Protocol of the Session on September 12, 2002

Interessanterweise haben Sie, Herr Lindner, und Ihre Fraktion nicht aufgeschrien, als Herr Stölzl als Vizepräsident des Parlaments den Chefsessel der Berliner CDU übernahm.

[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]

Offenbar – und das werfe ich Ihnen hier vor – machen Sie Ihr Urteil über die Amtsführung

[Zuruf des Abg. Borgis (CDU)]

und Ihre öffentliche Kritik abhängig vom Parteibuch desjenigen, den Sie kritisieren.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Zurufe von der FDP: Blödsinn!]

Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion! Nun zu den von Ihnen beanstandeten Äußerungen Walter Mompers zu politischen Tagesfragen. Walter Momper hat seine tagespolitischen Äußerungen stets ausdrücklich als Stellungnahme des Abgeordneten kenntlich gemacht. Wenn Sie das nicht auseinanderhalten können, ist das Ihr Problem. Ich nenne hier als Beispiel – Sie haben einiges aufgezählt – seine Position zum Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Es war keine Stellungnahme des Parlamentspräsidenten,

[Ritzmann (FDP): Er wurde als solcher angesprochen!]

und nur darum geht es hier. Ich wiederhole: Niemand kann in diesem Haus ein Interesse daran haben, das Ansehen des Parlaments und seines Präsidenten zu beschädigen. Bedauerlicherweise haben Sie es vorgezogen, mit Ihrer Kritik gleich an die Öffentlichkeit zu gehen, anstatt in guter parlamentarischer Tradition im Ältestenrat darüber zu reden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Er sitzt da und will nicht reden!]

Und Sie, Herr Lindner, scheinen als Fraktionsvorsitzender von diesen parlamentarischen Spielregeln entweder keine Ahnung zu haben oder sie bewusst zu ignorieren. Beides ist schlimm genug. Sie haben sich sogar dazu verstiegen, den Rücktritt – –

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Frau Abgeordnete, ich bitte Sie herzlich, auf die Redezeit zu achten.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie liegen jetzt schon darüber. Wir sind schon großzügig. Der Beifall auf dieser Seite ist im Übrigen völlig ungerechtfertigt. Ich mache darauf aufmerksam, Herr Ritzmann hat sieben Minuten geredet.

[Cramer (Grüne): Warum denn?]

Frau Kolat ist jetzt bei sechs Minuten. Es gibt also keinen Grund zu applaudieren, sondern wir achten schon auf eine gerechte Aufteilung. – Ich bitte Frau Kolat jetzt um die Schlussbemerkung.

Gerne! – Herr Lindner, ich glaube, Sie müssen noch lernen, dass Sie im Parlament Opposition gegen die Regierung spielen müssen und nicht gegen den Parlamentspräsidenten. Ich gebe Ihnen gerne noch einen Rat: Kümmern Sie sich um die eigentlichen Probleme dieser Stadt, machen Sie

endlich einmal kompetente und realistische Vorschläge und hören Sie auf, den Präsidenten für Ihre fehlende politische Profilierung zu missbrauchen.

[Zuruf von der FDP: Sehr schlau!]

Denn mit Walter Momper und auch mit der Vizepräsidentin und dem Vizepräsidenten hat das gesamte Abgeordnetenhaus ein gutes und würdiges Präsidium. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der FDP]

Danke schön! – Für die CDUFraktion hat Herr Abgeordneter Henkel das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gründe, warum dieser Antrag heute hier zur Debatte steht, wurden von meinen Vorrednern bereits erwähnt und sind überdies detailliert im Begründungstext aufgeführt. Dem ist in der Sache und auch chronologisch kaum etwas hinzuzufügen. Wichtig ist, dass wir diese Debatte über aus unserer Sicht tatsächliche Verfehlungen des Präsidenten in großer Sachlichkeit führen. Aber, Frau Kolat, Ihre Äußerungen und die Art und Weise, wie sie diese hier vorgetragen haben, lassen nur den Schluss zu, dass die Kritik an der Amtsführung des Parlamentspräsidenten, erstens, berechtigt ist und Sie diese Kritik, zweitens, im Kern auch teilen, denn sonst wären Sie hier souveräner aufgetreten. Verweise auf den Vizepräsidenten Stölzl sind völlig absurd und abwegig, interjection: [Beifall bei der CDU – Gelächter bei der SPD und der PDS]

denn es gibt keine politischen Äußerungen von Herrn Stölzl, die er als Vizepräsident des Hauses abgegeben hat.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und der PDS]

Auch die CDU-Fraktion hat in den vergangenen Monaten immer wieder die Politisierung des Amtes durch den Präsidenten des Hauses kritisiert. Es ist eine Tatsache, dass die Amtsführung von Herrn Momper in der Vergangenheit mehrfach Anlass für eine Beschäftigung im Ältestenrat war. Dennoch bedauern wir, dass diese Debatte hier im Plenum geführt werden muss, weil wir sie im Grundsatz für unser Parlament für unwürdig halten und weil wir nicht unseren Beitrag dazu leisten wollen, dem Amt des Parlamentspräsidenten weiteren Schaden zuzufügen.

[Beifall bei der CDU]

Trotzdem dürfen bei dieser Diskussion nicht Ursache und Wirkung verwechselt werden. Selbstverständlich ist auch ein Parlamentspräsident ein Politiker und in der Regel Mitglied einer Partei. Dies wird von uns nicht in Frage gestellt, und, wie ich annehme, von niemandem hier im Hause. Aber wenn der Eindruck entsteht, dass die Parteimitgliedschaft wichtiger sei als das Amt des Parlamentspräsidenten und Mitglieder dieses Hauses die Sorge haben müssen, dass der Präsident partiell nicht die Interessen des gesamten Hauses vertritt, dann ist dies ein fatales Zeichen. Es war in der Vergangenheit so, dass man den Eindruck bekommen konnte, hier trägt jemand die Verantwortung für das Parlament, der entweder nicht auseinander halten kann, der nicht unterscheiden kann oder dem es zumindest sehr schwer fällt, zwischen seiner Parteimitgliedschaft und dem Amt des Präsidenten zu unterscheiden. Herr Momper, wir haben das heute Vormittag wieder zweimal erleben können. Als ich hier für die CDU-Fraktion meine erste Aktuelle Stunde begründen musste, haben Sie mich bereits beim zweiten Satz unterbrochen und die Begründung für die Aktuelle Stunde angemahnt. Herr Benneter hat heute nicht einen einzigen Satz zur Begründung gegeben, hat puren Wahlkampf gemacht, und es gab nicht einen Ordnungsruf von Ihnen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Abg. Benneter (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Als die Kollegin Klotz vorhin im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik die CDU-Fraktion und ihren Vorsitzenden bis unter die Gürtellinie angegriffen hat, haben Sie die Position des Präsi

denten verwechselt mit der des Abgeordneten Momper, aber auch der Abgeordnete Momper verlässt nicht, wenn er diesen Stuhl verlässt, das Amt des Präsidenten. Hier hätte ich mir gewünscht, dass Sie nicht in Ihrer Reihe sitzen und klatschen, sondern dass Sie etwas mäßigend bei einem solchen Angriff, der unter die Gürtellinie ging, auch auf Ihre Fraktion einwirken.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Henkel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Benneter?

Ich glaube nicht, dass dies zur Klärung beiträgt. Einen weiteren Wahlkampfauftritt möchte ich nicht haben, Herr Benneter!

Als vor Jahren hier im Hause schon einmal eine Debatte um einen Parlamentspräsidenten geführt wurde, sagte Frau Künast in der Diskussion u. a. – ich habe das nachgelesen und zitiere –:

Was muss ein Präsident alles können und erfüllen? – Er muss Gefühl für die Würde des Hauses haben, neutral und gerecht handeln, das gesamte Haus vertreten und eine hohe Sensibilität für Themen haben.

Das ist das, was man von einem Präsidenten erwarten kann. Wenn wir alle unseren Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten wollen, konzentrieren wir uns auf den reinen Antragstext der FDP:

Der Präsident des Abgeordnetenhauses Walter Momper wird aufgefordert, sein Amt künftig überparteilich unter Beachtung der mit dem Amt verbundenen Neutralitätspflicht auszuüben.

Dies ist Standard und Pflicht. Das ist nicht einmal Kür. Meine Fraktion wird daher diesen Antrag unterstützen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die PDS-Fraktion hat Herr Abgeordneter Doering das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf Herrn Henkel eingehen. Wenn es nur der Text des Antrages der FDP wäre, könnte man darüber ganz anders reden und vielleicht zu ganz anderen Erkenntnissen kommen.

[Ritzmann (FDP): Zu Herrn Haase haben Sie damals auch geredet! Erinnern Sie sich noch?]

Fakt ist aber, dass man über die Begründung reden muss und darüber, wie mit der Begründung schon seit Mitte August über die Medien gearbeitet wird. Herr Ritzmann selbst sprach eben von Missbilligung. Wenn Sie die Begründung dieses Antrages durchlesen – wie es auch Ende August in der „BZ“ von Herrn Lindner kommuniziert wurde –, dann geht es schlicht und ergreifend darum – Ihre Wortwahl –, Herrn Momper „abzuschießen“ und an Herrn Mompers Stuhl zu sägen. Das ist die Stoßrichtung Ihres Antrages, und die werden wir ganz gewiss nicht mittragen.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Abg. Dr. Lindner (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Es gibt nach meiner Auffassung und unserer Geschäftsordnung drei Prinzipien, die für unsere Zusammenarbeit mit dem Präsidenten gelten müssen.

Erstens: Der Präsident hat die Verhandlungen gerecht und unparteiisch zu führen. Der Ältestenrat hat die Aufgabe, den Präsidenten bei der Führung der Geschäfte zu unterstützen. Der Ältestenrat muss zusammengerufen werden, wenn es eine Fraktion verlangt. – Warum zähle ich diese Grundsätze auf?