Protocol of the Session on January 31, 2002

[Frau Ströver (Grüne): Was?]

Wir sollten dem Votum der Experten folgen, weil ich sicher bin, dass dies der Kulturlandschaft in unserer Stadt, die auch ein immer internationaler werdendes Publikum hinter sich hat, besonders gut bekommt. Die Kunst- und die Kulturlandschaft in Berlin braucht die Dynamik. Wir brauchen die Vielfalt der Szene, wir brauchen die bürgerliche Kultur, die Berlin so lebendig macht und uns neugierig darauf, welche Wirklichkeit wir im Theater vorfinden. Deshalb bitte ich Sie nochmals, dem Votum der Experten zu folgen. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Schönen Dank, Frau Lange! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Jungnickel das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Jungnickel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren Koalitionäre! Ich meinte eigentlich den Senat, der hier nicht anwesend ist – mit Ausnahme von Herrn Böger, ich habe Sie nicht übersehen, Herr Körting gerade eingeflogen. – Aber alle übrigen, die ich noch ansprechen wollte, sind trotzdem nicht vorhanden. Das finde ich sehr traurig, zumal Herr Flierl vorhin so forsch gesagt hat – ich weiß nicht, ob er wusste, was er tat –: Erst das Parlament und dann der Senat! interjection: [Ah! von der FDP]

Wenn ich mir vorstelle, was hier mit den Koalitionären und mit dem Koalitionspapier passiert, wenn ich gerade eben gehört habe, wir sollten uns dem Votum der Gutachter anschließen, dann muss ich sagen: Bevor das nicht in den Parlamentsausschüssen landet, wird das nicht akzeptiert.

Mit dem Antrag, den wir jetzt einbringen – so gering er sein mag; das Schlosspark-Theater wird immer ein bisschen an den Rand gedrängt –, wird trotzdem signalisiert, dass wir damit eine auf längere Sicht angelegte Kulturdebatte eröffnen. So wie das UKBF, das Universitätsklinikum Steglitz und damit auch die Medizinische Fakultät der Freien Universität Berlin bleiben wird, wird auch das Schlosspark-Theater bleiben.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Jahren jemals als Zuschauer im Schlosspark-Theater gewesen sind.

[Zurufe der Abgn. Frau Ströver (Grüne) und Pewestorff (PDS)]

Aber ich frage mich, ob die Juroren, die sich das geleistet haben, was in diesem sog. Theatergutachten steht, dort waren. Wenn ich das lese, dann bilde ich mir ein, es müsste zwei Schlosspark

Theater in Berlin geben: Das eine, in dem ich regelmäßig meine Vorstellungen genieße – die guten und die schlechten; es gibt in jedem Theater auch Flops. Wenn ich das Theater niedermachen will, dann sehe ich mir den Flop an und nicht den Erfolg. Das darf es nicht geben, dass so ein Missverhältnis besteht zwischen einem Gutachten und dem, was in diesem Theater tatsächlich passiert. [Beifall bei der FDP]

Dieses Theater hat – unabhängig davon, dass es seit 1945 Theatergeschichte geschrieben hat; Sie dürfen sich gern einmal durchlesen, was dort alles passiert ist – eine überregionale Bedeutung. Es wirkt nämlich nicht nur in Steglitz, Schöneberg und Tempelhof – –

[Pewestorff (PDS): Bis nach Pankow!]

Wir beraten hier einen Antrag, der an den Ausschuss überwiesen wird, wir machen hier keine Sachdebatte,

[Brauer (PDS): Warum reden Sie denn? – Weitere Zurufe von der PDS]

dafür sind fünf Minuten Redezeit nicht geeignet, hier darf ein bisschen polemisiert werden.

Für viele Berliner aus Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf ist dieses Schlosspark-Theater das Anlauftheater, das Theater überhaupt. Hier wird bürgerliches Theater im besten Sinne repräsentiert. Hier spielten die besten Schauspieler. Hier wurde für Menschen in der Bundesrepublik Deutschland oft unbekannte Bühnenliteratur auf die Bretter gebracht. Hier bestätigten Regisseure ihren hohen Rang.

[Beifall bei der FDP]

Und nun keine Sorge, ich werde nicht der Versuchung erliegen, auf die Koalitionsvereinbarungen von SPD und PDS im Vorgriff auf die längst fällige, ja überfällige Regierungserklärung des Herrn Interessiert-mich-nicht einzugehen.

[Gelächter bei der FDP und den Grünen]

Dazu werden wir noch an vielen Stellen Gelegenheit suchen und finden. Hier wird nur als Folge unsäglicher Vorentscheidungen, die von Widersprüchen nur so wimmeln, gemäß unserem Antrag Drucksache 15/138 die Forderung aufgestellt, das SchlossparkTheater als Sprechbühne zu erhalten und sich auf hohem Niveau weiterentwickeln zu lassen. Das ist nämlich ein kreativer Prozess.

Ein Hinweis sei mir noch wegen der Bemerkung von Herrn Flierl erlaubt: Koalitionsvereinbarungen sind Absprachen und Verträge zwischen Parteien. Es darf nicht sein, dass versucht wird, mit den Inhalten dieser Absprachen und Verträge Sachentscheidungen vorwegzunehmen, die dem Parlament vorbehalten bleiben müssen. Das würde notwendigerweise Verfassungsfragen heraufbeschwören. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU und den Grünen]

Jetzt geht es weiter mit dem Kollegen Brauer für die Fraktion der PDS. – Bitte schön!

[Brauer (PDS): Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!]

Ihnen wird schon etwas dazu einfallen!

[Heiterkeit bei den Grünen]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Jungnickel! Der Senat hat noch gar nichts beschlossen, wenn Ihnen das entgangen sein sollte.

Aber zum Thema: Am vergangenen Montag bewertete der Intendant des Deutschen Theaters die Berliner Theaterschließungen der letzten Jahre als „kopf- und planlos“. Um die Verluste noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Berlin verlor mit den Kammerspielen in Moabit sein erstes Kindertheater, mit dem SchillerTheater verband sich der Untergang einer Adresse erster Größenordnung, mit der Schließung des Metropol und der Zerschlagung des Theaters des Westens wurde die Berliner Operetten

und Musicaltradition auf den Opfertisch gelegt. Kommerzielle Anbieter, Frau Grütters, liefern dafür keinen gleichwertigen Ersatz. Die jüngsten Sissi- und Venus-Pleiten sind ein augenscheinlicher Beleg dafür. Bernd Wilms hatte Recht, ziel- und planlos, das Ganze. Angemerkt werden muss aber, dass diese schleichende Auszehrung der kulturellen Substanz der Stadt ein Ergebnis hauptsächlich CDU-dominierter kopfloser Kulturpolitik ist. [Beifall bei der PDS und der SPD]

Nun signalisiert zumindest die Drucksache 15/128 ein Umdenken bei der CDU. Das stimmt hoffnungsvoll. Allerdings ist Ihr Antrag mit einer gewissen Skepsis zu betrachten.

1. Der Senat ist weder berechtigt noch in der Lage, für privat betriebene Einrichtungen Wirtschaftlichkeitskonzepte aufzustellen.

2. Mit einer Privatisierung, Frau Grütters, wurde das Theater des Westens mitnichten gerettet. Unter der Ägide Ihres Kultursenators wurde die landeseigene GmbH mit aller Konsequenz in den Konkurs gesteuert. Das wissen Sie, das war auch Thema in den Ausschüssen.

3. Das von Ihnen de facto jetzt heftigst attackierte Gutachten wurde von Herrn Stölzl in Auftrag gegeben. Die ebenso heftig monierte Zusammensetzung der Jury ist sein Werk wie auch der für ein qualitativ ausreichende Begutachtung viel zu eng gesetzte Zeitrahmen.

Dass damit – der Einschub sei mir erlaubt – das für mich persönlich nicht nachvollziehbare Jury-Todesurteil für das Schlosspark-Theater präjudiziert wurde, war von Anfang an angesichts der schon lange dauernden Versuche, diese Bühne zur Aufgabe zu zwingen, klar. Auf den Aufschrei der CDU-Fraktion habe ich allerdings zwei Jahre lang vergeblich warten müssen. Für die Steglitzer Bühne – auch das bitte in Ihr Stammbuch – hat sich eigentlich immer nur die PDS in die Bresche geworfen. – Schauen Sie in die Protokolle der Ausschüsse nach der Plenartagung!

Vollkommen richtig allerdings, und daher auch von meiner Fraktion unterstützt, ist das Anliegen, diese Empfehlungen und damit auch die Empfehlungen für eine Umstrukturierung der bisherigen Förderung der parlamentarischen Debatte zu unterziehen. Für die kommende Entscheidungsfindung in den beteiligten Ausschüssen werden hoffentlich neben dem notwendigen Nachdenken über die kulturelle Infrastruktur der Stadt Qualitätsund Wirtschaftlichkeitskriterien die entscheidende Rolle spielen. Ich sehe dieser Debatte und den Ergebnissen mit großer Spannung entgegen.

Wenig hilfreich ist es allerdings – auch hier noch ein Einschub –, wie die FDP es versucht in ihrem Antrag, einen scheinbaren Ost-West-Konflikt hochzustilisieren.

[Ritzmann (FDP): Dafür sind Sie doch zuständig, das macht die PDS!]

Damit hat es weiß Gott nichts zu tun. Herr Dr. Jungnickel, das St.-Florians-Prinzip sollte aus der Berliner Politik endgültig verbannt werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Danke schön, Herr Kollege! – Nunmehr hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Ströver das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Fensterreden war an dem heutigen Tag schon ziemlich viel die Rede. Und das muss ich leider sagen, ich denke, bei den beiden Anträgen von CDU und FDP, die wir heute hier in der ersten Runde beraten, handelt sich wohl unzweifelhaft um ebensolche. Es ist ja von meinen vielen Vorrednern schon gesagt worden: Hier wird gegen einen Vorgang gesprochen, der im Grunde ganz demokratisch im Prozess zu entscheiden ist. Ich bin sicher, dass über das Ende der Subventionierung für das Hansa-Theater und Ende der Subventionierung für das Schlosspark-Theater

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(B) (D)

hier im Parlament in einem fairen Prozess beraten und entschieden wird. Ich gehe auch davon aus, dass der Senat selbstverständlich nicht der Beratung des Parlaments vorgreift.

Man muss aber sagen, dass es hier tatsächlich um ein Verfahren geht, das sich – wie gesagt wurde – rückbezieht auf ein von den Senatoren Radunski und Stölzl einvernehmlich im Parlament entwickeltes Evaluierungsverfahren, das eben dazu dienen sollte, dass die vielen kleinen und mittleren Privattheater eben nicht automatisch in Subvention kommen, sondern dass sie sich qualitativ bewähren müssen. Diese Bewährung ist richtig. Das sollte nicht da aufhören, sondern das sollte auch bis oben durchgehen. [Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Dr. Stölzl (CDU)]

Nun liegt uns dieses Gutachten vor. Es kam zu einer Zeit als Ergebnis dieser Juryberatungen, als ich in der Mitverantwortung war. Und ich muss sagen, es ist das erste Mal – wir hatten ja schon früher solche Gutachten –, dass qualifiziert begründet worden ist, warum sich bestimmte Häuser in ihrer ästhetischen Ausrichtung, in ihrer Qualitätssituation, dass sich bestimmte Häuser aber auch im Publikumszuspruch überholt haben.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Dass von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern hier noch keiner darauf eingegangen ist, dass wir eine Durchschnittsauslastung beim Hansa-Theater von 38 Prozent haben und beim Schlosspark-Theater von ebenfalls unter 50 Prozent, finde ich sträflich.

[Brauer (PDS): Das machen wir im Ausschuss!]