Protocol of the Session on February 21, 2002

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Matz! – Das Wort hat nun für die Fraktion der Grünen Frau Oesterheld. – Sie haben eine Minute und großzügige Sekunden. – Bitte schön!

Herr Präsident! Zunächst die Bemerkung, dass ich die meisten Redebeiträge angenehm fand. Tatsächlich geht uns der Betrag von 3,7 Milliarden § an die Nieren. Das geht nicht nur dem Parlament so, sondern auch der Berliner Bevölkerung.

In einem Punkt verstehe ich den Redebeitrag der SPD-Fraktion nicht, Frau Dunger-Löper. Ich verstehe nicht, weshalb Sie nicht der Meinung sind, dass das Parlament und auch die Berliner Bevölkerung eine Aufklärung haben müssen. Es ist richtig, dass es das Bankgeheimnis gibt. Aber auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass wir im letzten Jahr 2 Milliarden und jetzt 4 Milliarden ausreichen, ohne eine wirkliche Information und Erklärung zu liefern. Die Bevölkerung soll wissen, weshalb aus ihren Steuern diese Dinge gezahlt werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Das ist mein Anliegen. Ich muss nicht im Vermögensausschuss sein, um hier abstimmen zu dürfen, aber ich brauche eine solide Grundlage im Parlament.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Oesterheld! – Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 17, Drucksache 15/134:

Große Anfrage der Fraktion der FDP über Verfolgt die PDS verfassungsfeindliche Ziele?

Nach der Geschäftsordnung ist eine zehnminütige Begründung möglich. – Der Kollege Ritzmann steht schon in den Startlöchern und hat für die Fraktion der FDP das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hat bei der Debatte um die Stasivergangenheit einzelner Persönlichkeiten in diesem Hohen Haus und in anderen Bereichen angekündigt, dass sie die PDS beobachten und stellen wird – und das nicht nur auf Grund der großenteils verbrecherischen Vergangenheit, sondern auch, um in der Gegenwart Schlüsse für die Zukunft Berlins ziehen zu können.

Ich beginne mit den Erkenntnissen einer Kleinen Anfrage der Bundesregierung vom Januar 2002 zum Thema „Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Linksextremismus“. Daraus geht hervor, dass Vertreter der PDS enge Kontakte zur kurdischen PKK pflegen, dass in Publikationen der PDS linksextreme Organisationen veröffentlichen dürfen, dass Aktionsbündnisse mit gewaltbereiten Linksextremisten geschmiedet werden. Der innenpolitische Sprecher der PDS im Thüringischen Landtag hat im Oktober 2001 – ungefähr an unserem Wahlsonntag – einen Aufzug angemeldet: „Es gibt tausend Gründe, Deutschland zu hassen“.

[Dr. Lindner (FDP): Hört, hört!]

Das Marxistische Forum der PDS will sich nicht mit dieser Gesellschaft, in der wir leben, abfinden, sondern will sie überwinden. Die meisten Mitglieder dieses Forums wohnen übrigens in Berlin. Der Parteiprogrammentwurf der PDS im Jahr 2001 spricht auch davon, dass der Kapitalismus für alle wesentlichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen verantwortlich ist, [Dr. Lindner (FDP): Pfui!]

dass sozialistische Maßstäbe für die heutige Gesellschaft wieder angewendet werden müssen.

Auf der Bundesebene überwacht Otto Schily – Sozialdemokrat – die gesamte PDS. Otto Schily und die Bundesregierung erklärten im Juni 2001, dass bei der PDS hinsichtlich sogenannter Globalisierungsgegner nicht die geringste Distanzierung von Gewalttätern erkennbar sei.

[Dr. Lindner (FDP): Unglaublich!]

Auf Nachfrage wurde dies aktuell bestätigt.

Die PDS möchte im Grundgesetz eine antifaschistische Klausel einfügen und damit den antitotalitären Charakter verändern, der sich gegen jede Form des Extremismus ausspricht und sich dagegen richtet. Hier besteht ein direkter Zusammenhang zu dieser Regierung, denn in der Regierungserklärung heißt es:

Jede Form von politischem Extremismus muss bekämpft werden.

Das ist richtig. Dann folgt eine Aufzählung:

Darunter fallen: Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus.

Da haben Sie richtige Ziele. Dabei haben Sie die volle Unterstützung der FDP. Nur leider wurde offensichtlich ein Teil des Extremismus vergessen, nämlich der Linksextremismus.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Dazu wird heute der Innensenator antworten – auch von welcher Seite in Berlin das größte Gewaltpotential ausgeht. Ich bin auf die Antwort gespannt.

Wir müssen uns die Zumutung für die Berliner Polizei und alle Bürger vorstellen: Die PDS wirbt in Publikationen für Extremisten, für Autonome. Diese autonomen Gruppen dürfen die Infrastruktur der PDS nutzen, bekommen Büroräume, organisieren dort Krawalle – beispielsweise am 1. Mai. Dort werden dann Polizisten und friedliche Demonstranten verletzt. Diese Partei ist Teil der Regierung Berlins. Das ist unerträglich.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Gregor Gysi ist eine imposante politische Persönlichkeit. Das ist klar. Aber er kann nicht die gesamte PDS in allen Auswüchsen hinter sich verstecken. Dazu fehlt ihm der politische Tiefgang. Dies werden wir weiterhin aufzeigen.

[Zurufe von der PDS]

Wir fragen den Senat: Gibt es Regierungsmitglieder, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv bekämpft haben? Was sagt es über die Regierung aus, wenn SPD und PDS regieren und der Innensenator Teile seiner Regierungspartner überwacht? Welche Erkenntnisse hat der Innensenator über Kontakte der Berliner PDS zu extremistischen Organisationen?

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Wegner (CDU)]

Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat nun der Senator für Inneres das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Körting!

[Zuruf von der PDS: Jetzt decken Sie es auf!]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Große Anfrage der Fraktion der FDP wie folgt: Für die Feststellung, ob eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, gibt es aus der überragenden Bedeutung der Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung ein bestimmtes verfassungsrechtliches Verfahren, das sich aus Artikel 21 des Grundgesetzes ergibt. Insofern überrascht mich schon die Überschrift der Großen Anfrage der FDP, da offensichtlich die Zuständigkeit, die nach Artikel 21 des Grundgesetzes beim Bundesverfassungsgericht liegt, auf den Senat von Berlin verlagert werden soll.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS]

Diese Vorbemerkung ist mir auch wichtig, weil sie mein Grundverständnis von Politik und Verfassungswirklichkeit berührt. Parteien untereinander mögen sich im politischen Kampf die Verletzung der Verfassung vorwerfen; der Senat von Berlin als Exekutive darf nach meiner Einschätzung in diese parteipolitische Polemik nicht eingreifen, indem er den Parteien Verfassungswidrigkeit unterstellt. Das geht nur dann, wenn eine Landesregierung nach § 43 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz oder der Bundesrat nach § 43 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit stellt. Ein solcher Antrag des Bundesrats ist vor dem Bundesverfassungsgericht für die NPD gestellt worden. Für andere Parteien gibt es keinen solchen Antrag.

Die in der Großen Anfrage genannten verfassungsfeindlichen Ziele geben mir Anlass zu einer anderen Anmerkung: Was sind verfassungsfeindliche Ziele? Ist jede, auch radikalere Forderung einer politischen Partei schon deshalb verfassungsfeindlich, weil sie mit den geltenden Artikeln des Grundgesetzes nicht in Übereinstimmung steht? Ist ein Denken über den Wortlaut des Grundgesetzes hinaus nicht zulässig? – Wir alle wissen, dass das nicht der Fall ist. Die inzwischen 48 Gesetze zur Änderung des Grundgesetzes seit 1949 weisen nach, dass das Grundgesetz den Rahmen unserer Verfassung vorgegeben hat, aber nicht statisch im Sinne einer absoluten Festschreibung, sondern als fortzuentwickelnde Verfassung zu verstehen ist.

Lassen Sie mich zwei aktuelle Beispiele nennen: Die FDP hat gerade gefordert, dem Bund entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes die Kompetenzen für ein Bundesrahmenrecht für das Schulwesen zu geben. Diese Forderung widerspricht der im Grundgesetz vorgesehenen Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.

[Ritzmann (FDP): Stellen Sie doch einen Verbotsantrag!]

Sie könnte, Herr Kollege Ritzmann, sogar die in Artikel 79 Absatz 3 GG als unveränderbar bezeichneten Grundlagen der Verfassung berühren.

[Dr. Lindner (FDP): Ein Herumgeeiere! Beantworten Sie doch die Fragen!]

Die Gliederung des Bundes und der Länder und damit eine Eigenständigkeit der Länder gehört zu den unveränderbaren Grundprinzipien unseres Bundesstaates, und ein ganz wesentlicher Teil der Eigenständigkeit der Länder ist deren alleinige Zuständigkeit in Bildungsfragen. Die Wegnahme dieser Zuständigkeit [Dr. Lindner (FDP): Jetzt wird es albern, Herr Senator! Peinlich! Das ist Geschwätz! – Weitere Zurufe von der FDP]

durch eine Übernahme durch den Bund könnte Grundprinzipien berühren. Die Forderung ist zumindestens mit der geltenden Verfassungsrechtslage nicht zu vereinbaren. Verfolgt die FDP auf Bundesebene damit verfassungsfeindliche Ziele? –

[Dr. Lindner (FDP): Geschwätz! Das ist Ihrer nicht würdig! – Weitere Zurufe von der FDP]

Ich halte die dahinter stehende Grundauffassung, die mir bei der FDP-Forderung durchschimmert, letztlich zu einem zentralistischen Staat zu kommen – weil Sie auf Landesebene in einem Großteil der Parlamente nicht vertreten waren oder vertreten sind –, schon für eine Fragestellung, die sich an Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz zu messen hat, denn die Aufteilung des Bundes in Bundesländer gehört zu den unveränderlichen Prinzipien unserer Verfassungsordnung, und wer das unterlaufen will, könnte schon gefragt werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der FDP]