Protocol of the Session on March 7, 2002

Das ist wohl der wahre Hintergrund dieser Transaktion. Da haben Sie, Herr Körting, allerdings – das versichere ich Ihnen bereits jetzt – die Rechnung ohne den Wirt, nämlich die Berlinerinnen und Berliner gemacht, die werden das aufmerksam verfolgen.

Den Freiwilligen Polizeidienst aus haushalterischen Gründen abschaffen zu wollen, wird mittlerweile nicht einmal mehr vom Innensenator behauptet. Im Hauptausschuss wurde von Ihnen eingeräumt, der Dienst schreibe schwarze Zahlen. Endlich wurde das von Ihnen einmal zum Ausdruck gebracht. Der Grund für die Abschaffung ist dann wohl eher das Drängen der PDS, wo man offensichtlich noch das Feindbild aus der Vorwendezeit in den Köpfen hat.

Besonders aufmerksam hat mich gestimmt, dass nach dem 11. September Berlins Innensenator Dr. Körting den Freiwilligen Polizeidienst angesichts der verschärften Sicherheitslage in der Stadt verdreifachen wollte.

[Bravo! und Beifall bei der CDU]

In Presseberichten war von Ihrer Pressesprecherin zu lesen, Herr Dr. Körting, dass die Polizeireiterstaffel hocheffizient arbeite. – Meine Zustimmung, Herr Dr. Körting!

[Beifall bei der CDU]

Die Polizeiführung – das dürfte wohl auch mit Ihrer Kenntnis geschehen sein, Herr Dr. Körting – schrieb am 20. September 2001 alle Mitglieder des Freiwilligen Polizeidienstes an – ich darf einmal zitieren –:

Vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge auf die Vereinigten Staaten von Amerika und der zu erwartenden Eskalation terroristischer Aktivitäten nach einem Vergeltungsschlag wird unter Umständen in naher Zukunft die Erhöhung der Schutzmaßnahmen im Bereich gefährdeter Objekte erforderlich sein. Eine Unterstützung durch Angehörige des Freiwilligen Polizeidienstes wird dann sicherlich vonnöten sein.

[Beifall bei der CDU]

Es ist für mich, Herr Dr. Körting, völlig unbegreiflich, wie Sie Ihre Meinung in dieser Frage innerhalb weniger Wochen um 180 Grad drehen konnten.

[Beifall bei der CDU]

Ihr banaler Kommentar zu diesem überraschenden Meinungsumschwung im Hauptausschuss lautete, Sie hätten es sich anders überlegt. – Großartige Begründung! So sieht die Sicherheitspolitik von Rot-Grün aus – konzeptionslos und ideologiebehaftet.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den Grünen: Rot-Grün?]

Rot-Grün – ich habe das im Vorgriff auf Ihre Rede genannt; da Sie schon seit Jahrzehnten die Abschaffung des FPD fordern, nehme ich Sie da gleich mit in die Verantwortung. Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu dem gönnerhaften Vorschlag der PDS, die FPD-Helfer könnten sich ja woanders ehrenamtlich betätigen. Erst setzen Sie über 500 ehrenamtliche Leute auf die Straße, [Zuruf von den Grünen] und dann erwarten Sie noch von denen, sich an anderer Stelle für das Land nützlich zu machen. Sie von der PDS scheinen vergessen zu haben, dass wir nicht mehr in der DDR leben und dass man ehrenamtliche Helfer nicht herumschubsen kann, sondern dass sie diesen Dienst freiwillig tun [Beifall bei der CDU] und Sie diese Mitarbeiter des Freiwilligen Polizeidienstes nicht dazu zwingen können, woanders tätig zu werden. Sie leisten einen hervorragenden Dienst für die Sicherheit unserer Stadt, und dabei soll es nach unserer Vorstellung auch bleiben. – Vielen Dank! [Bravo! und Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der SPD hat nunmehr die Frau Abgeordnete Hertel das Wort. – Bitte schön, Frau Hertel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also auf ein Neues, möchte ich fast sagen. Zum wiederholten Mal interjection: [Klemm (PDS): Zum letzten Mal! – Gram (CDU): Warten wir es mal ab!] – hoffentlich zum letzten Mal – widmen wir uns heute der – wie forderte Herr Steffel – Bewertung und Evaluierung der Zukunftsfähigkeit dieser Stadt, die offenbar unverzichtbar mit der Reiterstaffel und dem FPD zu sein scheint. interjection: [Beifall des Abg. Klemm (PDS)] Anders, meine Damen und Herren von der CDU, ist das Wiederund Wiederkauen dieses Thema dieser alten Kamellen, Herr Gewalt, dann auch nicht mehr zu erklären. Allerdings müssen wir auch ein wenig Verständnis aufbringen. Das muss ich an der Stelle auch sagen. Stellen wir uns doch einfach einmal vor, wir hätten mit so viel Mühe und so viel Gafronscher Unterstützung eine emotionale Welle populistischster Art in der einzigen Hoffnung losgetreten, wenigstens ein paar Sympathiepunkte bei den Berlinern zurückzugewinnen, die wir im letzten Wahlkampf so viel verloren haben! interjection: [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS] Stellen Sie sich weiter vor, Sie setzten sich dann auf das hohe Ross innenpolitischer Sicherheitsbewahrer, um letztlich hilflos mit ansehen zu müssen, wie der Herr Senator Körting – um im Bild zu bleiben – einfach den Sattelgurt losschneidet. Diese Vorstellung muss bei Ihnen geradezu traumatische Folgen gehabt haben. Was mich aber wirklich ärgert, ist, dass Sie uns, dass Sie mich für die Fraktion der SPD zwingen, bei der Diskussion um diese Punkte in Buchhaltermanier – was zu Recht kritisiert worden ist – erbsenzählend durchschnittliche Arbeitsstunden zu berechnen, sie ins Verhältnis zu Rationalisierungszahlen, zu Effizienzkennzahlen und Kosten zu setzen und mich mit Ihnen darüber zu streiten, ob es 500 000 Euro oder nur 450 000 Euro sind, die eingespart werden, nur um Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, zum wiederholten Mal vorrechnen und belegen zu können, dass die Zeit des „weiter so“ endgültig vorbei ist, interjection: [Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Klemm (PDS)] zum erneuten Beweis, wie wichtig und richtig es war, dass Sie mit den Finanzen und dem Haushalt dieser Stadt künftig nichts mehr zu tun haben. interjection: [Beifall bei der SPD]

(A) (C)

(B) (D)

Vielleicht verstehe ich wieder etwas nicht richtig. Vielleicht muss mir nur etwas erklärt werden.

[Gram (CDU): Das ist nicht ganz ausgeschlossen!]

Möglicherweise hat die Rede des Herrn Dr. Steffel vor wenigen Stunden und die Formulierung einer Aufgabe genau das gemeint. Vielleicht sind Reiterstaffel, Polizeichor und Freiwilliger Polizeidienst das, was benötigt wird, um „die Stadt im europäischen, im globalen Maßstab zu positionieren, sie vorzubereiten auf den weltweiten Wettbewerb der Metropolen und die Standortkonkurrenz der großen urbanen Regionen Europas“.

[Dr. Steffel (CDU): Erzählen Sie doch bitte länger! Nutzen Sie die Zeit!]

Frau Kollegin! Lassen Sie sich nicht irritieren! Fahren Sie bitte fort. Vielleicht kann auch die Opposition einmal etwas gelassener und freundlicher sein, wenn eine Dame spricht!

[Beifall bei der SPD]

Darauf braucht niemand Rücksicht zu nehmen! – Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielleicht ist es das, was als innovatives zukunftsorientiertes Denken in europäischen und globalen Zusammenhängen hier gefordert worden ist.

Wir haben uns im Ausschuss darüber unterhalten. Wir haben belegt und entschieden, dass wir uns das eine nicht mehr leisten können und dass wir das andere wegen Wegfalls der originären Aufgaben nicht mehr leisten wollen. Ich bitte Sie, entsprechend zu votieren.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin! – Das Wort hat nunmehr für die Fraktion der FDP Herr Ritzmann. – Bitte schön, Herr Ritzmann!

[Wansner (CDU): Bessern Sie sich!]

Auch bei Männern können sich andere Männer ordentlich verhalten!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir eine wahre Freude, wieder zu dieser Zeit, wieder zu diesem Thema zu Ihnen sprechen zu dürfen.

[Beifall bei der FDP und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der PDS]

Wir haben die Reiterstaffel hier als sogenannten Dauerbrenner. Auch mit dem Freiwilligen Polizeidienst beschäftigen wir uns gern und innig. Die CDU hat schon angeboten, auch weiterhin dafür zu sorgen, dass dies so bleibt. Dafür bin ich im voraus schon einmal dankbar.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU – Zackenfels (SPD): Weiter mit der Reiterstaffel!]

Ich schlage vor, beide Teile zu trennen. Es gibt nämlich durchaus unterschiedliche Bewertungen. Beim Freiwilligen Polizeidienst ist es so, dass die FDP von vornherein seit der Gründung dieser Vereinigung, als sie noch eine Reserve war, sehr kritisch gegenüberstand und konstant und permanent für deren Abschaffung plädiert hat. Es hat 1999 Reformen innerhalb dieses Polizeidienstes gegeben – so heißt er seit neuem –. Es wurden Kriterien bezüglich der Qualifikation eingeführt. Es wurde genauer darauf geachtet, wer dabei ist. Unser Vorschlag – als Kompromiss – lautete, diejenigen, die neu dabei sind, und die alten, die einen gewissen Zirkel durchlaufen haben, für die nächsten zwei Jahre zu beobachten, ob sie nicht wirklich eine Bereicherung im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements sein können, und nach zwei Jahren dieser neuen Änderung, nach Evaluierung, zu entscheiden. Unsere Forderung lautete noch, dass Schusswaffen, weil sie für die Ausübung der Tätigkeit dort nicht notwendig sind, gleich abgegeben werden sollen. Das war unser Kompromissvorschlag.

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Wieland (Grüne)]

Danke, Herr Wieland! – Der Hintergrund ist, dass es sich hier überhaupt nicht um fiskalische, sondern rein um ideologische Argumente handelt. Es hat auch niemand behauptet, dass der Freiwillige Polizeidienst zu teuer sei oder dass er zwingend einzusparen wäre. Die Ausführungen des Senators Körting im letzten Jahr zeigen das. Es geht um Ideologie. Ich weiß nicht, wie das Paket geschnürt war: Freiwilliger Polizeidienst gegen RosaLuxemburg-Denkmal oder Schönefeld plus Polizeidienst gegen Luxemburg. Ich kann es nicht genau verstehen. Ich war auch nicht dabei. Ich glaube, dass es reine Ideologie ist. Unser Antrag wäre besser gewesen, aber den Antrag der CDU, zu sagen, „wir machen einfach weiter so und ändern nichts daran“, halten wir auch nicht für ausreichend und lehnen ihn deshalb ab. So viel habe ich zum Freiwilligen Polizeidienst zu sagen.

Nun komme ich zur Reiterstaffel: Die Reiterstaffel hat eine Tradition. Sie wurde ursprünglich bei Demonstrationen in den 60er Jahren eingesetzt. Dann gab es tote Pferde und verletzte Demonstranten. Danach wurden sie zur Verkehrsüberwachung eingesetzt. Dann gab es dort tote Pferde. Es wurde herausgefunden, dass die Reiterstaffel doch lieber in den Wald gesteckt wird. Dort war sie hauptsächlich. Im Wald hat sie patrouilliert. Von 100 Pferden vor einigen Jahren wurde sie auf 44 Pferde reduziert. Für 44 Pferde gab es 14 Angestellte, die sich um die Pferde kümmerten, sowie 70 Beamte. Es gab eine Einsatzfrequenz – sie treten immer zu zweit auf –, auch bedingt durch das Schichtsystem von 8 Pferdeeinheiten pro Schicht. Die Pferdestaffel pro Schicht besteht aus 8 Kontrolleinheiten. So viel möchte ich nur zum Argument anführen, dass der Grunewald zum rechtsfreien Raum wird, wenn die Reiterstaffel abgezogen wird. Das ist ein populistisch nachvollziehbares Argument, hat aber mit der Realität nichts zu tun.

[Beifall bei der FDP, der SPD und der PDS]

Wenn wir eine reiche Stadt wären und uns vieles leisten könnten, wäre vielleicht auch auf unserer Wunschliste die Reiterstaffel vorhanden. Wir befinden uns aber in der Situation sehr beschränkter Einsatzfähigkeit und verhältnismäßig hoher Kosten. Deswegen stimmen wir hier der Einsparung zu.

Das angewandte Verfahren ist aber schon sehr spannend. Es kommt der V-Mann Otto in Bedrängnis, braucht Hilfe und überlegt, was er tun kann. Dazu fällt ihm ein, dass er gut mit Tieren umgehen kann. Er ruft beim Ehrhart an und schildert sein Problem, dass er Sympathiedefizite habe und es nicht gut aussehe, er bräuchte ein Pferdeflüstererimage. Daraufhin erwidert der Ehrhart, es brenne gerade beim ihm ohne Ende, Wellen über Wellen der Sympathie, und fragt, ob nicht etwas zu machen sei. Er würde ihm die Pferde geben. Dann wäre er das Problem los, er hätte sie gerettet. Otto hätte etwas gewonnen, er wäre sympathisch, und rät ihm, sich auf dem Pferd noch ablichten zu lassen. Damit hätten alle gewonnen. Das ist wirklich politisch ein fast genialer Coup!

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Das Problem daran ist nur, woher das Geld auf Bundesebene kommen soll.

[Gram (CDU): Aus der Schweiz!]

Ich dachte, dort hätten wir auch eine Staatsverschuldung. Ich dachte, dort hätten wir auch Probleme ohne Ende. Nein! Rauchen für die Reiter! Saufen für die Truppe, und was wir sonst noch haben. Osama bin Laden hat mit seinen Terroranschlägen Sondermittel finanziert, diese Sondersteuer. Durch diese Sondersteuer kann sich Otto Schily auf Bundesebene einen Reitstall anschaffen.

Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Kollege Ritzmann!

Ich hoffe, dass diese Themen abschließend behandelt sind. Sie sind politisch durch. Es ist nicht gut für diese Stadt, wenn wir weiter darauf herumreiten. Deswegen lehnen wir beide Anträge ab.

[Beifall bei der FDP, der SPD und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Ritzmann! – Nun hat für die PDS-Fraktion die Kollegin Seelig das Wort. – Bitte schön!