Protocol of the Session on May 8, 2003

Jetzt ist der Abgeordnete Herr von Lüdeke von der Fraktion der FDP mit der Anfrage

Wird das Brandenburger Tor zugepflastert?

an der Reihe. – Bitte schön, Herr von Lüdeke, Sie haben das Wort!

Außerdem – darauf lege ich Wert, denn das geht an meine Berufsehre – verwende ich niemals unseriöse Zahlen, grundsätzlich nicht.

Insofern: Weil ich nichts gesagt habe, kann ich nichts dementieren, darum kann es auch keinen Imageschaden geben.

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Tatsächlich geht es um ein Thema von großem Ernst, und das haben Sie vielleicht auch gemerkt oder gemeint. Wie ich immer wieder sage und wie Sie deshalb auch schon wissen, geben wir pro Kopf der Einwohner 47 % mehr aus als der Bundesdurchschnitt, umgerechnet im Jahr 6,6 Milliarden €. Wir geben für die Universitäten und Hochschulen ebenfalls mehr aus: 73 % mehr als der Bundesdurchschnitt, umgerechnet im Jahr ungefähr 600 Millionen €. Wegen dieser überhöhten Ausgaben, von denen Ausgaben für Universitäten und Hochschulen ein Teil sind, zahlen wir bereits doppelt so viele Zinsen wie der Bundesdurchschnitt: 1,1 Milliarden € mehr Zinsen im Jahr als andere. Die Zinsausgaben wachsen in jedem Jahr um den Gegenwert einer Universität: 250 Millionen € mehr Zinsausgaben pro Jahr sind ohne medizinische Fakultäten eine Universität in Berlin.

Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Inwieweit treffen Meldungen zu, wonach im Rahmen einer Umgestaltung des Platzes des 18. März die für den Pkw-Verkehr leider stillgelegten und vor wenigen Monaten neu gepflasterten Fahrbahnen durch das Brandenburger Tor aufgeschüttet und anschließend erneut gepflastert werden sollen?

Herr Bausenator Strieder!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Abgeordneter von Lüdeke! Die angeblichen Berichte, die ich nicht kenne, treffen nicht zu, sondern unter dem Brandenburger Tor sind Straße und Gehweg im Rahmen der Sanierung des Brandenburger Tores neu hergerichtet worden. Die Leitungen darunter sind neu gemacht worden. Die Arbeiten sind mit der Enthüllung des Brandenburger Tores abgeschlossen worden. Es wird nichts aufgerissen, nichts aufgeschüttet, das ist längst erledigt.

Danke schön, Herr Senator! – Keine Nachfrage des Kollegen von Lüdeke!

Dann rufe ich auf die Anfrage lfd. Nr. 5, Frau Abgeordnete Paus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema

Schwerer Imageschaden für den Wissenschaftsstandort Berlin

Bitte schön, Frau Paus, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie will der Senat den Imageschaden wieder gutmachen, den Finanzsenator Sarrazin mit seinen unseriösen Zahlen zu den Berliner Hochschulen angerichtet hat und die zu Reaktionen wie der Schließungsdrohung des Botanischen Gartens geführt haben?

2. Hält der Senat weiterhin an der Aussage der Koalitionsvereinbarung fest, wonach 85 000 ausfinanzierte Studienplätze in Berlin gesichert werden, und wie sind die öffentlich verkündeten Zahlenspiele des Finanzsenators mit dieser Aussage in Übereinstimmung zu bringen?

Danke schön! – Zur Beantwortung der Senator für Finanzen, Herr Dr. Sarrazin! – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Paus! Der Vorgang ist sehr interessant. Ich habe noch einmal nachgeschaut. Ich habe mich sei acht Wochen – genau seit dem 17. März – nicht mehr öffentlich zu dem Thema Hochschulen geäußert. Das mögen Sie bedauern, das ist aber leider eine Tatsache. Vielleicht finden Sie das auch gut, das weiß ich nicht.

[Heiterkeit – Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das heißt nicht unbedingt, dass alle Zahlen bei allen unbedingte Begeisterung auslösen. Das kann man auch nicht verlangen. Aber sie sind immer Gegenstand von Diskussionen.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Darauf muss man eine Antwort finden. In einem Konzept – und da finde ich sicher Ihre Zustimmung auf Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik – müssen wir darauf eine inhaltliche Antwort finden. Das ist nicht einfach. Dabei kann kein Bereich, auch nicht der der Hochschulen, unbeachtet bleiben. Das wird wohl allgemein auch keiner bestreiten – auch nicht der Wissenschaftssenator übrigens –, das wird bei der Verhandlung der neuen Hochschulverträge ab dem Jahr 2006 in geeigneter Weise zu beachten sein. Bei solch einer für die Haushaltswirtschaft verträglichen Neugestaltung der Verträge und Zuschüsse gibt es einnahmeseitig und ausgabeseitig zahlreiche Ansatzpunkte. Von denen habe ich den einen oder anderen im vergangen Jahr in die öffentliche Diskussion eingeführt. Das ist auch meine Aufgabe. Dabei geht es immer um Umschichtungen und die Verbesserung der Effizienz. Denn so edel Hochschulausgaben sind, dass dort alles in Ordnung wäre und alles absolut wirtschaftlich ist, wird keiner behaupten. Die damit ausgelösten öffentlichen Diskussionen sind einerseits unvermeidlich, andererseits für das Image des Landes keineswegs schädlich. Schädlich wäre der Eindruck, dass Berlin seinen ungelösten Finanzproblemen passiv und ratlos gegenübersteht.

Die Ausfinanzierung der gegenwärtig 85 000 Studienplätze ist für die Vertragslaufzeit bis zum Jahr 2005 garantiert. Bei effizienzorientiertem Vorgehen können da

Darüber hinaus haben wir andere Ungleichgewichte, und dies ist vor allen Dingen für den Wissenschaftsstandort Berlin wichtig: Wir haben in der Mathematik, den Naturwissenschaften und der Physik, wo Studienplätze 48 Millionen € kosten für alle drei Universitäten – auch das ist nur ein bescheidener Teil des Zuschusses an die Universitäten –, im Augenblick eine Unterauslastung von 40 %. Das heißt, dass die Studienplätze, die besonders wichtig wären für den Wissenschaftsstandort, vorgehalten werden und vorgehalten werden müssen, aber sie werden gar nicht ausreichend nachgefragt, während wir am anderen Ende – und das hat nichts zu tun mit dem Wissenschaftsstandort Berlin – wesentlich mehr Lehrer und auch Juristen ausbilden, als Berlin langfristig brauchen wird.

Zum Thema der Einnahmen und Ausgaben ist zu sagen: Berlin wird langfristig – und dabei wird es in etwa bleiben –, wenn die Zuweisungen aus dem Solidarpakt Ost abgebaut sind, etwa 1,5 Milliarden € mehr einnehmen als der Bundesdurchschnitt umgerechnet auf die Einwohner. Denn bei den Gewerbesteuereinnahmen, den Gemeindeeinnahmen, haben wir in der Tat bedauerliche Defizite. Die sind übrigens sehr unterschiedlich, sie betragen gegenüber dem Durchschnitt der Großstädte 700 Millionen €. Da haben Sie in etwa Recht. Dies wird langfristig nur durch wirtschaftliches Wachstum aufzuholen sein. Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Ausgaben für Universitäten ist außerordentlich lose, wenn er überhaupt nachweisbar ist. Ich bin aber ausdrücklich der Meinung: Ganz egal, was wir umschichten bei den Universitäten – und wir werden einiges umschichten müssen –, sollen und werden dabei wirtschaftsnahe und wissenschaftsnahe qualitative Hochleistungen nicht leiden. Dass dies umsetzbar ist, habe ich durch die Zahlen, glaube ich, belegt.

nach aus meiner Sicht notwendige Änderungen bei den Zuschüssen nicht unbedingt zu Lasten der Studienplätze gehen, wenn man die übrigen Effizienzmargen hinreichend ausschöpft. Andererseits sage ich auch, dass die Zahl der Plätze allein noch kein ausreichender Indikator dafür ist, ob wir eine gute Hochschulpolitik machen oder nicht. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – [Beifall der Abgn. Dr. Kaczmarczyk (PDS) und Wechselberg (PDS) – Niedergesäß (CDU): Wir machen sowieso eine schlechte!]

Danke schön, Herr Senator Sarrazin! – Eine Nachfrage der Frau Kollegin Paus, bitte schön!

Ich frage den Senator: Wie hoch schätzen Sie die Effizienzmargen ein, angesichts dessen, dass Berlin bei den Ausgaben pro Studierendem wahrlich nicht über dem Bundesdurchschnitt liegt? Zum Zweiten: Wie schätzt der Finanzsenator die Möglichkeit ein, den Berliner Haushalt zu konsolidieren, wenn er überhaupt nicht in Betracht zieht, dass Berlin bei den kommunalen Steuern um 800 Millionen € unter dem Bundesdurchschnitt liegt und dass die Wirtschaftskraft des Landes Berlin ganz eindeutig davon abhängt, die Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hinzubekommen? Es kann nur darüber gehen. Diese 800 Millionen € Mehreinnahmen sind Nettomehreinnahmen für das Land Berlin und können dafür genommen werden, dass der Wissenschaftsstandort erhalten und gestärkt wird.

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte!

Das waren viele Fragen in einem. Ich werde sie nacheinander beantworten.

[Frau Paus (Grüne): Zwei!]

Zunächst: Es kommt nicht auf die Zahl der Studenten an, sondern auf die Zahl der Absolventen. Hier soll nicht der Input, sondern der Output optimiert werden.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Auch bei den Absolventen liegt Berlin im Schnitt!]

Zur Zahl der Absolventen ist zu sagen: Wenn man die Zahlen der Kosten der Lehre in Hamburg und Berlin vergleicht – da gibt es einen aktuellen Vergleich des Instituts von HIS –, dann ergibt sich, dass die Kosten pro Absolvent in der Lehre in Berlin im Jahr 2000 um 56 % über denen im Hamburg lagen. Umgerechnet – diese Umrechnungen sind immer mit methodischen Überlegungen verbunden – ist allein dies ein Betrag von 108 Millionen € pro Jahr, wenn wir die Effizienz von Hamburg in der Lehre hätten. Darüber hinaus haben wir einen überdurchschnittlichen Anteil von Absolventen von Universitäten im Vergleich zu den Fachhochschulabsolventen. Wenn man bedenkt, dass ein Studienplatz bei Fachhochschulen die Hälfte kostet, dass man dort außerdem kürzer studiert, kommen Sie, wenn Sie dies über die

Zeit umschichten, auch hier zu einem hohen dreistelligen jährlichen Betrag.

Danke schön, Herr Senator Sarrazin! – Eine Nachfrage von Frau Paus, bitte!

Ganz abgesehen davon, Herr Sarrazin, dass ich Ihnen auch empfehlen würde, Ihre Zahlen zu aktualisieren, was die Unterauslastung angeht in den Fächern, die Sie angesprochen haben z. B. im Ingenieurswesen, beziehen sich Ihre Zahlen auf 2000, das sieht im Jahr 2002 ganz anders aus – –

Es muss schon eine Frage sein, Frau Paus, wie Sie wissen!

Ich möchte noch einmal auf den zweiten Teil meiner Frage zurückkommen, auf das Thema Imageschaden für das Land und den Wissenschaftsstandort Berlin.

[Zuruf von der SPD: Fragen!]

Sehen Sie, das sagen die Kolleginnen auch!

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte!

Herr Abgeordneter Hoff! Die Antwort lautet selbstverständlich: Unbedingt ja! – Aber meine finanzverfassungsrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen verweisen mich leider darauf, dass eine Bundesfinanzierung unzulässig ist und dass bei den übrigen Ländern der nachhaltige Wille besteht, sich nicht auf diesen Weg einzulassen.

Herr Sarrazin! Da Sie offensichtlich der These anhängen, dass Berlin im Bereich Wissenschaft und Forschung einen Ausstattungsvorsprung gegenüber anderen Standorten in der Bundesrepublik hat, frage ich Sie: Teilen Sie die Einschätzung, dass die Stadt Hamburg in Bezug auf Häfen deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt?

[Heiterkeit]

Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass nicht nur die Titelseite der „Zeit“ in der vergangenen Woche mit der Schlagzeile über die massive Gefährdung des Hochschulstandorts Berlin und die Konsequenzen für Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin geschmückt war, sondern inzwischen auch eine international renommierte Fachzeitschrift wie „Nature“ es zum Thema macht, wie die Hochschul- und Wissenschaftssituation im Land Berlin aussieht? Wie interpretieren Sie das in Bezug auf die positive Entwicklung und Zukunft des Landes Berlin?

Herr Senator Dr. Sarrazin!