Protocol of the Session on September 12, 2002

[Abg. Dr. Lindner (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner?

Selbstverständlich! Mit Freuden!

Herr Dr. Lindner, Sie haben das Wort!

Herr Kollege Krüger! Wenn Sie so sicher sind, dass das Berliner Personalvertretungsrecht einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält, dann wollen Sie sich vielleicht uns anschließen, und wir ziehen gemeinsam im Wege einer Normenkontrollklage vor das Verfassungsgericht und lassen das Ganze zur Sicherheit des Arbeitgebers – des Landes Berlin – und der Arbeitnehmer überprüfen.

[Gelächter bei der PDS – Beifall des Abg. Over (PDS)]

Schließen Sie sich dem an?

Herr Dr. Lindner! Mit Verlaub: Wenn Sie der FDP-Fraktion hierbei keine durchschlagende verfassungspolitische Position zutrauen, dann sollten Sie doch Ihre Attacken auf das Personalvertretungsgesetz unterlassen.

[Dr. Lindner (FDP): Nein, ich rede von Ihnen!]

Da müssen Sie schon mit Ihren eigenen Kräften zurechtkommen.

[Gelächter bei der FDP]

Eine abschließende Bemerkung: Sie schwelgten heute wieder in der Vorstellung betriebsbedingter Kündigungen. Offensichtlich kommt nicht nur Berlin, sondern kommen auch andere Bundesländer sehr gut ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Aber, Herr Dr. Lindner, wenn Sie jetzt – wenn auch sehr holprig – versuchen, alle Hürden und Hindernisse zu beseitigen, dann stellen Sie doch als Nächstes einen Antrag, in dem der Senat aufgefordert wird, die Gesamtvereinbarung zu kündigen, damit alle in dieser Stadt wissen, wo die FDP-Fraktion und wo Rot-Rot steht!

[Ritzmann (FDP): Im Abseits!]

Das stünde einem Abgeordneten dieses Hauses, der immer gern in Begriffen wie Mut, Feigheit und Zurückhaltung schwelgt, gut zu Gesicht. Darauf warten wir, und darauf freuen wir uns schon, Herr Dr. Lindner! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Ratzmann. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit ihrem Antrag zur Modernisierung des Berliner Personalvertretungsgesetzes hat sich die FDP-Fraktion wieder einmal ihres Rufes als Kavallerie der sinnlosen Deregulierung würdig erwiesen.

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der PDS – Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS) – Wieland (Grüne): Schaukelpferd!]

Herr Lindner, ich gestehe Ihnen zu: Wenn man Ihren Antrag liest, kann man auf den ersten Blick Ihr Unterfangen, das Personalvertretungsgesetz Berlins mit der Verfassung in Einklang zu bringen, fast schon als löblich bezeichnen. Aber das ist wirklich nur auf den ersten Blick so.

Ich gebe Ihnen ebenfalls zu, dass man sicherlich trefflich einen juristischen Diskurs im Schatten der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über das schleswig-holsteinische Mitbe

stimmungsgesetz führen kann – aber wirklich nur den juristischen Diskurs jetzt zu diesem Zeitpunkt, denn mit der Praxis, wie sie hier in Berlin im Umgang mit Entscheidungen von Personalräten, des Haupt- und des Gesamtpersonalrats im Einigungsstellenverfahren tatsächlich stattfindet, hat Ihr Antrag überhaupt nichts zu tun. Bevor Sie solche weitreichenden und weitschweifigen Ausführungen zu Ihrem Antrag machen, sollten Sie sich wirklich einmal mit der Praxis auseinandersetzen. Dann werden Sie nämlich feststellen, dass Ihr Antrag im Zusammenhang mit der Regulierung der Probleme in Berlin kein Beispiel für die Hohe Schule der Dressur ist, sondern eher dem Unterfangen gleicht, mit einem Elefanten einen Parforceritt durch einen Porzellanladen zu führen, wobei Sie sich wohl noch nicht darüber im Klaren sind, ob Sie das Porzellan vollständig zerschlagen oder etwas davon überbehalten wollen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Ritzmann (FDP): Haben Sie ein Anekdotenbuch geschenkt bekommen?]

Nein, die habe ich mir alle selbst ausgedacht, Herr Ritzmann! Sie geben dazu ja gute Vorlagen im Innenausschuss, und das hat mich inspiriert, auch einmal in diesen Bereich zu gehen.

Sie haben sich ein Gutachten bestellt, Herr Lindner, und dann fleißig die Feststellungen von Herrn Ziekow abgeschrieben. Der hat sie in seinem Gutachten auch ziemlich wortgewaltig dargestellt. Worum geht es denn in der ganzen verfassungsrechtlichen Debatte? Es geht im Kern des Streites darum, inwieweit und ob der Staat sich seiner Aufgaben im Bereich der Verwaltung und der Personalangelegenheiten entäußern darf, dass eine dritte Stelle in diesem Entscheidungsprozess mit einzubeziehen ist, ob das zulässig ist oder nicht; und inwieweit diese Stelle, die dort mit einbezogen werden muss, einer demokratischen Legitimation bedarf oder nicht. Genau das ist die juristische Problematik, die sich dahinter verbirgt. Und Sie haben daraus geschlossen und haben daraus gemacht eine Totalrevision des Mitbestimmungsrechtes. Das ist Ihre Intention, Ihre wirkliche Intention, und die haben Sie hier ja auch heute dargelegt. Ihnen geht es nicht um die Verfassungsgemäßheit, die im Übrigen noch nicht mal ausgemacht ist – darüber kann man trefflich diskutieren, ob denn tatsächlich das Personalvertretungsgesetz in Berlin verfassungswidrig ist oder nicht –, aber Sie wollen die Totalrevision. Und Sie sind ja auch gar nicht darauf eingegangen, inwieweit hier andere Lösungen zur Herstellung der Verfassungsgemäßheit möglich sind, etwa durch Umorganisierung, sondern Sie wollen die Mitbestimmung in toto kippen. Das haben Sie hier ja deutlich gemacht.

Mit Ihrem untrüglichen Instinkt für gute Zeitpunkte fordern Sie das genau dann, wenn hier die weitreichendsten personellen Maßnahmen in der Verwaltung anstehen. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes werden Sie lieben dafür, dass Sie ihnen nicht, wie die Regierung, nur sagen, wir hauen euch vor den Kopf, sondern Sie gehen auch noch hin und sagen: Wir schlagen euch vorher auch noch die Beine ab, bevor wir euch vor den Kopf hauen. Genau so gehen Sie mit diesen Problemen um.

Völlig unverständlich finde ich aber allerdings, dass sich hier der Senat und die Regierungsfraktionen als die Rächer der Enterbten hinstellen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir hier – ich glaube, es war vor 2 Wochen – über den Staatsvertrag zur Senderfusion geredet haben. Wenn ich mich richtig erinnere, war eines der Probleme in diesem Zusammenhang auch, dass dort gerade von Ihnen dem zugestimmt worden ist, dass das Berliner Personalvertretungsrecht auf die neue Sendeanstalt keine Anwendung finden soll. Damit waren Sie es doch gerade, die genau die Diskussion, die die FDP jetzt hier anfängt, angestoßen haben. Sie haben ihnen doch für ihre Argumentation die Tür aufgestoßen. Das haben wir vielleicht noch von der SPD erwartet, aber dass die PDS sich jetzt hier noch hinstellt und große Brandreden hält, das finde ich schon ein tolles Stück angesichts ihres Verhaltens in dieser Diskussion, was die Senderfusion angeht.

[Beifall bei den Grünen]

(A) (C)

(B) (D)

Ich finde, dass man hier sehr vorsichtig mit der Verwaltung umgehen muss. Die Verwaltung ist das Herz einer Kommune. Es ist auch klar, dass hier etwas getan werden muss, um dieses Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Aber in der Art und Weise, wie es die FDP anschiebt, kann sicherlich keinerlei Effekt erzielt werden im Rahmen der notwendigen Regulierung. Und, Herr Lindner, so viel dürften Sie wahrscheinlich auch noch vom Personalvertretungsgesetz verstehen, dass diejenigen Instrumente, die hier Anwendung finden müssen, nämlich tarifliche und gesetzliche, um das in einem großen Maßstab regeln zu können, genau die Wirkung haben, dass die Mitbestimmung aus dem Personalvertretungsgesetz dann überhaupt nicht mehr zur Anwendung kommt, wenn die Problematiken hier tariflich und gesetzlich geregelt werden. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, federführend, sowie an den Rechtsausschuss und an den Hauptausschuss. Wer dies so zu überweisen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir den Antrag entsprechend überwiesen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 15, Drucksache 15/618:

Antrag der Fraktion der FDP auf Annahme einer Entschließung über aus den Fehlern von Köln lernen

Auch hier steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Zunächst spricht Herr Dr. Lindner von der Fraktion der FDP. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Der Kölner Spendenskandal dreht sich im Wesentlichen um zwei Männer: den Ex-Fraktionschef der SPD in Köln, Norbert Rüther, und den dortigen ehemaligen SPD-Schatzmeister Manfred Biciste. Rüther hat inzwischen zugegeben, in den 90er Jahren Zuwendungen in Höhe von 830 000 DM kassiert zu haben, die später auf illegalem Wege in die Kölner SPD-Kasse geschleust wurden. Bicistes Job in der Affäre war die Verschleierung der eigentlich veröffentlichungspflichtigen Großspenden. Dazu portionierte er die Zuwendung in so kleine Häppchen, dass sie unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 20 000 DM lagen. Dann verbuchte er die Portionen als Spenden von 42 SPD-Mitgliedern und stellte ihnen fingierte Spendenquittungen aus. Die größte Spende, insgesamt 320 000 DM, erhielt Rüther nach eigenen Angaben vom Gummersbacher Anlagenbauer Steinmüller. Der Müllentsorger Trienekens taucht auf der Rüther-Liste mit insgesamt 200 000 DM auf. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Korruption, ebenfalls im Februar hatte die Staatsanwaltschaft die Trienekens-Zentrale durchsucht.

[Pewestorff (PDS): Alles keine öffentlich-rechtlichen Unternehmen!]

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Ermittler flossen Schmiergelder in Millionenhöhe.

Und wenn Sie sagen, wo bleibt Berlin – da kommen wir jetzt hin, immer mehr; und zwar, wenn wir nach Wuppertal gehen. Da ist nämlich der Herr Hans Kremendahl suspendierter Oberbürgermeister, nach dem Motto „Gelernt ist gelernt“, der war hier Staatssekretär, natürlich auch Sozialdemokrat. Die Fahnder vermuten, dass der Bauunternehmer Uwe Klees 1999 den Wahlkampf Kremendahls finanzierte. Klees hatte 500 000 DM an die Wuppertaler SPD gespendet. Wie gesagt, der Oberbürgermeister Kremendahl ist mittlerweile suspendiert.

Das Problem ist, und da nähern wir uns des Pudels Kern, nämlich dem Nährboden, dem Humus für solche Korruptionsskandale, [Doering (PDS): Da ist die FDP dran!]

und der befindet sich dort, wo ganze Bereiche, Geschäftsfelder, dem Wettbewerb entzogen sind und die Bürger auch mit den künstlich aufgeblähten Kosten, die nämlich mit solchen Korruptionsskandalen verbunden sind, nämlich für die Schmiergeld zahlenden Unternehmen, belastet werden können, ohne dass sie sich dagegen wehren können.

[Beifall bei der FDP]

Und das sage ich auch ganz klar: Das ist natürlich nicht nur staatliches Monopol, es ist selbstverständlich auch privates Monopol. Das wollen wir doch gar nicht leugnen. Und hier in Berlin haben wir bereits einen ähnlichen Nährboden vor Augen geführt bekommen, wie er dann auch zum Aufblühen kam. Das ist der gesamte Bereich der Bankgesellschaft; ein Beispiel dafür, wie ein großes Unternehmen, staatlich gehalten, als Selbstbedienungsladen der Manager und der Aufsichtsgremien – –

[Wieland (Grüne): Günter Rexrodt ist der Pate dieser Bank!]

Günter Rexrodt hat heute Geburtstag. Ich gratuliere ihm herzlich von dieser Stelle. Aber er hat mit den Auswüchsen des Skandals in der Bankgesellschaft nun wirklich gar nichts zu tun.

[Wieland (Grüne): Er hat sie nur gegründet!]

Und statt dass hier das Land Berlin aus dem ganzen Skandal, den wir hier im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft hatten, aus den Erfahrungen, die gerade die SPD mit ihren Genossen in Nordrhein-Westfalen hatte, die richtigen Schlüsse zieht und die richtigen Maßnahmen ergreift, bleibt es im Wesentlichen, wie es ist: Schwarze Pumpe, dann jetzt hier die BEHALA, die wird dann der BSR rübergeschoben, statt die Grundstücke sinnvoll zu verwerten. Zu was haben wir denn eigentlich den Herrn Lippmann und seinen Liegenschaftsfonds? – Nein, es ist im Wesentlichen alles, wie es ist. Und heute haben wir, dass der Stadtentwicklungssenator gesagt hat: Na ja, warum soll sich denn die BSR nicht bewerben bei der Innenreinigung öffentlicher Gebäude? – Das kann ich Ihnen sagen, Herr Strieder: Weil wir da einen wirklich existenten Markt haben, und das sind nicht nur die Großen, das ist nicht nur Piepenbrock und Co., sondern das sind kleinere und mittlere Unternehmen. Und da kann es ja wohl nicht angehen, dass hier der Stadtentwicklungssenator sagt, er begrüßt es und er wünscht ihr viel Glück auch noch dabei – dabei, eventuell hier einen existenten Markt in Berlin kaputtzumachen. Vorher haben Sie hier eine riesige Rede auf die Wirtschaft gehalten, aber wenn es um die Wurst geht, bleiben Sie ein Staatsmonopolkapitalist, nichts anderes.

[Beifall bei der FDP]

Es hat sich nichts geändert. Es hat sich, wie wir gerade gesehen haben, bei der Herangehensweise öffentlicher Dienst und Reduzierung der Kosten nichts geändert, und es hat sich auch in diesem Bereich nichts geändert. Nur Markt und Wettbewerb schafft Transparenz, verhindert Korruption. Schließen Sie sich diesem Antrag an. Kommen Sie zur Besinnung. – Herzlichen Dank! [Beifall bei der FDP]