Protocol of the Session on April 29, 2004

Platz 47 im Niveau-Ranking; Platz 49 bei der Dynamik; der Arbeitsmarkt desolat, Rang 49. In keiner wichtigen Kategorie auch nur annähernd in der Spitzengruppe, bei Wohlstand sogar noch überrundet von Städten wie Hamm, Herne, Gelsenkirchen. Tristesse pur in der Hauptstadt.

[Over (PDS): Ziehen Sie doch weg, nach Spandau!]

Berlin hat, bezogen auf die Einwohnerzahl, die zweitschlechteste Sozialstruktur. Es gibt nur noch in Kassel und Halle mehr Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, nur in Gelsenkirchen gibt es weniger Lehrstellen. Der rotrote Senat wäre gut beraten, diese Ergebnisse ernst zu nehmen, sich damit ernsthaft auseinander zu setzen.

[Beifall bei der CDU]

Berlin erzielt seit Jahren kein Wirtschaftswachstum mehr. Berlin ist das einzige Bundesland, in dem die Arbeitslosigkeit steigt. Die letzte Studie zeigt einmal mehr, dass die miserablen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen immer mehr Unternehmen vertreiben und potentielle Investoren verschrecken.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Aber es gibt keinen Grund, eine Trendwende nicht auch in Berlin zu schaffen.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Lassen Sie uns heute über unseren Antrag diskutieren. Werten wir die Studien aus und handeln Sie dann! Berlin braucht eine zweite Aufbruchstimmung nach der Wiedervereinigung, und Sie sind dafür verantwortlich.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Abgeordnete Dr. Lindner. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Als ich, Herr Regierender Bürgermeister, erfuhr, dass Sie vor Eintritt in die üblichen Regularien eine Regierungserklärung zum Thema „Osteuropa“ abhalten wollten, habe ich mir sofort gedacht: Der drückt sich einfach davor, dass wir im Parlament über seine Regierungskrise reden wollen. – Ich habe das korrigiert, weil ich es richtig fand, dass wir uns heute mit dem Thema ausführlich befasst haben, dass Sie eine Regierungserklärung dazu abgeben haben. Das war vernünftig und der Situation angemessen.

Was aber nicht der Situation angemessen ist,

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

ist, das Thema Regierungskrise – und das ist das aktuellste Thema in der Stadt – dadurch auszublenden, dass wir über den Sozialatlas reden.

[Doering (PDS): Das ist auch ein Problem!]

Es gibt nichts Aktuelleres als diese Problematik.

Das Dritte und Aktuellste, was dieses anbelangt, ist der Rücktritt von Herrn Strieder. Es ist nicht so, dass wir Herrn Strieder nachweinen; er hinterlässt ein paar Gleise, unerledigte U-Bahnprojekte und den Tempodromskandal. Er ist auf einem Elefanten davongeritten, man wird ihn im politischen Berlin so schnell nicht mehr sehen. Aber es ist kein singulärer Vorgang, sondern wir haben bereits zwei Jahre zuvor erlebt: der zweite Architekt von Rot-Rot, nicht auf einem Elefanten davongeritten, sondern mit Lufthansa-Bonusmeilen up, up and away, Herrn Gysi. Wer übrig bleibt, ist eben jener schwächliche Herr Liebich und ein Regierungschef, der auch in den großen Fragen, die diese Stadt bewegen, keine Antworten hat,

Ja, das ist auch ein Problem! Eines der vielen Probleme, die nicht zuletzt daher rühren, dass Sie unfähig sind, diese Stadt mit der notwendigen Wirtschaftskraft auszustatten.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Aber es ist schon nicht zu vergessen, was in Berlin in den letzten zwei, drei Wochen passiert ist.

[Doering (PDS): Peinlich ist das!]

Die ganze Stadt diskutiert darüber, ob dieses rot-rote Regierungsbündnis über ein Volksbegehren abgewählt werden soll.

[Doering (PDS): Das ist nicht die ganze Stadt!]

Das ist von den Grauen Pantern bis zu Ihren Gewerkschaftsfreunden ein ziemlich breites Bündnis! –

[Zurufe von der PDS]

Das Zweite ist – –

Sehen Sie, wir sind ja schon so weit gekommen, dass die Gewerkschaften ja nicht einmal mehr den Herrn Bundeskanzler aus Ihrer Partei dabei haben wollen. So weit sind Sie doch schon gekommen!

[Doering (PDS): Sie aber auch nicht!]

Dass der mich nicht dabei haben will, dürfte doch klar sein! – Das Zweite, was kurz vor Ostern passiert ist,

[Brauer (PDS): Passiert ja eine Menge in der Stadt!]

war ein Parteitag der PDS, auf dem nicht nur der gewohnt schwache Kultursenator demontiert wurde, sondern vor allen Dingen der Partei- und Fraktionsvorsitzende der PDS eine jämmerliche Schlappe erlitten hat,

[Och! und Ach! von der PDS ]

der ganzen Stadt gezeigt hat, dass er nicht im geringsten das Rückgrat hat, Partei und Fraktion zu führen. Es ist doch ein unglaublicher Vorgang, wenn man Partei- und Fraktionsvorsitzender ist,

[Zurufe von der PDS]

als Parteivorsitzender einen Koalitionsvertrag unterschreibt, in dem klipp und klar steht, dass es keine Studiengebühren geben soll, und sich vom Koalitionspartner so unter Druck setzen lässt, dass der eigene, eh schon schwache Mann genötigt wird, ein solches Modell zu entwickeln.

[Zurufe von der PDS]

Aber, statt dann die Courage zu haben, zur eigenen Partei zu gehen und zu sagen: Leute, das ist das, was wir neu beschlossen haben, dahinter stehe ich, und ich stehe auch hinter dem Kultursenator! –, stattdessen hat er sich in die dritte Reihe verkrümelt und hat gleich im Vorfeld gesagt: Ach, wenn ihr die Sache platzen lasst, dann ist das überhaupt kein weiteres Problem. – Schwächer, Herr Liebich, geht es doch gar nicht mehr.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Sie sind ein Männlein und sonst gar nichts!

Herr Dr. Lindner! Ich bin schon sehr großzügig. Ich bitte Sie wirklich, zur Aktualität zu sprechen. Ich weiß, es ist schwierig. Kommen Sie bitte dazu zurück.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Gut, das ist ja schon einmal eine Äußerung.

Ich möchte jetzt gern ohne Unterbrechung fortfahren.

[Doering (PDS): Sie haben sie!]

keine Vision für Berlin, keine Visionen und Ideen für Berlin-Brandenburg, Osteuropa – na gut, war auch eher eine bescheidene Veranstaltung heute –, in der Föderalismusdebatte, in der Hauptstadtdiskussion leere Aktendeckel abgibt, so dass sich diese Stadt fragt: Haben wir überhaupt noch eine Regierung, oder ist das nur noch ein Rest? –

[Sen Böger: Wir haben Herrn Lindner!]

Herr Böger, Sie gehören auch zu den etwas geringeren Leistungsträgern. Das ist diese Mischung aus Buchhaltern wie Herr Sarrazin, politischen Leichtgewichten wie Frau Schubert oder jetzt Frau Junge-Reyer und Schwächlingen wie Herrn Flierl oder Herrn Böger. Das ist das, was von diesem Senat übrig geblieben ist.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Hier ist kein Senat mehr, es gibt keine Regierung von Berlin mehr, sondern nur noch eine notdürftige Verwaltung. Darüber müssten wir heute reden. – Herzlichen Dank!