Protocol of the Session on December 11, 2003

Noch einmal zu Ihren Anträgen: Das Beste ist, dass Sie nach wie vor zwei Anträge vorlegen, die eine völlig widersprüchliche Botschaft haben. In einem Antrag fordern sie die Einrichtung von Zugangssperren an allen Bahnhöfen im Zusammenhang mit dem elektronischen Ticketing.

[Doering (PDS): Wie soll ich denn dann reinkommen?]

Das wird Ihnen die FDP sicher erklären, Herr Kollege. Im nächsten Antrag fordert die FDP nämlich, dass alle S-

Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass eine Ausschreibung möglich ist. Das machen andere Länder. In allen Bereichen ist das möglich. Man muss nicht das ganze Netz ausschreiben. Das geht auch in Teilnetzen. Das schafft den Wettbewerb. Wenn Sie sagen, man habe nicht den Anbieter, der das kann, dann liegt das auch an der BVG, die sich wie ein Krake mit dem Monopol in alle Bereiche hereindrängt und auch noch die Telebusse und sonst was übernehmen will. Damit machen Sie wirklich den Wettbewerb tot.

Fangen Sie an, ab 2007 auf unser Konzept zu setzen. Fangen Sie an, etwas zu tun. Schieben Sie den Wettbewerb nicht noch weiter hinaus, denn sonst sind Sie diejenigen, die Schuld daran sind, dass sich der ÖPNV im Angebot immer weiter minimiert. Sie machen das klammheimlich, um die Staatszuschüsse zu reduzieren. Sie tun aber nichts, damit er wirklich effizienter wird und im Wettbewerb bestehen kann. Sie wollen den Wettbewerb nicht, weil Sie den Betroffenen Sand in die Augen streuen und sagen wollen: Bei uns ist es toll. Es muss sich nichts ändern. Es geht einfach so weiter.

und U-Bahnhöfe ohne gültigen Fahrausweis betreten werden können. Wie das zusammenpasst – vielleicht ist ein E-Ticket kein gültiger Fahrausweis –, kann Ihnen vermutlich Herr Dr. Lindner oder Herr von Lüdeke erklären. Ich kann es nicht.

Es ist angesichts des Sammelsuriums, das hier vorliegt, peinlich, dass die FDP darüber zehn Minuten reden wollte. Ich will deshalb an dieser Stelle enden. Wir werden alle diese Anträge ablehnen. Wir haben ein besseres Konzept, das wir demnächst im Parlament diskutieren. Dann wissen die Leute auch, was wirklich gut für die Stadt ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Schmidt von der FDP-Fraktion!

Vielen Dank! – Jetzt ist es doch erforderlich, dazu noch einmal Stellung zu nehmen. Ich finde die Debatte unerträglich. Wenn vorhin kritisiert wurde, wir, die Grünen oder irgendjemand würde den Betroffenen Sand in die Augen streuen, dann muss ich betonen, dass Sie das gerade tun. Bei der Anhörung im Verkehrsausschuss wurde deutlich, dass die BVG einen starken Schnitt in der Personaldichte machen muss. Sie können das nicht übergehen und sagen, Sie hätten ein tolles Konzept und nur wir gingen gegen die Betroffenen vor. Sie nehmen selbst gar nicht zur Kenntnis, dass Sie gezwungen sind, an die Personaldichte der BVG heranzugehen.

Wenn Sie unsere Anträge lesen, dann sollten Sie sie ganz lesen oder es bleiben lassen. Dann hätten Sie gemerkt, dass sich der eine Antrag auf eine aktuelle Entwicklung im Zusammenhang mit dem Schwarzfahrerfang oder der Schwarzfahrerjagd durch die Kontrolleure, die erfolgsabhängig bezahlt wurden, bezog. Sogar dann, wenn jemand einen anderen auf dem Bahnsteig zum Zug brachte, wurde er als Schwarzfahrer belangt. Im anderen Antrag geht es um eine langfristige Perspektive, wie der ÖPNV so gestaltet werden kann, dass der, der fährt, auch bezahlt.

Ihr Beitrag hat gezeigt, welche Ideologiepolitik Sie im Verkehrsbereich betreiben. Wir gehen von einer Gleichberechtigung der Verkehrsträger aus.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Der Kunde soll wählen können, mit welchem Verkehrsmittel er fährt, ohne dass der Staat etwas vorgibt. Der ÖPNV ist für Sie heilig. Für mich ist er auch ein wichtiges Element des Verkehrssystems, aber er ist nicht heilig, und nicht alles muss sich ihm unterordnen. Der ÖPNV muss durch Leistung und Preis überzeugen und durch nichts anderes, nicht durch staatliche Regulierungen.

[Beifall bei der FDP]

Sie werfen uns Zerschlagungs- und Privatisierungsabsichten vor. Auch Sie müssen nach den Vorstellungen

Herrn von Arnims zur Kenntnis nehmen, dass die BVG faktisch pleite ist. Wäre sie kein Staatsunternehmen, dann wäre sie längst weg. Wir haben ein Konzept, wie wir die Zukunft der BVG sehen. Wir sagen nicht, dass der Kunde den ÖPNV finanzieren soll und es eine Wild-WestSituation geben soll, in der jede Buslinie einen anderen Tarif hat. Es gibt den VBB. Das Land setzt politisch einen Preis fest, der auf allen Linien genommen wird.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Herr Gaebler erhält das Wort für eine Replik!

Ich mache es kurz. Zu den inhaltlichen Punkten braucht man insofern nichts zu sagen, als wir klargemacht haben, dass wir einen harten Sanierungskurs für die BVG fahren müssen, aber wir machen es mit den Beschäftigten und mit dem Unternehmen

[Dr. Lindner (FDP): Mit den Gewerkschaftsbonzen!]

und sagen nicht dem Unternehmen: Es ist uns egal. Das Unternehmen bleibt beiseite. Wir zerschlagen das alles und suchen uns neue Leute, die das alles machen, ohne darüber nachzudenken, was da an Folgekosten entsteht. – Das ist Ihre Logik, weil Sie nicht in der Verantwortung stehen, aber das auch gut so. Herr Schmidt, weil mich das ärgert, lese ich einmal aus Ihren Anträgen vor:

Die Bahnhöfe des Nahverkehrs sind mit Zugangssperren auszustatten.

Dort steht auch: „zügige Einführung des elektronischen Tickets im Verbundgebiet“. In dem anderen Antrag steht:

In den allgemeinen Beförderungsbedingungen soll klargestellt werden, dass die S- und U-Bahnhöfe auch ohne gültigen Fahrschein betreten werden dürfen.

Dann gibt es noch das Thema Tariferhöhung – ebenfalls eine klare Vorgabe des Finanzsenators. Die habe nunmehr stattzufinden. All das, was sich Herr Strieder noch vor wenigen Monaten als Verhinderer von Tariferhöhungen im öffentlichen Nahverkehr auf die Fahnen geschrieben hat, ist auf einmal Makulatur. Damit müssen wir feststellen, alle zentralen Fragen der Verkehrspolitik klärt inzwischen offensichtlich der Finanzsenator. Herr Strieder darf noch ein paar flotte Sprüche machen, die inhaltlichen Schwerpunkte werden woanders gesetzt.

Herr Strieder darf sich beschäftigen mit seinen nicht erfüllten Versprechungen bzw. denen, deren Einlösung noch aussteht, z. B. mit der U 5, wo er immer wieder verspricht, die Rückzahlung an den Bund sei nicht erforderlich, mit dem Tunnel der Dresdner Bahn, den er angeblich vom Bund finanziert bekommt, mit den Bundesstraßenausbauten, die angeblich auch alle der Bund finanziert. All diese Themen darf Herr Strieder noch bearbeiten. Ansonsten darf er sich mit Prioritätensetzungen im Baubereich beschäftigen, z. B. mit der Bauruine Alex II, wo statt einer wirtschaftlich erfolgreichen Netzergänzung für die BVG Berlins teuerste und hässlichste Mittelinsel entstanden ist,

Wie soll denn das zusammenpassen?

[Ritzmann (FDP): Können Sie es nicht verstehen?]

Vielleicht sollten Sie sich einmal die Mühe machen, Ihre Anträge aufeinander abzustimmen, vielleicht auch einmal einen Antrag zurückzuziehen, wenn er sich überholt hat, oder ihn zu ändern. Aber das Sammelsurium, das Sie uns hier bieten, noch zu durchschauen, das fordert schon eine Menge Geduld.

[Dr. Lindner (FDP): Vor allem Hirnschmalz, das nicht jeder hat!]

Und die fehlt wohl den meisten hier inzwischen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Die CDUFraktion folgt. Herr Kaczmarek hat das Wort. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Verbliebene Interessenten, Liebhaber und Freunde des öffentlichen Nahverkehrs!

[Heiterkeit bei der SPD und den Grünen]

Und solche, die es werden wollen!

[Zuruf: Nein!]

Herr Gaebler, natürlich muss die Fraktion der FDP hier auch das Recht haben, grundsätzliche Fragen zur Organisation des öffentlichen Nahverkehrs in dieser Stadt zu stellen. Es ist schlimm genug, dass die Antworten darauf, die dringlich sind, bis heute jedenfalls von diesem Senat nicht gegeben wurden. Wenn Sie sagen, der Stadtentwicklungsplan Verkehr sei die Antwort und das verkehrspolitische Grundgesetz für die nächsten Jahre, dann wissen Sie so gut wie ich, dass der StEP Verkehr, wie der Name schon sagt, ein Instrument der Stadtplanung ist, aber sicherlich mit Unternehmensorganisation, Wettbewerb und Marktwirtschaft relativ wenig zu tun hat und uns deswegen an dieser Stelle überhaupt keine Antworten geben kann. Deshalb ist es vollkommen richtig, dass wir darüber diskutieren. Die Frage ist allerdings, ob es zu dieser Zeit richtig ist. Nun gut, jetzt ist es so, dann machen wir es!

Die Frage, die wir uns anhand der Vielzahl der Anträge der FDP stellen müssen, ist erst einmal, wer eigentlich das Sagen in der Berliner Verkehrspolitik hat. Herr Strieder ist rein nominell der Verkehrssenator. Man merkt allerdings nicht so viel davon. In Wirklichkeit, wenn man sich die wichtigen Schwerpunkte der Verkehrspolitik der letzten Monate anguckt, muss man feststellen, dass längst der Finanzsenator Sarrazin die Verkehrspolitik übernommen hat. Da macht er die Vorgabe, 48 Millionen € bei der S-Bahn einzusparen. Dabei hat Herr Strieder gar nicht mitzureden, sondern das ist eine Entscheidung, die der Finanzsenator trifft. Warum gerade 48 Millionen €, bleibt offen. Es hätten auch 46, 44 oder 54 Millionen € sein können. Die Frage von Herrn Sarrazin lautet: Warum eigentlich nicht 48 Millionen €? – Und dann wird das

exekutiert ohne Rücksicht auf die Folgen für das Angebot und für den öffentlichen Nahverkehr.

Dann macht Herr Sarrazin die Vorgabe: Das Angebot der BVG ist zu optimieren. – Das ist auch eine schöne Formulierung. Wir alle wissen, was dahinter steckt. Optimierung bedeutet im Regelfall Rücknahme des Angebots. Auch da höre ich vom Verkehrssenator außer Allgemeinplätzen relativ wenig. Das ist offensichtlich auch eine klare fiskalische Vorgabe.

[Beifall des Abg. Cramer (Grüne)]

danke schön, Herr Cramer! – mit der Bauruine an der Leipziger Straße – da werden Sie wahrscheinlich nicht so begeistert klatschen! –, wo vor dem Bundesrat sozusagen ein Mahnmal Berliner sinnentleerter Verkehrspolitik entstanden ist, ein paar Gleise, die niemals Anschluss an das Netz gewinnen werden, so dass man auch im Bundesrat sehen kann: In dieser Stadt hat man nicht nur Geld, vollkommen leere Denkmalsockel aufzustellen, wie am Potsdamer Platz, sondern sogar Geld dazu, völlig sinnfrei Schienen zu verlegen, nach dem Motto: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, und am Steuer sitzt Herr Strieder.

[Beifall bei der CDU]

In dieser langen Reihe darf die U 5 nicht fehlen, die teuerste Pilzzuchtanlage. Manche wie Herr Strieder werden sie in Zukunft die wahrscheinlich kürzeste U-Bahn der Welt nennen, andere wie ich nennen es schlicht ein verkehrspolitisches Trauerspiel.

[Beifall bei der CDU]

Dass Herr Sarrazin die wesentlichen und entscheidenden Strukturfragen der Verkehrspolitik bestimmt, das müssten wir auch in den letzten Wochen in Bezug auf die S-Bahn vermelden. Die Privatfehde, die er mit Herrn

Und wie wollen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BVG begreiflich machen, dass ihre Kollegen von der Bahn bis 2018 unter Schutz stehen, die BVG aber schon 2008 im Wettbewerb stehen soll?