Die Große Anfrage, mit der wir uns heute beschäftigen, stellt die Frage, ob die PDS verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.
Es ist eigentlich nicht zu glauben, dass man solch eine Anfrage über eine Regierungspartei in der deutschen Hauptstadt überhaupt stellen muss.
Aber es ist doch geradezu absurd und befremdlich, dass man diese Frage nicht mit einem klaren Nein beantworten kann.
Herr Kollege Wegner! Da Sie soeben sagten, dass Sie nicht auf einem Auge blind seien, wie beurteilen Sie es denn, dass Ihr erklärtes politisches Vorbild, der frühere Innensenator Heinrich Lummer, die NPD mit Barspenden im Wahlkampf unterstützt hat?
Also, Herr Wieland, erstens muss ich nicht alles gut finden, was Herr Lummer macht, auch wenn ich vieles gut finde von ihm. Wenn es denn so sein sollte, Herr Wieland, kritisiere ich das ausdrücklich, da ich, wie gesagt, Verfassungsfeinde von rechts und von links in einem Parlament und in der Bundesrepublik Deutschland nicht dulden will.
Die PDS steht, da kann man nicht juristisch argumentieren, Herr Dr. Körting, in einer doppelten Tradition zur SED, personell und inhaltlich. Und auch der 2001 präsentierte Programmentwurf kann seine Wurzeln nicht leugnen. Es ist nicht zu bestreiten, dass es auch Pragmatiker in der PDS gibt. Aber der große Teil der PDS lehnt Pragmatismus ab. Er ist ein Dorn im Auge, da dadurch sie sogenannte reine Lehre aufgeweicht werden soll und die PDS von ihrem eigentlichen Ziel, der Errichtung von Sozialismus und Kommunismus abweiche. Innerparteilich, das müssten Sie doch am besten wissen, dass die Kritik am Kapitalismus zu schwach sei und die Vergangenheit zu negativ beurteilt werde. [Cramer (Grüne): Ahlener Programm!]
Die PDS, meine Damen und Herren, das wissen Sie am besten, Sie wollen eine andere Gesellschaft. Sie will den Sozialismus installieren, sie ist strikt antikapitalistisch und hat ihren Frieden mit der bürgerlichen Demokratie nicht geschlossen. Im Gegenteil, sie will die Macht der Herrschenden in Deutschland beenden. [Beifall bei der CDU]
Meine Damen und Herren! Die PDS bietet trotz der erforderlich gewordenen Anpassung und Umbenennung ein sehr zwiespältiges Bild. Im äußeren Erscheinungsbild stellt sie sich nicht als marxistisch-leninistisch dar. In ihrem Programm wie auch in ihrem Statut ist die Existenz extremistischer Strömungen verankert. Hierbei handelt es sich insbesondere, Herr Dr. Körting, natürlich um die Kommunistische Plattform und, Herr Benneter, das sind nicht nur 30 Irrläufer, diese Kommunistische Plattform ist im Statut und in der Satzung verankert. interjection: [Beifall bei der CDU] Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit anderen linksextremistischen Organisationen, einschließlich gewaltbereiter Gruppierungen im In- und Ausland. Die PDS beteiligt sich zwar an Wahlen und auch an der parlamentarischen Arbeit auf allen Ebenen – das bestreitet niemand –, betont aber andererseits die Notwendigkeit des außerparlamentarischen Kampfes, ja räumt dem Vorrang ein. Letztendlich kommt der Verfassungsschutzbericht der Bundesregierung zum Ergebnis, dass das Verhältnis der Partei zu wesentlichen Elementen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung noch immer ambivalent ist, Herr Dr. Körting. Der Innenminister, Herr Schily, gehört ja Ihrer Partei an; auch wenn er viele Fehler macht, ich glaube, da hat er Recht. Die PDS pflegt seit vielen Jahren Kontakte zur verbotenen PKK und unterstützt diese politisch. Einzelne Funktionsträger der PDS haben in der Vergangenheit wiederholt Veranstaltungen PKK-naher Organisationen angemeldet, und einige sind dort sogar als Redner aufgetreten. interjection: [Dr. Lindner (FDP): Unglaublich!] Des weiteren hat die PDS enge Kontakte zur antifaschistischen Aktion Berlin AAB. Immer wieder werden Räumlichkeiten für Treffen oder technisches Gerät zur Verfügung gestellt, Materialkosten übernommen, und auch hier werden Demonstrationen angemeldet. Die eine liegt gar nicht so lange her. Letztes Jahr am 1. Mai meldete eine PDS-Bundestagsabgeordnete eine Ersatzdemo an, nachdem der damalige Innensenator die alljährlichen Gewaltexzesse in Kreuzberg verboten hatte. Und – das ist auch nicht abzustreiten, liebe Kollegen von der PDS – diese AAB hat ihre Geschäftsstelle im Karl-Liebknecht-Haus. Das müssen Sie mir nachher einmal erklären. interjection: [Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP] Stets stellt sich die PDS auch hier in Berlin nicht hinter die Polizei und deren Behörden, Herr Dr. Körting. Die Unterstützung am 1. Mai, wenn Sie die Krawalle hoffentlich verhindern können, finden Sie bei der Union. Ich hoffe, Sie finden Sie auch bei der PDS; ich habe aber meine Zweifel. Das alles zeigt nur deutlich, warum die PDS vom Verfassungsschutz beobachtet wird. interjection: [Frau Seelig (PDS): Wird sie doch gar nicht!] – Das wird sie sehr wohl. Sie müssen nur einmal den Verfassungsschutzbericht der Bundesregierung lesen. – Und, Herr Senator, das sagte ich eingangs, das muss auch unter allen Umständen so bleiben, solange sich an der Situation nichts ändert. Die Bundesregierung stellt sich ausdrücklich hinter die Aussage von Bundesminister Schily. Ich zitiere: „dass die PDS immer noch den alten antikapitalistischen Parolen hinterherläuft und dass hinsichtlich sogenannter Globalisierungsgegner auch nicht die geringste Distanzierung von Gewalttätern erkennbar sei.“ Meine Damen und Herren, Herr Senator Körting und liebe Kollegen von der SPD! Wenn Sie mir das nicht glauben oder uns als Union dies nicht glauben, dann glauben Sie doch bitte Ihrem Innenminister Schily. Der Medienliebling Gysi ist die Schale. Darunter steckt noch immer der alte Kern. Der antitotalitäre Geist unseres Grundgesetzes verpflichtet alle Demokraten, sich gleichermaßen von rechten und linken Verfassungsfeinden abzugrenzen.
Ich komme jetzt zum Ende, Herr Präsident! – Durch diese Regierungsbildung, meine Damen und Herren von der SPD, haben Sie die politische Mitte verlassen. Wir werden darum kämpfen, dass diese Regierung schnell ein Ende hat und der Verfassungsschutz auch weiterhin arbeiten kann. – Vielen Dank! interjection: [Beifall bei der CDU und der FDP]
Danke schön, Herr Kollege Wegner! – Zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Hans-Georg Lorenz das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege Lorenz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass ich mich rechtfertigen muss, die Verfassung nicht ernst zu nehmen und verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht besonders intensiv zu beobachten. Das liegt daran, dass ich mich schon vor 25 Jahren damit beschäftigt habe – weil ich es als Beamter des Senators für Inneres musste –, Verfassungsfeinden den Weg in den öffentlichen Dienst zu verbauen. Die unrühmliche Vergangenheit, wie Sie sagen, ist eine, zu der ich trotz alledem stehe. Im Gegensatz zu Ihnen stehe ich auch dazu, dass ich noch jetzt der Meinung bin, dass diese Verfassung gegen ihre Feinde zu verteidigen ist.
Ich meine auch, dass die gegenwärtige gesellschaftliche Situation Anlass genug böte, sich ernsthaft mit diesem Problem zu beschäftigen. Sich ernsthaft mit diesem Problem zu beschäftigen bedeutet aber gerade nicht, hier eine Kampagne mit rein tagespolitischen Zielsetzungen zu führen. Das tun Sie leider, Herr Wegner! Es ist eine juristische Frage, ob die Verfassungsfeindlichkeit bei einer Partei anzunehmen ist oder nicht, und keine politische Frage.
Sie müssen bei einer solchen Entscheidung immer beachten, ob eine Partei gegenwärtig in ihren Zielsetzungen und Äußerungen verfassungsfeindlich ist – und nicht, ob sie es vor 10 Jahren war. Sie müssen bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass bestimmte Formen der Kritik mit dieser Verfassung vereinbar sind.
Man muss nicht dem Kapitalismus anhängen und ist auch dann kein Verfassungsfeind, wenn man es nicht tut.
Man kann Sozialist auch innerhalb der Verfassungsordnung sein. Man muss nicht pragmatisch sein. Man darf sogar idealistisch sein in dieser Verfassungsordnung. Man muss nicht hinter der Polizei stehen, um ein Verfassungsfreund zu sein.
[Wansner (CDU): Aber vor ihr! – Gram (CDU): Aber man darf nicht die Diktatur des Proletariats wollen!]
Das ist richtig. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass dort – in den Reihen der PDS – einer sitzt, der die Diktatur des Proletariats will. [Heiterkeit bei der FDP]
Da kann man doch nur lachen, wenn Sie das ernsthaft behaupten. Sie nehmen die Sache schon wieder nicht ernst.
Nein! Sie sind draußen. Sie sind draußen aus diesem Thema. Sie nehmen es nicht ernst. Wenn Sie es ernst nähmen, hätte die FDP diese Anfrage nicht in dieser Form gestellt. Wie kann man als Abgeordneter der Exekutive zubilligen wollen, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz angewendet wird oder nicht? Wir sind der Gesetzgeber. Wenn Sie nicht mehr wollen und akzeptieren, dass ein Gesetz, das Sie gemacht haben – vielleicht nicht Sie als Person, aber das Abgeordnetenhaus als Institution –, nicht mehr angewendet wird und unter das Belieben eines sozialdemokrati
schen Senators gestellt wird, dann sind Sie sehr viel näher an der Verfassungsfeindlichkeit, als Sie denken, weil Sie die Gewaltenteilung nicht akzeptieren.
Die Gewaltenteilung ist das einzige untrügliche Kriterium, das es tatsächlich gibt, wenn man die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei beurteilen will. Es gibt keine Diktatur, die sich ihre Gewalt teilen lässt.
Deshalb rate ich Ihnen, sich selbst ein bisschen ernster zu nehmen. Nehmen Sie auch die kritische gesellschaftliche Situation sehr viel ernster, als Sie es hier getan haben. Diskutieren Sie wirklich einmal über diese Fragen und machen Sie sie nicht fest an einer Diffamierungskampagne.
Herr Lorenz! Sie können mir wirklich glauben – ich meine es auch so –, dass ich diese Diskussion sehr wohl ernst nehme und ich Ihre Einleitung sehr gut fand. Wenn Sie von ernsthafter Diskussion sprechen, verweise ich – ich habe leider nur wenig Zeit – auf den Programmentwurf 2001. Sie können gern einmal durchlesen, wie die PDS den Begriff der Freiheit definiert, den Freiheitsbegriff gerade hier in Berlin. Ich hatte vorhin in meiner Rede davon gesprochen, dass es darum geht, die Macht der Herrschenden aufzuheben, Herr Lorenz. An diesem Punkt geht es mir doch schon etwas zu weit.
Sie sprechen von Idealismus. Natürlich muss man idealistisch sein. Man muss auch verändern wollen. Veränderungsdrang muss immer vorhanden sein. Wenn aber davon die Rede ist, dass die Überwindung des vorhandenen Systems das Ziel ist, ist es nicht mehr idealistisch. Vielmehr müssen wir Acht auf dieses System geben!
Danke schön, Herr Kollege Wegner! – Nunmehr ist der Kollege Klemm für die Fraktion der PDS an der Reihe. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Ritzmann von der FDP! Ich habe Ihre Frage gelesen, zunächst die Überschrift: „Verfolgt die PDS verfassungsfeindliche Ziele?“ Danach folgen 8 Unterfragen, die mit der Überschrift nichts zu tun haben. Hier wird nach der Tätigkeit des Verfassungsschutzes gefragt, nach Beobachtungen, die er bei Senatoren, Staatssekretären, PDS-Mitgliedern gemacht hat. Nachdem ich mir dann schon die Frage gestellt habe, was die Debatte soll, kommt ihre Rede. Sie beantworten schon in Ihrer Einführung Ihre Frage selbst. Anschließend hört man dem Senator schon nicht einmal mehr zu, und keiner will die anderen Argumente hören.
Was soll das, Herr Ritzmann? Gehen wir einmal auf das kleine Detail Verfassungsschutz ein und fragen, ob die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ein Kriterium für die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei ist. Schauen wir einfach einmal in diesen Saal. Wir stellen fest, dass bis Mitte der 70er Jahre Mitglieder der FDP teilweise im Auftrag der FDP durch den Verfassungsschutz beobachtet worden sind. Seit der Gründung der AL wurde sie vom Verfassungsschutz beobachtet.
Seit Mitte der 80er Jahre wurde auch die SPD durch den Verfassungsschutz beobachtet – bis hin zum späteren Innensenator, der dann mit Entsetzen festgestellt hat, was der Verfassungsschutz unter anderem gesammelt hat. Nur die CDU wurde nach unserer Erkenntnis noch nicht beobachtet. Das wird auch so bleiben, solange wir regieren; das trauen wir Ihnen zu.