gen. Große internationale Hauptstädte haben solche Einnahmeformen. Aber Ihre Weltläufigkeit, Herr Kollege Lindner, war schon immer zu dick aufgetragen.
Die Grünen machen – wohlmeinend formuliert – einen Denkfehler. Die Logik des Urteils wie auch die des Gutachtens von Professor Färber zur Haushaltsnotlageklage sagt eindeutig, dass Einnahmeverbesserungen, die langfristig zu einem Primärüberschuss im Haushalt führen können, in erster Linie zum Abbau der Netto-Neuverschuldung einzusetzen sind. Das hören Sie möglicherweise nicht gerne. Aber da das Land Berlin dank Ihrer Bemühungen vor dem Landesverfassungsgericht dazu verurteilt wurde, genau so zu verfahren, fallen diese möglichen neuen Einnahmen – aus welchem Vorschlag der Grünen zur Finanzierung der von Ihnen geplanten Wohltaten oder zum Draufpacken, Frau Kollegin Klotz, sie auch immer resultieren könnten – einfach aus.
Die FDP hat zwei Gruppen im Auge, auf deren Schultern sie die Haushaltskrise ablasten will, nämlich den öffentlichen Dienst mit betriebsbedingten Kündigungen und weiterem Personalabbau in den Bereichen Sozial-, Behinderten- und Jugendhilfe. Ich habe mich gewundert, Kollege Lindner, dass Sie auf Ihren Vorschlag – den Sie mit dem Ihnen eigenen Karacho vorgetragen haben –, dort 400 Millionen € einzusparen, nicht zurückgekommen sind. Wenn man Klientelpolitik in dem Sinn betreibt, dass es nicht die eigenen Wähler treffen soll, dann wundert mich das nicht, denn im öffentlichen Dienst werden Sie nicht gewählt, und von den Armen dieser Stadt wollen Sie nicht gewählt werden.
Der Kollege Zimmer, den ich nach wie vor für einen den klügsten Politiker seiner Fraktion und ihren klügsten Haushälter halte, hat sich für die parteipolitische Loyalität und nicht für den unverstellten Blick auf die Misere der Stadt entschieden. Die CDU hat nichts anderes zu bieten als einen Nebelvorhang, hinter dem sie Platz genommen hat. FDP und Grüne fleddern das Urteil. Sie, Kollege Zimmer, verschanzen sich hinter ihm.
müssen Sie dieser Stadt auch im Hinblick auf Ihre Vergangenheit genauer erklären. „Herr Diepgen und Herr Antes, die haben was Verwandtes“ dichtete ein ehemaliger Fraktionsvorsitzender Ihrer Partei hier im Haus. Sie scheinen sich eine neue Verwandtschaft aussuchen zu wollen.
Alle Oppositionsparteien eint, dass sie die Interessen ihrer Klientel, die materiellen Bedürfnisse ihrer Klientelpolitik nicht mehr in den Verteilungsspielräumen, die der Haushalt zulässt, darstellen können. Deswegen eint Sie auch das Bedürfnis, nicht über das Sanierungsprogramm der Landesregierung diskutieren zu wollen. Wenn Sie darüber diskutieren würden, müssten Sie sagen, ob Sie weniger als 800 Millionen € im Personalbereich sparen
wollen oder vielleicht sogar mehr, ob Sie mehr als 350 Millionen € bei den Investitionen einsparen wollen oder nicht und ob Sie im Bereich der Sozial- und Transferausgaben 900 Millionen € im Licht des Urteils für angemessen halten oder nicht. Dazu schweigen Sie, dass es uns und der Stadt laut in den Ohren dröhnt. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns über das Thema der Aktuellen Stunde reden, das SPD und PDS heute beantragt haben. Herr Krüger, Sie wollten über die Landessteuer heute und hier so dringend sprechen. Deswegen tue ich das jetzt.
Ich fange mit dem Doppelhaushalt an. Mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts, mit dem Einsetzen der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ und mit der weihnachtlichen Erkenntnis von Finanzsenator Sarrazin, Berlin könne nicht mehr sparen, das Ende der Fahnenstange sei erreicht, sind wir an einem Wendepunkt, an dem die politischen Weichen Berlins neu gestellt werden. Das Gebot der Stunde ist nicht mehr, weiter, heller, größer, schöner zu sparen, sondern das Gebot der Stunde ist das Entwickeln praktikabler Vorschläge, um die Chancen Berlins als geographischen Mittelpunkt der erweiterten Europäischen Union, als Hauptstadt und Regierungssitz, als Stadt der Wissenschaft und Kultur mit aller Kraft zu nutzen.
Genau diesem Maßstab, Chancen und Risiken Berlins gleichermaßen im Blick zu haben, muss sich nicht nur die Enquetekommission stellen, sondern auch der Senat. Der veränderte Haushaltsentwurf, über den wir heute diskutieren, ist von diesem Ziel weit entfernt.
Wir bräuchten genau das Gegenteil: Wir müssten mit offenen Augen den intelligenten Weg nach vorne, nach zusätzlichen Entlastungen suchen, um damit zukunftsorientierte Schwerpunkte innerhalb des Haushalts zu bilden. Das hat der Haushaltsentwurf trotz weiterer Veränderungen in Höhe von 100 Millionen € und einer beschämend oberflächlichen Begründung nicht geleistet.
Angesichts dieser Einfallslosigkeit finde ich es ziemlich dreist, wie Sie versuchen, mit dem Thema Landessteuer zur gerechteren Lastenverteilung von Ihren eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.
Sie wollen nicht einmal über die Idee des Kollegen Eßer nachdenken, wie man ohne die Erhöhung der Kitagebühren, ohne die Abschaffung des Sozialtickets mehr Geld für Wissenschaft und Bildung in die Kassen holen kann. Es geht nämlich, anders als hier immer wieder suggeriert,
nicht um Zusätzliches. Er geht auch nicht um Patentlösungen für die Haushaltssanierung, sondern es geht um ein Stück mehr Gerechtigkeit. Der eigentliche Skandal ist, dass Sie von Rot-Rot nicht bemerken, welche soziale Schieflage und Gerechtigkeitslücke Sie erzeugen. Sie merken es nicht mal mehr. Das ist der Skandal.
Finden Sie es gerecht, dass Eltern kleiner Kinder drastisch höhere Kitagebühren zahlen müssen, die BVGTickets teurer werden, die Sozialkarte abgeschafft wird, während sich Volker Ratzmann, Harald Wolf, Herr Wowereit und Sabine Christiansen über die Steuerreform der Bundesregierung – die Wirkungen wurden erläutert – freuen dürfen, aber nicht von der Erhöhung der Kitagebühren betroffen sind, weil sie keine Kinder in den Kitas haben, und auch nicht von der Verteuerung der BVG, weil Sie damit nicht fahren? Finden Sie es sozial gerecht, dass sich Herr Ratzmann, Herr Wolf, Herr Wowereit und Frau Christiansen daran nicht beteiligen?
Was ist an dem Versuch unsittlich, Herr Liebich, die Lasten auf mehr Schultern verteilen zu wollen? Warum sollen denn nur Eltern, nur BVG-Benutzerinnen und -Benutzer und die Empfänger staatlicher Leistungen einen Beitrag leisten und nicht auch diejenigen, die in diesem Haus Berlin in einer Wohnung mit Dachterrasse und weitem Blick wohnen? Warum sollen sich diejenigen nicht beteiligen? Was ist an dieser Idee so, dass Sie hier in eine Aufregung verfallen, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann?
Deswegen ist es auch ehrenwert und verantwortungsbewusst, diese Idee vorurteilsfrei zu prüfen. Das sollten Sie auch tun, Herr Zackenfels, statt hier heute die Karnevalssaison einzuläuten. Ich erinnere Sie daran, dass eine Mehrheit in diesem Haus für die Einführung der Vermögensteuer war. Solange das nicht geht, muss man darüber nachdenken, welche eigenen Möglichkeiten Berlin hat. Vor diesem Hintergrund finde ich das Gekreische von SPD und PDS bigott.
Natürlich gibt es auch offene juristische Fragen. Das ist nun einmal so, wenn man Neuland betritt. Fest steht aber, Länder dürfen Steuern erheben, wenn der Bund von seinem Recht der Steuerfindung keinen Gebrauch macht. Ob eine Landessteuer oder eine Berlinabgabe ein Weg sein kann, wird ernsthaft zu prüfen sein. Nicht mehr zu prüfen ist allerdings, dass eine solche Landessteuer bei gleichzeitiger Rücknahme der Erhöhungen erfolgen muss. Finanzsenator Sarrazin darf davon keinen Cent bekommen, weil es in die Bildung und den sozialen Ausgleich gehört.
Diejenigen, die dieser Idee gegenüber positiv eingestellt sind, fragen uns allerdings: Wie wollen Sie denn verhindern, dass das nicht einfach im Haushaltsloch verschwindet? Der Sarrazin kassiert das doch alles ein und macht so weiter wie bisher. – Ich habe in den letzten Tagen viel über diesen Vorschlag geredet, viele Mails bekommen, eine Menge Kommunikation hat stattgefunden. Wir haben festgestellt, dass sich die Kritik nicht in erster Linie gegen diese Steuer richtet, sondern dass sie sich gegen den Senat richtet, der völlig verantwortungslos – so wird uns das gesagt – mit den öffentlichen Mitteln umgeht, und dass dem das Geld überlassen werden soll. Das ist eher das Problem, das die Leute damit haben. Insofern glaube ich, was die Zweckbindung betrifft, dass man ernsthaft reden muss, ob die juristisch machbar ist.
Herr Lindner, ich wollte es eigentlich sein lassen, aber Ihr Erinnerungsvermögen ist lückenhaft. Hier eine Überschrift aus dem „Tagesspiegel“: „FDP fordert eine Kommunalsteuer, Fraktion errechnet zusätzliche Einnahmen von 122 Millionen €.“ – Wissen Sie, was der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist? – Sie wollen die Steuer erheben, um die Unternehmen zu entlasten. Wir wollen über eine Steuer reden, um die Eltern und die sozial Schwachen zu entlasten. Das ist der Unterschied zwischen uns Grünen und der FDP. Dass es diesen Unterschied gibt, ist auch gut so, Herr Lindner!
Normalerweise sind Sie, Herr Sarrazin, für viele von uns der Schreck in der Morgenstunde. Umso erstaunter waren wir, als wir im Dezember von Ihnen gehört haben, das Fett sei weg, Berlin könne nicht mehr sparen. Letzten Sonntag legten Sie noch einen drauf und erklärten in einem Interview, eingedenk des Einnahmeverlusts durch den Abbau des Solidarpakts Ost werde sich die Phase der Haushaltskonsolidierung wohl über 2012 hinaus bis Ende des nächsten Jahrzehnts erstrecken. Willkommen im Klub der Realisten, Herr Finanzsenator Sarrazin, kann ich da nur sagen. Endlich sind Sie auch auf diesem Pfad.
Die Berlinerinnen und Berliner wissen sehr genau, worum es geht. Gefragt nach den größten Problemen der Stadt, antworten sie seit Monaten: 1. Vernachlässigung der Bildung, 2. hohe Arbeitslosigkeit, 3. die Wirtschafts- und Haushaltskrise dieser Stadt. Angesichts dieser Riesenprobleme ist es doch verrückt, Bundesgelder für eine verbesserte Kitabetreuung zu kassieren, die Vorschule in die Kita zu verlagern und dann Geld dafür von den Eltern abzukassieren. Für uns Grüne bleibt es dabei, das letzte Kitajahr muss kostenfrei werden, denn wir brauchen eine Stärkung in diesem vorschulischen Bereich, gerade auch um die Integration und die Sprachförderung zu verbessern.
Wie soll denn nach Ihren Vorstellungen die Schule im Jahr 2020 aussehen? Schaffen wir die Benotungen bis zur 8. Klasse ab? Schaffen wir das Sitzenbleiben vielleicht ab, wie es in Schweden der Fall ist? Wie fördern wir die
Begabten? – Wenn uns PISA eines gelehrt hat, dann ist es dies: Herausragende Leistungen, Spitzenleistungen gibt es nur, wenn auch die Schwachen in der Breite gefördert werden. Das ist kein Widerspruch, sondern bedingt sich gegenseitig. Auch deshalb ist das einseitige Setzen auf Eliteschulen oder Eliteuniversitäten falsch.
Auch in der Wissenschaft empfiehlt sich der Blick über die Grenzen. Wir bilden im internationalen Maßstab immer noch zu wenig Studenten aus. Gleichzeitig sind die vorhandenen Kapazitäten komplett überbelegt und unterfinanziert. Wir brauchen mehr Studienplätze und mehr Geld für die Unis. Die SPD fordert übrigens deshalb auf Bundesebene, die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung auf 3 % des Bruttoinlandsprodukts anzuheben und aus den öffentlichen Kassen 5 bis 10 Milliarden € zusätzlich bereitzustellen. Was macht zeitgleich der Berliner Ableger der Sozialdemokratie? – Der betätigt die Abrissbirne, und der PDS-Senator betätigt sich als willfähriger Lakai dieses Abbruchunternehmens.
[Beifall bei den Grünen – Liebich (PDS): Und zeitgleich kürzen Sie uns die Steuereinnahmen! Mit Ihrer Hilfe!]
Und was macht unser Finanzsenator? – Ich habe gehört, das Neueste aus seinem Haus ist schon oben auf der Pressetribüne verteilt worden. Er hielt gestern im Hauptausschuss einen seiner wunderbaren Folienvorträge, aber einen neuen, nämlich einen für die Zeit nach 2007. Er erklärte in diesem Vortrag 150 Millionen € für die allgemein bildenden Schulen, Herr Böger, zu politischen Mehrausgaben, die man dort noch holen könne. Er erklärte die Hochschulpolitik zur politisch bedingten Mehrausgabe, wo man noch einmal 450 Millionen € holen könne. Auch die Kultur ist mit 150 Millionen € dabei. Herr Sarrazin, das ist Harakiri, und Harakiri ist bekanntermaßen eine ehrenvolle Art des rituellen Selbstmordes. Die können wir in Berlin nicht gebrauchen, nein danke!
In einer Stadt mit einer Arbeitslosenquote von 17,4 % ist der zweite Arbeitsmarkt mittelfristig nicht verzichtbar. Viele soziale und kulturelle Angebote sind nur mit ihm möglich. Was aber ist die Realität? – Von derzeit 22 000 Beschäftigten werden im schlimmsten Fall im Dezember 17 500 nicht mehr existieren. Das entspräche ungefähr dem Weggang von Siemens aus Berlin. Topthema für Rot-Rot? – Fehlanzeige! Das Land Berlin hat im Jahr 2005 eine Entlastung von 350 Millionen €, und zwar nach der Verrechnung, Herr Sarrazin, mit der Steuer und mit dem Wohngeld. Ein Teil dieses Geldes muss für eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden.
Herr Senator Wolf – hören Sie einmal zu – sagte gestern: „Wir müssen politisch entscheiden, was von den Einspa
rungen 2005 für die Haushaltskonsolidierung und was für die Beschäftigung ausgegeben wird.“ Ja, das müssen Sie entscheiden, und Sie müssen es im Senat und gegen Herrn Sarrazin durchsetzen. Der hat nämlich gestern in seinem Folienvortrag den Betrag von 350 Millionen € gleich auf 150 Millionen € heruntergerechnet. Hoffentlich ist Herr Wolf durchsetzungsfähiger als der Kollege Flierl.
Der zweite Arbeitsmarkt kann nicht alles richten. Deshalb müssen wir investieren. Es ist nicht nachhaltig und nicht generationengerecht, öffentliche Gebäude verfallen zu lassen. Es ist auch keine Sparpolitik, eine kaputte Infrastruktur mit milliardenschweren Sanierungserfordernissen zu hinterlassen. Es ist verrückt, unvermeidbare Sanierungen aufzuschieben und Drittmittel verfallen zu lassen. Es ist beschäftigungs- und wirtschaftsfeindlich, die öffentlichen Investitionen um 350 Millionen € zu senken, wie es der Senat in seiner Finanzplanung vorsieht. Es ist unwirtschaftlich, die energetische Sanierung unserer Gebäude von der Verwaltung bis zu den Schwimmbädern zu unterlassen. Investieren, um Bewirtschaftungskosten zu sparen, um den Energieverbrauch zu senken und um Emissionen zu verhindern, das wäre das Gebot der Stunde.