Protocol of the Session on April 29, 2004

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zurufe von der PDS]

Aber dennoch haben die Menschen dort einen Anspruch darauf, dass auch Strukturpolitik in ihrem Sinne gemacht wird. Und so ist dieser Standort – Finanzgericht Cottbus – seinerzeit, im Jahre 1995, in den Fusionsvertrag hineinge

Wieland, Wolfgang

Herr Pewestorff, das kommt doch noch! Sie sind für diese Uhrzeit sehr munter. Sie haben sich offenbar bei der vorigen Debatte ausgeschlafen und sind jetzt erfrischend engagiert. – Es ist eine Blockade insbesondere innerhalb der CDU, und das ist nicht neu. Das war schon so, als Eberhard Diepgen das Justizressort mitverwaltet hat – Justizsenator war er ja bekanntlich nicht –, als sein Staatssekretär Rauskolb in Brandenburg im Rechtsausschuss einritt und sagte: Wir gehen nicht noch Cottbus, basta! – Und

genauso kam zurück: Basta, Cottbus wollen wir haben, darüber reden wir erst gar nicht. – Diese Blockade, die nunmehr seit vier Jahren andauert, hätte die CDU insbesondere untereinander auflösen müssen.

Wir haben damals Kompromissvorschläge gemacht und machen sie auch jetzt noch. Wir sagen: Wenn es denn sein muss, dann ein gemeinsames Finanzgericht mit zwei Standorten, mit Außenstellen, wo insbesondere die Publikumssachen in Berlin verhandelt werden. Das ist im Übrigen eine Forderung, die auch die Nordbrandenburger erheben, die sagen: Wenn wir schon nach Berlin reisen, ist das schon eine ganz schöner Weg, nach Cottbus verdoppelt er sich. Das ist eine Forderung, die insbesondere die Laienrichter erheben, die Steuerberater und andere mit guten Gründen erheben.

Wir sagen gleichzeitig: Weil uns Cottbus wichtig ist und wir Cottbus aufwerten wollen, ist unser Vorschlag, das gemeinsame Verfassungsgericht des Landes Berlin und Brandenburg, das man auch wird bilden müssen, wenn man es mit der Fusion ernst meint, und das man auch im Vorgriff bilden kann – mit zwei Senaten, einen für Berlin, einen für Brandenburg –, dann nach Cottbus verlegen soll.

Dies sind Kompromissvorschläge, um die Kuh vom Eis zu holen, um zu einer Lösung zu kommen, die von allen auch mitgetragen werden kann. – Vielen Dank!

kommen. Das fiel damals nicht sonderlich auf. Mir konnte bis heute niemand sagen, obwohl es mich interessiert, warum unter die Frage, wohin die gemeinsamen Obergerichte gehen, ein Gericht fiel, das gar kein Obergericht ist, nämlich ein erstinstanzliches Gericht, ein Eingangsgericht, zu dem viele Menschen, wie wir als Juristen so schön sagen, in Person gehen, zu Kindergeldsachen, zu Kfz-Steuern, weil es sich für sie nicht lohnt, sich anwaltlich vertreten zu lassen, weil es um geringe Beträge geht. Das ist das Problem. Wir haben einen klassischen Zielkonflikt zwischen einer sinnvollen raumordnungs- und regionalpolitischen Forderung, auch Cottbus soll Gerichtsstandort sein, und der Frage, die wir ansonsten auch immer haben: Kann ich ein Gericht wie eine normale Behörde behandeln? – Wie beispielsweise das Umweltbundesamt, wo man gesagt hat: Ihr müsst nach Dessau gehen, ob ihr wollt oder nicht, ihr geht dorthin. – Und dann sind sie murrend nach Dessau gegangen. Dies ist eine Behörde ohne Publikumsverkehr. Wenn wir über Gerichtsstandorte reden, müssen wir auch hier über Servicefreundlichkeit, Bürgerinnen-/Bürgerfreundlichkeit reden. So weit sind wir inzwischen. Und dann muss man sagen, dass der Standort Cottbus für ein erstinstanzliches Gericht leider ein ganz und gar ungeeigneter ist.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Das ist leider so, und dies weiß man, Herr Brauer, nicht erst seit heute. Dies weiß man seit vier Jahren. Was uns auch ärgert, ist, dass man dennoch, obwohl man das wusste, dass es insbesondere bei der CDU, aber auch bei der FDP einen massiven Widerstand gibt, nicht vorher mit der Opposition geredet hat, dass wir quasi aus der Zeitung erfahren, dass dieser Staatsvertrag abgeschlossen wird und Herr Wowereit in seiner oberflächlichen, nonchalanten Art einfach sagt: Wir unterschreiben erst einmal, und dann werden sie schon springen müssen. Dann können wir es ausschlachten, dass sie zicken und nicht nach Cottbus gehen wollen. –

[Ritzmann (FDP): Richtig!]

Dies ist eine Art und Weise, die wir nicht akzeptieren und die scharf zu kritisieren ist.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es ist aber auch merkwürdig, Herr Zimmer, das muss ich Ihnen ganz freimütig sagen, dass eine Justizministerin in Brandenburg sich hinstellt und sagt, Cottbus sei nicht verhandelbar. Ich gehe nicht in Verhandlungen und erkläre nicht vorab einen Teil für nicht verhandelbar.

[Pewestorff (PDS): Von welcher Partei ist die?]

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Wieland! – Es folgt die SPD. Der Herr Kollege Felgentreu naht sich dem Pult. Sie haben das Wort, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wieland, es hat mich ein bisschen überrascht, dass Sie als künftiger Kandidat in Brandenburg zu diesem Thema gesprochen haben.

[Zurufe von den Grünen]

Es hat mich deswegen überrascht, weil es doch für Sie eine sehr schwierige Aufgabe war, hier die unterschiedlichen Interessenlagen zu bewältigen, die da in Brandenburg bestehen.

[Frau Ströver (Grüne): Hat er aber gut gelöst, nicht? – Wieland (Grüne): Ich werde auch mit schwierigen Aufgaben fertig!]

Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich damit keinen Gefallen getan haben. Vielleicht hat es etwas mit der erklärten Strategie der Grünen zu tun, nur im Speckgürtel nach Stimmen zu fischen. Aber ich bezweifle, dass das in der Brandenburger Presse sehr goutiert wird, was Sie da eben vorgetragen haben.

Ich möchte gerne mit Lob und mit Dank anfangen, und zwar mit Lob und Dank für die beteiligten Senatsverwaltungen und Ministerien in Brandenburg, insgesamt vier Verwaltungen, die diesen Staatsvertrag ausgearbeitet und vorgelegt haben, denn ich glaube, das ist ein Meilen

Berlin liegt eindeutig zentral, das wäre ideal gewesen, und damit hätten die Menschen in Pritzwalk und in der Uckermark leben können, das wäre für die ein kürzerer Weg. Aber, sehr merkwürdig, das Land Brandenburg hat sich dazu nicht bereit gefunden. Unsere Verhandlungspartner haben da eigene Vorstellungen entwickelt und haben gesagt: Aus bestimmten übergeordneten Gründen ist ihnen der Standort Cottbus so wichtig, dass sie unsere Einwilligung für diesen Standort zur Bedingung für alles Weitere machen. Wir haben Argumente vorgetragen, warum uns andere Standorte sinnvoller erscheinen. Aber für die Brandenburger war das der entscheidende Punkt. Um dann nicht in eine Blockade zu geraten, haben wir gesagt: Gut, wir wollen die Fusion der Obergerichte. Wir wollen diesen Schritt in die Richtung der Länderfusion tun, und das ist uns so wichtig, dass wir in dieser Detailfrage nachgeben und dem zustimmen, was Brandenburg von

vornherein vorgeschlagen hat. Ich halte diesen Schritt nach wie vor für absolut richtig und für die einzig verantwortungsvolle Art, mit der Gemengelage, mit der wir konfrontiert waren, umzugehen.

Ein Argument, das von der Opposition vorgetragen wird, akzeptiere ich überhaupt nicht – das Argument, Cottbus sei denjenigen nicht zumutbar, die sich auf den Weg in diese Stadt machen müssen. Das kann allein schon deswegen nicht stimmen, weil andere Bundesländer auf ganz ähnliche Lösungen gekommen sind. Ich verweise auf Hessen, das ein Finanzgericht in Kassel hat, an der äußersten Nordgrenze dieses Bundeslandes. Das heißt, die Menschen aus Frankfurt, die Menschen aus Darmstadt, die Menschen aus Südhessen müssen sich auf den weiten Weg nach Kassel machen, um dort vor dem Finanzgericht zu ihrem Recht zu kommen. Das findet kein Mensch in Hessen unzumutbar. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, meine Damen und Herren von der FDP, aber auch von den Grünen, sollten anfangen zu lernen, wie in einem Flächenstaat zu denken. Das ist ein Anspruch, den wir an uns stellen müssen, wenn wir es mit der Länderfusion ernst meinen.

stein auf dem Weg der beiden Länder Berlin und Brandenburg aufeinander zu.

[Beifall bei der SPD – Cramer (Grüne): Das glaubt er ja selber nicht!]

Die Fusion der Obergerichte ist insgesamt eine sinnvolle Maßnahme. Sie wäre auch dann eine sinnvolle Maßnahme, wenn wir die Länderfusion nicht ins Auge gefasst hätten. Wir erhalten eine schlankere Organisation unserer Gerichtsbarkeit. Wir realisieren auf diesem Wege mögliche Einsparungen, erhalten aber gleichzeitig auch größere Fachgerichte, die es den einzelnen Senaten ermöglichen, sich weiter zu spezialisieren, so dass wir erwarten dürfen, dass die Qualität der Urteile steigt. All das sind Vorteile, die aus dieser Gerichtsfusion erwachsen.

Gleichzeitig aber – das wiederhole ich hier gerne noch einmal – ist es der bisher größte Schritt in Richtung Länderfusion, die die beiden Länder tun – vier gemeinsame Obergerichte. Das ist beispiellos in Deutschland, das finden Sie nirgendwo sonst, und das zeigt eine wirklich bewundernswerte Ernsthaftigkeit, dass wir meinen, was wir sagen: Wir wollen diese Fusion, und wir wollen diese gemeinsamen Gerichte.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Jetzt hören wir Kritik aus der Opposition, unter anderem auch von den Grünen, die dieses Projekt einmal mit angestoßen haben,

[Wieland (Grüne): Das ist aber doch nicht neu, Herr Felgentreu!]

das Finanzgericht Cottbus sei eigentlich unmöglich zu ertragen, das könne man nicht mitmachen, und das sei ein Grund, warum man dieser Verfassungsänderung nicht zustimmen dürfe, die dafür notwendig ist. Ich will einmal sagen, was aus meiner Sicht wünschenswert wäre, aus Berliner Sicht, ich denke, da kann ich für uns alle sprechen: Natürlich können wir uns einen effektiveren Standort für das Finanzgericht vorstellen als Cottbus, und ich persönlich hätte sehr begrüßt, wenn alle vier Obergerichte nach Berlin gegangen wären.

[Dr. Heide (CDU): Das wollen Sie doch gar nicht!]

[Beifall bei der SPD und der PDS – Ritzmann (FDP): Sie müssen bürgerfreundlich denken, Herr Kollege!]

Wir müssen bürgerfreundlich denken, wie es einem Flächenstaat angemessen ist – das ist der Punkt! Wie wollen Sie eigentlich mit der geradezu sprichwörtlichen Berliner Nonchalance – um kein schwerwiegenderes Wort zu erwähnen – den Menschen aus Pritzwalk und anderen Städten aus den Brandenburger Randlagen erklären, dass es ihnen zuzumuten ist, sich zu bewegen und zu reisen, den Berlinern aber nicht? Das ist doch völlig abwegig. So kann man mit dem Verhandlungspartner in Brandenburg nicht umgehen, und das wird dort auch nicht akzeptiert, das wird als Ausweis von Arroganz betrachtet.

Deswegen hier noch einmal mein Aufruf an Sie: Bitte überlegen Sie sich Ihre Position. Die Regierungsfraktionen – da, denke ich, kann ich sicher sein – sind hoch interessiert daran, dass wir diesen Staatsvertrag umsetzen können. Dafür brauchen wir die Kooperation der Opposition. Bitte verweigern Sie sich dieser Kooperation nicht, akzeptieren Sie die Ausgangsposition, unter der wir zu arbeiten hatten, und ermöglichen Sie diesen großen Schritt in Richtung auf die Länderfusion, damit wir keine Schlüsse ziehen müssen, wie es mit Ihrem Engagement für diese wichtige Zukunftsfrage der gesamten Region bestellt ist. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Felgentreu! – Es folgt Michael Braun für die CDU. Er hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut gemeint ist meist das Gegenteil von gut gemacht. So ist es auch hier in der Frage des Staatsvertrages über die Fusion der Obergerichte. Die Diskussion, die wir

Es gibt, Frau Schubert, sehr wohl geeignete Standorte, auch im Land Brandenburg. Ich bin der Letzte, der dem Land Brandenburg irgendwelche Vorschläge machen will. Das haben sie zu entscheiden. Aber die Auswahl eines Standortes in Brandenburg hat nach dem Kriterium zu erfolgen, dass dieser Standort möglichst für alle Bürger in Berlin und Brandenburg gut erreichbar ist und nicht ob damit ein wirtschaftlicher Ausgleich in Cottbus geschaffen wird.

Noch zwei kurze Anmerkungen zu der Rede von Herrn Wieland: Über seinen Vorschlag, das Verfassungsgericht nach Cottbus zu verlegen, kann man reden, aber, Herr Wieland, mit Verlaub: nicht vor der Fusion der beiden Länder. Auf die Idee, ein Verfassungsorgan in ein anderes Bundesland zu verlegen, wäre ich nicht gekommen. Stellen Sie sich vor, man würde das Verfassungsorgan Berliner Senat nach Cottbus oder in die Uckermark zur Tagung verlegen.

hier führen, ist eigentlich nicht neu. Bereits im Staatsvertrag, der damals die Fusion der beiden Länder regeln sollte, war diese Regelung, über die wir heute reden, vorgesehen. Damals haben viele dieser Teilregelung nur im Interesse des großen Ganzen zugestimmt.

Deswegen meine erste Feststellung für die CDUFraktion: Wir wollen die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg. Das Gegenteil lassen wir uns auch hier von keinem von Ihnen, auch nicht unterschwellig, unterstellen. Und wir wollen auch, dass es zu einer Fusion der Obergerichte kommt. Denn wir glauben, dass die Festlegung von gemeinsamen Obergerichten für Berlin von erheblichem Vorteil ist.

Allerdings muss in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen werden, was ein Finanzgericht eigentlich macht. Ich glaube, die wenigsten von Ihnen wissen das. Ein Finanzgericht ist eben kein Obergericht, sondern ein erstinstanzliches Gericht mit einer hohen Anzahl von Verfahren mit zum Teil sehr geringem Streitwert. Vor einem Finanzgericht wird über Kindergeld, Arbeitnehmersparzulagen, Kraftfahrsteuer, Hundesteuer und sonstige Steuerangelegenheiten gestritten. Wegen dieser häufig sehr geringen Streitwerte werden die meisten Verfahren von den Betroffenen selbst geführt, zumal vor den Finanzgerichten, ähnlich wie vor Amtsgerichten, kein Vertretungszwang durch Rechtsanwälte oder Steuerberater besteht. Deshalb träfe der Umzug nach Cottbus insbesondere die so genannten kleinen Leute, die um wenig Geld kämpfen und die sich keinen Vertreter leisten können. In der mündlichen Verhandlung vor Finanzgerichten wird häufig ein Vergleich geschlossen. Dies setzt voraus, dass die Betroffenen vor Ort sind. Obwohl es häufig gar nicht erforderlich ist, nehmen in Berlin jährlich mehr als 5 000 Personen an mündlichen Verhandlungen vor dem Finanzgericht teil. Ich halte es nicht für vertretbar, im Interesse einer ungewissen – jedenfalls in den Sternen stehenden Fusion – den Zugang zum Finanzgericht und damit den Rechtsstreit der Berliner Bürger insgesamt zu verschlechtern.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt im Übrigen, dass auch für die Bürger Nordbrandenburgs der Standort Cottbus alles andere als geeignet ist. Bei der Auswahl eines Gerichtsstandorts kommt es entscheidend auf die Erreichbarkeit der Rechtsuchenden an, nicht auf die Frage, ob damit ein zweifelhafter wirtschaftlicher Ausgleich für eine möglicherweise geschundene Region gefunden werden kann. Wir meinen, dass der Senat von Berlin nachverhandeln soll. Ihm ist durch die Beratung klar, die wir seit Jahren im Rechtsausschuss haben. Darüber waren sich im Übrigen auch alle Rechtspolitiker bisher einig, dass das der falsche Standort ist. Wir sind der Meinung, dass der Senat in Anbetracht der Tatsache, dass er ohne die Fraktion von CDU und SPD diesen Staatsvertrag und die Verfassungsänderung nicht durchkriegen wird. Wir fordern den Senat deshalb auf, in Nachverhandlungen mit dem Land Brandenburg einzutreten und nach einer Lösung zu suchen, die im Interesse der Rechtsuchenden ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

[Heiterkeit – Ritzmann (FDP): Das wäre doch eine Idee! – Frau Bm Schubert: Nach Guben, Herr Ritzmann! – Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Auf eine solche Idee wären sie, glaube ich, auch als Neubrandenburger nicht gekommen.