Protocol of the Session on June 26, 2003

Entweder diskutiert dieses Haus wirklich mit dem gebotenen Ernst über einzelne Sanierungsschritte in einzelnen Bereichen – wofür ich immer bin – oder wir führen eine polemische Haushaltsdebatte. Dann bin ich jedoch dafür, dass die Fernsehkameras zugeschaltet sind und wir das zu einer Tageszeit tun, zu der die Öffentlichkeit Anteil haben kann an unserer Diskussion. Sie werden beiden Ansprüchen nicht gerecht.

Das Problem, das die Grünen mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit aufwerfen, dazu sage ich Ihnen – ebenso wie der Finanzsenator es getan hat, der sich im

Gegensatz zu dem, was Sie ihm unterstellen, sehr differenziert bemüht hat, Ihnen eine Antwort darauf zu geben, was der Senat beabsichtigt, in einzelnen Bereichen zu tun oder auch nicht zu tun und das zu einem Zeitpunkt, wo der Senat gerade dabei ist, einen Haushalt aufzustellen. Die Zeit, das zu tun, die sollte er durchaus bekommen. Sie werden in wenigen Tagen, in wenigen Wochen sehen,

[Eßer (Grüne): Was denn nun, wenige Tage oder wenige Wochen?]

was der Senat zur Sanierung in einzelnen Schritten beschlossen hat. Ich finde, der Finanzsenator ist Ihnen heute außerordentlich weit entgegengekommen mit seinen differenzierten Antworten, zu denen er in dieser Form nicht verpflichtet ist.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Da ist ein umfassender Weg zu gehen. Ich bin froh, dass der Stadtentwicklungssenator, Peter Strieder, entgegen vieler Unterstellungen, auch mit großem persönlichen Einsatz daran gegangen ist, eine umfassende Generalrevision und Neuplanung in den Entwicklungsgebieten vorzunehmen. Das ist exemplarisch ein zentraler Sanierungsschritt, der gegangen werden muss und der ein korrespondierender Schritt sein muss für eine Übernahme der Defizite der Treuhandvermögen in den Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren von den Grünen! Es gibt eine prinzipielle Differenz mit Ihnen: Sie verbinden die Frage echter Schattenhaushalte mit dem Problem allgemeiner Risiken. Es ist ja bekannt, dass bei der Staatsoper ein Sanierungsbedarf besteht. Ich sage Ihnen aber auch – und da besteht eine prinzipielle Differenz zu Ihnen –, dass wir nicht bereit sind, das Füllhorn der Neuverschuldung aufzumachen und zu sagen: Weil dort ein marodes Gebäude ist, muss man sich weiter neu verschulden. Das ist ein völlig unverantwortlicher weiterer Gang in die

Ich sage Ihnen aber auch ganz klar: Das wird eben nicht in jedem Einzelfall sofort gehen, sondern die Investitionsplanung des Landes Berlin hat einen richtig dicken Deckel, und zwar den Deckel dessen, was das Land Berlin sich leisten kann und was nicht. Da stellen wir uns eben einmal hinten an, wenn es um bestimmte Strukturen geht.

Für die Staatsoper bedeutet das: Die muss dann eben warten. Da schließe ich mich dem Finanzsenator in der Hoffnung an, dass sie es noch ein bisschen macht, weil es sich das Land Berlin eben nicht leisten kann, dass wir Investitionsvolumen in diesem Umfang aus der Verschuldung finanzieren. Das würde eben nicht funktionieren.

Was Sie nicht ausreichend berücksichtigen, ist die Tatsache, dass die entscheidende Frage der Finanzpolitik Berlins darin besteht, ob wir die Klage in Karlsruhe durchbekommen oder nicht. Da finde ich die Larmoyanz, mit der in diesem Haus und von weiten Teilen der Opposition angetreten wird, um andere Bundesländer und den Bund abzukassieren, für die Verweigerung von Strukturreformen, für die Finanzierung des Status quo auf Pump – das tun Sie nämlich –,

Verschuldung, und davon hat diese Stadt bereits viel zu viel.

[Unruhe]

Sie unterziehen sich nicht der Mühe, zu berücksichtigen, dass dieses Land pleite ist und dass nicht alles, was politisch wünschenswert ist, auch finanzpolitisch machbar ist. Das ist die prinzipielle Differenz, die wir zu Ihnen haben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das ist aber eine ziemlich gewichtige Differenz, weil sie darin besteht, ob man sich den Realitäten, den haushaltspolitischen Realitäten in dieser Stadt, stellt oder ob man anfängt, den Menschen das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen.

[Hoffmann (CDU): Das ist ja Quatsch!]

Genau das tun Sie. Sie versprechen den Menschen vom Himmel herunter, dass es noch finanzpolitisch verantwortbar wäre, dass ICC komplett zu sanieren, den Steglitzer Kreisel und die Staatsoper gleich noch oben drauf.

[Schruoffeneger (Grüne): Was ist denn Ihre Alternative?]

Sie erwähnen dabei aber nicht, dass dies ein entsprechendes Problem bei den Landesfinanzen auslöst, weil Sie damit die Verschuldung in völlig unverantwortlicher Weise nach oben treiben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Herr Kollege Wechselberg! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niedergesäß? – Bitte schön, Herr Kollege Niedergesäß!

Herr Wechselberg! Sie zählen jetzt nur alles auf, was nicht geht. Dann erklären Sie uns doch bitte, ob Sie die Staatsoper, das ICC oder den Kreisel abreißen wollen, wenn Sie kein Geld in diese Gebäude stecken wollen. Wollen Sie unseren Jugendlichen, die auch einmal in unser Alter kommen werden, nur eine marode Infrastruktur hinterlassen? Wollen Sie denn alles verkommen lassen, dass die Stadt dann so aussieht wie nach dem Zweiten Weltkrieg? Machen Sie doch einmal Vorschläge, wie Sie die Oper sanieren wollen und erklären Sie nicht nur, wie Sie den Haushalt konsolidieren wollen, was Sie ohnehin nicht schaffen werden.

[Unruhe bei der PDS]

Bitte schön, Herr Kollege Wechselberg!

Die Feststellung, die Sie zur Sanierungsfähigkeit des Berliner Haushalts machen, ist ja sehr interessant. Da habe ich eine prinzipielle Differenz zu Ihnen. Was die maroden Einzeleinrichtungen angeht, die Sie hier ansprechen: Die sind nicht vom Himmel gefallen. Die haben im Wesentlichen Sie zu verantworten.

[Beifall bei der PDS – Unruhe bei der CDU]

Und wir müssen uns nun bemühen, den Misthaufen abzuräumen, den Sie uns hinterlassen haben.

[Hoffmann (CDU): Wo steht denn die Staatsoper?]

[Beifall bei der PDS und der SPD – Dr. Lindner (FDP): Sie wollen die Oper also abreißen?]

[Dr. Lindner (FDP): Das ist ja lächerlich!]

wie Sie mit dieser Haltung in Karlsruhe antreten wollen, indem Sie noch einmal richtig in die Kreditverschuldung hineingehen wollen, damit andere Bundesländer uns entschulden müssen, das ist in einem Maße altes Denken, wie ich es nicht mehr für möglich gehalten habe.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Sie wollen, dass andere uns auf Pump weiterfinanzieren, und diese Koalition sagt Ihnen: Ohne uns!

[Niedergesäß (CDU): Ohne euch, ist klar!]

Das werden wir nicht tun.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Der Senat wird Ihnen, und da bin ich fest überzeugt, einen Doppelhaushaltsentwurf und eine Finanzplanung vorlegen, die die zentralen Antworten auf die finanzpolitische Krise dieser Stadt gibt. Das werden wir tun, weil wir es tun müssen. Wir werden damit eine Klage in Karlsruhe einreichen, die auch Bestand haben kann. Das setzt eben voraus, dass wir nachweisen, dass diese Stadt auf Dauer in der Lage ist, sich mit einem stabilen Maß an finanzieller Mehrausstattung gegenüber anderen Bundesländern selbst zu finanzieren,

[Eßer (Grüne): Da widersprechen Sie genau Herrn Zackenfels!]

weil wir eben nicht vertreten können, dass das alles weiter auf Pump läuft und weil wir nicht vertreten können, dass auf Dauer andere die Strukturprobleme der Berliner Finanzen bezahlen. Genau das werden wir in Karlsruhe nachweisen. Dazu wird der Doppelhaushalt ein ganz zentraler Baustein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben sich die Gemüter wieder beruhigt? –

Wenn Sie uns vorwerfen, wir würden nur die anderen Länder abkassieren, dann haben Sie nicht verstanden, dass man diese Stadt nicht über eine reine Sparorgie konsolidieren kann, sondern dass man auch sehen muss, wo diese Stadt ihre Stärken entwickeln kann. Dazu gehören zum Beispiel die Staatsoper und das ICC. Wenn wir sagen, wir wollen diese Stärken wirklich entwickeln, dann geht es genau darum, in ferner Zukunft – 20, 30 Jahren – im Finanzausgleich von einem Empfängerland zu einem Geberland zu werden, wie es Bayern, Baden-Württemberg und einige weitere Länder vorgemacht haben, indem sie ihre Stärken nach vorne geschoben haben. Sie sind der Abbau- und der Verfallssenator. Eine andere Linie ist nicht mehr erkennbar.

Herr Kollege Wechselberg möchte nicht entgegnen. Dann hat der Kollege Meyer von der FDP das Wort – bitte schön!

Ich freue mich auf eine Auseinandersetzung über die Frage, wie Sie das alles, was Sie in der Berliner Öffentlichkeit versprechen, finanzieren wollen. Wir werden Ihnen einen Entwurf vorlegen, der sowohl die Nachhaltigkeit der Berliner Finanzen sicherstellt, als auch die Klagefähigkeit in Karlsruhe, als auch ein vertretbares Maß an Einschnitten, denn auch das ist ein zentraler Unterschied zwischen Ihnen und uns. Diese Koalition hat das Rückgrat, die Kraft und den Mut, den Berlinerinnen und Berlinern zu sagen, dass es Einschnitte braucht. Dieser Mut hat Sie schon lange verlassen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Zu einer Kurzintervention möchte nunmehr Herr Kollege Schruoffeneger das Wort ergreifen – bitte schön!

[Klemm (PDS): Aber nur, wenn er mal einen Deckungsvorschlag bringt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wechselberg! Sie haben soeben hauptsächlich über Investitionen geredet. Das Land Berlin hat dieses Jahr Investitionsausgaben in Höhe von 1,94 Milliarden €. Davon sind reale Investitionen – wenn man einmal solche Dinge wie BVG-Kapitalzuführung und Bankgesellschaft-Kapitalzuführung abzieht – in Höhe von 1,1 Milliarden €. Wir bekommen aber wesentlich mehr von Dritten, vom Bund und der EU, als zweckgebundene Investitionszuschüsse in unseren Haushalt hinein, als wir tatsächlich noch für Investitionen ausgeben. Das ist das Dilemma.

Viele der Altlasten, über die wir reden – diese Schattenhaushalte –, sind Dinge, die Sie investiv regeln müssten. Es würde der Berliner Wirtschaft und dem Standort Berlin gut tun, wenn sie es regeln würden, und wir endlich das, was wir von Dritten bekommen, auch investiv ausgeben würden, statt es konsumtiv zu verbraten, wie Sie es zurzeit tun.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir reden über Projekte, die Sie nicht schön finden können. Wir finden sie auch nicht schön. Aber was machen Sie denn mit dem Kreisel? Was machen Sie mit dem ICC? Sie können diese Gebäude doch nicht marode verfallen lassen. Ich weiß, da haben Sie jahrelange Erfahrungen in einem großen Teil der Stadt.