Protocol of the Session on June 13, 2002

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Gelächter der Abgn. Cramer (Grüne), Brauer (PDS) und Doering (PDS)]

Sicherlich gestattet dieses einstweilen nicht den groß angelegten Straßenneubau. Wieso allerdings so überflüssige Maßnahmen wie der Lichtenrader Bahntunnel, Herr Strieder?

Es geht jedoch darum, langfristig benötigte Straßenverbindungen heute planerisch festzulegen, dass die Trassen nicht verbaut werden können. Herr Senator Strieder tut aber genau das Gegenteil. Ich nenne einmal ein paar Beispiele, wir kennen sie ja alle, etwa Gleisdreieck,

[Zuruf der Frau Abg. Kubala (Grüne)]

wo Sie zu Lasten der Potsdamer und Rheinstraße sämtliche Möglichkeiten zum Bau einer Straßenverbindung zwischen Landwehrkanal und Sachsendamm buchstäblich verbauen.

[Doering (PDS): Sagen Sie doch einmal öffentlich, dass Sie den Park nicht wollen! – Wieland (Grüne): Westtangente!]

Das hat übrigens mit einem Park gar nichts zu tun. Den Park können sie zusätzlich machen.

[Cramer (Grüne): Vor dem Ersten Weltkrieg oder vor dem Zweiten?]

Nächstes Beispiel Lankwitz, wo Sie den Ausbau der B 101 per Änderung des Flächennutzungsplans blockieren wollen mit der Folge, dass sich der zunehmenden Stadt-Umland-Verkehr weiterhin durch enge Wohn- und Geschäftsstraßen drängen muss.

[Beifall bei der FDP]

Reinickendorf, Pankow, wo Sie die dringend erforderliche Tangentialverbindung Nord ebenfalls per Änderung des Flächennutzungsplans sabotieren und den Verkehr auf Dauer regelrecht in die Wohngebiete – Beispiel Niederschönhausen – hineinpressen. Das sind Beispiele für eine bürger- und umweltfeindliche Verkehrspolitik, wegen der absehbaren Dauerstaus in den betroffenen Gebieten auch volkswirtschaftlich ganz unhaltbar.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sagen Sie nicht, dass der StEP Verkehr primär auf das Jahr 2015 angelegt sei und auch danach noch der Straßenbau geplant werden könne! Es geht darum, heute die zukünftigen Verkehrstrassen zu planen und zu sichern, damit die Trassen nicht bis 2015 verbaut werden können. Unter diesen Umständen musste die FDP-Fraktion nicht nur die Große Anfrage, sondern auch eine Reihe von Anträgen zum Thema Straßenplanung einbringen.

Dass der öffentliche Personennahverkehr nicht Gegenstand unserer heutigen Anträge ist,

[Zuruf der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

beruht nicht auf der Geringschätzung seitens der FDP-Fraktion, sondern darauf, dass dieses Thema wegen seiner Bedeutung einer gesonderten ausführlichen Behandlung bedarf. Unsere Vorschläge hierzu verdienen Ihre Vorfreude, das kann ich schon sagen.

Das Straßennetz Berlins ist noch immer zweigeteilt. Im ehemaligen Westteil der Stadt bildet der Stadtring und die radial auf den Ring zuführenden Autobahnen das Rückgrat des Netzes. Im ehemaligen Ostteil der Stadt dagegen gibt es praktisch kein Autobahnnetz. Hier steht für den übergeordneten Straßenverkehr nur das überwiegend aus der Vorkriegszeit stammende Stadtstraßennetz zur Verfügung. Die Straßenverbindungen zwischen den Netzflächen werden zunehmend durch Staus und Umwege belastet, mit den entsprechenden Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt. In diesem Zusammenhang kommt dem Ausbau des Stadtautobahnrings und des so genannten inneren Straßenrings zentrale verkehrspolitische Bedeutung zu. Jede dieser Maßnahmen ist – für sich gesehen – mindestens so bedeutsam wie die bevorstehende Inbetriebnahme des S-Bahnrings.

In Ihrer Antwort weisen Sie, Herr Strieder, auf die Verkehrspolitik anderer Großstädte hin, zum Beispiel auf Paris. Lassen Sie doch einmal Ihren runden Tisch in Paris anfragen, ob man dort auf den schon vor Jahrzehnten fertig gestellten achtstreifigen Stadtautobahnring verzichten würde! Die FDP-Fraktion begnügt sich für Berlin mit einem sechsstreifigen Stadtring, damit die Innenstadt mitsamt ausgedehnten Wohngebieten vom Autoverkehr nachhaltig entlastet und als Wirtschaftsstandort gesichert wird.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass ich nicht allen Sitzungen des runden Tisches beigewohnt habe. Sie haben leider die letzte Sitzung verpasst, in der ich zugegen war. Dort präsentierte die IVU – in Ihrem Auftrag übrigens – Szenarien, aus denen deutlich hervorging, wie notwendig es ist, den Stadtring zu schließen.

[Zuruf der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

Ich habe bemerkt, welche Probleme Ihre Verwaltung mit dieser Feststellung hatte. Dieses gilt auch für den inneren Ring, auf dem die Straßenbahn aus unserer Sicht auch nichts zu suchen hat.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Auch das Thema Stadt-Umland-Straßen ist ein Berliner Trauerspiel, das seit über zehn Jahren unter dem Titel „Wenig geplant und nie gebaut“ aufgeführt wird. Die zahlreichen Straßenengpässe, vor allem am östlichen und nördlichen Stadtrand sind zumeist Berlin geschuldet, das einfach nicht „in die Puschen“ kommt. Unterdessen baut das Land Brandenburg die auf Berlin zuführenden Fernstraßen zügig aus. Verkehrs- und damit wirtschaftspolitisch benachteiligt sind vor allem die betroffenen Außenbezirke, die in direkter Konkurrenz zum angrenzenden Brandenburger Umland stehen.

(A) (C)

(B) (D)

Herr von Lüdeke, bitte zum Schluss kommen!

Sie können jedoch nicht die Standortvorteile vorweisen, die der mittlerweile sechsstreifig ausgebaute Berliner Ring bietet. Herr Senator, ich fordere Sie auf, den beschleunigten Ausbau der Stadt-Umland-Straßen zu einem Schwerpunkt Ihrer Stadtentwicklungsplanung Verkehr zu machen und auf eine Rücknahme vorhandener Planung definitiv zu verzichten.

Berlin war in Sachen Verkehrsentwicklung einmal eine aufgeschlossene, ja geradezu modernisierungssüchtige Stadt. Unsere Vorfahren haben vorbildliche Verkehrsnetze angelegt, von denen wir in jeder Hinsicht profitieren. Heute dagegen wird Berlin von verkehrspolitischer Ängstlichkeit und Bedenkenträgerei geradezu heimgesucht, deren Umweltbilanz zudem negativ ist. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke, Herr von Lüdeke! – Für die SPD ergreift das Wort der Kollege Gaebler. – Bitte schön! Sie haben bis zu zehn Minuten. Die Zeit muss aber nicht ausgeschöpft werden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte viel und wenig sagen zu den Beiträgen, die von Herrn von Lüdeke hier gehalten worden sind. Es fällt schwer, dazwischen zu entscheiden.

[Doering (PDS): Am besten, du sagst gar nichts dazu!]

Eins ist aber auf jeden Fall klar: Nachdem Sie uns seit vier Wochen ankündigen, dass hier der verkehrspolitische Durchstart der FDP erfolgen werde, muss ich sagen, dass nicht viel mehr dabei herauskommt als ein jämmerliches Gezeter, bar jeder Sachkenntnis.

[Beifall bei der SPD, der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Wer andere Auffassungen hat, hat keine Sachkenntnis!]

Es wurde bereits aus der Stellungnahme des Senats deutlich, dass die Frage des Mentalitätswechsels offensichtlich missverständlich ist. Der Mentalitätswechsel in der Verkehrspolitik in Berlin ist von der SPD maßgeblich mitgestaltet worden. Wir wollen eine stadtverträgliche Mobilität, die eine lebenswerte Stadt sichert, weniger Lärm und Abgase, mehr Lebensqualität für die Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir wollen Straßen und Plätze, die keine reinen Verkehrsabwicklungsflächen sind, sondern die auch Aufenthaltsqualität haben

[Ritzmann (FDP): Im Stau!]

für die Menschen, die dort wohnen und arbeiten.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Berlin ist eine schnelle, eine lebendige, eine mobile Stadt. Aber es gibt in der Stadt nicht nur 1 Million Kraftfahrzeuge, sondern auch 3,5 Millionen Menschen, von denen der größere Teil nicht über einen Pkw verfügt. Allein in der dicht bebauten Berliner Innenstadt wohnen 1,2 Millionen Menschen, die ebenso wie die Anwohnerinnen und Anwohner von Hauptverkehrsstraßen ein Recht auf Nachtruhe und ein lebenswertes Umfeld haben. Wir machen Verkehrspolitik nicht für einzelne Lobbygruppen, wir machen Verkehrspolitik für die ganze Stadt.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU und der FDP]

Und deshalb ist der Diskussionsprozess zum Stadtentwicklungsplan Verkehr tatsächlich Baustein eines Mentalitätswechsels, der Verkehrspolitik nicht als Selbstzweck und parteipolitisches Profilierungsinstrument sieht. Wir wollen ein optimales Zusammen

spiel aller Teile des Verkehrssystems, optimal für die Stadt, für die Lebensqualität in Berlin. Am runden Tisch sitzen ADAC und BUND, Industrie- und Handelskammer und Elternvertreter zusammen

[Dr. Lindner (FDP): Nach Gutsherrenart!]

und setzen sich mit gemeinsamen Zielsetzungen, Umsetzungsstrategien und deren Auswirkungen auseinander – im Dialog, nicht mit platten Parolen. Das ist für uns der richtige Weg!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wovor haben Sie eigentlich Angst, meine Damen und Herren von der FDP? [Zurufe von der FDP]

Dieser Dialog am runden Tisch kann es doch nicht sein!

[Zurufe von der FDP]