Gut! – Also, auf zu neuen Ufern, mehr Verantwortung auch für den einzelnen Bürger durch Erwerb von Privateigentum an Wohnraum! Und dann lassen Sie uns die Bestände langsam herunterfahren – verantwortungsbewusst, Frau Oesterheld –, und dann lassen Sie uns fühlen, wo da die Grenze ist. Dann können wir für diese Stadt etwas Gutes tun.
Der Wohnungsmarkt eignet sich überhaupt nicht dazu, die Leute ständig in Angst und Schrecken zu versetzen. Gehen Sie damit ein bisschen verantwortungsbewusster um. – Danke schön!
Danke schön, Herr Kollege Niedergesäß! – Das Wort hat nunmehr Herr Nelken für die Fraktion der PDS. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich mit dem Thema der Berliner kommunalen Wohnungswirtschaft, ihren Problemen, Risiken und Chancen, beschäftigt, dann sollte man – zumal in einer öffentlichen Debatte wie dieser – mit einem gewissen Realismus und Augenmaß herangehen. Das sage ich insbesondere mit Bezug auf meinen Vorredner.
Denn wir reden hier nicht nur über eines der größten Vermögen dieser Stadt, sondern wir reden auch über einen großen Arbeit- und Auftraggeber in Berlin, und wir reden über das Zuhause von Hunderttausenden von Menschen und eine durchaus gefährliche Risikoansammlung
der öffentlichen Hand, mit der man nicht locker und unbedarft herumhantieren sollte, denn sie kann einem auch um die Ohren fliegen. Das sage ich in Richtung der Grünen.
Wenn wir uns bei der Besprechung des Problems Wohnungswirtschaft auf die Skandalisierung der Verschuldung einschießen, wie es zum Teil nicht nur von den Grünen, sondern auch von der CDU – allerdings nicht von Herrn Niedergesäß, sondern in einem Antrag – gemacht wurde, dann muss man feststellen: Sicher sind die Schulden gewaltig, aber wenn man über Schulden redet, muss man fragen, was den Schulden als Wert gegenübersteht. Dann muss man nach Einnahmeentwicklungen, Instandhaltungsdefiziten, bisherigen und perspektivischen Leerständen fragen. Erst wenn man alle diese Seiten zusammen befragt und zusammen betrachtet, kann man sich überlegen, wie man Schulden in diesem Komplex bewerten kann. Ich warne davor, zu vorschnell zu skandalisieren. Allerdings haben wir ein Problem, und das lässt sich nicht wegreden. Wenn man über die Probleme redet, muss man auch darüber reden, wie sie entstanden sind, allerdings nicht so wie Herr Niedergesäß. Ich will jetzt nicht über Phantasien, Boomtown, Besoffenheit Anfang der neunziger Jahre reden. Träume und Illusionen richten nur mittleren Schaden an. Sie gehen vorüber. Viel entscheidender sind politischer Voluntarismus und immobilienwirtschaftlicher Unverstand von verantwortlichen Politikern und verantwortlichen Managern, denn dieses Problem ist langlebiger und gefährlicher für die Berliner Wohnungswirtschaft.
Der massive Kapitalentzug aus den Wohnungsbaugesellschaften war keine Geheimaktion. Vermögensaktivierung nannte sich das Unternehmen der In-sich-Verkäufe. Vorhin wurde schon eine Zahl genannt, was den Wohnungsbaugesellschaften in den neunziger Jahren an Substanz entzogen wurde. Dieses Kapital ist nicht in die Haushaltskonsolidierung eingegangen, sondern hat der Verlängerung der Haushaltsmisswirtschaft der großen Koalition gedient. Es war eine berlintypische, indirekte und verdeckte Kreditaufnahme bei den Wohnungsbaugesellschaften und letztlich bei sich selber. Es war ein Griff in das Kreditportfolio der Wohnungsbaugesellschaften. Alle Vorredner waren sich im Prinzip darüber einig, dass so eine Art von Politik, die willkürliche Eingriffe vornimmt und immobilienwirtschaftliche Vernunft missachtet, nicht weitergehen kann. Verordneter Grundstückserwerb, aufgedrängte Grundstücks- und Projektentwicklungen, unwirtschaftlich geförderter Wohnungsbau – das waren alles Ursachen dafür, dass die Wohnungsbaugesellschaften heute Probleme haben. Die waren entscheidender als Fehleinschätzungen der Entwicklung des Berliner Wohnungsmarktes. Diese Entwicklungen waren nicht par ordre du mufti möglich, sondern die enge personelle Verflechtung der Berliner Politik mit dem Management der Wohnungsbaugesellschaften war Schmierstoff für diese Entwicklung. Herr Lindner, wenn Sie einmal in sich gehen und an Ihre Parteigeschichte und die Akteure denken, werden Sie feststellen, auch FDP-Politiker sind irgend
Ich sage es Ihnen anschließend persönlich! – Dass bei so viel Gezerre jenseits wirtschaftlicher Vernunft auch die innerbetriebliche Effizienz auf der Strecke geblieben ist, kann nicht verwunderlich sein. Es war auch nicht hilfreich, dass zwei Senatsverwaltungen für die Aufsicht der landeseigenen Gesellschaften zuständig waren und noch sind. Die Teilung in Fachaufsicht und Beteiligungsmanagement und das separierte Agieren waren Ausdruck und Konsequenz des Fehlens einer Strategie des Eigentümers, des Landes Berlin.
Brauchen wir überhaupt landeseigene Wohnungen? wurde hier gefragt. Hier wurde immer darauf abgezielt – das unterstreiche ich –, dass es auch aus sozialer Verantwortung geschieht, um Wohnungsangebote sicherzustellen. Das ist jetzt bezweifelt worden. Da wurde auch gefragt, ob man sie nicht anders sicherstellen kann. Da ist schon über die Kosten einer andersartigen Sicherstellung gesprochen worden. Aber die Versorgung mit Wohnraum ist nicht der einzige Punkt. Die Einflussnahme auf die Entwicklung des Wohnungsmarktes ist ein anderer wichtiger Punkt, damit man nicht administrativ, sondern wirtschaftlich in die Wohnungsmarktentwicklung eingreifen kann. Ein dritter Punkt ist die Einflussnahme auf die soziale Stadtentwicklung, und wieder nicht mit ordnungspolitischen Maßnahmen, sondern auch mit wohnungswirtschaftlichen Instrumentarien.
Das sind drei gewichtige Gründe, warum man einen bestimmten Anteil an öffentlichen Wohnungen haben sollte. Über die Frage, wie viele das sein müssen, kann man streiten. Ich möchte mich an diesem Streit nicht beteiligen. Ich kann mich mit den Positionen, die sowohl von Herrn Strieder als auch von den Grünen vertreten werden, anfreunden. Man kann mit solchen Zahlen handeln. Das würde jetzt aber zu weit gehen. Sicher ändern diese sich auch, je nachdem, wie die Wohnungssituation ist. Es kommt zwar hier nicht nur auf die Zahlen an, sondern auch auf die Verteilung der Bestände auf das Stadtgebiet und auf die qualitative Struktur dieser Wohnungsbestände. Um es klar auszudrücken: Eine Ghettoisierung von ärmeren Mitbürgern in Beständen kommunaler Wohnungsbaugesellschaften an der Peripherie, und zwar egal, ob im Westen oder im Osten, wäre völlig kontraproduktiv, weil die Stadtentwicklung und die entsprechenden Folgekosten für das Gemeinwesen immens groß wären. Die Berliner Wohnungsbaugesellschaften brauchen also differenzierte Bestände in einer sinnvollen territorialen Streuung.
Noch eines, werte Kollege von der CDU und der FDP: Zur erforderlichen Neubestimmung der Strategie gehört auch ein elementarer Grundsatz. Dieser lautet, dass die soziale Aufgabenstellung der öffentlichen Wohnungswirtschaft und wohnungswirtschaftliche Rentabilität eine
Einheit bilden. Sie sind keine Antagonismen wie z. B. auch vom Gutachter Ernst & Young unterstellt wird. Denn ohne eine soziale Aufgabenstellung brauchen wir keine städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Und ohne wohnungswirtschaftliche Rentabilität können wir sie uns nicht leisten. Hier besteht also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen sozialer Aufgabenstellung und wohnungswirtschaftlicher Rentabilität.
Für eine konsistente Unternehmensstrategie müssen – das haben wir hier schon besprochen – bestimmte Erscheinungen der Vergangenheit des politischen Voluntarismus aufhören. Ich glaube aber auch, dass die Vereinheitlichung des Kennziffernregimes, der Benchmarks und ein einheitliches Controllingsystem zwar die Voraussetzungen, aber noch nicht die Lösungen sind.
Herr Nelken, Sie haben eben Ernst & Young zitiert. Haben Sie dann auch gelesen, dass sie fordern, dass die städtischen Bestände weiter abgesenkt werden sollen?
Dass die städtischen Wohnungsbestände abgesenkt werden sollen, ist hier völlig unstrittig. Wir haben darüber gerade gesprochen, dass wir städtische Bestände verkaufen müssen, unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch zur Stabilisierung der Wohnungsbaugesellschaften. Wenn ich sie aber ganz verkaufen würde, wie Sie es wollen, dann brauchte ich dieses Instrument gar nicht. Gerade die Ernst-&-YoungDarstellung basiert darauf, dass der Wohnungseigentümer, das Land Berlin, eine Strategie formuliert, die davon ausgeht, dass wir auf Dauer städtische Bestände haben.
Zurück zu meiner Rede: Eine zentrale Steuerungseinheit ist sicher sinnvoll und gut, sie ist aber nicht die Lösung des Problems, sondern bestenfalls dessen Voraussetzung. Ich will nicht darüber diskutieren, wo sie angesiedelt sein muss. Entscheidend ist aber, dass eine Steuerung nicht administrativ, sondern mit wirtschaftlichen Kennziffern erfolgt, dass man also Politik in Ökonomie umsetzen muss, sonst ist man im Prinzip im gleichen Dilemma, in dem man schon gewesen ist. Ich unterstreiche auch, dass
eine Konzentration auf das Kerngeschäft notwendig ist. Ich will darauf nicht weiter eingehen. Die Zeit ist gleich zu Ende. Ich sage nur: Herr Strieder hat heute in der Spontanen Fragestunde einen kleinen Schlenker gemacht und gesagt, manche Immobiliengrundstücke sollte man vielleicht auch entwickeln. Wenn man Immobiliengrundstücke, die die Gesellschaften haben, verkaufen kann, dann soll man sie verkaufen. Wenn man sie nicht verkaufen kann, dann soll man sie selber nicht entwickeln. Denn was offensichtlich für einen privaten Entwickler zu risikoreich ist, wird die städtische Wohnungsbaugesellschaft nicht besser entwickeln. Dann sollte man sagen, von solchen Risikogeschäften muss man die Finger lassen.
Es wird über den Verkauf einer ganzen Gesellschaft diskutiert. Dazu will ich noch eine Bemerkung machen. Wenn wir sagen, dass der Verkauf von städtischen Beständen u. a. zur Liquiditätssicherung notwendig ist, dann sagen wir auch, dass der Verkauf einer ganzen Gesellschaft unbedingt zu verbinden ist mit der Sanierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Man kann sie daraus nicht herauslösen. Das heißt, wenn wir den Verkauf von Beständen zur Liquiditätssicherung der Zukunft der übrigen Bestände brauchen, dann muss dieses auch für den Verkauf einer Gesellschaft gelten. Um es ganz klar auszusprechen: Wir können den Erlös eines solchen Verkaufs, wenn er denn jemals zustande kommt, nicht einfach in das Haushaltsloch stecken, da ist klar, dass das ein Beitrag werden muss zur Stabilisierung der verbleibenden Wohnungsbaugesellschaften. – Dann gibt es noch viele andere Probleme, die ich jetzt leider nicht ausführen kann. Ich sage nur, der Grundsatz muss bleiben: Nur im Kontext einer Gesamtkonsolidierungsstrategie ist der Verkauf einer Gesellschaft sinnvoll. – Danke!
Danke schön, Herr Dr. Nelken! – Nunmehr hat für die Fraktion der FPD Herr von Lüdeke das Wort. – Bitte schön, Herr von Lüdeke, Sie sind dran!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Grünen zu den Perspektiven für die städtischen Wohnungen ist auf den ersten Blick erstaunlich, denn sie verrät ein gewisses Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge.
Sie ist einerseits sachverständig und pragmatisch, andererseits von wohnungsbaupolitischer Ideologie und Wunschdenken geprägt. Das bessere Dreiviertel – das ist
ja ganz erstaunlich – der Anfrage zielt jedenfalls auf die richtigen Kernfragen ab, die auch uns interessieren.
Das ist erstens: Wie hoch ist die Verschuldung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften tatsächlich? Zweitens: Welche haushaltsmäßigen Risiken kommen insoweit auf das Land zu? Und drittens: Welche Maßnahmen sind erforderlich, um von den Bürgern dieser Stadt einen weiteren Supergau vom Schlage Bankgesellschaft abzuwenden?
Die Lage ist katastrophal. Der Schuldenstand der landeseigenen Wohnungsunternehmen liegt mittlerweile bei 12 Milliarden €. Der Spitzenreiter ist die Stadt und Land mit 2,6 Milliarden €, das Schlusslicht bildet die GESOBAU mit etwa 1 Milliarde €. Tatsache ist ferner, dass die Wohnungsbaugesellschaften zum Zeitpunkt der Wende im erheblichen Maße wirtschaftlich vorbelastet waren, im Westteil der Stadt durch hochsubventionierte und zum Teil nicht marktfähige Wohnungsbestände. Nach der Vereinigung wurden auf politischen Druck hin – ich sage ausdrücklich auf politischen Druck hin – im Ostteil total verrottete und nicht marktfähige Wohnungsbestände saniert – von wegen Boomtown, Herr Nelken, das waren Ihre verrotteten Plattenbauten, die hier saniert wurden.