Protocol of the Session on October 31, 2002

[Vereinzelter Beifall bei der PDS und der SPD]

So buhlen die Bankrotteure von gestern um die Stimmen von morgen, ganz von dem Gedanken ergriffen, dass sich diese Stadt ein zweites Mal von ihnen aufs Kreuz legen lässt. Sie tricksen und zocken, und ich sage Ihnen: Rot-Rot würfelt nicht mit Ihnen!

[Beifall bei der PDS – Henkel (CDU): Seien Sie vorsichtig, dass das nicht auf Sie zurückfällt!]

Nach dem Herrn Kollegen Krüger ergreift die FDP das Wort. - Bitte schön, Herr Ritzmann!

Vielen Dank, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mehrheit der Berliner unterstützt einschneidende Reformen in dieser katastrophalen Situation, in der sich das Land befindet. Aber es gibt natürlich einen Teil der Bevölkerung, der sich aus teils menschlich nachvollziehbaren Gründen sperrt. Da ist Furcht, da ist zum Teil auch Besitzstandswahrung, und es führt zu einer Wirklichkeitsverweigerung. Und diese wird auch noch unterstützt, z. B. durch bereits genannte Lobbygruppen und Gewerkschaften. „Ich will so bleiben, wie ich bin", ist da das Credo. Und es gibt Vertreter von zwei strukturkonservativen Parteien in diesem Hause, die darauf antworten: Du darfst! Da ist zum einen die PDS, die mir schizophren erscheint, vertreten durch ihren Landesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden Liebich. Herr Liebich organisiert als Landesvorsitzender den sozialistischen Widerstand gegen diese Koalition, gegen diesen Senat, und hier in der Fraktion, hier im Hause tritt er als deren Verfechter auf. Persönlichkeitsspaltung muss behandelt werden, und das kann hier nur politisch geschehen.

[Beifall bei der FDP]

Die CDU gaukelt vor, dass es anscheinend ohne dramatische Einschnitte voranginge in dieser katastrophalen Lage. Jeder weiß hier, wer in den letzen Jahren Regierungsverantwortung getragen hat.

[Niedergesäß (CDU): Gott sei Dank!]

Man kann sich fragen: Was hat die CDU dort gemacht, war sie zu blind, die Probleme zu erkennen, war sie unfähig, die Probleme zu lösen, oder war es Vorsatz, das Land in diese Situation zu fahren, in der es sich befindet? - Ich kann das abschließend nicht beantworten, aber ich glaube, die Fragen sind berechtigt. Und gerade wenn dann hier die Nachwuchsarbeiterführer auftreten als Sprecher der Unterdrückten und Entrechteten - ich glaube nicht, dass die Mitarbeiter und

Beschäftigten im öffentlichen Dienst sich so einfach verschaukeln lassen. Das ist unredlich und unglaubwürdig.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei Grünen]

Nun kommen wir noch zur SPD. Die SPD agiert frisch, und fromm und frei nach dem Motto: Haltet den Dieb, die CDU ist es gewesen! - Wir alle wissen, wer beteiligt war. Ich möchte darauf auch nicht weiter eingehen. Aber es ist schon interessant. Man muss, glaube ich, die Historie der Parteien schon mit einbeziehen in der Beurteilung ihrer gegenwärtigen Leistungen. Bei der SPD kann man sagen, sie hat das Problem zumindest mittlerweile erkannt. Der Regierende Bürgermeister führt aus, es herrsche kein Mangel an Erkenntnis über die Probleme im Land Berlin. Dem kann ich eigentlich nur hinzufügen: Es fehlt aber der Mut zur wichtigen Umsetzung der notwendigen Reformen. Es ist ein Punkt genannt worden, die Staatsaufgabenkritik. Das klingt ein bisschen abstrakt, um was geht es? Was muss das Land Berlin wirklich selbst leisten, und was kann es an seine Bürgerinnen und Bürger und an die Unternehmen zurückgeben? - Und wenn das entschieden ist, führt das zu Kostenreduzierungen und zu einer Stärkung der staatlichen Leistungen bei den Kernaufgaben. Das muss geschehen, das ist bisher kaum angedacht worden. Vom Senat zumindest ist davon noch nichts Wesentliches kommuniziert.

Und der noch spannende Punkt, der bisher zu kurz gekommen ist: Warum sparen wir eigentlich? Warum machen wir uns diese ganze Mühe? - Wir werden weiterhin kreditwürdig sein. Es wird immer Banken geben, die uns zu horrenden Zinsen Geld geben. Wir sparen und reformieren und nehmen unangenehme Eingriffe hier im Land Berlin vor. Dabei geht es nicht darum, dass jemand Lust hat auf betriebsbedingte Kündigungen. Niemand möchte das, niemand möchte so gravierend in das Leben von anderen eingreifen. Aber es bleibt die Ultima Ratio: Was hier geschieht und was zu kurz kommt, ist der Aspekt der Chancen der zukünftigen Generationen. Es geht darum, was wir nachfolgenden Generationen hinterlassen.

[Wieland (Grüne): Nicht zugehört!]

Sonst verspielen wir die Zukunft und die Handlungsspielräume der nachfolgenden Generationen,

[Wieland (Grüne): Schizophrenie!]

denn die Schulden von heute - darum geht es - sind die Steuern und Abgaben von morgen. Wir

sind gewählt, um diese dramatischen Probleme hier zu lösen. Darum geht es, um Verantwortung für heute und Verantwortung für die Zukunft. Eine Partei oder eine Lösung, die nur an die Zukunft oder nur an heute denkt, greift zu kurz und wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. Also hören Sie auf herumzueiern, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr. Berlin muss saniert werden, Berlin braucht Zukunft.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Ritzmann. - Als letzter Redner spricht für Bündnis 90/Die Grünen Herr Ratzmann. - Sie haben das Wort, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Herr Senator Körting! Herr Körting, Sie wissen, dass ich Ihre Fähigkeiten und Ihre Weitsicht, gerade was die rechtlichen Dinge angeht, immer aufs Tiefste geschätzt habe. Ich glaube aber, dass Sie hier mit dem, was Sie vorgetragen haben, die nötige Weitsicht etwas haben vermissen lassen und sich insbesondere um die dringendsten Probleme und Problematiken, die mit Ihrem Vorschlag verbunden sind, herumgemogelt haben. Man muss schon immer misstrauisch werden, wenn sich Arbeitgeber, und nichts anderes sind Sie ja in dieser Situation, hinstellen und meinen, ihre Angebote damit unterstreichen zu müssen, dass sie sich als die wahren Vertreter der Arbeitnehmer und die eigentlichen Gewerkschaftsvertreter herausstreichen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Und ich glaube, dieses Misstrauen ist auch bei Ihrem Vorschlag, den Sie hier vorgelegt haben, noch mal angebracht. Herr Müller hat zu Anfang dieser Debatte gefordert, dass es hier klare Bekenntnisse gibt und klare Aussagen, und ich kann das für meine Fraktion auch noch mal wiederholen: Ja, es gibt ein klares Bekenntnis dazu, dass es eines Konsolidierungspfades für den Berliner Haushalt bedarf. Ja, es gibt ein klares Bekenntnis dazu, dass da auch die Personalkosten des öffentlichen Dienstes nicht ausgenommen sein dürfen. Ja, es gibt auch ein klares Bekenntnis dazu, dass auch die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ihren Teil dazu beitragen müssen. Und ich glaube, meine Kollegin Klotz hat das in ihrem Beitrag auch noch mal klar unterstrichen.

Es gibt aber auch noch ein anderes klares Bekenntnis und eine klare Aussage, das ist

nämlich die, dass wir den Antrag, der heute von den Regierungsfraktionen eingebracht worden ist, in der Form, wie er vorgelegt worden ist, nicht mittragen können. Dieser Antrag, den Sie vorgelegt haben, ist widersprüchlich, unausgewogen, tarifpolitisch unausgegoren und zum Teil erpresserisch. Das Ganze fängt schon damit an, dass Sie sich in Ihrem Antrag anscheinend nicht entscheiden können, ob Sie nun tatsächlich eine extreme Haushaltsnotlage annehmen oder nur betonen wollen, dass Sie sich erst am Rande derselben befinden. Genau diese Widersprüchlichkeit drücken Sie in Ihrem Antrag aus.

Sie machen weiterhin zur Grundlage Ihres Antrags Ihr Angebot vom 17. Oktober 2002. Das konnte jeder im Internet nachlesen und es sich herunterladen. Es ist aber nicht unbedingt das, was Sie heute in Ihren Ausführungen dargelegt haben. Sie sprachen, Herr Körting, als Sie das Angebot vorstellten, davon, dass es eine soziale Staffelung geben könnte, dass es natürlich nicht unbedingt bedeutet, dass die einzelnen Beschäftigtengruppen, die zur Kasse gebeten werden sollen, in gleicher Art zur Kasse gebeten werden sollen. In Ihrem Angebot vom 17. Oktober 2002 heißt es aber noch, dass alle Beschäftigten, ohne Unterschiede, an dem Verzicht auf jährliche Lohn- und Gehaltssteigerungen beteiligt werden sollen. Das ist auch mit die Crux, dass auch in Ihrem Antrag nicht sichtbar wird, dass es hier noch möglich ist, eine soziale Staffelung nicht nur, wie von Ihnen dargestellt, bei den Urlaubsgeldern und den 13. Monatsgehältern vorzunehmen, sondern dass es auch bereits bei den Verzichten auf Lohnsteigerungen Möglichkeiten gibt, eine soziale Staffelung in das Angebot mit hineinzunehmen. Wenn Sie Ihren Antrag so auf Ihr Angebot vom 17. Oktober 2002 fixieren, heißt das, dass Sie genau diese soziale Staffelung ausschließen. Wir können diesen Antrag deshalb nicht mittragen.

Das wesentliche Problem, das ich sehe, um das Sie sich herummogeln, ist, dass Sie das Angebot in einer Situation auf den Tisch gelegt haben, wo wir alle wissen, dass sich diese Republik vor einer der schwersten tarifpolitischen Auseinandersetzungen im Bund befindet. In dieser Situation, nachdem Sie monatelang verhandelt haben, ein Angebot auf den Tisch zu legen, wo in erster Linie bundespolitisch verhandelte und festgeschriebene Lohn- und Gehaltsbestandteile zur Disposition gestellt werden, und nicht gleichzeitig die Vorbereitungen zu treffen, dass das im Bund verhandelt werden kann, ist ein Affront. Man muss fragen: Wer hat hier die Verhandlungen abgebrochen? Waren es Sie, der dieses Angebot als unverhandelbar und feststehend auf den Tisch gelegt hat, oder waren

es die Gewerkschaften, die zu Recht und erwartbar gesagt haben, das ist ein schwieriges Problem für uns, in dieser Situation können wir uns nicht bewegen, bzw. in dieser Situation haben wir Schwierigkeiten? Wir verlangen von Ihnen, dass Sie die notwendige Flexibilität darstellen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Grundsatz, den Sie hier aufstellen, verhandelbar und umsetzbar ist. Das haben Sie bisher nicht gemacht, und das vermissen wir in Ihrem Antrag.

Ein weiterer Punkt, der hier noch nicht zur Sprache gekommen ist, sind die anderen Möglichkeiten der Einsparung. Sie, Herr Körting, haben dargestellt, man sei einvernehmlich dazu gekommen, dass das nicht trägt. Wenn man mit den Leuten spricht, die auf der anderen Seite des Tisches gesessen haben, sowohl vom Beamtenbund als auch von Verdi, stellen diese die Situation etwas anders dar. Die sagen, dass von Ihrer Seite aus und insbesondere von Herrn Wolf das, was dort berechnet worden ist, mit einem Federstrich vom Tisch gewischt worden ist. 100 Millionen, die hier zusammengekommen sind, seien als Peanuts bezeichnet worden und nicht in das Angebot mit eingeflossen, um beispielsweise die soziale Staffelung mit zu ermöglichen und von den Eckwerten, die Sie vorgegeben haben, abrücken zu können und mit anderen Möglichkeiten dieses Einsparvolumen zu erzielen, das dem Konsolidierungsgedanken des Haushalts Rechnung trägt.

Herr Kollege, bitte beachten Sie die Redezeit!

Ich komme zum Schluss! - Das sind Punkte, die Sie in Ihrem Antrag zu Grunde gelegt haben, die von Ihnen als das Nonplusultra eines Konsolidierungsweges dargestellt werden, der es uns unmöglich macht, Ihren Antrag mitzutragen.

Weil es eine wichtige Abstimmung ist und einige Klarheit von diesem Hause ausgehen sollte, beantragen wir, die Abstimmung über diesen Antrag namentlich durchzuführen. - Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir haben noch über den Entschließungsantrag abzustimmen. Wer dem Antrag Drucksache 15/901 in namentlicher Abstimmung zustimmen möchte, den bitte ich

jetzt, seine Karte bereitzuhalten. Nachdem wir nun Licht im Raum haben, um uns besser zu sehen, bitte ich, auf das Licht auf dem Tisch zu schauen, ob alles vorhanden ist. - Keine Proteste? Diesmal richtig? - Wir beginnen.

[Gongzeichen]

Hatte jeder die Gelegenheit, seine Stimme abzugeben? - Dann schließen wir die Abstimmung.

[Gongzeichen]

Mit "Ja" stimmen 69, mit "Nein" 61, Enthaltung 1,

ohne Abgabe 3. Damit ist dieser Antrag angenommen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3:

a) Drucksache 15/853:

II. Lesung der Vorlage - zur Beschlussfassung - über Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Landesrundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg, Drucksache 15/632, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik vom 21. Oktober 2002

b) Drucksache 15/852:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik vom 21. Oktober 2002 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Fusion von SFB und ORB für mehr Demokratie nutzen!, Drucksache 15/462

c) Drucksache 15/854:

Beschlussempfehlung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik vom 21. Oktober 2002 über Annahme einer Entschließung zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg

Zur gemeinsamen Beratung empfiehlt der Ältestenrat eine Redezeit von bis zu 10 Minuten