Protocol of the Session on January 29, 2004

Wir fragen uns, welche Grünanlagen Sie aufheben wollen.

[Dr. Lindner (FDP): Da kommt gar nichts von Ihnen!]

Wir werden uns auch noch im Ausschuss unterhalten. Sie werden uns dann genau erläutern, was Sie dort vorhaben und wie Sie das finanzieren wollen. – Wir wollen, dass die Grünanlagen erhalten bleiben. Gerade das Grün in der Innenstadt tut Not. Hier gibt es Defizite. Es wurde schon gesagt: Der Schwerpunkt soll auf wohnungsnahes Grün gelegt werden.

Es ist noch anzumerken, dass wir ein Grünanlagengesetz haben. Wir wollen keine zwei Grünanlagengesetze,

[Dr. Lindner (FDP): Sie sagen schon wieder, was Sie nicht wollen. Erzählen Sie als Regierungsfraktion doch mal, was Sie wollen!]

wir wollen auch nicht Grünanlagengesetze für Anlagen erster und zweiter Klasse. Wir wollen diese Anlagen erhalten, und wir wollen, dass nach neuen Finanzierungsmodellen gesucht wird, um die Qualität dieser Anlagen zu stärken. Ich bin schon sehr gespannt, was Sie uns im Ausschuss dazu zu sagen haben. – Danke!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin! – Nunmehr hat Frau Kubala das Wort. – Bitte schön, Frau Kubala!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es grünt so grün bei der FDP, und wie gern würden wir ihr zurufen: Ja, ja, jetzt hat sie’s! – Aber nein! Die richtigen Fragen sind gestellt, aber aus den Antworten wurden wieder einmal die falschen Schlüsse gezogen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Grünanlagenpflege komplett privatisieren und dann bei den Bürgern abkassieren – das ist das FDPPatentrezept, und die Mitarbeiter der Gartenämter bleiben bei der Privatisierung natürlich beim Land Berlin und bekommen ihr Geld nur noch fürs Däumchendrehen. Mit der zentralen Serviceagentur der FDP soll ein neuer bürokratischer Wasserkopf geschaffen werden, der sich mit den Bezirken dann wahrscheinlich in endlosen Koordinierungsrunden abspricht. Das verstehen wir nicht unter Entbürokratisierung.

[Czaja (CDU): Versteht hier niemand!]

Na, ich habe es dem Gesetz genau so entnommen!

Auch mit Ihrer Forderung nach Fremdvergabe und Ausschreibung im Grünflächenbereich – kleiner Hinweis: das steht in § 8 – holen Sie mittlerweile keinen Gärtner mehr hinter der Schubkarre hervor.

[Beifall bei den Grünen]

Dass Grünpflegeleistungen an Private vergeben werden, wenn diese bei gleicher Qualität günstiger sind, ist bereits Allgemeingut, nicht nur in meiner Fraktion, sondern auch in den Grünflächenämtern.

Das Biergartengesetz der FDP wurde zum Glück schon mit Erfolg im Ausschuss versenkt. Ich hoffe, das Grünanlagengesetz wird bald den gleichen Weg nehmen. Schnell gestrickt und mit schwacher Orts- und Fachkenntnis: Da bekommen die Jungfernheide und die Rehberge gesamtstädtische Bedeutung, aber bedeutende Anlagen wie zum Beispiel der Lustgarten, die Wuhlheide oder der Mauerpark fehlen im FDP-Gesetz ganz. Wir Grünen empfehlen der FDP, mal aus dem Auto zu steigen – und rein in die Grünanlagen, einen kleinen Spaziergang zu machen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die Probleme der Berliner Grünanlagen sind allseits bekannt. Die Situation ist in einigen Grünanlagen sehr desaströs. Das können wir beobachten, wenn der erste Sonnenstrahl die Berlinerinnen und Berliner in die Grünanlagen zieht. Der Park ist für viele Menschen in Berlin mittlerweile oft der einzige Ort für Erholung und Freizeit. Der Senat trägt seinen Teil dazu bei, dass der Nutzungsdruck auf die Grünanlagen kontinuierlich wächst. Wer im Tiergarten in der Lehrter Straße ein Schwimmbad schließt, das jeden Sommer von 80 000 Menschen besucht wird, wer in den Freibädern die Eintrittspreise über Münchener, Frankfurter und Düsseldorfer Preisniveau hebt, muss sich nicht wundern, wenn die anliegenden Grünanlagen so übernutzt werden, dass weder die Arbeit der Grünflächenämter noch die Natur selbst diese Übernutzung ausgleichen können.

[Beifall bei den Grünen]

Das Geld, das bei der Bäderschließung eingespart wird, muss das Land Berlin an anderer Stelle doppelt ausgeben. Gleichzeitig erhalten die Bezirke jedes Jahr weniger Geld für die Pflege und Unterhaltung der Grün

Frau Hinz

flächen. Faktisch sind dies nur noch ein Viertel der benötigten Mittel. Für diese schlechte Mittelausstattung trägt der Senat die Verantwortung. Es ist richtig, dass die Bezirke die vom Senat zugewiesenen Gelder fast zur Hälfte nicht mehr an die Grünpflege weitergeben. Aber Herr Strieder, woran liegt das denn? – Mein Kollege Goetze hat es hier schon gesagt: Wer den Bezirken im Sozialbereich die Mittel derart drastisch kürzt, muss sich nicht wundern, wenn für die Pflege der Grünanlagen in den Bezirken das Geld fehlt. Für die Berliner Familien heißt das im Ergebnis: Die Kindergärten werden teurer, und die Kinderspielplätze vergammeln. Gleichzeitig versenkt Senator Strieder mal nebenbei 300 000 € Planungskosten für einen neuen Park im Diplomatenviertel, der dann gar nicht gebaut wird. Am Brandenburger Tor wird für 1,3 Millionen € der Fahrbahnradius um einige Zentimeter verändert, aber für die Pflege des Tiergartens fehlt das Geld.

[Cramer (Grüne): Unglaublich!]

Das ist die prinzipienlose Sparpolitik dieser Koalition.

[Beifall bei den Grünen]

Ein weiteres Problem unserer Grünanlagen ist das Verhalten einiger Nutzerinnen und Nutzer. Hier, liebe Senatsvertreterinnen und -vertreter, darf ich Sie beruhigen: Daran sind Sie nicht allein schuld. Verschmutzung und Vandalismus in den Parks nehmen mit jedem Jahr zu. Für dieses Verhalten einzelner – ich möchte fast sagen, Wüten – tragen wir alle Verantwortung. Politik, Verwaltung, Polizei und auch die einzelnen Bürger haben viele Jahre zugesehen und zugelassen, dass Grünanlagen im wahrsten Sinne des Wortes misshandelt werden. Ich hoffe, dass wir dagegen zu einer gemeinsamen und erfolgreichen Anstrengung fähig sind. Es ist nicht eine einzelne Klientel, die der Mehrheit der Menschen den Grünanlagenbesuch verleidet. In diesem Fall kennt Rücksichtslosigkeit keine Grenzen: Deutsche und Nichtdeutsche, Hundebesitzer wie Ballspieler, Radler wie Autofahrer, Griller wie Picknicker – bei all diesen Personengruppen müssen wir zum Teil ein Verhalten feststellen, das die Aufenthaltsqualität in den Grünanlagen erheblich stört. Gerade als Grüne sage ich daher ganz klar ja zu mehr Kontrolle, ja zu weniger Nachsicht gegenüber rücksichtslosem Verhalten in den Grünanlagen.

[Beifall bei den Grünen]

Der nächste Sommer kommt bestimmt, daher sage ich der Koalition: Wachen Sie endlich aus dem Winterschlaf auf, und legen Sie uns tragfähige Konzeptionen zur Erhaltung unserer Grünanlagen vor. Die so genannte Neuordnungsagenda 2006, die uns der Senat heute angekündigt hat, ist lediglich eine Sammlung von Leerformeln: Benchmarking, Qualitätsmanagement, striktes Controlling – Leerlaufkosten. Die Kosten von so viel geistigem Leerlauf hätten wir in der Tat gern beziffert. In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage steht kein Wort zu den neuen Ordnungsämtern. Dabei gibt es einen parlamentarischen Beschluss, zum 1. April ein solches Konzept vorzulegen. Es ist an der Zeit, zumindest erste Zwischenergebnisse vorzulegen. Wir fordern den Senat auf,

nicht wieder auf den Sommer zu warten, sondern jetzt mit den Bezirken gemeinsam etwas für die nachhaltige Sicherung unserer Grünanlagen zu tun. Vielleicht sollte der Regierende Bürgermeister einmal seine Partykontakte sinnvoll nutzen. Investoren wissen schon lange, dass Grünanlagen ein Standortvorteil sind. Warum sollen sie nicht auch einen Teil zur Pflege der Grünanlage vor ihrer Haustüre beitragen – am Pariser Platz und auch anderswo?

[Beifall bei den Grünen]

Für besonders repräsentative Grünflächen und regierungsnahe Grünflächen muss der Bund mit in die Zahlungsverpflichtung genommen werden – das war in Bonn so und muss auch in Berlin so sein. Wenn die Bundespolitiker und -politikerinnen Fußball vor dem Reichstag spielen müssen, sollen sie für die verursachten Schäden auch zahlen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Der Bezirk Mitte darf nicht mit den Kosten allein gelassen werden. Wer Schäden in den Grünanlagen verursacht, soll auch für die Kosten der Instandsetzung aufkommen. Das gilt für die Veranstalter der Love Parade ebenso wie für den CSD und auch für die Bezirkspolitiker und -politikerinnen, die die bezirklichen Grünflächen gern für ihre Feste und Parteiveranstaltungen nutzen, aber die Grünflächenämter dann mit den Schäden im Regen stehen lassen.

Eintrittsgelder für den Tiergarten gibt es mit uns nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Was für einzelne Parks mit besonderem Angebot – wie z. B. dem Marzahner Garten oder Britzer Garten oder auch den Rosengarten – funktionieren kann, ist nicht auf öffentliche Anlagen übertragbar. Ich muss mich über diese plötzliche Liebe der FDP zur Grün-GmbH wundern. Ich kann sie mir eigentlich nicht erklären. Im Haushaltsausschuss hörte sich das durchaus anders an. Sicherlich ist das BuGa-Gelände in Britz besser gepflegt als der Tiergarten. Aber dafür stehen der Grün-Berlin auch sehr viel mehr Gelder zur Verfügung, das erwähnte mein Kollege Goetze bereits. Die Pflege des Platzes vor dem Reichstag hat die Grün-Berlin dankend abgelehnt, nachdem sie gehört hat, wie wenig Mittel für die Pflege dort zur Verfügung stehen. Der Tiergarten und seine Randbereiche brauchen eine Qualitätsverbesserung, da geben wir der FDP durchaus Recht. Wir schlagen dazu eine ganz simple Maßnahme vor, nämlich die Sperrung der JohnFoster-Dulles-Allee, gern auch Teile der Straße des 17. Juni für Privat-Pkw. Engagieren Sie sich mit uns gegen das illegale Parken entlang dieser Straßen, das hätte im Sommer nebenbei den positiven Effekt, dass der Transport größerer Grillgeräte und Grillgüter erheblich eingeschränkt wird. Last but not least: Es müssen Parkwächter in die Grünanlagen. Der Senat ist aufgefordert, endlich auch das entsprechende Personal aus dem Stellenpool zur Verfügung zu stellen.

[Beifall bei den Grünen]

Bei der FDP grünt es nur grün, wenn alles privatisiert ist. Wir wollen Grünanlagen, die für alle Berlinerinnen und Berliner offen sind, und in denen sich alle gut erholen können und in denen alle gerne ihre Freizeit verbringen.

[Beifall bei den Grünen – Ritzmann (FDP): Und Freibier für alle!]

Herr Kollege Dr. Lindner wünscht eine Kurzintervention und hat dazu das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

[Oh nein! von der PDS]

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Eine wirklich sehr typische Debatte neigt sich dem Ende. Frau Kubala! Das einzige Rezept, das die Grünen gerade wieder vorgestellt haben, war verbieten und einschränken: Autos raus, Parken einschränken, Grillen einschränken – das sind Ihre Rezepte.

[Doering (PDS): Ja, genau! – Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Wir haben den Vorschlag gemacht, einen Teil der Gärten mit Privaten bewirtschaften zu lassen. Um was geht es? – Es geht darum, Möglichkeiten auszuloten, ob nicht für Teile des Tiergartens – Rosengarten, BocciaBahn – Eintrittsgeld verlangt werden kann und aus den Gewinnen, die daraus gezogen werden können, der restliche Park bewirtschaftet und in Stand gehalten werden kann. Nichts anderes ist Zweck der Übung. Natürlich wird es vielleicht auch darum gehen, den einen oder anderen kleinen Garten abzuzäunen, Privaten zu übertragen, Eintrittsgeld zu kassieren, um den dann schön in Stand zu halten, um ihn dann auch sicher zu machen. Es erstaunt mich wirklich, dass der Stadtentwicklungssenator wenigstens so etwas wie Offenheit gegenüber diesen Vorschlägen gezeigt hat. Der Rest der Gesellschaft hat sich aber wieder in der typischen kleinkarierten und kleinmütigen Weise offenbart.

[Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Buchholz (SPD) und Wieland (Grüne)]

Wenn es mal um neue Vorschläge geht, dann kommen Sie mit Ihren Erbsenzählereien, ob man diesen Park oder jenen Park dazu nehmen soll, ob hier vielleicht noch ein Komma falsch gesetzt ist. Herr Buchholz und Frau Hinz, nichts als njet, njet, njet.

[Doering (PDS): Weil man zu so einem Schwachsinn nur Nein sagen kann!]

Das von einer Regierungskoalition ist mehr als erbärmlich, das kann ich Ihnen sagen. Sie sind konservativ von hier bis hier, Sie wollen nichts Neues, Sie wollen lieber auf den alten Sachen sitzen bleiben, die sollen lieber weitervergammeln, Hauptsache der Staat, Hauptsache die Bürokratie bleibt da, wo sie ist, am Drücker in Berlin. So werden Sie nicht weiterkommen, das kann ich Ihnen sagen!

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

Danke schön, Herr Kollege Lindner! – Frau Kubala, möchten Sie replizieren? – Dann haben Sie das Wort!