Protocol of the Session on December 11, 2003

Antrag der Grünen

Dringliche Beschlussempfehlungen

Abschluss von Hochschulverträgen gemäß Artikel II § 1 Abs. 1 und 4 des Haushaltsstrukturgesetzes 1997

Beschlussempfehlungen WissForsch und Haupt Drs 15/2350 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2085

Dringliche Beschlussempfehlungen

Hochschulen mit Zukunft (1) – Berlin braucht mindestens 85 000 Studienplätze

Beschlussempfehlungen WissForsch und Haupt Drs 15/2351 Antrag der FDP Drs 15/1605

lfd. Nr. 14:

Beschlussempfehlung

Zukunft Wissenschaft II – Hochschulvertragsverhandlungen nutzen, um drohenden Lehrer/-innenmangel abzuwenden

Beschlussempfehlung WissForsch Drs 15/2252 Antrag der Grünen Drs 15/1752

lfd. Nr. 33:

Antrag

Strukturplanung der Universitäten

Antrag der FDP Drs 15/2301

lfd. Nr. 44:

Antrag

Entlastungsmöglichkeiten der Hochschulen im Verwaltungsbereich schaffen

Antrag der Grünen Drs 15/2324

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Es wird die namentliche Abstimmung gewünscht. Im Ältestenrat haben wir uns auf eine Redezeit von bis zu zwanzig Minuten pro Fraktion bei freier Aufteilung auf die Redebeiträge verständigt. Auch der Senat möge sich, bitte, an diese Vorgabe halten. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch.

Dann rufe ich auf die Wortmeldungen in der ersten Rederunde. Es spricht Frau Paus von der Fraktion der Grünen. – Bitte schön, Frau Paus, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Knallige“ Zugangsbeschränkungen auf 92 % aller Studiengänge, Immatrikulationschaos an den Universitäten und dann die Erkenntnis für die glücklich Durchgekommenen: Obwohl man einen der heiß begehrten NC-Studienplätze ergattert hat, muss man nun mit miserablen Studienbedingungen kämpfen. – Das war der desillusionierende Einstieg von 16 600 Studienanfängern im Wintersemester 2003/2004. Und dann müssen sie vernehmen: Das war noch nicht der Tiefpunkt. Nein, es geht noch schlechter! Der SPD-PDS-Senat verlangt weitere Kürzungen. Weitere 75 Millionen € sollen von 2006 bis 2009 eingespart werden. – Das macht wütend. Das treibt die Studierenden zu Recht auf die Straße.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und weil nach zehn Jahren des Einsparens und Kürzens bereits 44 % der Professuren und jeweils 33 % der Stellen in den anderen Bereichen an den drei großen Universitäten weggefallen sind, hat sich die „Methode Rasenmäher“ erschöpft. Jetzt geht es an ganze Studiengänge und Institute und sogar an die Auflösung ganzer Fakultä

Herr Flemming, Sie werden wahrscheinlich gleich wieder Ihr Spielchen mit den statistischen Vergleichen spielen.

Für mich sind zwei Zahlen entscheidend, die deutlich machen, dass Studierende keine Last sind, sondern das Gegenteil, und dass die von Ihnen geplanten Einschnitte bei den Universitäten, die heute beschlossen werden sollen, nicht nur bildungspolitisch, sondern eben auch volkswirtschaftlich und finanzpolitisch falsch sind.

Das ist zum einen die Zahl 64, oder besser: 64 %. Jeder Euro, den Berlin für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung ausgibt, refinanziert sich zu 64 % direkt für den Berliner Landeshaushalt. Die zweite Zahl, Herr Flemming, die mir wichtig ist, ist eine 4. Jeder Euro, den Berlin für seine Wissenschaftslandschaft ausgibt, schafft fast 4 € regionale Nachfrage. Studierende sind darüber hinaus von ungeheurer Bedeutung für die Stadt – nicht nur, weil sie Berlin zu einer überproportional jungen Stadt machen und damit die Attraktivität der Stadt steigern und den Tourismus befördern, Studierende sind der zentrale Funken, der die international anerkannte und einzigartige Kreativszene zündet – angefangen von der Kneipen- und Clubszene, der Musikszene, über die Medien- und Filmwirtschaft, Kultur bis hin zu den Beratungsgesellschaften, die sich in Berlin wegen der Lebensqualität ansiedeln. Berlin braucht nicht weniger, sondern Berlin braucht mehr Studentinnen und Studenten.

ten wie der landwirtschaftlich-gärtnerischen, wenn es nach dem Wunsch so manches Universitätspräsidenten geht. – Das ist Irrsinn. Diese Pläne dürfen nicht realisiert werden.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Denn das würde für Tausende Studierende bedeuten, dass sie sich von der überfälligen Reform der Lehre, von der besseren Studierbarkeit von Studiengängen durch Modularisierungen, von der anstehenden Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master nicht profitieren werden, weil ihr Studiengang oder ihre Fakultät gerade abgewickelt wird. Und das würde bedeuten, dass Zehntausende noch mehr Schwierigkeiten haben werden als bisher, ihr Studium ordnungsgemäß zu beenden. Denn hatten Studierende bisher in vielen Studiengängen bei der Organisation ihrer Examensprüfungstermine nur mit der immer noch verbreiteten Koordinationsunlust von Professoren zu kämpfen, stehen sie jetzt bei schließenden Studiengängen vor dem Problem, überhaupt noch geprüft werden zu können.

Aber dafür sollen die Studentinnen und Studenten dann ab 2005 nach dem Willen des Senats als Dankeschön auch noch Langzeitstudiengebühren bezahlen, Studienkonten genannt, 10 Millionen € insgesamt. Und diese sollen nicht den Universitäten, sondern dem Landeshaushalt zufließen. – Kein Wunder, dass die Studierenden täglich unterwegs sind. Sie haben Recht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Und die Studierenden treffen dort auf Berlinerinnen und Berliner, die mit überwältigender Mehrheit, mit über 80 %, ihren Protest begrüßen. 80 % – das ist ein klares Signal an den Senat aus SPD und PDS. Herr Wowereit! Herr Sarrazin! Herr Flierl! Anders als Sie haben die Berlinerinnen und Berliner verstanden: Wer heute Studienplätze streicht, klaut Berlin die Zukunft.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es geht um die Grundsatzfrage: Sind die 140 000 eingeschriebenen Studentinnen und Studenten in Berlin eine Last oder ein Reichtum – eines der wichtigsten Assets, die die Stadt hat und die entscheidend dafür sind, dass diese Stadt finanziell und ökonomisch wieder auf die Füße kommt? Die SPD hat sich in dieser Frage klar entschieden: Herr Sarrazin z. B. lässt bei der Beantwortung dieser Frage an Deutlichkeit nichts vermissen, wenn er sich im „Handelsblatt“ darüber auslässt, dass die juristischen Fakultäten in Berlin nur mittelmäßige Juristen ausbildeten, die hinterher die Heerschar der überflüssigen Rechtsanwälte weiter ansteigen ließ. Oder Herr Flemming – wenn Sie uns immer wieder vorlesen, dass Berlin viel mehr Studierende pro Einwohner hat als andere Länder und Sie deswegen die PDS-Idee eines Hochschulländerfinanzausgleichs begrüßen, da dies dann endlich dazu führt, dass die anderen Bundesländer ihre Studienplatzangebote ausweiten und Berlin dann keine Studierenden mehr aus anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder

Bayern anlockt, dann sagen auch Sie klar, Herr Flemming: Die Studierenden sind für Sie eine Last!

[Beifall bei den Grünen – Dr. Flemming (SPD): Ganz im Gegenteil!]

[Brauer (PDS): Das machen Sie gerade mit Ihren merkwürdigen Zahlen!]

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Und noch ein Wort zur SPD: Ich verstehe ja, dass Sie – weil Sie in den 90er Jahren die Milliardenschulden, unter denen wir jetzt zusammenbrechen, mitproduziert haben, immer unter der Überschrift „Berlin bereitet sich auf goldene Zeiten vor“ – deutlich machen wollen: Wir haben verstanden, wir wetten nicht mehr auf die Zukunft. Das kann man natürlich dann am Besten darstellen, wenn man das genaue Gegenteil tut. Ich kann das emotional, politisch und taktisch verstehen. Das Fatale ist nur: Das hilft vielleicht der SPD, aber es hilft eben nicht der Stadt Berlin.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir schlagen Ihnen vor: Nehmen Sie die Kürzungen um 75 Millionen € zurück, damit 85 000 ausfinanzierte Studienplätze gehalten werden können. Damit verpflichten wir uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Vorschläge zur Umfinanzierung im Haushalt zu machen. Wir schlagen des Weiteren vor, dass Senat und Unileitungen endlich beginnen, gemeinsam intensiv daran zu arbeiten, wie Effizienzreserven durch eine Verwaltungsreform in

Als Studierende der drei großen Berliner Universitäten wenden wir uns heute auf einem neuen Weg an Sie. In den letzten Wochen haben wir Berlin mit vielfältigen kreativen und vor allem gut besuchten Aktionen in Atem gehalten. Heute haben Sie die Chance, sich mit unseren Forderungen auseinander zu setzen, ohne dabei Gast in Ihrem eigenen Büro zu sein. Die heute zu beschließenden Hochschulverträge sind für die Berliner Studierenden ein Grund, den Lehrbetrieb dauerhaft zu unterbrechen und auf die Straße zu gehen.

Es wird in der aktuellen Debatte davon ausgegangen, dass die Einsparungen mit bloßen Synergieeffekten und Strukturveränderungen ausgeglichen werden können, gleichzeitig wird behauptet, dass damit 85 000 Studienplätze ausfinanziert werden. Wir halten dies für eine Selbsttäuschung, wenn nicht sogar für eine Lüge. Die über 75 Millionen € geplante Plafondabsenkung und die einmalige Kürzung von 54 Millionen € bedeuten nicht nur für zigtausende Studienplätze das endgültige Aus, sondern auch die komplette Schließung ganzer Studiengänge und Fakultäten. Diese Politik der Ignoranz wird dem Land Berlin irreparable Schäden zufügen und dabei ein studierendenfeindliches Image und eine Abwanderung junger Menschen zur Folge haben.

(D Berlin hat ein ungeheures Potential an Wissenschaft, Forschung und Lehre. Wir wollen, dass sich Berlins politische Entscheidungsträgerinnen und -träger wieder dieser Stärken bewusst werden und dieses Potential nutzen, anstatt es zu zerstören. Wir halten es dabei für eine Selbstverständlichkeit, dass die Studierenden in die Entscheidungsprozesse über die Zukunft der Hochschulen und deren Finanzierung mit einbezogen werden.

den Hochschulen, Synergien bei den zentralen Hochschuleinrichtungen sowie beim Flächen- und Gebäudemanagement dafür genutzt werden können, dass mittelfristig – also ab 2010 – wieder 100 000 Studienplätze in Berlin ausfinanziert werden können.