Protocol of the Session on December 11, 2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir vorgenommen, die allseits bekannten Zahlen über den Flughafen Tempelhof heute Abend nicht mehr vorzutragen.

[Gaebler (SPD): Schade!]

Sie wissen alle, dass die Schließung strittig ist und dass die Verluste, mit denen immer wieder argumentiert wird – so auch Senator Strieder heute in der Fragestunde, als er plötzlich die Verluste noch etwas spektakulärer nach oben korrigierte, um uns klar zu machen, um was für eine Ruine es sich handelt. Er hat uns allerdings vorenthalten, dass die dort entstehenden Verluste aufgeblasen worden sind auf Grund von Rückstellungen, die man vorsichtshalber bildet für die Schäden, die bei der Schließung entstehen können.

Also keine Zahlen, dafür aber der bekannte Hamburger Architekt von Gerkan, das ist der Erbauer des Flughafens Tegel und des neuen Lehrter Bahnhofs. Dieser hat kürzlich über den Flughafen Tempelhof gesagt:

Es gibt nur ein Flughafengebäude in Deutschland, ja in Europa, das vollständig und so konsequent auf seine eigentliche Funktion ausgerichtet wurde und heute noch ausgerichtet ist.

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Und was soll uns das sagen?]

Wenn sich ein angesehener Architekt in dieser Art und Weise über die Funktionalität eines Gebäudes auslässt, muss diese Meinung ernst genommen werden. Man kann dann nicht behaupten, die Schließung des Flughafens Tempelhof würde Kosten sparen. Vielmehr ist eher zu vermuten, dass Missmanagement am Werk ist und dass die Schließung des Flughafens erst recht zu Verlusten führen wird. Schließlich ist der Flughafen Tempelhof keine beliebig verwendbare Mehrzweckeinrichtung.

[Doering (PDS): Schade eigentlich!]

Ich bin ganz sicher, dass die Schließung des Flughafens scheitern wird, und zwar aus Kostengründen, aus betrieblichen und aus rechtlichen Gründen.

[Doering (PDS): Ich denke, Sie sind gegen Parallelverkehre!]

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Wegner (CDU)]

Was kann und soll auf dem Tempelhofer Feld eigentlich den Flughafen ersetzen? – Etwa die von Herrn Strieder geplanten Grünflächen?

[Doering (PDS): Schon mal etwas von Frischluftschneisen gehört?]

Berlin hat heute bereits erhebliche Probleme mit seinen Grünflächen, die mangels Geld immer mehr verwahrlosen. Oder sollen etwa die in Senator Strieders Flächennutzungsplan vorgesehenen Büro- und Wohnnutzungen realisiert werden, trotz der vom Hause Strieder für die Berliner Innenstadt prognostizierten Bevölkerungsabnahme?

[Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Die Innenstadt hat an allen Ecken und Enden riesige Flächenreserven aufzuweisen. Das Zentrum gleicht städtebaulich und nutzungsstrukturell immer noch einem Schweizer Käse. Nebenbei sollen dann auch noch ganze Baufelder in derartigen Größenordnungen dazu kommen. Die Schließung des Flughafens Tempelhof ist sachlich überhaupt nicht zu begründen, sie ist irrational und standortpolitisch geradezu verheerend. Sie signalisiert der Umwelt: Berlin macht dicht! Aus der Perspektive des Regierenden Bürgermeisters mag sich die Sache anders darstellen, denn schließlich ist Tempelhof seine politische Wahlheimat. Ich sage Ihnen: Der Flughafen Tempelhof wird bleiben.

[Beifall bei der FDP – Brauer (PDS): Nö!]

Ihnen von der SPD und der PDS rate ich: Nehmen Sie Abstand von Ihrem Schließungsvorhaben. – Besten Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr von Lüdeke. – Der Herr Kollege Dr. Felgentreu von der SPD hat das Wort – bitte schön! Und noch einmal der Appell

Vizepräsident Dr. Stölzl

Aus all diesen Gründen, Herr Lindner, sind wir der Meinung, dass Tempelhof stillgelegt werden muss. Ich kündige Ihnen deshalb schon an, dass wir einer Ihrer Forderungen nachkommen und uns von unseren Schließungsplänen rechtzeitig verabschieden werden, nämlich dann, wenn Tempelhof geschlossen ist. – Vielen Dank!

Danke schön! – Es folgt die CDU. Der Kollege Kaczmarek hat das Wort – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns zum wiederholten Mal mit dem Thema Flughafen Tempelhof. Zu der Frage der Kosten der Schließung von Tempelhof wurde mehrfach gesagt, das könne man einfach ablehnen und man müsse sich damit nicht intensiv auseinander setzen. Meine Damen und Herren, wenn Sie den Flughafen schließen wollen – was offensichtlich Ihr Ziel ist –, dann sollten Sie sich mit dieser Frage auseinander setzen. Mich wundert die Leichtfertigkeit, mit der man über dieses Thema hinweggeht und sagt, das werde sich schon irgendwie regeln. Das Gebäude – da haben Sie Recht, Herr Dr. Felgentreu – löst sich nicht in Luft auf. Das ist genauso da wie das Gelände. Und das alles muss unterhalten und finanziert werden. Dafür fehlt dem Senat jegliches Konzept und jede Vorstellung.

zur Disziplin und zum Zuhören, auch wenn der Tag fortgeschritten ist – bitte, in allen Fraktionen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Ihr Zitat vom Architekten Gerkan lässt sich noch überbieten durch eines von Herrn Foster, der gesagt hat, Tempelhof sei die Mutter aller Flughäfen. – Ich glaube, mit Architektenzitaten ist hier vieles machbar. Wir wollen den Flughafen nicht abreißen, Herr von Lüdeke, wir wollen ihn nur stilllegen. Das ist ein kleiner Unterschied.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Doering (PDS): Den begreift er aber nicht!]

Ich komme zu Ihren Anträgen. Ich bin ausgesprochen dankbar für Ihren zweiten Antrag, weil dieser ein bisschen mehr Tacheles redet als der erste, der nur nach fadenscheinigen Argumenten sucht, um von hinten durch die Brust ins Auge darauf hinaus zu wollen, dass man es bei der FDP vorzieht, den Flughafen Tempelhof zu erhalten.

[Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Ich finde, das ist eine legitime politische Forderung, die dürfen Sie stellen. Wir sind anderer Auffassung, aber darüber kann man sich auseinandersetzen. Der Antrag als solcher kann schnell, so wie es der Hauptausschuss empfohlen hat, abgelehnt werden.

Sie werden in Ihrem zweiten Antrag klarer und fordern, der Berliner Senat solle auf die Flughafengesellschaft einwirken und so erreichen, dass der Schließungsantrag zurückgezogen wird. Sie begründen das mit einem Argument, das ich nicht nachvollziehen kann. Sie sagen, wir sollen über die luftverkehrs- und planungsrechtliche Stilllegung erst entscheiden, wenn es eine Bedarfsermittlung für Schönefeld gibt. Herr von Lüdeke! Sie wissen, dass es gar nicht um die planungsrechtliche Stilllegung geht. Es geht um die Entbindung von der Betriebspflicht. Als Bedarfsreserve soll der Flughafen durchaus so lange Bestand haben, wie wir nicht wissen, ob wir mit Schönefeld und Tegel – und letztlich nur mit BBI – in der Lage sind, den Bedarf zu erfüllen. Sie wissen auch, dass wir im Spitzenjahr der Berliner Flughäfen, im Jahr 2000, 13,3 Millionen Passagiere in Berlin hatten. Allein die Kapazitäten von Tegel und Schönefeld liegt bei 16,1 Millionen Passagieren. Sie werden erkennen müssen, dass Tempelhof nicht mehr notwendig ist.

Die SPD-Fraktion unterstützt den Schließungsantrag der Flughafengesellschaft. Ich sage Ihnen gern noch einmal, weshalb wir glauben, dass es richtig ist, Tempelhof stillzulegen: Wir wollen diese Flächenreserve für die Innenstadt erschließen, wir wollen eine Gefahr für die Menschen in der Innenstadt endgültig aus dem Weg schaffen, wir wollen die Umwelt entlasten und wir wollen eine Entwicklungsperspektive für den Norden von Tempelhof und den Norden Neuköllns – insbesondere für den Schillerpromenadenkiez –, und wir wollen eine Entwicklungsperspektive für Schönefeld.

[Dr. Lindner (FDP): Kiezkleinkram!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Deshalb ist es absolut legitim, wenn gefordert wird, diese Kosten zu ermitteln. Das, was man in den Ausschüssen von den Senatsmitgliedern dazu hört, ist widersprüchlich. Senator Strieder sagt, damit hätten wir gar nichts zu tun, das müsse die Flughafengesellschaft regeln, die schließlich Pächterin sei. Die Flughafengesellschaft sagt, sie werde den Antrag nicht stellen, wenn sie letztlich auf den Kosten sitzen bleibe. Nur den Flugbetrieb einzustellen, lohnt sich für die Flughafengesellschaft ebenfalls nicht. Der Bund sagt in Form seines Staatssekretärs für Finanzen auf eine Anfrage im Bundestag hin, er habe mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, und die Vermarktung des Gebäudes obliege dem Land Berlin. Damit haben wir ein Pingpongspiel, an dessen Ende keiner zuständig ist. Keiner weiß eigentlich, wer die Kosten trägt und was mit dem Gelände geschehen soll. Es gibt nichts außer einigen Hirngespinsten wie Herrn Strieders Wiesenmär, wobei wir alle wissen, dass der Bezirk Neukölln noch nicht einmal das Geld für die Unterhaltung der bestehenden Parkanlagen hat. Dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg geht es ähnlich. Da möchte ich mal sehen, wie eine Parkanlage in dieser Größenordnung unterhalten werden soll. Ich kann mir nur vorstellen, dass das die größte illegale Mülldeponie in der Stadt wird.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Meine Damen und Herren von der Koalition, nicht Sie müssen uns Fragen stellen, sondern Sie müssen Fragen beantworten. Dafür sind Sie schließlich Regierung. Wenn

Beantworten Sie mir bitte die Frage nach den Kosten. Schauen Sie sich einfach einmal den Antrag auf Entbindung von den Betriebskosten an. Das ist alles ganz pfiffig überlegt. Entbindungen kannten wir bisher nur aus dem menschlichen Bereich, wenn Babys kommen, aber nun

gibt es auch schon Entbindungen bei Flughäfen. Im Kern ist es aber so, dass Sie die Schließung wollen. Sie wollen den Flughafen schließlich nicht in zehn Jahren als Reserve haben. Das war ja wohl eine witzige Bemerkung, Herr Felgentreu. Wir hätten dann eine Betriebsreserve, und in zehn Jahren machen wir den Flughafen wieder auf. Das glaubt in dieser Stadt keiner. Sie wollen ihn schließen, und deswegen ist es ein Schließungsverfahren. Deswegen werden Sie – ich sage Ihnen das voraus – spätestens vor Gericht mit dieser Geschichte auf die Nase fallen. Dann treffen wir uns an dieser Stelle wieder. Aber wenn Sie diesen Antrag einmal lesen, dann haben Sie vielleicht festgestellt, dass der Flughafen sein Defizit einzig und allein aus einer Konzernumlage und den Kosten des Gebäudes erwirtschaftet.

Vielleicht können Sie nicht lesen, Herr Wowereit. Schauen Sie sich doch einmal die Anlage zu dem Schließungsantrag an. Vielleicht ist es sinnvoll, mal nicht auf eine Party zu gehen und stattdessen eine Akte zu lesen.

Sie ein solches Vorhaben verfolgen und sagen, dass Sie diesen Flughafen schließen wollen, dann müssen Sie uns vorlegen, wie Sie dafür Vorsorge getroffen haben und wie die finanzielle Abwicklung aussehen soll.

Zu Ihrer Bemerkung, das sei nun endlich einmal ehrlich und die Katze sei nun aus dem Sack: Es kann Ihnen nicht entgangen sein, dass die CDU-Fraktion sei jeher dafür eintritt, dass der Flughafen Tempelhof als Verkehrsflughafen offen bleibt. Dafür braucht man keinen neuen Antrag.

[Beifall bei der CDU]

Wir scheuen auch keine Auseinandersetzung. Die führen wir auch in Neukölln und Tempelhof sehr gerne vor Ort mit den Menschen. Aber Sie müssen uns irgendwann einmal ein Argument liefern, warum Sie diesen Flughafen schließen wollen. Da kommt immer das Argument, man müsse den schließen, da sonst in Schönefeld kein neuer Flughafen entstünde, denn das sei planungsrechtlich sonst nicht gesichert. Die zuständige Planfeststellungsbehörde in Brandenburg sagt dazu: Das hat damit nichts zu tun. Es ist egal, ob Sie in Tempelhof einen Flughafen betreiben oder nicht. Das ist für die Planrechtfertigung von Schönefeld vollkommen uninteressant.

[Doering (PDS): Hat Herr Diepgen das unterschrieben oder nicht?]

Hören Sie ruhig zu, Herr Doering, da können Sie noch etwas lernen. Das sagt Herr Ronellenfitsch, der kein ganz unbekannter Verwaltungswissenschaftler ist. Er hält die Schließung von Tempelhof verwaltungsrechtlich für völlig unsinnig. Auch Staatssekretär Stimmann sagte in unserer Ausschusssitzung, es gebe keinen planungsrechtlichen Zusammenhang. Das kann ich Ihnen zeigen. Das können Sie nachlesen. Herr Wowereit hat das komischerweise nie gelesen, oder er glaubt vielleicht seinem Staatssekretär nicht. Natürlich gibt es keinen planungsrechtlichen Zusammenhang. Es ist ausschließlich ein politischer Zusammenhang. Verstecken Sie sich bitte nicht hinter Planungsrecht oder irgendwelchen vorgeschobenen Gründen finanzieller Art, die es gar nicht gibt. Sagen Sie ganz klar, dass Sie diesen Flughafen aus ideologischen Gründen schließen wollen. Wenn Sie es nun immer noch nicht glauben wollen, dann fragen Sie doch den Justiziar der Flughafengesellschaft, der auf einer Veranstaltung sagte: Sie können Tempelhof offen lassen. Das ist rechtlich für das Planfeststellungsverfahren Berlin-Brandenburg International kein Thema.

[Doering (PDS): Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Hat Herr Diepgen das unterschrieben oder nicht?]

Sie können so viel reden, wie Sie wollen, Herr Doering. Es ist nun einmal so.

[RBm Wowereit: Das ist doch nicht wahr!]