Protocol of the Session on October 28, 2004

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Frau Kollegin Klotz! Das ist eine Frage, die man so ex post nicht ohne weiteres beantworten kann. Es hat am 1. August Straftaten – gefährliche Körperverletzung, sexuelle Nötigung – gegeben. Es gab nach diesem Zeitpunkt Verstöße, die darin bestanden, dass es den Versuch zur Kontaktaufnahme und verbale Drohungen des Betroffenen gegenüber seiner Ehefrau, der später Getöteten gab. Das heißt, das, was es nach dem 1. August, nach der Wegweisung und nach dem Beschluss des Amtsgerichts nach dem Gewaltschutzgesetz, gegeben hat, waren Verstöße gegen die verbotene Kontaktaufnahme und verbale Drohungen.

es gibt eventuell strafprozessuale Maßnahmen. Im Extremfall – das muss man jeweils einschätzen – kann das bis hin zu einer Inhaftnahme des Betroffenen gehen.

Darüber hinaus haben wir – wenn ich das richtig sehe, in diesem Punkt völlig einvernehmlich mit allen Fraktionen – das Gesetz über Sicherheit und Ordnung geändert und haben zusätzlich zu der Weisung, die vom Gericht erfolgen kann, mit dem § 29 a die ausdrückliche Möglichkeit im ASOG geschaffen, dass die Polizei, wenn Gewaltanwendung auftritt, als Übergangsmaßnahme und Soforthilfe für die Betroffenen für eine befristete Zeit – nämlich 14 Tage – eine sogenannte Wegweisung verfügen kann. Das ist in den vorliegenden Fall am 1. August geschehen. Das Gericht hat aber sehr schnell, nämlich am 4. August, entschieden. Die Wegweisung bietet die Möglichkeit, Betretungsverbote u. Ä. auszusprechen.

Der letzte Teilaspekt der Frage beschäftigt sich damit, ob diese Instrumentarien ausreichend sind. Sie fragen das im Hinblick darauf, dass dieses schreckliche Verbrechen passiert ist. – Wir halten das Instrumentarium, das wir gegen häusliche Gewalt haben, vom Grundsatz her für ausreichend. Das, was wir nach dem Gewaltschutzgesetz, dem ASOG und der StPO möglich machen können, halten wir für ausreichend, um häuslicher Gewalt zu begegnen.

Die Frage, ob im Einzelfall jeweils in vollem Umfang von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird oder nicht, stellt sich den Beteiligten immer dann, wenn sie zu einem Zeitpunkt X eine Prognose für die Zukunft stellen müssen. Diese Fragestellung entspricht der bei einem Haftbefehl für einen Straftäter. Auch dabei muss man sich fragen, ob Wiederholungs- oder Fluchtgefahr besteht oder zu erwarten ist, dass weitere Dinge geschehen. Das ist eine prognostische Entscheidung, die immer von Menschen getroffen werden muss und nie hundertprozentig verifizierbar sein wird. Wir werden durch solche prognostischen Entscheidungen auch schreckliche Straftaten wie die hier begangene nie hundertprozentig verhindern können, weil man in Menschen nicht in Gänze hineinsehen kann und weil man nicht sicher vorhersehen kann, wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren werden.

Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Dr. Klotz! – Bitte schön!

Ich vermag das jetzt im Einzelfall nicht beurteilen, weil ich die einzelnen Ermittlungsvorgänge nicht kenne. Auf den ersten juristischen Blick habe ich den Eindruck, dass das, was dort passiert ist – nämlich Verstöße gegen Kontaktschutz und verbale Drohungen, aber keine tatsächlichen Gewaltanwendungen mehr nach dem 1. August –, vor Gericht nicht zu einem vollstreckbaren Haftbefehl geführt hätte. Das ist jedoch im Nachhinein betrachtet, was wir nicht abschließend klären können. Es wäre meine juristische Einschätzung. Deshalb habe ich auch nicht den Eindruck, dass sich Polizei oder Staatsanwaltschaft in irgendeiner Form falsch verhalten haben. Ich glaube, sie haben die gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft oder versucht auszuschöpfen. Sie haben versucht, den späteren Täter durch das, was das Gesetz hergibt, zu beeindrucken.

Dass es uns nicht immer gelingt, Verbrechen zu verhindern, das ist so. Ich glaube, man sollte, wenn ein

Sen Dr. Körting

Herr Senator! Sie haben gesagt, man werde sich nicht umfassend gegen Verbrechen wehren können, da haben Sie sicherlich Recht. Allerdings glaube ich, dass man einige Hürden höher hängen kann. Sie kennen die Diskussion um die Fußfessel. Ich habe jetzt wieder – –

Verbrechen dieser Art geschieht – das ist schrecklich genug –, nicht primär schauen, ob es ein Verschulden von staatlichen Organen, wie hier von Polizei und Staatsanwaltschaft, an dem Verbrechen gegeben hat. Ich vermag das im Moment jedenfalls nicht zu erkennen.

Eine weitere Nachfrage von Frau Dr. Klotz! – Bitte schön!

Man sollte bestrebt sein, die Schlussfolgerung so zu ziehen, dass sich ein solcher Fall möglichst nicht wiederholt. Deswegen frage ich Sie, ob Sie mit mir der Ansicht sind, dass Verstöße sowohl gegen die Wegweisung als auch gegen die Schutzanordnung, die bislang in der Regel mit Zwangsgeld bestraft werden – was nicht immer einen großen Eindruck bei den betroffenen Personen hinterlässt –, künftig so ernst zu nehmen sind, dass sich ein solcher Fall möglichst nicht wiederholt. Sind Sie mit mir der Meinung, dass wir vielleicht auch in die parlamentarische Beratung einsteigen sollten, wie die nach Ihrer Einschätzung ausreichend vorhandenen Möglichkeiten – ich sehe das etwas anders – besser genutzt werden, als das in dem besprochenen Fall passiert ist?

Herr Senator Dr. Körting! – Bitte!

Gut, das ist im Moment nicht die konkrete Frage, ob sich Mitarbeiter der Polizei oder der Staatsanwaltschaft falsch verhalten haben. Da sind wir offensichtlich im Konsens, dass sie sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bewegt haben. Es ist die Frage, ob die gesetzlichen Möglichkeiten ausreichen oder ob man über die gesetzlichen Möglichkeiten, die wir jetzt haben, hinausgeht, ob man die Strafe für den Straftatbestand bei Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz verbinden sollte mit einer leichteren Möglichkeit einer Unterbringung in einer Untersuchungshaft oder etwas Ähnlichem. Das müsste man rechtspolitisch diskutieren. Dazu habe ich keine abgeschlossene Meinung. Ich habe nur ein bisschen Erfahrungswissen aus diesem Bereich.

Wir haben im Jahr 2003 622 Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz gehabt. In allen 622 Fällen ist kein Haftbefehl beantragt worden oder erforderlich gewesen. Das könnte darauf hindeuten, dass das Instrumentarium, das wir haben, ausreicht. Das habe ich vorhin schon gesagt. Ob man einen Sondertatbestand Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz schaffen sollte, weil es in diesem Einzelfall ein schreckliches Verbrechen gegeben hat, das müsste man dann diskutieren. Das müsste man auch mit den Gesetzgebungsgremien auf Bundesebene diskutieren. Ich setze hier ein Fragezeichen. Vielleicht unterscheiden wir uns auch in der Einschätzung. Wir haben sicher keine unterschiedliche Einschätzung darin, dass das ein schreckliches Verbrechen ist. Aber ob man aus diesem schrecklichen Verbrechen verallgemeinernd Folgerungen für das Gewaltschutzgesetz ziehen

sollte, da haben wir eventuell unterschiedliche Meinungen, Frau Dr. Klotz.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Henkel. – Bitte schön, Herr Henkel!

Sie müssen schon fragen, Herr Henkel!

Ja. – In Spanien gibt es eine Binde für das Handgelenk. Darin ist ein Sender.

Das ist immer noch keine Frage!

[Dr. Lindner (FDP): Entwickelt sich!]

Ich muss ja vorbereiten, sonst weiß der Senator nicht, was ich meine. – Die Frage ist, ob sich der Senator vorstellen kann, eine ähnliche Lösung wie die eben von mir im Ansatz skizzierte für die Verstöße gegen die Umgehung der Schutzanweisung hier in Berlin einzuführen.

[Zuruf des Abg. Dr. Lederer (PDS) – Weitere Zurufe von links]

Herr Senator Dr. Körting! – Bitte!

In diesem Fall halte ich das für kein geeignetes Mittel, um es deutlich zu sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS – Beifall der Abgn. Ratzmann (Grüne) und Thiel (FDP)]

Ich persönlich bin überhaupt nach der Anfangsdiskussion, bei der alle ein bisschen unbefangen damit umgingen, zunehmend skeptischer, ob das, was wir an Strafmaßnahmen gegenüber Tätern haben, sinnvollerweise durch solche elektronischen Spielzeuge begleitet werden sollte. Da bin ich eher der Meinung,

[Dr. Lindner (FDP): Ins Gefängnis!]

wenn die Straftat so gravierend ist, dass der Beteiligte aus dem Verkehr gezogen werden muss, wie man auf gut berlinisch sagt, dann muss er in die Justizvollzugsanstalt kommen.

[Dr. Lindner (FDP): Durchaus!]

Wenn die Straftat nicht so gravierend ist, dass er nicht aus dem Verkehr gezogen werden muss, dann kriegt er eben Bewährung, dann braucht er keine Fußfessel.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS – Zurufe der Abgn. Henkel (CDU) und Frau Schultze-Berndt (CDU)]

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Sen Dr. Körting

Ich habe vorhin etwas zu meiner juristischen Einschätzung gesagt. Ich bin der Auffassung, dass Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz nur in extremen Ausnahmesituationen zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wie Haft oder anderem führen werden. Das ist meine

Einschätzung. Deshalb habe ich gesagt, dass über Gesetzesänderungen nachzudenken sein müsste. Aber auch dabei habe ich ein Fragezeichen gemacht. Das ist jetzt eine rechtspolitische Debatte, welche die Möglichkeiten übersteigt, die wir im Rahmen einer Mündlichen Anfrage haben.

Danke schön, Herr Senator! – Wegen Zeitablauf ist damit die Fragestunde beendet. Die heute nicht beantworteten Fragen werden gemäß § 51 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung mit einer Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet.

auf. Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen und mit je einem Mitglied der Fraktionen. Es beginnt Frau Hertlein von der Fraktion der SPD. – Bitte sehr, Frau Hertlein!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an Frau Senatorin Junge-Reyer. – Was unternimmt der Senat zur Information von Bürgerinnen und Bürgern, die bereit wären, freiwillig Laub zu harken und so die Miniermotte zu bekämpfen? Wo können sich die Bürgerinnen und Bürger unbürokratisch informieren?

Sie haben Frau Junge-Reyer gefragt, die jetzt das Wort erhält. – Bitte!

Insofern sehe ich in dieser technischen Möglichkeit, die dort diskutiert wurde, kein Mittel, das uns wirklich bei der Bekämpfung und bei der Repression von Straftaten hilft. Aber ich gebe gerne zu, da kann man völlig unterschiedlicher Auffassung sein. Ich persönlich habe das anfangs etwas lockerer gesehen. Inzwischen habe ich die Meinung, das hilft uns nichts; wenn wirklich Gefahr besteht, Haftanstalt, wenn keine Gefahr besteht, andere Maßnahmen.

[Zuruf der Frau Abg. Schultze-Berndt (CDU)]

Danke schön, Herr Senator! – Nun hat der Kollege Ratzmann zu einer Nachfrage das Wort!

Herr Senator! War die Bearbeitung dieses Falles denn in einer Hand? – Ist wenigstens überlegt worden, auf Grund der wiederholten Straftaten, die hier begangen wurden – am 6. und 26. August, am 13. und 29. September –, einen erneuten Haftantrag zu stellen, weil sich aufdrängt – das haben Sie eben plastisch gesagt –, dass hier ein Fall von Wiederholungsgefahr gegeben war? So liegt es auf den ersten juristischen Blick nahe, nachdem der Haftantrag erst abgelehnt worden war, erneut zu einem Staatsanwalt oder einer Staatsanwältin zu gehen und zu sagen, ich möchte einen Haftantrag stellen. Nur wenn die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird, kann die Justiz darüber entscheiden, ob es einen Haftbefehl gibt oder nicht.

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Ich kann Ihnen jetzt nur so weit antworten, wie ich etwas über den Fall weiß. Im Rahmen einer Mündlichen Anfrage ist es nicht möglich, sich im Detail über den Fall zu unterrichten.