Als fach- und jugendpolitische Sprecherin haben Sie soeben jedoch eine ausschließlich finanzpolitisch begründete Rede gehalten, Frau Barth. Es stellt Ihnen ein Armutszeugnis aus, dass Sie den jugendpolitischen Blick auf die Kitakostenerhöhung komplett ausblenden.
Wenn es in dieser Republik derzeit ein Thema gibt, wo sich Bundesregierung und Opposition, wo sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dann ist es dieses:
Die Bundesrepublik braucht eine deutlich bessere Kinderbetreuung, und zwar sowohl in der Zahl der angebotenen Plätze als auch in der Qualität.
Wir brauchen endlich eine Ganztagsbetreuung, die vor allem Frauen nicht mehr dazu zwingt, sich zwischen Kindern und Beruf zu entscheiden. Und wir wollen ein Angebot für alle Kinder, damit es endlich gerechter wird beim Zugang zu Bildung. – Das ist das Ziel, das Rot-Grün im Bund verfolgt.
Es ist eine längst überfällige gesellschaftspolitische Weichenstellung, die wir befürworten und unterstützen.
Der Bund – und an der Bundesregierung ist meiner Erinnerung nach auch die SPD beteiligt, Herr Gaebler! – lässt sich die bessere Kinderbetreuung auch einiges kosten:
Von dem 4-Milliarden-€-Programm für Ganztagsschulen profitiert auch Berlin, bis zum Jahr 2007 mit 147 Millionen €, allein im laufenden Jahr mit 11 Millionen € , die zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Es ist aberwitzig, dass der Senat die Betreuungsangebote in Berlin gleichzeitig verschlechtert
und uns ausgerechnet auch noch eine sozialdemokratischsozialistische Regierung dieses als soziale Gerechtigkeit verkaufen will.
Der Zwischenruf war: „Das war meine erste!“ – Herr Sarrazin, das bestärkt mich in der Auffassung, dass das, was Sie hier am Anfang abgeliefert haben, nicht wirklich von Herzen kam – um es einmal so auszudrücken.
Was hinter dem unsäglichen Vergleich steckte, das war eine ganz klare Botschaft an die Eltern, dass die drastischen Erhöhungen gefälligst kommentarlos zu akzeptieren seien. Und das ist wirklich das Allerletzte: Den Wechsel eines SPD-Finanzstaatssekretärs in ein landeseigenes Unternehmen bei einem Jahreseinkommen von 161 000 € plus aus Steuergeldern als „marktgerecht“ zu bezeichnen, und gleichzeitig protestierende Eltern zu diffamieren. Das ist genau die Art und Weise von Bereicherung und Zynismus, wovon Berlin die Nase voll hat und womit endlich Schluss sein muss!
Man muss nicht nur die „Berliner Zeitung“, man kann auch das „Neue Deutschland“ zitieren. So stellte das „Neue Deutschland“ von gestern die berechtigte Frage, ob das alles sozial gerecht und angemessen sei. Ich zitiere:
Sicher gilt das auch für die Frage, ob man in einer überalternden Gesellschaft Kinder als Armutsrisiko Nr. 1 immer noch teuerer machen sollte. Solches müsste doch gerade Sozialdemokraten und Sozialisten eine Überlegung wert sein.
Sehr geehrte Damen und Herren! Als Mutter von bald drei Kindern, die eigentlich im kommenden Jahr in ihren Halbtagsjob zurückkehren wollte, habe ich mit Entsetzen die neuen Kitagebührensätze gelesen. Leider widerspricht dies der Bundespolitik und den schönen Plakaten von Familie und Beruf der Bundesregierung völlig. Bei diesen Gebühren lohnt sich ein Teilzeitjob nicht, wenn der Mann einigermaßen gut verdient, da die Betreuungskosten den eigenen Verdienst übersteigen. Ich stehe also zukünftig vor genau demselben Problem wie meine Freundinnen aus Bayern und NordrheinWestfalen und muss – auch wegen der schlechten Öffnungszeiten der Kitas – zu Hause bleiben. Die
mag ja auch verträglich sein, aber dies ist sicher nicht der richtige Weg. Wir lieben unsere Kinder und sind auch bereit, auf teure Urlaube zu verzichten, weniger Rente zu beziehen, nachts kranke Kinder durch die Wohnung zu tragen und dabei Liedchen zu singen, unsere Hobbys und Extrawünsche auf später zu verschieben, aber unsere Gesellschaft kann sich nicht ständig über die Überalterung sowie den Kindermangel beklagen und gleichzeitig die Familien konsequent ins Abseits drängen und zu den Deppen der Nation machen.
Da hat er Recht, der Herr Herrmann. Ich füge noch hinzu, dass es auch Sozialdemokratinnen und Sozialistinnen eine Überlegung wert sein sollte, weil insbesondere die Konsequenzen für junge Frauen mit Kindern aus dieser Kitakostenerhöhung nicht unbeträchtlich sind.
Es wird nicht wenige dazu bringen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen, weil das, was sie verdienen, komplett für die Kita draufgeht. Dafür hat dieser Senat in Gänze ein frauenpolitisches Armutszeugnis verdient.
Jetzt möchte ich noch eine Bemerkung an Herrn Böger richten. Herr Böger, Sie haben im Idealfall Recht, dass man das Familieneinkommen zusammen betrachten sollte. Es ist doch aber wirklich völlig realitätsfremd, wenn Sie denken, dass das in der Wirklichkeit auch so geschieht. In der Realität verdienen Frauen weniger als Männer. Sie sind entschieden öfter teilzeitbeschäftigt und sind real Hinzuverdienende.
[Henkel (CDU): Richtig! In einer solchen Situation kommt es dazu, dass beide sagen, die Frau solle eher zu Hause bleiben, wenn ange- sichts der Gebührenerhöhung das ganze Geld, das die Frau verdient, für die Kita bezahlt werden muss. [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]
Ich muss wirklich sagen, der Zuruf aus der PDS vorhin, dann solle doch der Mann zu Hause bleiben, liegt voll daneben.
Nein! Das mache ich nicht! Ich habe schon 300 Zwischenrufe hier ständig an meinem linken Ohr. Das erspare ich mir. –
So verwundert es auch nicht, wenn die allermeisten Protestbriefe von jungen Müttern kommen. Ich will eine junge Frau aus Treptow-Köpenick hier stellvertretend als Betroffene zitieren:
[Liebich (PDS): Ist doch Quatsch! – Frau Freundl (PDS): Bei Hartz wird es dann aber noch schlimmer!]
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Klemm (PDS): Das schreiben Sie sich mal ins Stamm- buch für Ihre Bundespolitik!]
Besonders zynisch findet die junge Frau übrigens den Verweis der Politik auf die Möglichkeit, sich eine Tagesmutter zu nehmen. In ihrem Bezirk gibt es nämlich bis zum Jahresende keinen einzigen freien Platz, weil nämlich genau derselbe Senat die Mittel für die Tagesmütter reduziert hat.
Aber was wir am empörendsten an dieser Debatte finden, ist, dass rot-rot so tut, als gäbe es keine andere Alternative als die drastische Anhebung der Kostenbeiträge.