Protocol of the Session on August 29, 2002

Danke schön, Herr Dr. Steffel! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat nunmehr der Fraktionsvorsitzende Herr Müller. – Bitte schön, Herr Müller!

[Dr. Lindner (FDP): Ein schwerer Gang!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fast genau vier Wochen ist Gregor Gysi vom Amt des Wirtschaftssenators zurückgetreten.

[Niedergesäß (CDU): Davongelaufen!]

Viele von uns, viele Berlinerinnen und Berliner haben mit Erstaunen und auch Unverständnis auf diesen Schritt reagiert. Auch ich muss das für mich sagen, dass ich ihn nach wie vor nicht richtig nachvollziehen kann, dass ich auch enttäuscht bin über diesen Schritt. Gerade weil wir so gut zusammengearbeitet haben in den letzten Monaten, weil wir viele wichtige und richtige Initiativen für die Berliner Wirtschaft mit auf den Weg gebracht haben,

[Beifall bei der SPD und der PDS – Wieland (Grüne): Welche?]

gerade auch vor diesem Hintergrund bin ich davon ausgegangen, dass alle, die in dieser schwierigen Situation in Berlin Verantwortung übernehmen, sich hier auch langfristig engagieren und sich nicht relativ schnell aus dieser Verantwortung stehlen. Ich glaube, Gregor Gysi hat einen Fehler im Zusammenhang mit den Bonusmeilen gemacht, so wie viele andere Abgeordnete auch. Einen Fehler, den er korrigieren muss, den er auch hätte korrigieren können. Vielleicht war in diesem Zusammenhang sein Rücktritt der eigentliche Fehler, den er begangen hat. Ich bedaure diesen Schritt, aber dieses Kapitel ist für uns auch abgeschlossen.

[Gram (CDU): Werden wir sehen!]

In der Rede von Herrn Steffel waren durchaus die Problemfelder richtig benannt, die auch von uns in der nächsten Zeit angegangen werden müssen. Aber erstaunlich vor diesem Hintergrund ist schon, mit wie viel Getöse die Opposition dann auf diesen Rücktritt reagiert hat. – Ich habe Ihre Rede nachgelesen, Herr Steffel! – Erst war Herr Gysi die absolute Fehlbesetzung, ein Mann der nicht wählbar ist. Heute erzählen Sie, Herr Wolf sei eigentlich jemand, der nicht wählbar ist. Rot-Rot macht ohnehin die völlig falsche Wirtschaftspolitik, konzeptionslos. Das ist es, was Sie uns vorwerfen. Aber wo ist da eigentlich die Krise, die Sie herbeireden wollen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Entscheidung, die Sie heruntergeredet haben, auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Wirtschaftspolitiker redet die Flughafenentscheidung herunter. Gerade diese Entscheidung heute war ein ganz wichtiger Schritt für die wirtschaftliche Entwicklung in unserer Region.

[Beifall bei der SPD – Zurufe der Abgn. Gram (CDU), Henkel (CDU) und Ritzmann (FDP)]

Und das, Herr Steffel, im Gegensatz zu diesen ganzen Plattheiten, die Sie hier wieder abgelassen haben: Die Tochter muss das Geschäft der Oma übernehmen oder irgendsowas, was Sie da erzählt haben. Genau das ist das wirtschaftspolitische Konzept dieser Koalition, dass die Aufgaben abgearbeitet werden, und die vordringliche wirtschaftspolitische Aufgabe war es, diese Flughafenentscheidung herbeizuführen. Und das innerhalb kürzester Zeit. Auch das muss man sich vergegenwärtigen, Herr Diepgen hat darüber zehn Jahre schwadroniert. Dieser Koalition ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit ein hervorragendes Verhandlungsergebnis zu erreichen,

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU]

ein Verhandlungsergebnis im Übrigen – Sie werden es dann im Detail sehen –, wo nicht einseitig zu Lasten des Landes Berlin verhandelt wurde, sondern ganz im Gegenteil, wo insbesondere auch auf diese wirtschaftlichen Fragen, auf die Sie eingegangen sind, Rücksicht genommen wurde. Wir haben Klauseln hineinverhandelt für kleine und mittelständische Unternehmen, wir

haben einen Risikopassus, damit eben nicht alles beim Land Berlin landet. Gucken Sie es sich im Detail an, bevor Sie so eine wichtige Entscheidung herunterreden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Henkel (CDU): Absichtserklärungen! Noch haben wir gar nichts!]

Aber die Frage ist ja, für wen Herr Steffel überhaupt redet. Wenn wir schon dabei sind, in welcher Verfassung hier alle Fraktionen sind, dann möchte ich das auch gerne diskutieren. Wir können uns gerne die Lage der Opposition angucken, was die Opposition, was die CDU-Fraktion hier insbesondere will. Herr Steffel, das nächste wichtige wirtschaftspolitische Projekt für uns, für Berlin-Brandenburg ist mit Sicherheit auch die Länderfusion. Sie reden dafür, ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Herr Zimmer, redet dagegen. Was will die CDU-Fraktion? – Keiner weiß es!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie, Herr Steffel, reden für diese zweifelhafte Initiative Bankenskandal. Da redet Ihre halbe Fraktion gegen Sie. Sie, Herr Steffel – auch mal ein anderes Thema, aber immerhin ein sehr wichtiges Thema –, vertreten eine richtige Position, indem Sie sich für das Gesetz zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften einsetzen. Da redet Ihre ganze Partei gegen Sie. Für wen reden Sie eigentlich, für wen treten Sie hier auf?

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Dr. Steffel (CDU): Der Kandidat heißt Wolf! Ich stehe nicht zur Wahl!]

Ganze Partei, das schränke ich gleich wieder ein, weil wir es vom Parteivorsitzenden Stölzl nicht wissen. Der sagt gar nichts zu all den Themen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Natürlich wollen wir in dem Zusammenhang auch über die FDP-Fraktion reden, eine wirtschaftspolitische Partei.

[Dr. Steffel (CDU): Reden Sie doch mal über Wirtschaft und den Senat! – Weitere Zurufe von rechts]

Ja, Sie haben darauf gewartet. – Was Sie sich in den letzten vier Wochen mit Mister Wirtschaft Rexrodt vorneweg geleistet haben, ist wirklich das dollste Ding. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ein Mann, der hier Spitzenkandidat war, hat es gerade einmal zehn Wochen in dieser Stadt ausgehalten.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zurufe von der CDU und der FDP – Ritzmann (FDP): Er arbeitet für Berlin im Bundestag!]

Kaum hat er den Verhandlungstisch zur Koalition verlassen, hat er sich schon in den Bundestag verabschiedet. Das Allerbeste haben wir heute noch im „Tagesspiegel“ nachlesen können: Er hat seine Aufgaben ohnehin nie in der Landespolitik gesehen. Herr Lindner, da werden sich einige Wähler doch erstaunt die Augen reiben, dass hier ein Spitzenkandidat mit einem wirtschaftspolitischen Konzept antritt und hinterher sagt: Das war ohnehin nie meine Aufgabe.

[Krestel (FDP): Reden Sie doch mal zum Thema! – Weitere Zurufe]

Nun bleiben Sie mal ganz ruhig! Ich habe noch sechs Minuten. – Herrn Rexrodts Weggang wäre auch zu verkraften gewesen, wenn wir nicht jeden Tag mitansehen müssten, wie Sie, Herr Lindner, sich mit diesem Erbe quälen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Heiterkeit bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zurufe von der CDU und der FDP]

Das ist das eigentliche Problem, dass Sie inzwischen diese Positionen von Herrn Rexrodt unbesehen nachplappern. Sie erzählen inzwischen auch, Sie würden am liebsten alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes hinausschmeißen. Sie würden am liebsten

die halbe Stadt privatisieren. Und noch so hervorragende verkehrspolitische Thesen: Freie Fahrt für freie Bürger durchs Brandenburger Tor!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: Jawohl!]

Das sind Ihre Konzepte – herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen, zu diesen Konzepten der FDP-Fraktion!

[Ritzmann (FDP): Was sind denn Ihre Konzepte?]

Von der Opposition wird offensichtlich keine konstruktive Mitarbeit für die schwierigen Aufgaben, die wir zu bewältigen haben, zu erwarten sein.

[Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Wir werden unsere Ziele weiterverfolgen, und diese Ziele liegen natürlich auch im Wesentlichen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Das ist doch gar keine Frage.

[Zurufe von der CDU und der PDS]

Sie wollen, dass ich noch etwas zu den Grünen sage?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Gerne, denn Sie wissen genau, dass wir in vielen grundsätzlichen Fragen mit den Grünen einer Meinung sind. Natürlich!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Ah! von rechts]

Das Hauptproblem bei den Grünen ist aus meiner Sicht im Moment, dass sie solche Albernheiten machen, dass sie es toll finden, dass in einer Ausschusssitzung 80 Fragen gestellt werden, und sich der Fragesteller auch noch dafür feiern lässt, dass er die Arbeit des Finanzausschusses blockiert. Das ist das, was ich bei den Grünen sehe.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne) – Dr. Steffel (CDU): Reden Sie doch mal zur Sache, nicht zu Personen!]

Wir werden unsere Ziele weiterverfolgen. Harald Wolf kommt eine wichtige Rolle als Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen zu. Ich will es gleich vorwegnehmen, er genießt das volle Vertrauen unserer Fraktion. Das ist gar keine Frage.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Gelächter bei der CDU – Zurufe von der FDP]

Ich hätte mir an der Stelle auch gewünscht, dass das gesamte Haus, dass alle Fraktionen dem neuen Senator und Bürgermeister diesen Vertrauensvorschuss auch gewähren. Ich glaube, sowas sollte guter parlamentarischer Brauch sein.

[Gelächter bei der CDU – Dr. Steffel (CDU): Wir werden Sie nach der Bundestagswahl daran erinnern!]