Protocol of the Session on November 14, 2002

Die CDU hat mit dieser Anfrage wieder einmal deutlich gemacht, dass ihr zur Kriminalitätsbekämpfung nichts einfällt außer Polizeipräsenz und Technik. Natürlich ist die Ausstattung der Polizei schlecht, natürlich sind die Autos veraltet, und natürlich wollen auch wir, wenn schon, statt alter stinkender Wannen neue schicke Wagen auf dem neusten ökologischen Standard auf Berlins Straßen sehen. Das will niemand klein reden. Ich habe nur von Ihnen keinen einzigen Satz gehört, wie das finanziert werden soll. Es ist anscheinend bei Ihnen immer noch nicht angekommen, dass wir hier lediglich den Mangel noch verwalten können in der Stadt und zwar auch als Opposition. Und zwar weil Sie in 16 Jahren Großer Koalition mit der SPD zusammen alle Chancen verspielt haben! Und dieses finanzpolitische Problem, das Sie dieser Stadt hinterlassen haben, wirkt sich auch sicherheitspolitisch aus.

[Zurufe der Abgn. Cramer (Grüne) und Hoffmann (CDU)]

Aber nicht, weil wir zu wenig Polizisten hätten. Die Polizeidichte von 1 zu 188 lässt sich im Bundesdurchschnitt immer noch sehen. Worüber wir uns wirklich und ernsthaft Sorgen machen würden – und das wäre eine sicherheitspolitische Debatte, die man führen müsste –, ist, wie sich die sozialen Spannungen auswirken, die wir auf Grund der Haushaltsmisere in dieser Stadt bekommen werden.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Jede Einsparung im Bereich sozialer Hilfe, jede individuelle wirtschaftliche Notlage wird die Kriminalitätsentwicklung nach oben treiben. Jede Jugendeinrichtung, die wir streichen, jede Hilfsmaßnahme, die wir sparen, jede Resozialisierungsmaßnahme im Knast, die wir kürzen, und jeder Drogenkonsumraum, den wir nicht einrichten, ist kriminalitätsfördernd.

[Beifall des Abg. Over (PDS)]

Und auch die Jugenddelinquenz lässt sich nicht, wie von Ihnen vorgeschlagen, noch durch frühere strafrechtliche Verfolgung und das Wegsperren lösen. Diese Probleme werden wir auch nicht mit Polizeipräsenz lösen. Wir müssen endlich begreifen, und vor allen Dingen Sie müssen endlich auch begreifen, dass es hier um gesamtgesellschaftliche Aufgaben geht. Auch Sozial-, Jugend- und Schulpolitik sind sicherheitsrelevant.

Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Ressourcen, die wir noch haben, müssen wir endlich anfangen, kreativ und mutig eine ganzheitliche Kriminalpolitik zu betreiben, die an den Ursachen ansetzt. Jedes Modellprojekt in der bezirklichen Präventionsarbeit verdient mindestens soviel Aufmerksamkeit wie der Erhalt eines Polizeiabschnitts.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Dazu bedarf es, und das müssen wir sicherlich mobilisieren in der nächsten Zeit, eben weil es kaum noch Mittel gibt, um tatsächlich ausreichende Ressourcen bereitzustellen, der Förderung von ehrenamtlichem Engagement. Dieses Potential gibt es. Wir müssen nur aufpassen, dass wir es jetzt nicht mit den Streichungen, die wir vornehmen oder die vorgenommen werden, verschütten und alle Ansätze kaputt machen. Es gibt sie in der Gefangenenarbeit, in der Opferarbeit, sei es der Schwulenverband Mannometer oder die Schuldnerberatung, die hier wertvolle Hilfestellungen leisten.

In der Koalitionsvereinbarung hat die Regierung versprochen, Berlin als weltoffene, liberale und sichere Metropole zu erhalten. Ich zitiere:

Öffentliche Sicherheit bedeutet neben dem Schutz vor Kriminalität als staatlicher Kernaufgabe auch

den Schutz des Einzelnen und der Öffentlichkeit vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen. Die öffentliche Sicherheit wird nicht nur durch strafrechtliche Vorschriften und deren wirksame Umsetzung gewährleistet.

Kriminalitätsprävention beinhalte, so die Koalitionsvereinbarung, auch gute Familienpolitik und ausreichende Lehr- und Arbeitsstellen. An dem Punkt und an diesen Maßstäben, Herr Körting, muss man Ihre Kriminalitäts- und Sicherheitspolitik messen und nicht an dem, was die CDU hier an Fragen in die Öffentlichkeit gestellt hat.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der SPD]

Schaut man sich allerdings an, wie Sie im Bereich der Ausländer- und Asylpolitik in der Stadt mit den Migrantinnen und Migranten umgehen, wie Sie Ihre Ausländerbehörde führen oder auch nicht führen, muss man allerdings Zweifel haben, ob es Ihnen gelingen wird, in den Berliner Behörden dieses Ziel tatsächlich umzusetzen. Ich habe gerade vorhin erfahren, dass es ein Beispiel der Abschiebung einer Roma-Familie oder – man muss fast sagen – eines Teils einer Roma-Familie gegeben hat – zwei Eltern sind abgeschoben worden, und das siebenjährige Kind ist hier einfach zurückgelassen worden. Wenn man solche Beispiele hört, dann muss man wirklich an der Fähigkeit zweifeln, diese hochgesteckten Ziele implementieren zu können.

Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass wenn Sie ernsthaft daran gehen, das, was Sie in der Koalitionsvereinbarung versprochen habe umsetzen zu wollen, wir diese Ziele unterstützen. Die CDU hat heute noch einmal deutlich gemacht, dass Sie an einer problemorientierten Sicherheitspolitik in dieser Stadt kein Interesse hat. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Ratzmann! – Weiter Wortmeldungen liegen hier nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Wir kommen zum großen Komplex über die Kitas,

lfd. Nr. 9:

a) Große Anfrage

Konzeptionslose Kürzungen – Berliner Kitas bald ein Scherbenhaufen?

Große Anfrage der CDU Drs 15/743

b) Antrag und Beschlussempfehlung

Maßnahmen zur Qualifizierung/Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern im Bereich der Sprachförderung

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/774 Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/918

c) Antrag und Beschlussempfehlung

Vorstellungen des Senats zur Reform der Erzieher- und Erzieherinnenausbildung

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/775 Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/917

d) Antrag und Beschlussempfehlung

Neuordnung der Kita-Landschaft

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/776 Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/915

e) Antrag und Beschlussempfehlung

Mentorenprogramm für Berliner Kindertagesstätten

Antrag der FDP Drs 15/776 Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/915

f) Beschlussempfehlung

Qualitätssicherung im Kita-Bereich!

Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/914 Antrag der FDP Drs 15/349

g) Beschlussempfehlung

Bildung hat Priorität! – Reform der Erzieher/innenausbildung

Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/919 Antrag der Grünen Drs 15/233

h) Beschlussempfehlung

Umgehende Sicherung der Praktika der Erzieherberufspraktikanten bei freien Trägern

Beschlussempfehlung JugFamSchulSport Drs 15/920 Antrag der CDU Drs 15/178

Die Große Anfrage sowie die Anträge unter b bis e hatten wir zur letzten Sitzung am 31. Oktober vertragt. Die nachträgliche Zustimmung zur Vorabüberweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport hatten Sie bereits in dieser Sitzung bestätigt.Wir kommen zur Begründung der Großen Anfrage mit bis zu 5 Minuten Redezeit. Das Wort hat Herr Steuer für die CDU. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor Monaten haben Sie, Herr Senator Böger, eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich angeblich mit einer Vielzahl der von uns in unserer Großen Anfrage aufgeworfenen Fragen auseinander setzt. Bisher konnten Sie uns keinerlei Auskunft über den Fortschritt der Beratung der Arbeitsgruppe geben, stattdessen vertrösten Sie uns von Monat zu Monat.

Ihre Senatsverwaltung und die Bezirksämter verweisen mittlerweile bei jeder Anfrage zur aktuellen Kitapolitik auf diese Arbeitsgruppe. Sanierungen desolater Kitas, Übertragungen an freie Träger, die Situation der Beköstigung: Nichts wird mehr entschieden in Berlin, erst müsse das Ergebnis der Arbeitsgruppe abgewartet werden. Bisher hat Ihre Arbeitsgruppe also eher zu Stillstand geführt statt zu Fortschritt. Sie, Herr Senator Böger, haben daneben bisher keinen Beitrag zur Verbesserung der Qualität in der Kinderbetreuung in Berlin geleistet. Mittlerweile sickert durch, dass auch Ihre Arbeitsgruppe in ihrem Bericht nur Probleme beschreiben und keinerlei Lösungen aufzeigen wird. Diese Situation ist nicht hinnehmbar, denn die Schwierigkeiten in der Kinderbetreuung in Berlin sind offenkundig. Eltern, Erzieher und Bezirkspolitiker weisen regelmäßig darauf hin.

Es bleibt dabei: Sie, Herr Senator, sind in der Verantwortung. Wie Sie das in Ihrem Haus regeln, interessiert uns nur bedingt. Sie sind ja auch nicht erst seit gestern Senator, auch wenn Sie gelegentlich so tun, als sei dies so, beziehungsweise den Eindruck erwecken, als käme die Jugendpolitik bei Ihnen eher hinten auf der Prioritätenliste. Sie sollten die Probleme aber auf Grund Ihrer langjährigen Tätigkeit als Senator schon kennen. Nennen Sie uns also die Antworten auf die drängenden Fragen. Deshalb haben wir unsere Große Anfrage auf die Tagesordnung gesetzt.

Wir wollen wissen, welche Auswirkungen die beschlossenen Kürzungen auf die Kinderbetreuung in Berlin haben, und bitte wiederholen Sie nicht Ihre Antwort aus der vorletzten Fragestunde, es gäbe keine Qualitätsverschlechterungen. Wir wollen wissen, ob Sie sich an Ihre Koalitionsvereinbarungen halten und damit 66 % der Kitas an freie Träger übertragen wollen. Wir wollen wissen, welchen Sinn

die Gründung eines neuen landeseigenen Betriebes haben soll. Wir wollen wissen, ob es weitere Einsparungen geben wird, und sagen Sie uns, wann Sie den Maßnahmenkatalog vorlegen werden, und verschonen Sie uns mit reinen Problemauflistungen.