Protocol of the Session on August 29, 2002

Antrag der Fraktion der Grünen über Aktionsplan Klimaschutz für Berlin

c) Drucksache 15/703:

Antrag der Fraktion der Grünen über Verzicht auf das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17 zugunsten der Wiederherstellung der durch die Flutkatastrophe beschädigten Infrastruktur

in Verbindung mit

lfd. Nr. 49:

a) Drucksache 15/690:

Antrag der Fraktion der FDP über Neues Bewusstsein für Katastrophenschutz schaffen

b) Drucksache 15/705:

Antrag der Fraktion der CDU auf Annahme einer Entschließung über Bürgerengagement zur Bewältigung der Flutkatastrophe mehr denn je gebraucht

lfd. Nr. 53, Drucksache 15/699:

Antrag der Fraktion der Grünen über Berlin unterstützt die Kampagne „fairer Handel“

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Momper

in Verbindung mit

Drucksache 15/708:

Antrag der Fraktion der FDP über Hilfe für die Hochwasseropfer in bürgerschaftlicher Solidarität nach dem Beispiel der Berlindarlehen

Für letztgenannten Antrag ist Dringlichkeit beantragt. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Zur Aussprache empfiehlt der Ältestenrat eine Redezeit von insgesamt 15 Minuten pro Fraktion. Nach einer ersten Rederunde der Fraktionen, in der 10 Minuten pro Fraktion zur Verfügung stehen, beantwortet der Senat die Große Anfrage. Auch Herr Senator Strieder möge sich bitte an die Gesamtredezeit von 15 Minuten halten. Nach der Beantwortung durch den Senat steht den Fraktionen dann noch einmal eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung.

In der Redefolge beginnt die antragstellenden Fraktion für die Aktuelle Stunde sowie für die Große Anfrage, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dazu hat – wenn ich jetzt richtig unterrichtet bin – der Kollege Wieland das Wort. – Bitte schön, Herr Wieland, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der so titulierte Alptraumsommer 2002 hat weltweit Spuren der Verwüstung hinterlassen. Vor dem frischen Bild der Wassermassen an Elbe und Donau ist es schon fast vergessen, so schnelllebig ist die Zeit, dass auch Berlin am 10. Juli von einem verheerenden Sturm verwüstet wurde, der das Leben junger Menschen auf Schwanenwerder kostete, ausgerechnet Nachwuchsfeuerwehrmänner, die sich darauf vorbereiteten, in ihrem späteren Beruf anderen zu helfen. Die erste Reaktion auf dieses und alle Unwetter und Geschehnisse dieses Sommers war immer, und musste es auch immer sein, die Hilfe für die bedrohten Menschen zu organisieren. Gerade bei der Flutkatastrophe haben sich Feuerwehr, Polizei, THW und BSR aus Berlin vorbildlich eingesetzt in unseren benachbarten Bundesländern. Ihnen gilt ausdrücklich unser Dank.

[Allgemeiner Beifall]

Wahlkampf auf dem Deich, Wahlkampf auf dem Rücken der Opfer, das wollte niemand sehen und das will niemand sehen. Die gleiche Hilfs- und Spendenbereitschaft, die die Bevölkerung zeigt, erwartet sie auch von der Politik. Es kann dabei durchaus Streit um den Weg geben, um die Finanzierung, Streit darum, ob ein Verschieben der Steuerreform oder die Entnahme von Bundesbankgewinnen der richtige Weg ist. Ein solcher Streit ist legitim in der Demokratie. Was allerdings außerhalb des Streites gestellt werden sollte, ist das Ziel, dass es nach Möglichkeit den betroffenen Menschen nach der Flut nicht schlechter gehen soll als vor der Flut. Wir als Grüne fügen ausdrücklich noch hinzu: Wir sollten auch in dieser Situation über unserer Landesgrenzen hinaus sehen, wir sollten auch in dieser Situation zum Beispiel auf unsere Partnerstadt Prag sehen. Freundschaft beweist sich in der Not, dies gilt gerade auch hier.

[Allgemeiner Beifall]

Wir wurden als Bündnisgrüne in diesen Tagen des öfteren gefragt: Warum so zurückhaltend? Jetzt wird wahr, was ihr immer an die Wand gemalt habt, warum haut ihr nicht mehr auf die Pauke? – Ich denke, es war richtig, hier auf Rechthaberei und auch auf Besserwisserei zu verzichten. Aber die Grundfrage, sie muss schon gestellt werden. Der „Stern“ hat sie wie folgt formuliert, ich zitiere:

In der Bibel im 1. Buch Moses ließ Gott es 40 Tage und Nächte regnen, um alles Leben und mit ihm alle Sünden auf Erden zu tilgen. Nur Noah und seine Arche überlebten die Sintflut. Auch die Flutkatastrophe an Elbe und Donau ist wohl eine Folge menschlicher Sünden. Wir haben durch hemmungslosen Energieverbrauch die Klimaerwärmung, die immer häufiger zu Unwettern führt, zumindest beschleunigt. Wir haben einst beschauliche Bäche und Flüsse durch Einengen, Begradigen und Ausbaggern in bedrohliche

Wasserstraßen verwandelt. Und wir haben durch Bauen in gefährdeten Gebieten und durch mangelhaften Deichschutz die Naturgewalten sträflich außer Acht gelassen.

[Zuruf des Abg. Ritzmann (FDP)]

Das Verdrängen dieser Wahrheiten, das geht jetzt nicht mehr, Herr Ritzmann! Öko ist out, das haben gerade Sie uns immer wieder gepredigt, aber die Natur hat sich zurückgemeldet. Nicht wir haben sie auf die Agenda gesetzt, sie hat dies selbst getan. Ich wiederhole es: Wir haben in dieser Situation der Versuchung der Selbstgerechtigkeit widerstanden, und dies, obwohl zum Beispiel unsere Parteifreunde in Sachsen-Anhalt Hohn und Spott dafür geerntet haben, dass sie jahrelang gegen die Begradigung und gegen den Ausbau der Elbe angekämpft haben. Gar nicht zu reden von der Ökosteuer, die uns Landtagswahl um Landtagswahl um die Ohren geschlagen wurde!

[Zuruf des Abg. Ritzmann (FDP)]

Nun hört man von Volker Liepelt bis Klaus Töpfer: Energieverbrauch muss verteuert werden. – Recht haben sie. Eine späte Erkenntnis! Noch vor zwei Jahren brachten Sie an Ihrer Zentrale die Parole an: Weg mit dieser K.-o.-Steuer! – Da erwarten wir von der CDU ein bisschen mehr Konsistenz und auch ein bisschen mehr Ehrlichkeit.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Auch ein Berliner Kurzzeitwirtschaftssenator predigte landauf, landab, wie unsozial die Ökosteuer sei. Ich hoffe, dass er – er predigt immer noch weiter, auch ohne Amt, aber mit Chauffeur und mit Büroleiterin – seinen Textbaustein jetzt geändert hat. Wenig Hoffnung, dass dies geschieht, kann ich allerdings bei einer gewissen Spaßpartei in diesem Raum aufbringen. Da erinnern wir uns noch, Herr Lindner, wie Sie und Ihr dauerfröhlicher Herr Westerwelle in dieser Gaga-Aktion Gratisbenzin mit der Zapfpistole in der Hand ausgeschenkt haben, frei nach Ihrem Motto: Ich geb’ Gas, ich will Spaß! – Sie wollten mehr CO2Emissionen statt weniger, das ist Ihr Parteiprogramm.

[Dr. Lindner (FDP): Ihr fliegt dafür nach Thailand!]

Da ist glücklicherweise heute die deutsche Industrie verantwortungsvoller, als Sie es sind.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

So wirbt beispielsweise die chemische Industrie, nicht etwa die Bundesregierung in einer Anzeige wie folgt: „Deutsche Chemie – Spitzenreiter beim Klimaschutz. Bei den weltweiten Anstrengungen, den CO2-Ausstoß zu vermindern, nimmt Deutschland eine Spitzenposition ein. Deutschland trägt allein 75 % der von der EU zugesagten CO2-Reduzierung.“ – Auch wenn wir immer sehr skeptisch sind gegenüber derartigen Jubel- und Erfolgsmeldungen, auch wenn nach unserer Ansicht auch in Europa längst nicht alles positiv ist, so sagen wir im Hinblick auf Johannesburg doch ganz bewusst: Die europäischen Länder haben auf Grund eigener Anstrengungen das Recht erwirkt, insbesondere das Ausscheiden der USA aus dem Kyoto-Protokoll scharf zu kritisieren. Dass die größten Energieverschwender in der Welt, die USA, glauben, in einem Alleingang zu Lasten vieler Länder in der Dritten Welt handeln zu können, darf nicht weiter so sein. Hier erwarten wir eine harte und kompromisslose Haltung in Johannesburg.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Natürlich werden auch für die Bundesrepublik die Alternativen klarer. Ein Zurück in das Atomzeitalter, von Günter Rexrodt heute im „Tagesspiegel“ empfohlen – Wissenschaftler, die die CDU in die Enko des Bundestages entsandt hat, haben ausgerechnet, bis zu 50 AKWs brauchen wir –, ist das der richtige Weg, oder ist eine Fortführung der Energiewende mit Wind, Sonne und Biomasse und vor allem auch dem radikalen Einsparen von Energie richtig? – Mit uns jedenfalls wird es nicht dazu kommen, dass wir den Teufel „fossile Energieverbrennung“ durch den Beelzebub „Zurück zur Atomkraft“ ersetzen. Und das verstehen auch die Menschen in diesem Land ganz genau, dass dies nicht der richtige Weg wäre.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Momper

Natürlich steht auch die Alternative: weitere Kanalisierung, weiteres Eindämmen der Flüsse oder Renaturierung und Schluss mit dem Irrsinn insbesondere auch des Havel- und Elbeausbaus zu einer Wasserautobahn. Die FDP – wir mussten es mit Verwunderung in Ihrem Wahlprogramm lesen, Seite 22, lesen Sie mal nach – fordert einen Anstieg der Pegel. Ich zitiere:

In der Schifffahrt müssen Maßnahmen gegen den niedrigen Wasserstand auf den Bundeswasserstraßen ergriffen werden.

Da empfehlen wir Ihnen, schleunigst eine Korrekturseite zu schreiben, Herr Lindner!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Herr Abgeordneter Wieland, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lindner?

Ja, ich gestatte sie!

Bitte schön, Herr Lindner!

Sie sagten gerade, die Leute würden das nicht verstehen, wenn man jetzt zurückkehrte – –