Wenn ein Unternehmen dagegen neue Maschinen anschafft, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben, wird es im eigenen Interesse liegen, seine Angestellten beruflich weiterbilden zu lassen.
Ein Blick auf die Internetseiten der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen mag genügen – Herr Doering, Sie können ja gern mal dort raufgucken –, um zu dem Urteil zu gelangen, dass die heutige Praxis der Weiterbildung zu einer so genannten Weiterbildungsindustrie geführt hat. Ich will jetzt gar nicht von dem berühmtberüchtigten Töpferkurs in der Toscana sprechen oder vom Bildungswandern auf Mallorca. Aber dort werden Bildungsinstitute aufgeführt, die alles mögliche anbieten – vom Lebensweg August Bebels bis zur Analyse des deutschen Schlagers in der 70er Jahren.
Ich frage mich hier wirklich, was all das mit der beruflichen Bildung zu tun hat. Und nur um berufliche Bildung geht es hierbei. Ferner kann man sich noch die Frage stellen, wer diese Vielzahl anerkannter Institute nach ihrer Qualität kontrollieren will. Die Senatsverwaltung wird dies bestimmt nicht tun. – Frau Grosse stimmt mir schon zu.
Wir alle müssen unsere ganze Kraft für mehr wirtschaftliches Wachstum und mehr Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt einsetzen. Durch bürokratische Hemmnisse und überflüssige Gesetze erreichen wir das Gegenteil. Deshalb möchte ich eindringlich für die Abschaffung des Bildungsurlaubsgesetzes werben. Es ist nicht mehr zeitgemäß und wirkt nur noch als Bremsschuh.
Überlassen Sie es den Unternehmen selbst, wann sie ihre Angestellten beruflich weiterbilden wollen. Wir hätten damit einen Beitrag zu mehr Arbeitsplätzen geleistet. Gerade die Betriebe, die weniger als 20 Angestellte beschäftigen, werden es Ihnen danken. – Vielen Dank!
[Matz (FDP): Bitte auch einen Abschnitt über August Bebel! – Doering (PDS): Jetzt sagen Sie mal, was Sache ist! – Ritzmann (FDP): Die Gewerkschafter werden schon unruhig!]
Wir haben es hier mit einem Antrag zu tun, wo nicht nur FDP draufsteht, sondern wo auch richtig FDP drin ist.
Bildungsurlaub wurde im Rahmen seiner Entstehungsgeschichte eng verbunden mit dem Ziel, dass vor allem bildungsungewohnte und in der Weiterbildung unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen verstärkt Möglichkeiten zur Teilnahme an Weiterbildung erhalten sollten.
Das hat funktioniert. Manche sitzen sogar im Abgeordnetenhaus. – Das ist ein Anspruch, der auch heute noch seine Gültigkeit hat. In der Weiterbildungsforschung – das hätten Sie gewusst, wenn Sie sich mit dem Thema richtig beschäftigt hätten – wird dem Bildungsurlaub deshalb eine wichtige Impulsfunktion zugesprochen.
Meine Damen und Herren der FDP! In Ihrer Begründung teilen Sie uns mit, dass der Bildungsurlaub in der Praxis zu einem Luxusrecht für den öffentlichen Dienst heruntergestuft worden ist. Ihr gestörtes Verhältnis zum öffentlichen Dienst haben wir heute schon „genießen“ können. Wie kommen Sie aber zu dieser Behauptung, Herr Lehmann? – Richtig ist, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in der Vergangenheit vielleicht etwas weniger häufig Probleme bei der Bildungsfreistellung als Beschäftigte im privaten Sektor hatten. Das ist aber auch schon lange nicht mehr so. Sie wissen: Auch der öffentliche Dienst hat inzwischen Personaleinsparungen hinnehmen müssen. Aber das heißt noch lange nicht, dass der öffentliche Dienst bei der Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Seminaren nach dem Berliner Bildungsurlaubsgesetz die größte Gruppe stellt. Ich weiß nicht, wo Sie sich erkundigt haben; ich habe
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zahl der Abgeordneten, die diese Diskussion für wichtig halten, hat einen besonders niedrigen Stand erreicht. Das ist bedauerlich bei derartigen Themen. Noch bedauerlicher ist, dass die Senatoren, soweit von diesem Thema betroffen, der Diskussion auch nicht folgen wollen.
In Kapitel 45 ihrer inzwischen mit Recht geschätzten Antragsreihe „Mehr Berlin, weniger Staat“ ist die FDP beim Berliner Bildungsurlaubsgesetz angekommen. Man muss dazu wissen, dass es sich um eines der ganz wenigen Gesetze handelt, die aus den Zeiten von Rot-Grün stammen, der Zeit, als unser Parlamentspräsident noch als Regierender Bürgermeister gewirkt hat. Insofern ist ein wenig sozialdemokratische Nostalgie durchaus zu verstehen. Man sollte allerdings einer Gefahr nicht erliegen – dass nämlich diejenigen, die das Bildungsurlaubsgesetz nach 13 Jahren in Frage stellen, kritisch diskutieren wollen,
dazu komme ich noch – irgendetwas gegen politische Bildung oder gar Fort- und Weiterbildung hätten. Die Frage ist allein, ob dieses eines gesetzlichen Anspruchs gegen den jeweiligen Arbeitgeber bedarf. Weder die FDP noch die CDU, die diesem Antrag zustimmen wird, stellen politische Bildung oder Fort- und Weiterbildung in Frage – ganz im Gegenteil; insbesondere betriebliche Fort- und Weiterbildung bedarf eines stärkeren Stellenwertes in der betrieblichen Realität.
meine Erkundigungen bei einem großen Bildungsträger eingezogen. Die größte Gruppe in Berlin stellen mit 60 % die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Privatwirtschaft, der öffentliche Dienst nimmt nur 23 % ein.
Danke für den Hinweis! Das hätte ich gar nicht gedacht. – Die Betriebsgröße hat zwar für die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub auch noch eine Bedeutung, aber aus Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten kommen immerhin 15 % derjenigen, die an solchen Bildungsurlaubsmaßnahmen teilnehmen.
Die Beteiligung von Frauen am Bildungsurlaub ist ebenfalls kontinuierlich gestiegen. Ein Grund liegt darin, dass Frauen im Rahmen betrieblicher Weiterbildung seltener berücksichtigt werden als die männlichen Kollegen. Daher ist der Bildungsurlaub für Frauen häufig die einzige Gelegenheit, sich während der Arbeitszeit weiterzubilden. Recherchen haben ergeben, dass Frauen eine Bildungsfreistellung häufig für eine Weiterbildung im EDVBereich nutzen, da diese betrieblich nicht angeboten wird, weil sie inzwischen vorausgesetzt wird. Für diese Arbeitnehmerinnen stellt der Bildungsurlaub eine Anpassungsqualifizierung dar. Das muss und das soll auch so bleiben.
Demokratie darf nicht am Werktor enden. Arbeitgeber dürfen nicht frei nach Gutsherrenart entscheiden, wer sich weiterbilden darf und wer nicht.
Wer will, dass Arbeitgeber wieder nach Gutsherrenart entscheiden, sollte sich einfach von Ihnen zurückbeamen lassen. Das geht leider nicht, aber das wäre vielleicht etwas für Sie.
Für uns ist und bleibt auch die politische Bildung ein wichtiger Baustein zur Förderung unserer freiheitlichen Demokratie. Sie ist unersetzlich in der Aufklärungsarbeit für eine tolerante und humane Gesellschaft, gerade in Zeiten der Globalisierung, in Zeiten von tiefgreifenden Veränderungen.
Dieses Gesetz ist nicht überflüssig. Es trägt mit dazu bei, unsere demokratischen gesellschaftlichen Strukturen zu festigen.
Sie stellt außerdem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Investition in die Zukunft dar. Deshalb ermuntere ich von dieser Stelle aus alle, dieses Gesetz weiterhin mit Leben zu erfüllen. – Und zu Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, sage ich: Gut, dass Sie nicht in der Regierung sind!
Es ist ein besonders gutes Feld dafür, dass Unternehmen gemeinsam mit den Betriebsräten vor Ort individuelle Lösungen erarbeiten, was das Fort- und Weiterbildungsangebot für die jeweils Beschäftigten in den nächsten Jahren sein soll. Das ruft geradezu nach einer stärkeren Möglichkeit für betriebliche Vereinbarungen und stellt im Gegenzug gesetzliche Ansprüche genau in Frage. Ich bin sicher, dass Unternehmer und Arbeitgeber, die sich mit der Zukunft ihres Unternehmens beschäftigen, das Thema Fort- und Weiterbildung ernst nehmen, dass aber auch die meisten Arbeitnehmer – Herr Lehmann hat die Zahlen genannt – im Wesentlichen verantwortungsbewusst mit diesem Gesetz umgehen. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist die Realität in ihren Unternehmen, insbesondere in mittelständischen Unternehmen, klar, so dass sie im Regelfall keine unbegründeten oder von den Firmen nicht vertretbare Ansprüche durchsetzen.
Auch ich habe mir auf der Internetseite die Angebote angeschaut, die mit gesetzlichem Anspruch durchgesetzt werden sollen. Sie haben ein paar genannt. „Tanzen in Japan“ könnte man noch hinzufügen. Das sind alles Angebote, die an der betrieblichen Realität der meisten Unternehmen vorbeigehen. Mir geht es um einen Punkt, und
Kollege Lehmann – das sage ich Ihnen als Arbeitsmarktpolitikerin –, wie Sie mit dem Recht der Beschäftigten auf Bildungsfreistellung umgehen, das ist schon ein starkes Stück. Bezahlte Bildungsfreistellung ist doch keine Berliner Erfindung, die man einfach mal so abschafft. Bildungsfreistellungsgesetze gibt es inzwischen in 12 von 16 Bundesländern. Die internationale Arbeitsorganisation ILO, die OECD und der Europarat haben sich für die Einführung einer gesetzlichen Bildungsfreistellung und eines bezahlten Bildungsurlaubs ausgesprochen. In Italien, Frankreich, Belgien und Schweden gibt es seit Mitte der 70er Jahre gesetzliche Regelungen für den Bildungsurlaub.
Ich glaube, Kollege Lehmann, Sie haben kein einziges Gespräch mit Beschäftigten und mit Betriebs- und Personalräten geführt. Dann würden Sie nämlich wissen, dass Unternehmen Fremdsprachenkenntnisse, IT-Kenntnisse, rhetorische Fähigkeiten und soziale Kompetenzen hoch schätzen, und genau diese Seminare werden am häufigsten für Bildungsurlaub nachgefragt und auch angeboten. Allerdings sind in den letzten Jahren die Anträge auf bezahlte Bildungsfreistellung immer häufiger abgelehnt oder erst gar nicht gestellt worden, denn ganz offensichtlich wird in Zeiten der ökonomischen Krise, des erhöhten Arbeitsdrucks und der Reduzierung von Personal auch an bezahlter Fort- und Weiterbildung, vor allem aber an Bildungsfreistellung auf Wunsch von Beschäftigten gespart. In Berlin ist der Anteil der Bildungsurlaubsteilnehmer an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – Sie hatten das auch erwähnt – von knapp 2 % Anfang der 90er Jahre auf unter 1 % zurückgegangen. Das ist allerdings ein bundesweiter Trend, und hier gibt es inzwischen auch wieder eine Erholung.
ich bitte auch die Abgeordneten der Koalition, sich ein wenig damit zu befassen. Wir haben heute im Pressespiegel erneut eine Übersicht gehabt, wie das so genannte Benchmarking der Bundesländer für Berlin aussieht. Wir sehen auch in dieser Liste, dass Berlin dieses Mal ausnahmsweise nicht den 16. Platz einnimmt, sondern den 15. – seit dem Jahr 2002. Aber vielleicht erinnern Sie sich auch an eine Umfrage, die es im Sommer gegeben hat, die die „Wirtschaftswoche“ und das Institut der Deutschen Wirtschaft gemacht haben, wo man Bundesländer nach vielen Kriterien unter Befragung von insgesamt 25 000 gewerbetreibenden Unternehmen beurteilt hat. Zu diesen Kriterien gehörten Punkte wie Entbürokratisierung, Deregulierung, Schnelligkeit von Verwaltung etc. An dieser Untersuchung sind zwei Punkte bemerkenswert. Erstens: Platz 1 hat das Saarland eingenommen und Platz 2 Bremen.
Daraus lernen wir, dass Haushaltsnotlagesituationen, d. h. wenig Geld zu haben, offensichtlich an der Dynamik von Politik, an der Bereitschaft, von der Regelungsdichte herunterzugehen, nichts ändert. Wir haben auch gesehen, dass Berlin bei diesen Umfragen den letzten Platz eingenommen hat, und dies ist leider die Realität. Viele gehen zwar auf das Thema Deregulierung und Abbau von Vorschriften gern in Sonntagsreden ein, aber sobald es dann konkret wird, kommen sie direkt mit der ganz großen Keule, Frau Grosse, und sagen: Wer dieses oder jenes als gesetzlichen Anspruch in Frage stellen will, der hat ein Verständnis nach Gutsherrenart. – Wo leben Sie denn?
Wir wollen, dass die Unternehmen sich in Bezug auf Fort- und Weiterbildung mehr Mühe geben als bisher. Wir wollen betriebliche Verständigung darüber, wir wollen ein stärkeres Gewicht, und wir wollen, dass überall da, wo es nicht mehr notwendig ist, gesetzliche Ansprüche verschwinden. Wir müssen langsam auch in Berlin dazu kommen, dass nicht derjenige unter Begründungszwang gerät, der ein Gesetz in Frage stellt und abschafft, sondern dass diejenigen, die ein Gesetz verteidigen, sich etwas bessere Gründe einfallen lassen sollten als die Koalition. – Vielen Dank!