Ihnen die CDU die Koalition angeboten hat, sehr gut. Sie lachen wieder. – Gerade deswegen, weil es so ein wichtiges Infrastrukturprojekt ist, ist es auch alles andere als hilfreich, wenn einzelne immer wieder den Standort in Frage stellen. Das gilt im Übrigen auch für Senatsmitglieder, insbesondere für Wirtschaftssenatoren.
Die Länderfusion muss auch aus wirtschaftspolitischer Sicht kommen. Auf die kleinmütigen Hinweise von Herrn Schönbohm auf die ungelösten Berliner Haushaltsprobleme können wir verzichten. Irritieren werden sie uns jedenfalls nicht. Es bleibt bei unserem beschlossenen Fahrplan, und wir werden auf allen Ebenen für diese Fusion werben.
Aber ich sage auch, manches, was das Land Berlin heute, im März 2002 noch finanziert, wird in den nächsten Jahren nicht mehr möglich sein. Viele richten ihre Hoffnung auf den Bund und die Länder. Diese Hoffnung ist nichts Ungebührliches, denn schließlich ist Berlin die Hauptstadt für alle in Deutschland und damit auch die internationale Visitenkarte. Das bedeutet auch, dass es niemandem in Deutschland gleichgültig sein kann, in welchem Zustand sich diese Hauptstadt befindet. Ich wünsche mir, dass auch immer mehr Berlinerinnen und Berliner bereit sind, sich für ihre Stadt zu engagieren und dort einzuspringen, wo es nötig ist. Ich weiß, dass in vielen Fällen schon jetzt geschieht, nicht zuletzt in vielen Schulen und Kindergärten. Ich weiß auch, dass viele jetzt schon anpacken. Das geht von der Patenschaft für Bäume und Spielplätze bis zur Sponsorenhilfe, um Brunnen in den Bezirken wieder zum Sprudeln zu bringen.
Auf diese Mithilfe und den Verantwortungssinn der Berlinerinnen und Berliner ist unsere Stadt in Zukunft noch stärker angewiesen. Ohne den sozialen Zusammenhalt wird Berlin seine Zukunft nicht meistern.
Berlin wird nie so sein wie Hamburg oder München, auch nicht wie London oder NewYork. Diese schönen Städte und diese Metropolen sollten auch nicht unser Maßstab sein, denn Berlin zieht seine Attraktivität nicht zuletzt aus seiner Schnelllebigkeit, seiner Unfertigkeit und aus den im Stadtbild sichtbaren Brüchen der deutschen und der Berliner Geschichte. Gerade auch aus den unterschiedlichen Stärken der Menschen aus beiden Stadthälften erwächst Berlin eine besondere Kraft. Um mit Volker Hassemer zu sprechen – er sagte das im Übrigen im „Neuen Deutschland“ –: „Berlin ist in einem Prozess des Wachsens. Es ist noch lange nicht ausgewachsen.“ Darin liegt eine große Gestaltungschance. – Und ich füge hinzu: Mit der Berlin-Studie, den Ergebnissen der Enquetekommission und den Ergebnissen auch der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik verfügen wir bereits über viele umsetzbare Leitlinien. Wir werden aber nur erfolgreich sein, wenn sich die politische Mentalität in dieser Stadt grundlegend verändert und sich die Erkenntnis durchsetzt, dass wir in Berlin alle in einem Boot sitzen. Nicht nur die Politik, sondern auch die Vertreter der Verbände und Gewerkschaften müssen dies erkennen.
Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Vor kurzem hat der Senat beschlossen, die Arbeitszeit der so genannten Westbeamten um eine halbe Stunde pro Woche zu erhöhen. Das sind 6 Minuten pro Tag. Diese Erhöhung erfolgte im Hinblick auf entsprechende Arbeitszeiten in anderen Bundesländern, von denen wir ja bekanntlich Solidarität bei der Lösung unserer Haushaltsprobleme erwarten. Ich weiß, dass viele in unserer Verwaltung, viele Beamte im Land Berlin pflichtbewusst und fleißig arbeiten. Aber die Aufregung von Personalräten über 6 Minuten Arbeitszeitverlängerung pro Tag ist genau die Mentalität, die wir in dieser Haushaltslage endlich über Bord werfen müssen.
Deswegen fordert Klaus Wowereit seit langem den Mentalitätswechsel, und er hat Recht, meine Damen und Herren! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Müller! – Das Wort hat nun, nachdem der Jubel beendet ist, der Herr Kollege Dr. Lindner von der Fraktion der Freien Demokraten. – Bitte schön!
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Berlin ist eine großartige Stadt. Berlin hat prachtvolle Gebäude und eine blühende Kulturszene. Berlin ist wieder eines der politischen und gesellschaftlichen Zentren Europas. Berlins wesentlichstes Kapital waren und sind jedoch seine Menschen.
Die Berliner und Berlinerinnen werden aber seit geraumer Zeit von den wechselnden Regierungen dieser Stadt, großen, kleinen und vor allen Dingen kleingeistigen Koalitionen wie unmündige Kinder behandelt. Ein undurchschaubares Gestrüpp von kleinteiligen Vorschriften nimmt uns, aber auch den Unternehmen, die Luft zum Atmen. Eine überbordende Verwaltung verschlingt nicht nur unsere kompletten Einnahmen, sondern erstickt jede Eigeninitiative bereits im Keim. Politik, die den Staat und nicht den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, ist Ursache für die Misere, in der sich unsere Stadt heute vor allem in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht befindet.
Abartig hohe Personalkosten – Herr Sarrazin, da haben Sie Recht, auch in der Wortwahl – im öffentlichen Dienst, die Bankgesellschaft als Symbol für die Verquickung von Staat und Wirtschaft mit all ihren unsäglichen Konsequenzen, abwandernde Unternehmen wie „Spreequell“, riesige Sozialausgaben sowie der gigantische Schuldenberg Berlins – das sind die Folgen und nicht die Ursache dieser verfehlten Politik. Berliner Politik verkennt seit Jahren, dass der Staat in vielen Bereichen unseres Lebens Probleme nicht löst, sondern erst schafft und – wie bei der Bankgesellschaft – das Problem selbst ist. Wir Liberale fordern, dass diese Stadt wieder frei atmen kann. Wir fordern ein konsequentes Aufräumen mit sämtlichen Altlasten, damit Berlin wieder eine Zukunft hat.
Zu den ganz wesentlichen Altlasten Berlins gehören die vollkommen überhöhten Ausgaben für den öffentlichen Dienst. Wir, die liberale Fraktion im Abgeordnetenhaus, unterstützen daher alle sinnvollen Maßnahmen – Herr Wowereit und Herr Sarrazin – des Senats zu einer deutlichen Reduzierung der Personalkosten. Ein erster Ansatz hierfür findet sich in den 500 Millionen § unterlegter Reduzierungen im Personalkostenbereich. Hier haben wir in den Ampelgesprächen gemeinsam mit den Grünen und der SPD gute Vorarbeit geleistet. Dass diese Anstrengungen von Rot-Rot übernommen wurden, begrüßen wir ausdrücklich. Seien Sie indes sicher, Herr Wowereit, dass wir es nicht beim Begrüßen belassen, sondern auch ganz genau hinschauen werden, ob und wie Sie die beschlossenen Maßnahmen auch umsetzen werden.
Was nun die zweite halbe Milliarde § beabsichtigte Einsparung im Personalkostenbereich anbelangt, habe ich so meine Zweifel. Sie möchten, Herr Regierender Bürgermeister, diese zweite halbe Million § zunächst in Gesprächen mit den Gewerkschaften verhandeln.
Ihr Koalitionspartner, die PDS, ist nicht nur oberlehrerhaft, sie hat Recht. Es ist eine halbe Milliarde. – Sie hat aber bereits durch ihren neuen Landesvorsitzenden ganz klar gemacht, dass es sich bei der zweiten halben Milliarde § eben nur um ein ehrgeiziges Ziel handele. Die Botschaft ist klar: Werden keine zusätzlichen Einsparungen im Personalkostenbereich auf dem Verhandlungswege erreicht, steht zumindest die PDS und auch ein Großteil Ihrer Partei für einseitige Maßnahmen, wie beispielsweise betriebsbedingte Kündigungen, nicht zur Verfügung.
Sehen Sie: Das geht doch gar nicht. – Das ist die Mentalität, die Sie meinen. Das geht ja gar nicht.
Da es aber am festen und klar artikulierten Willen dieser Regierung mangelt, die beabsichtigten Sparziele in jedem Falle umund durchzusetzen, verraten Sie uns bitte: Was könnte die Gewerkschaften eigentlich dazu bewegen, über diese notwendigen Maßnahmen substantiell zu verhandeln?
Auch hier wird die FDP genauer hinsehen. Sie, Herr Regierender Bürgermeister, haben sich hier weit vorgewagt. Ihre eindringlichen Appelle während der Ampelgespräche sind mir heute noch im Ohr. Wir werden Sie beim Wort nehmen, und wir werden Sie immer wieder daran erinnern.
Eine Reduzierung staatlicher Aufgaben setzt für uns nicht nur eisernen Willen, sondern auch einen nachhaltigen und langfristigen Abbau staatlicher Aktivitäten voraus. Diese Herangehensweise – die nennt man auch Aufgabenkritik – werden wir vor allem konsequent einfordern. Hier genügt es nicht, eine Kommission einzusetzen und das Ergebnis durch allgemeines Kopfnicken zu begrüßen. Wir fordern vielmehr eine rasche Trennung von all dem, was nicht Sache des Staates ist, sondern von freien und mündigen Bürgern und Unternehmen der Privatwirtschaft selbst schneller und vor allen Dingen besser erledigt werden kann.
Es geht um die Privatisierung zunächst staatlicher Beteiligungen. Es geht um das Wegschneiden überflüssiger und übermäßiger Gesetze und Verwaltungsvorschriften. Es geht um die damit einhergehende Reduzierung staatlicher Aufgaben. Es geht um die Bereiche, in denen wir von Rot-Rot bislang nichts, aber auch gar nichts, gehört haben.
Zunächst zu den Privatisierungen: Der mehr als 300 Seiten starke Beteiligungsbericht des Landes Berlin spricht Bände. Wir fordern ein radikales Durchforsten dieses Berichts. Nur Beteiligungen, die zu den Kernaufgaben des Staates gehören, dürfen beim Land Berlin bleiben.
Das Halten und Verwalten, Herr Wolf, von Hafenanlagen, das Herstellen von Porzellan und das Betreiben privater Bankgeschäfte sind keine staatlichen Aufgaben!
Im Bereich der Daseinsfürsorge hat der Staat eine Aufgabe. Das Wohl der Bürgerinnen und Bürger wird aber regelmäßig nicht durch staatliche Monopolbetriebe gefördert, sondern durch Wettbewerb und Privatwirtschaft. Jahrzehntelang hat uns der Staat erklärt, Telefonieren könne nur durch ein staatliches Monopolunternehmen sichergestellt werden. Es wurde uns sozusagen als Naturgesetz verkauft, ein Telefonat zwischen Hamburg und München könne nur durch die Deutsche Post erbracht werden und koste nun einmal 15 Deutsche Mark. Heute weiß jedes Kind, dass Wettbewerb Im Bereich der Kommunikationswirtschaft einen vorher nie erahnten Zuwachs an Leistungen und ein deutliches Reduzieren der Kosten für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gebracht hat.
Und so, wie staatliches Telefonieren kein Naturgesetz war, ist es kein Naturgesetz, dass Bus- und Bahnfahrer öffentlich Bedienstete sind. So ist es kein Naturgesetz, dass öffentlich Angestellte unseren Müll abtransportieren und entsorgen. So ist es kein Naturgesetz, dass staatliche Wohnungsbaugesellschaften über eine halbe Million Wohnungen und noch dazu höchst defizitär halten und verwalten.
Herr Regierender Bürgermeister, ich fordere Sie auf – setzen Sie sich und hören Sie mir zu –: Privatisieren Sie einen Großteil der Wohnungsbaugesellschaften. Bei einem Leerstand von über 100 000 Wohnungen müsste Ihnen das auch als Sozialdemokrat möglich sein.