Protocol of the Session on August 28, 2003

[Beifall bei der CDU]

Eine Sache ist dabei auch wichtig, das ist auch noch der grundsätzliche Teil. Bei den Verwaltungsdienstleistungen, aber auch bei der Verteilung von Haushaltsmitteln müssen wir neue Antworten finden, nämlich für das Verhältnis von kollektivem und individuellem Benefiz und die gerechte Verteilung der Kosten. Ich glaube, dass es nicht mehr vertretbar ist, dass die Gelder der Gemeinschaft für Projekte der individuellen Selbstverwirklichung eingesetzt werden. Ich glaube, dass für viele Leistungen und deren Bezahlung das Bestellerprinzip gelten muss. Wer besondere Vorteile durch staatliches Handeln hat, muss auch entsprechend seiner Leistungsfähigkeit finanziell herangezogen werden. Und ich glaube, dass es ungerecht ist, wenn der Senat sich daran macht, sehbehinderten Menschen das Blindengeld radikal zu kürzen, wenn im Bereich der Sozialleistungen gigantische Beträge allein durch Verfahrensverbesserungen eingespart werden könnten.

[Beifall bei der CDU]

Nun kommen wir zu den öffentlichen Beteiligungen. Das kann man an dieser Stelle nicht außen vor lassen. Denn zum einen haben wir festgestellt, Sie haben sich von der Privatisierung weitestgehend verabschiedet. Es gibt zwar noch ein paar Vorhaben, wo wir alle nicht wissen,

Wir diskutieren darüber, ob wir Leerstand in staatlichen Wohnungsbaugesellschaften, in staatlich finanzierten städtischen Entwicklungsgebieten finanzieren wollen oder ob man diese nicht auch am Markt platzieren kann. Aber dafür muss man auch Nachfrage haben. Und dafür muss man auch etwas tun, nämlich diese Stadt attraktiv gestalten. Sie haben gesagt, die Frage der attraktiven Gestaltung hat wenig damit zu tun, was es im Haushalt kostet. Das mag sein. Aber wenn man das außer Acht lässt, wenn man sich nicht um den Standort kümmert und die Weichen nicht richtig stellt, dann ist es so, dass Sie eher eine negative als eine positive Wanderungsbilanz erhalten. Und niemand kann mir einleuchtend erklären, dass es besser ist, weniger Menschen in der Stadt zu haben, insbesondere weniger der Sorte, die es sich noch leisten können, woanders hinzuziehen.

wie es ausgeht und wie viel Geld Sie dafür einnehmen können. Da kann man die Feuersozietät nennen, da kann man sich die Frage stellen, ob es vielleicht doch noch eine Wohnungsbaugesellschaft gibt, die veräußert werden kann. Da wird dann argumentiert mit politischen Preisen, die man möglicherweise im Parlament vertreten kann oder auch nicht. Aber dass dahinter eine Strukturfrage steckt, dass dahinter die Frage steckt, ob ich beispielsweise ein Unernehmen, das in Höhe von Milliarden € verschuldet ist, für einen nominell niedrigen Kaufpreis veräußern kann und mich damit von der Last der Schulden befreie, das ist für jemanden, der halbwegs kaufmännisch denkt, eine sehr nahe liegende Überlegung. Sie sollten sich einmal davon frei machen, immer nur darauf zu achten, ob Sie vor Ihren eigenen Anforderungen bestehen können, beispielsweise dem selbst gesetzten Ziel von einem Veräußerungserlös der Summe X. Diese auch einzuspielen, darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass Sie entschlossen und beherzt die Entscheidungen treffen und umsetzen, die für diese Stadt notwendig sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Zu den öffentlichen Beteiligungen kann man vieles sagen. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum die BSR mit Schneepflügen durch die Stadt fährt und darin privaten Unternehmen Konkurrenz macht. Man sollte die Anstalten des öffentlichen Rechts – wenn man sie an dieser Stelle vorhalten möchte, wofür einiges in der Daseinsvorsorge spricht – anhalten, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Aber subventionierte Konkurrenz zu Privaten – da sage ich nur: Nein, danke! Im Übrigen: Sie in die Form eines privaten Gesellschaftsrechts zu bringen, so dass das Parlament nicht mehr in der Lage ist, in irgendeiner Form Kontrolle auszuüben, das ist nur ein Schritt zur staatlich organisierten Verantwortungslosigkeit. Gott bewahre! Entweder machen wir einen klaren Schnitt und sagen: Das war’s mit der Beteiligung. Sie werden veräußert, am Markt platziert! – Oder wir behalten sie in einer Rechtsform, die uns – als diejenigen, die sie im weitesten Sinne alimentieren müssen, weil sie nicht wettbewerbsfähig sind – auch die Möglichkeit gibt, entsprechende Informationen auf einer vernünftigen Grundlage zu erhalten und auch Einfluss auf entsprechende unternehmerische Entscheidungen zu nehmen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Sarrazin! Sie haben vorhin gesagt, es sei betrüblich, dass Berlin früher mehr Einwohner hatte. Das ist richtig, aber ich ziehe daraus einen anderen Schluss als Sie: Es wäre ein lohnendes Ziel, das wir uns stecken könnten. Was hält uns davon ab, uns als Ziel zu setzen: Wir wollen in zehn Jahren vier Millionen Einwohner in dieser Stadt haben? –

[Heiterkeit des Abg. Müller (SPD)]

Das ist keine unvernünftige Strategie. – Herr Müller, Sie lachen, aber gucken Sie sich andere Metropolen an!

[Zurufe von der SPD, der PDS und den Grünen]

Sie verfolgen nämlich durchaus diese Strategie – und erfolgreich. Sie müssen gar nicht so weit gehen: Gucken

Sie sich Hamburg an! Gucken Sie sich Toronto an! Gehen Sie in die Öresund-Region! Überall wird es gemacht, und zwar nicht, weil sie dort zu viel Geld hätten, nein, weil man sich die Frage stellt: Wie kann man Infrastruktur und deren Lasten auf mehrere Schultern gerecht verteilen?

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gaebler?

Nein, das werde ich nicht tun, Herr Gaebler! Das können wir nachher gern am Rande besprechen. Was Sie fragen wollen, wird mich nicht wesentlich weiterbringen.

[Beifall bei der CDU]

Außerdem sind die zwanzig Minuten erreicht, so dass ich den großzügigen Aspekt noch kurz dafür verwenden möchte, Ihnen Folgendes mit auf den Weg zu geben: Man sollte sich zum Ziel setzen, Berlin zu einer lebenswerten Stadt zu machen. Das ist richtig. Das bedeutet Sicherheit in der Stadt. Das bedeutet Sauberkeit in der Stadt. Das bedeutet Mobilität in der Stadt. Wenn Herr Strieder nicht so viele Gedanken darauf verschwendete, Straßen zurückzubauen, irgendwo Poller hinzusetzen, die in dieser Form niemand haben möchte, wenn man sich einmal die Frage stellen könnte: Wir kann man dafür Sorge tragen, dass es in dieser Stadt fließt,

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

dass es Bewegung gibt, wäre das Geld deutlich sinnvoller investiert.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Zu einer lebenswerten Stadt gehört im Übrigen auch, dass sie Inspiration bietet. Das tut sie in vielen Gebieten – interessanterweise dort, wo der Staat und der Senat nicht ihre Finger mit im Spiel haben. Das ist Privatinitiative, das ist der Off-Bereich in der Kulturszene. Da passiert etwas. Wir leisten uns, aus welchen Gründen auch immer, auch dort eine staatliche Alimentierung, die im Endeffekt nicht dazu führt, dass es in dieser Stadt selbst auf künstle

aber eins sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wir haben jetzt Themen angepackt, die zur Zeit einer großen Koalition nie möglich und absolut tabu gewesen wären.

Ich werde jetzt nicht alle einzelnen Themen noch einmal wiederholen; Herr Sarrazin hat in seiner Rede alles explizit gesagt. Aber einiges sage ich noch zu einzelnen Problematiken. Der Ausstieg aus der Anschlussforderung; Strukturentscheidungen in der Hochschulmedizin; der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, der zu nachhaltigen Einsparungen führt, ohne das soziale Gleichgewicht zu gefährden – aber noch viel wichtiger ist: Es wird in Berlin gehandelt.

rischem Niveau eine Weiterentwicklung gibt. Auch das halte ich für eine Fehlentwicklung.

Chancenreiche Stadt – das ist ein weiterer Aspekt. Vorhin haben wir uns darüber unterhalten, inwieweit wir mit den Berliner Symphonikern an den Schulen noch eine halbwegs vernünftige Grundbildung bieten können, was das musikalische Verständnis angeht. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, in unseren Schulen die grundlegenden Kulturfertigkeiten zu vermitteln – da müssen Sie gar nicht den Kopf schütteln – welche Chancen sollen in dieser Stadt für junge Menschen entstehen, wenn Sie ihnen Rahmenbedingungen bieten, die so abenteuerlich schlecht sind? – Wir haben als Politiker nur eine Möglichkeit, den Bürgern und Bürgerinnen etwas mitzugeben: indem wir ihnen eine gute Ausbildung bieten, mit der sie sich später selbst ernähren können. Wenn Sie an dieser Stelle anfangen zu kürzen und zu sparen, dann sparen Sie an der Zukunft der jungen Menschen, und das ist indiskutabel und unvertretbar.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Herr Kollege Zimmer, die Großzügigkeit nähert sich – –

Herr Präsident! Mit Ihrem Einverständnis komme ich zum Schlusssatz. – Berlin ist mit Sicherheit kein Platz zum Kuscheln, denn Berlin ist die Stadt der Chancen, ohne dass es das Recht des Stärkeren in dieser Stadt geben darf. Wir müssen es – und das ist das Wichtigste von allem – auch mit diesem Haushalt wieder möglich machen, dass unser Land und vor allen Dingen wir, die Berlinerinnen und Berliner, wieder eine Perspektive haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Zimmer! Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Frau Spranger. – Bitte schön!

[Henkel (CDU): Punktlandung! – Rabbach (CDU): Nicht wieder so daneben wie sonst!]

Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Mit den vom Berliner Senat vorgelegten Eckzahlen und mit dem Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2004/2005 wird der eingeschlagene Weg der Konsolidierung weiter fortgesetzt.

[Gelächter bei der CDU und der FDP]

Trotz aller Unkenrufe, trotz aller Kritik, ob das im Vorfeld oder gestern im Hauptausschuss oder heute in den Zeitungen war, hat sich gezeigt, dass die Koalition willens und in der Lage ist, schwierige Beschlüsse auch durchzusetzen. Berlin hat in den letzten zwanzig Monaten der rotroten Koalition einen echten Mentalitätswechsel erlebt. Ich gehöre diesem Parlament seit dem Jahr 1999 an und

habe noch die letzten Züge der großen Koalition mit erleben dürfen,

[Hoffmann (CDU): „Dürfen“ war das richtige Wort! – Czaja (CDU): Davon zehren wir noch heute!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der zentrale Stellenpool wird zum 1. Januar 2004 eingerichtet sein. Das Gebäudemanagement arbeitet bereits.

Schulden sind nach wie vor das drängendste Problem unserer Stadt. Bei einem Stand von über 50 Milliarden € am Ende des Jahres 2003 und einer jährlichen Zinsbelastung in den nächsten zwei Jahren von ca. 2,5 Milliarden € ist eines klar: Ohne Bundeshilfe, ohne die Solidarität der Länder werden wir aus der Spirale der Neuverschuldung und der steigenden Zinsbelastung nicht befreit werden können, weder mit immer größeren Einsparungen noch mit höheren Einnahmen.

Deswegen reicht Berlin – das hat der Finanzsenator vorhin klar benannt – die Klage auf Feststellung der Haushaltsnotlage und Teilentschuldung im September beim Bundesverfassungsgericht ein. Doch genauso klar ist, dass allein die Bundeshilfe den Berliner Haushalt nicht retten wird. Vielmehr ist unbedingte und zwingende Voraussetzung für den Erfolg unserer Klage, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, solange es sozial verträglich ist, um unsere Ausgaben in allen Bereichen abzusenken.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Eines ist dabei gewiss: Bildung und Wissenschaft sichern die Zukunft unserer Stadt. Sie haben unter allen Politikbereichen absolute Priorität, auch wenn wir – das habe ich schon gestern im Hauptausschuss gesagt – selbstverständlich auch in diesen beiden Bereichen Sparmaßnahmen durchführen müssen.

Wir konsolidieren den Haushalt mit Blick auf die Zukunftssicherung unserer Kinder. Einen anderen Grund dafür gibt es nicht. Wichtig ist darüber hinaus das Sparen, dass auch die jetzige Generation der Erwachsenen nicht zu sehr belasten darf und sozial verträglich sein muss. Mit dem Beschluss des Senats über strukturelle Konsolidie

die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden.

Mit der Liga der Wohlfahrtsverbände konnten Vereinbarungen über eine Kostenabsenkung getroffen werden, die den Bezirken bei der Steuerung ihrer Sozialausgaben helfen. Sozialmissbrauch wird härter als bisher bekämpft. Bei der Bekleidungshilfe orientieren wir uns in Zukunft am Hamburger Modell. 33 Millionen € können eingespart werden, wenn Sozialhilfeempfänger in

Krankenversicherung einbezogen werden. All das sind notwendige Maßnahmen, die nicht zu übermäßigen Härten für die Betroffenen führen werden.

Von einer Besserstellung der Beschäftigten bei den freien Trägern im Vergleich zu den Angestellten des öffentlichen Dienstes kann nicht mehr gesprochen werden. Die 1:1-Übertragung des Tarifvertrages des Landes Berlin auf die freien Träger ist nicht möglich. Wir müssen uns ansehen, dass Tarifsteigerungen bei den freien Trägern, bei den Wohlfahrtsverbänden, schon über Jahre nicht mehr vorgenommen worden sind und das Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht mehr gezahlt werden. Die Beschäftigungssicherung bis 2009 kann so natürlich nicht mehr übernommen werden, weil sich das mit dem Zuwendungsrecht beißt. Deshalb kann ein freier Träger diese Beschäftigungsgarantie natürlich auch nicht geben. Genauso sieht es mit der Arbeitszeitverkürzung aus. Das würde bedeuten, da die meisten freien Träger nicht über einen Stellenpool verfügen, dass sie Neueinstellungen vornehmen müssten. Deshalb haben wir gestern im Hauptausschuss als Regierungsfraktion einen Beschluss gefasst und das entsprechende Schreiben klargestellt.