Protocol of the Session on June 13, 2002

Und ich sage noch einmal: Was die Frage der Gestaltung betrifft: Mehr Mut, mehr Vertrauen in die Zukunft, dann werden wir dort auch eine gute und würdige Lösung für alle finden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Dr. Lötzsch! – Nunmehr hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Oesterheld das Wort. – Bitte schön, Frau Oesterheld!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht die erste Diskussion und es ist nicht die beste Diskussion.

[Hahn (FDP): Das ist wahr!]

Das Ergebnis der Expertenkommission – diese Expertenkommission ist übrigens vom Bund eingesetzt und nicht von Herrn Senator Strieder – wurde in den Zeitungen recht unterschiedlich bewertet und hier offensichtlich auch. Die einen schrieben: Das Schloss kommt, die anderen schrieben: Das Schloss kommt nicht. Und irgendwie hatten beide Recht, denn der originale Wiederaufbau, wie ihn konsequenterweise die FDP möchte, wird ganz sicher nicht kommen, schon allein aus finanziellen Gründen nicht, weil dies finanziell einfach nicht zu realisieren ist.

[Hahn (FDP): Das wissen Sie doch gar nicht!]

Auf der anderen Seite soll doch ein bisschen Wiederaufbau Schloss sein, mit bestimmten Flügeln und vielleicht dem einen oder anderen Hof, so genau weiß man es nicht, aber irgendwie schon. Insofern haben alle Recht, aber wir sind bei der Diskussion wieder bei der Gestalt. Das fand ich gut bei der Expertenkommission, dass sie eben nicht ausschließlich fixiert war auf die Gestalt. Denn das ist das Unsinnigste, das in den letzten zehn Jahren gelaufen ist.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Radebold (SPD)]

Herr Apelt, als ich Ihrer Rede zuhörte, habe ich plötzlich wieder vor Augen gehabt, warum es die ganze Zeit eine so ätzende Diskussion gab. Auch wir hatten bestimmte Positionen dazu, aber man hat die ganzen Jahre versucht, aufeinander zuzugehen, sich zu überlegen, was machbar ist, was nicht. Aber Ihre Rede war wie vor zehn Jahren, als alle angefangen haben zu diskutieren. Es hat sich kein bisschen geändert. Da muss ich sagen, das finde ich nach so vielen Jahren absolut dürftig.

Es gibt ansonsten kaum ein Argument für oder gegen den Wiederaufbau des Schlosses, das nicht gefallen ist. Aber ich möchte mich lieber der Expertenkommission nähern. Was ich sehr erfreulich finde, ist, dass da eindeutig gesagt wurde: Dieses Areal, und zwar das gesamte Areal, soll einer öffentlichen Nutzung weitgehend zur Verfügung stehen, denn das war unser Wunsch von Anfang an. Und das ist gut so.

[Beifall bei den Grünen]

Der zweite Punkt, den wir genauso wichtig fanden und den wir immer eingefordert haben, ist das Thema, dass es eben nicht nur um das Gebäude Schloss ja oder nein geht, sondern um eine gesamtstädtische Lösung für das Areal, inklusive der Gebäude darum herum und der Freiflächen und mit der Maßgabe, dass natürlich die Entwicklung dieses städtebaulichen Areals in alle Richtungen der Stadt geöffnet werden muss und nicht nur in eine.

Was ich drittens erfreulich finde bei der Expertenkommission: Es macht doch einen Sinn, zunächst einmal die Nutzungsansprüche zu klären, zunächst zu sagen, wir wollen eine bestimmte Nutzung. Dann sind sich viele einig, nicht an jedem Punkt, aber auch

da ist die Einigkeit noch relativ groß. Auch wir können uns eine museale Einrichtung vorstellen. Wir wollen auch Seminare, Veranstaltungen, Bibliothek. All das war auch in früheren Papieren von uns schon enthalten. Auch das ist eine erfreuliche Entwicklung in der Diskussion. Dennoch ist natürlich der Wunsch allein nicht ausreichend, sondern es muss geklärt werden, welche Ansprüche sich realisieren lassen. Da hat sich die Expertenkommission im Gegensatz zu manch anderen Diskutanten sehr viel Mühe gemacht mit dem gesamten Areal und auch mit Überlegungen zur Nutzung für alle Gebäude.

Da hört aber die Einigkeit schon auf. Wenn wir der Meinung sind, die Nutzung bestimmt die Architektur, so lese ich in der Begründung des FDP-Antrags: Erst soll die Hülle gebaut werden, und die Nutzung könne sich ja im Laufe der Jahre Stück für Stück entwickeln. Ich gebe zu, dass stellt zumindest mein Verständnis von der Aufgabe von Architektur auf den Kopf. Ich bin der Meinung, dass Architektur sich daran messen muss, inwieweit sie Nutzungsansprüche optimal mit einer qualitativ hochwertigen Gebäudekonzeption verbinden kann. Das ist die Kunst von Architektur und nicht irgendeine Hülle hinzustellen, und was hinterher passiert, wird man schon sehen. Jeder Bauherr fragt sich auch zuerst, wozu er ein Gebäude will, und dann fängt er an zu bauen. Das andere ist schon ein bisschen die Sache auf den Kopf stellen, und das ist nicht unser Interesse dabei.

Eine nicht ganz unwesentliche Frage, die die FDP leider ganz außen vor gelassen hat, ist: Wer finanziert denn? – Da kommen wir zu dem Zitat von Herrn Strieder: „Geldmangel ist die Wurzel alles Übels.“ – Ich muss ganz ehrlich sagen: Im Land Berlin bin ich schon manchmal sehr froh, dass nicht so viel Geld da ist,

[Ritzmann (FDP): Hört, hört!]

man weiß nicht, was sonst noch alles ganz hektisch für Unsinn gebaut würde. Lassen Sie uns die Zeit für die Diskussion. Insofern kann ich erst einmal gar nicht so heftig darüber klagen, dass wir das Geld nicht einfach so in der Tasche haben.

Klar ist auch, dass der Senat sich hier nicht hinstellen und sagen kann, wir zahlen. Ich finde es richtig, dass Sie gesagt haben, Berlin kann nicht zahlen. Und ich sehe das auch so für die nächsten zehn Jahre. Ich denke, es ist niemandem zu vermitteln, wenn wir für ein Schloss enorme Investitionen tätigen, da wir sonst überall sparen. Die Größenordnung für dieses Gebäude wird geschätzt mit 670 bis 700 Millionen $. Das ist eine realistische Zahl, aber das ist eben auch eine Summe, die erst einmal aufgebracht werden muss.

Was ich bedauere, ist, dass die heftigste Architekturdebatte der letzten Jahre sich leider nicht an moderner Architektur entzündet hat, sondern an der Frage: Wiederaufbau des Schlosses – ja oder nein? Die Gründe dafür liegen aber nicht ausschließlich – das haben auch die Beiträge von Herrn Apelt und Herrn Wellmann deutlich gezeigt – in der Architektur. Es gibt auf der einen Seite einen gewissen Verdruss über so viele Glas- und Stahlbauten, die Berlin nicht gerade nur verschönert haben und die seit der Wende wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Und damit gibt es auch ein Problem für die moderne Architektur, die erst noch zeigen muss, ob sie in der Lage ist, bestimmte Probleme – und gerade das Problem am Schlossplatz – zu lösen, oder ob sie dafür keine Antworten findet.

Hinter dieser jahrelangen Debatte steht aber zusätzlich auch die Debatte um den Umgang mit der Geschichte. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir das Schloss wieder aufgebaut hätten, wenn es in Westberlin gelegen hätte – einfach deshalb, weil es eine Frage des Geldes war. Ich erinnere an die Gedächtniskirche. Dafür wurde gesammelt, weil alle wollten, dass sie wieder aufgebaut wird. Aber es ließ sich nicht machen! Und das war das Problem. Man hat eine neue Konzeption gefunden, und ich finde es heute sehr gelungen, dass die Gedächtniskirche in der Form, wie sie steht, nicht nur sofort Berliner Wahrzeichen wurde, sondern dass sie an die Geschichte erinnert. Und zwar erinnert sie nicht nur an eine bestimmte Epoche, sondern dadurch, dass sie als Ruine dasteht, gleichzeitig an mehrere Epochen.

[Beifall der Abgn. Mutlu (Grüne) und Pewestorff (PDS)]

Frau Osterheld

Das Politikum an der Schlosssprengung war nicht, dass das Gebäude nicht restauriert wurde, sondern der propagierte bewusste politische Akt, diesen Teil der Geschichte auslöschen zu wollen. Und das ruft den Widerstand besonders bestimmter Kreise auch hervor. Das begründet die heftige Debatte, und zwar die heftige Debatte auf beiden Seiten.

Herr Wellmann hat so nette Zitate gefunden – ich habe auch eins. Herr Geißler, ein Parteikollege von Ihnen, nicht von uns, hat vor 14 Tagen in einem Fernsehinterview das Schloss als „Symbol einer degenerierten Dynastie“ bezeichnet. Ich würde so weit gar nicht gehen, aber ich sage Ihnen: Wenn dieses Schloss stände, würde ich dafür kämpfen, weil es für mich ein Denkmal der Geschichte wäre. Aber dieses Schloss steht nicht mehr, und das ist das Problem!

[Wellmann (CDU): Das Schloss Charlottenburg war auch weg!]

Das Schloss Charlottenburg steht! Ich kämpfe auch für das Schloss Charlottenburg, für die Gebäude, die stehen. Dafür sind wir auch bekannt, dass wir nicht für den Abriss sind, sondern dass wir diese Geschichte wahren wollen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Hahn (FDP): Wenn das Stadtschloss wieder steht, werde ich auch dafür kämpfen!]

Es steht aber noch ein Gebäude – der Palast der Republik. Was ich ganz erfreulich fand, meine Damen und Herren von der FDP, ist, dass Ihnen bei der Begründung zumindest aufgefallen ist, dass die Sprengung eines Gebäudes vom Abriss eines Gebäudes nicht ganz so weit entfernt ist, sonst hätten sie in der Begründung nicht versucht, deutlich zu machen, dass Sie mit dem Abriss des Palastes der Republik keineswegs Geschichte löschen wollen, sondern Sie haben sich so weit hinreißen lassen zu sagen: Ach, da stehen noch andere Sachen! Zumindest ist Ihnen aufgefallen, dass man auch mit dem Abriss eines Gebäudes eine bestimmte Epoche auslöschen will. Ich finde es zumindest in ihrem Antrag relativ ehrlich, so damit umzugehen, während alle anderen, auch Herr Wellmann, sich hinter Ästhetik verstecken. Mit dem Abriss des Palastes der Republik wird auch ein Geschichte Stück ausgelöscht.

Ich nenne dazu einen Vergleich: Wenn das Ahornblatt von einem namhaften westdeutschen Architekten gebaut worden wäre, hätte man es nie abgerissen. Dieser Abriss war ebenso ein Frevel. Es geht auch immer ein Stück weit darum, die DDR-Architektur aus dem Stadtbild zu streichen.

[Dr. Lindner (FDP): Die Stalinallee bleibt!]

Aber man sollte sich dazu bekennen. Sagen Sie es, und verstekken Sie sich nicht hinter ästhetischen Argumenten!

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Frau Kollegin!

Was wir wollen, ist – glaube ich – ziemlich deutlich geworden: eine stadtgestalterische Gesamtlösung und eine öffentliche Nutzung. Ich persönlich wäre sogar glücklich darüber, wenn ein bisschen die Idee einer europäischen Hauptstadt, ein bisschen die Idee des Tors zum Osten realisiert würde, wenn internationale Offenheit, wenn mehr Lebenslust und Freude herüberkäme und nicht nur ein Rückblick auf die Vergangenheit stattfände. Das würde mich begeistern.

[Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Wir haben dazu noch eine ganze Menge zu diskutieren, aber so ganz einfach, wie Herr Apelt und Herr Wellmann es sich gemacht haben – das führt zu einer Kontroverse, die wir seit zehn Jahren hatten und die wir so nicht fortführen sollten.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke schön, Frau Oesterheld! – Zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Apelt das Wort. – Bitte schön!

Frau Oesterheld! Ich muss sofort darauf antworten, das können Sie sich denken. – Ihre Botschaft lautete: Weiter so! Weiter so im Prüfen und Abwägen! – Darin sind Sie sich offenbar auch mit anderen Fraktionen einig. Und das werden Sie wahrscheinlich am liebsten nicht nur meiner Generation zumuten, sondern noch weiteren. Weiter so in den Belanglosigkeiten und Allgemeinplätzen, die in dem Satz von Herrn Radebold – Entschuldigung, ich schätze sie sonst sehr! – gipfeln: „Wir müssen eine Lösung finden, die weit in die Zukunft reicht!“ – Schauen Sie sich mal all die Reden an, die wir seit Jahren hier im Hause zu dem Thema halten! Sie lauten alle so: „Wir müssen eine Lösung finden, mit der alle zufrieden sind und die weit in die Zukunft reicht!“ – Das haben die Leute draußen satt. Die Leute, die jeden Tag am Stadtschloss vorbeifahren, die sehen diese Ruine und sagen sich: Was mutet man uns eigentlich zu? Und was mutet uns die Politik in dieser Stadt eigentlich zu? –

[Doering (PDS): Ich fahre auch jeden Tag daran vorbei!]

Die Leute haben Recht, dass man ihnen nicht immer zeigen sollte, an welchen Stellen wir nicht in der Lage sind, ein Problem angemessen zu lösen.

Und wenn nun die Debatte mit den Finanzen kommt, kann man auch hier ganz klar sagen, liebe Frau Lötzsch: Schauen Sie nach Polen. Polen hat Danzig und Warschau in einer Zeit aufgebaut, in der es ihm finanziell sehr viel schlechter ging als uns Deutschen, die wir wahrlich nicht darüber klagen müssen, dass wir in Armut versinken. Ich finde, die Stadt hat das Recht dazu, dass diese Wunde endlich geschlossen wird, dass wir nicht länger diskutieren. Das, was die Sachsen uns mit der Frauenkirche, dem einzigartigen Symbol, vormachen, könnten wir in Berlin mit dem Stadtschloss und bürgerschaftlichem Engagement doch auch schaffen. Warum wollen wir als Berliner nicht auch so ein Symbol haben? Warum wollen wir uns immer nur verstecken? Warum sagen wir immer, wir können nicht, und wir müssen noch einmal abwägen und noch ein paar Jahre warten? – Das ist der Sache nicht angemessen. Wir machen uns letztlich vor der Geschichte lächerlich. – Danke!

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Hahn (FDP)]

Danke schön, Her Apelt! – Das Wort zur Entgegnung hat nunmehr die Kollegin Oesterheld, wenn sie das möchte.

Herr Apelt! Als Antwort: Ich glaube schon, dass wir ein Stück weitergekommen sind, und zwar, indem endlich konkret gemacht wird, welche Nutzungen in dem gesamten Areal möglich sein sollen. Das ist ein wichtiger Schritt. Dazu hat Ihr Herr Wellmann immer nur gesagt: Naja, man könnte dies, und das geht vielleicht nicht, und ich hätte dies so gerne. Ich finde, die Nutzungsvorschläge, die jetzt gekommen sind, lassen sich realisieren, und die sollen sich auch realisieren lassen. Und jetzt lassen Sie uns Schritt für Schritt weitergehen! Auch Sie haben das Geld nicht in der Tasche! Und solange Sie das Geld nicht in der Tasche haben, können Sie zehnmal sagen, wir wollen jetzt aber anfangen zu bauen – Sie können nicht anfangen. Also akzeptieren Sie doch diese schrittweise Entwicklung!

Wir sind ein Stück weiter. Ob mir das alles persönlich gefällt, ist eine ganz andere Frage. Aber lassen Sie uns nicht wieder zurückfallen in diese Uraltdebatte, ob ja oder nein, sondern lassen Sie uns gemeinsam Schritt für Schritt weitergehen; denn das könnte etwas werden!

[Beifall bei den Grünen]