Das einzige, was Sie tun – Herr Müller in einer noch ganz anderen Art und Weise –, ist, mit Nebelkerzen zu werfen.
Sagen Sie aus der Regierungsfraktion doch endlich einmal, wie lange Sie dieses Spielchen treiben wollen.
Wann ist für Sie der Zeitpunkt, die politischen Konsequenzen aus diesem Verfahren zu ziehen? Ist es die Zulassung der Anklage? Ist es das erstinstanzliche Urteil? Ist es die Rechtskraft des Urteils? Wie lange wollen Sie so weitermachen? Wie lange meinen Sie, dass Sie mit einem Finanzsenator, der in dieser Art und Weise angeschlagen ist, weitermachen können? – Das ist eine politische Frage. Sie muss beantwortet werden, weil es um die Zukunft der Stadt geht, weil wir wollen, dass die Zukunft der Stadt gestaltet wird und wir zu einer vernünftigen Auseinandersetzung in diesem Haus kommen. Ich glaube, die Grundlage haben wir Ihnen geboten.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Anklage gegen den Finanzsenator – ein Skandal, ein Schlachtfest für die Opposition! Der Rücktritt muss her! – Dabei habe ich kein sehr gutes Gefühl, daraus mache ich keinen Hehl.
Herr Sarrazin, ich schätze Sie persönlich. Ich freute mich auch, als ich las, dass Sie wieder genesen sind und bedauerte umso mehr, dass Ihre Wiederkehr im Amt zeitlich mit der Anklageerhebung zusammengefallen war. Ich schätze Sie auch fachlich, bei allen Differenzen, die zwischen Opposition und Regierung bestehen. Sie haben vernünftige Ideen. Leider können Sie sich nicht immer im Senat durchsetzen, so dass vieles, was Sie gemacht haben, Flickwerk geblieben ist.
In der Tempodrom-Affäre – das ist der dritte Grund, der mich davon abhält, in ein großes Geschrei einzufallen –
Drittens: Ein Verfahren dieser Komplexität wird sich ewig oder zumindest lange hinziehen. Man muss sich gut
überlegen, ob man es durchsteht, auf der Anklagebank zu sitzen, verbunden mit täglicher Berichterstattung. Wenn man politisch etwas machen will, immer wieder konfrontiert zu werden mit den Dingen, die im Gerichtssaal vor sich gehen. Das ist eine Sache, die belastet so, dass ich nicht der Auffassung bin, dass ein so wichtiges Amt von jemandem bekleidet werden kann, der unter einem solchen Druck steht. Es geht nicht nur um ein persönliches Verhältnis Dr. Thilo Sarrazin gegen das Land Berlin, sondern es geht auch darum – das müssen Sie sich vor Augen halten –, dass dieses Amt optimal ausgeübt wird – und zwar für die Berlinerinnen und Berliner. Deshalb ist es keine Privatangelegenheit. Deshalb sollten Sie sich noch einmal gut überlegen, ob Sie diese Hängepartie verkraften.
Auch der Regierende Bürgermeister hatte kein gutes Gefühl. Ihnen ist sehr wohl bewusst, dass Thilo Sarrazin nur pars pro toto ist und nicht ein Einzelspieler. Deshalb kann ich verstehen, dass Sie gereizt sind und den ganzen Vorgang sehr bedauern. Aber das gibt Ihnen nicht das Recht, Herr Regierender Bürgermeister, auf die Weise unsubstantiiert auf die Berliner Staatsanwaltschaft einzuschlagen, wie Sie es gemacht haben.
sind Sie das letzte Glied in einer Kette. Das spielt eine Rolle, Herr Ratzmann. Man muss sehen, wer vorher tätig war und wer welchen Teil in der Tempodrom-Affäre übernommen hat. Das ging los in einem schwarz-roten Senat unter dem Paten Strieder. Er ist derjenige, der hauptsächlich eingefädelt hat. Dann ging es weiter im rotgrünen Übergangssenat, auch das wollen wir nicht vergessen. 13,5 Millionen DM sind bewilligt worden und Ihr Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Brandenburg war einer der ersten, der den Beschluss unterschrieben hat. Deshalb kann man nicht sagen: Jetzt hat es endlich den Richtigen erwischt. Aber, auch das muss man feststellen: Sie waren beteiligt, nicht nur doloses Werkzeug – damit würde man ihrer Persönlichkeit auch nicht gerecht werden –, Sie wussten, was Sie taten, Sie waren nicht nur irgendein Bote dieses Senats, sondern Sie waren und sind Vertreter des Landes Berlin und wussten ganz genau, dass Sie die Grenze überschritten. Sie haben Haushaltsrecht gebrochen, Sie haben diverse andere Vorschriften umgangen. Das muss man sehen. Das ist, Herr Kollege Liebich, nicht eine Entscheidung, die die Koalition zu treffen hat, sondern unabhängige Gerichte. Man wird sehen, ob das Ganze auch strafbar gewesen ist.
Über die Zulassung der Klage ist noch nicht entschieden, aber das Ganze ist nicht ausschließlich einer politischen Beobachtung anheim gestellt.
Es ist Politikern der Opposition möglich, wenn sie meinen, dass ein bestimmtes Regierungshandeln justitiabel ist, dass sie Strafanzeige stellen. Es ist dann Aufgabe der Justiz – zunächst der Staatsanwaltschaft, dann der Gerichte – darauf zu reagieren. Aber man kann nicht der Opposition, namentlich der CDU-Fraktion, das Recht absprechen, entsprechend zu agieren.
Unbeschadet von meiner persönlichen und fachlichen Wertschätzung und auch der Feststellung, dass Sie nicht der Erste, sondern einer der Letzten in der TempodromKette sind, meine ich, dass Sie sich gut überlegen müssen, ob Sie weiter im Amt bleiben. Ich empfehle Ihnen einen geordneten Rückzug. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Finanzsenator Striek von Ihrer Partei, der sich 1975 mit der Anklageerhebung wegen uneidlicher Falschaussage zurückgezogen hat. Überlegen Sie sich gut, was auf Sie zukommt. Sie sind nicht wegen irgendeines Straßenverkehrsdeliktes angeklagt, sondern wegen Untreue zu Lasten des Landes Berlin. Sie sind gleichzeitig der oberste Dienstvorgesetzte von Steuerfahndern, von Finanzbeamten. Man muss sich überlegen, ob man das durchstehen kann. Der Finanzsenator muss in Karlsruhe das Land Berlin bei diesem wichtigen Verfahren mit voller Glaubwürdigkeit vertreten. Da steht die Sache dann im Raum. Das kann man sich nicht wegdenken oder wegwünschen, Herr Müller, auch wenn Sie das gerne täten.
Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Es gibt Privilegien eines Regierenden Bürgermeisters, eines Regierungschefs. Die lauten, auch wenn er nicht die alleinige Richtlinienkompetenz hat, dass er anweisen, zitieren kann, dass er auch auf Kabinettskollegen, wie die Justizsenatorin, Druck ausüben kann, das Gebotene zu veranlassen, wenn Sie meinen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und dann gibt es Privilegien eines Hühnerdiebs. Das Privileg eines Hühnerdiebes ist es, in einer Kneipe zu stehen und über die Staatsanwaltschaft zu schimpfen.
Aber dieses Recht hat der Chef der Exekutive nicht. Das kann ein Ganove in einer Bahnhofspinte machen. Der Regierungschef, als Chef der Exekutive, wenn er glaubt, dass tatsächlich in einer Behörde etwas nicht stimmt, muss Ross und Reiter nennen, muss veranlassen, dass dienstrechtlich vorgegangen wird, aber nicht pauschal in dieser Weise seinen Unmut und seiner Unlust freien Raum lassen. Das ist in der Tat ein Mentalitätswechsel gewesen. Ich habe das zumindest von einem Regierungschef noch nicht mitbekommen.
Ich weiß, dass es neben der Erkenntnis, dass Thilo Sarrazin nicht der Einzelspieler ist – dafür gibt es genug Einbettungen auch der letzten Entscheidungen in Senatsbefassungen – noch einen zweiten Grund dafür gibt, dass Sie in dieser Weise gereizt und übertrieben reagieren und sich so vor ihren Senator stellen. Das hat gar nichts mit dem Senator als solchen zu tun. Sie wissen, dass Thilo Sarrazin nach Gysi und Strieder der Dritte ist, der politi
Ich werde bei meinem Grundsatz bleiben, erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens etwas zur Staatsanwaltschaft zu sagen. Ich habe mich nie zur Rolle der Staatsanwaltschaft geäußert und werde das auch heute nicht tun. Ich finde es nur als Beschreibung etwas merk
würdig, Herr Lindner. In der öffentlichen Darstellung geht einiges durcheinander. Wir haben unabhängige Richter als eigenständige Form. Der einzelne Staatsanwalt ist weisungsgebunden. Die Justizsenatorin ist für die Staatsanwaltschaft verantwortlich.
Ich erinnere mich daran, dass sich Kreise der Opposition in diesem Haus über den Stand der Verfahren im Rahmen der Bankgesellschaft beschwert haben. Die Justizsenatorin sollte für die Handlungsweise oder das Nichtstun der Staatsanwaltschaft verantwortlich gemacht werden. In dem Fall wird die Verfassung in der Weise außer Kraft gesetzt, dass jede Äußerung und Handlung – obwohl die Verfassung es so vorsieht – als Einflussnahme gewertet werden kann. Sie haben davon reichlich Gebrauch gemacht, und zwar bis hin zu dem Vorwurf, ich hätte eine persönliche und politische Wertung des Vorgangs gezogen. Äußerungen meinerseits, ob Herr Sarrazin im Amt bleiben kann oder nicht, wurden bereits als Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft ausgelegt. Insofern ist es völlig unsinnig und schädlich, wenn im politischen Raum – um den geht es hier – etwas zur Staatsanwaltschaft gesagt wird. Das rächt sich fatal, weil immer wieder der Eindruck erweckt werden könnte, man wolle Einfluss ausüben. Ich sage klipp und klar: Es hat keinen politischen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft gegeben. Selbst wenn man das tun wollte, wäre es ein Fehler, weil es sofort umgedeutet werden würde. Das ist ja schon geschehen.
sches Gewicht hat und jetzt auf dem Weg ist, dieses Kabinett zu verlassen. Was übrig bleibt, Herr Regierender Bürgermeister, sind mehr oder minder begabte Administratoren, aber keine Mannschaft, die in der Lage ist, die großen Herausforderungen, vor denen diese Stadt steht, schultern zu können.
Das können Sie mit den Leuten nicht mehr machen. Sich verkaufen ist gut, da sind wir immer an Ihrer Seite. Aber es braucht auch eine radikale Verwaltungsreform statt dieser überbordenden Bürokratie, es braucht Markt und Wettbewerb, das hat der Wegzug von Sony wieder gezeigt, statt staatsmonopolistischer Wirtschaft. Es braucht auch entschlossenes Vorgehen bei der Länderfusion Berlin-Brandenburg. Auch hier ist es angezeigt, aus diesem Rumgeeiere wegzukommen und endlich etwas anzupacken. Wir brauchen darüber hinaus eine liberale Wirtschaftspolitik, die Arbeit schafft, anstatt Alg II zu verteilen. Das sind Dinge, die Sie mit dieser Restmannschaft nicht hinbekommen. Deswegen, bei allem Verständnis, das ich dafür habe, dass Sie sich vor Ihren Finanzsenator stellen: Sie müssen sich überlegen, ob sie diese Hängepartie des Senators zur Hängepartie für dieses Land werden lassen. Ich fordere Sie auf, das zu beenden und endlich Politik für Berlin zu machen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Lindner! – Für den Senat spricht der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Ich habe weiten Teilen Ihrer Ausführungen – in der Presse hat gestanden, immer wenn Sie aufträten, ginge ein Ruck durch mich und ich hätte ein besonderes Empfinden – mit Spannung gelauscht. Ich muss sagen, der erste Teil Ihrer Rede war sehr differenziert,
und auch für einen Vertreter der Opposition, der es gewohnt ist, immer kräftige Worte zu benutzen, sehr sensibel im Umgang mit einem Thema,
das in der Tat sensibel behandelt werden sollte. Was Sie zum Schluss zur Rolle der Staatsanwaltschaft gesagt haben, haben Sie bereits an anderer Stelle öffentlich geäußert.
Das ist keine Drohung, Herr Braun – schon gar nicht gegen jemandem, der aus politischen Gründen Anzeigen erstattet, wie Sie es regelmäßig tun, Herr Braun.
Der Vorgang, dass Anklage gegen ein Senatsmitglied erhoben wird, ist – Gott sei Dank! – nicht so üblich. Der Vorgang wiegt aber schwer. Er muss diskutiert werden. Auch für einen Regierender Bürgermeister – egal, ob mit oder ohne Richtlinienkompetenz – – Herr Zimmer, zu Ihren Hinweisen auf Disziplinarrecht und Suspendierungen: Sie wissen ganz genau, dass ein Regierender Bürgermeister auch dann nicht suspendieren könnte, wenn er es wollte. Sie müssten eine Abwahl vornehmen. Ich kann noch nicht einmal entlassen. – Aber das nur am Rande.
Es ist ein politischer Vorgang, bei dem für mich von Anfang an und nicht erst nach der Anklageerhebung, sondern bereits in dem Moment, als die CDU-Fraktion Anzeige erstattet hat – – Es hat mich gefreut, dass Sie noch einmal betont haben, dass Sie es waren, der auf Grund des Rechnungshofberichts nicht die politische Auseinandersetzung über die Kritik des Rechnungshofs im Parlament gesucht hat, sondern der Anzeige erhoben hat, und zwar Anzeige im politischen Sinn. Das ist ein Politikum. Herr Ratzmann hat das bestätigt. Dass wir in der Situation sind, politische Diskussionen juristisch zu verbrämen und gar über Staatsanwaltschaften auszutauschen, ist ein bedenkliches Zeichen der politischen Kultur in dieser Stadt.