Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter von Lüdeke! In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist seit dem Jahre 1996 ein Mitarbeiter im Leitungsbereich. Nach der Zusammenlegung der beiden Senatsverwaltungen – Sie erinnern sich, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie sowie Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr – im Jahre 1999 übernahm dieser Mitarbeiter in der neu geschaffenen größeren Verwaltung neue und weit reichende Aufgaben. Ihm wurde deshalb eine Bezahlung nach Vergütungsgruppe I BAT im Ergebnis gewährt, eine im Rahmen des Beschlusses des Senats von 1993 zur Ausstattung und Bezahlung im Leitungsbereich tätiger Mitarbeiter liegende Vergütung. Bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach der Neuwahl des Senats, also nach dem 17. Januar, wurde dem Anspruch des Arbeitnehmers entsprochen, diese Vergütung dann auch arbeitsvertraglich festzulegen. Es handelt sich insoweit um einen verwaltungsinternen Vorgang, der zu Gunsten der Rechtssicherheit eines Mitarbeiters vorgenommen worden ist, und nicht etwa um eine rückwirkende Beförderung. Der Mitarbeiter hat nicht mehr Geld bekommen, als er vorher regelmäßig Monat für Monat gekriegt hat. Eine zusätzliche Belastung des Haushalts, zu der eine Zustimmung des Senats erforderlich gewesen wäre, ergibt sich hier nicht. Aus arbeitsrechtlichen Gründen gab es auch keine Möglichkeit, anders zu handeln, weil der Arbeitnehmer ein Recht auf die entsprechende Bezahlung gehabt hat. Insoweit lagen auch die Voraussetzungen nach Artikel 89 der Verfassung von Berlin vor. Auch während der vorläufigen Haushaltswirtschaft werden Ausgaben geleistet, wenn ein Rechtsanspruch besteht. Das betrifft übrigens in erheblichem Umfang Personalangelegenheiten. Die Vorgehensweise entspricht dem Verfahren in Personalangelegenheiten während der vorläufigen Haushaltswirtschaft, auf das sich die Häuser geeinigt haben. Die Befassung des Senats mit dieser Personalangelegenheit wäre allerdings im Hinblick auf die Vergütungsgruppe formal auch nach Entstehung des Rechtsanspruchs geboten gewesen, hätte aber in der Sache nichts geändert.
Wer von Seiten des Senats möchte das beantworten? – Das Wort hat der Senator für Inneres, Herr Dr. Körting!
Herr Kollege von Lüdeke! Wir handhaben es im Senat so, dass wir Mündliche Anfragen durch einen zuständigen Senator beantworten. Sie haben eine
Mündliche Anfrage gestellt, die sich auf mehrere in Frage kommende Personen bezieht. Da Sie insbesondere nach der Meinung des Innensenators gefragt haben, haben wir uns im Senat darauf verständigt, dass ich die Mündliche Anfrage beantworte, und ich beantworte sie nicht für einzelne Senatoren, sondern für den Senat. Was ich Ihnen geantwortet habe, ist ab sofort die Meinung des Senats.
Das Wort hat nun der Abgeordnete Cramer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer Mündlichen Anfrage über
1. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass es bisher keinen Gedenkstein für Chris Gueffroy gibt, der als letztes Maueropfer in der Nacht zum 6. Februar 1989 auf der Flucht erschossen wurde, als er die Sperranlagen am Britzer Verbindungskanal überwinden wollte?
2. Beabsichtigt der Senat, ein solches „Denkzeichen“ zu errichten? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wird er den 50. Jahrestag des 17. Juni 1953 zum Anlass nehmen, um einen Gedenkstein o. Ä. bis spätestens zu diesem Zeitpunkt realisiert zu haben?
Herr Präsident Momper! Sehr verehrter Herr Cramer! Der Senat wird die Anregung aufgreifen, in Erinnerung an Chris Gueffroy eine Gedenktafel zu errichten. Es obliegt mir im Rahmen der Beantwortung dieser Mündlichen Anfrage nicht, das bisherige Wirken vorhergehender Senate in diesem Zusammenhang zu kritisieren.
Die Arbeitseinheit „Kunst im Stadtraum“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die künftig bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur angesiedelt wird, realisiert seit einigen Jahren das Projekt „Geschichtsmeile Berliner Mauer“. Es ist konzeptionell-gestalterisch an der „Geschichtsmeile Wilhelmstraße“ orientiert. Sie werden sich im Umfeld dieses Hauses darüber informiert haben. Technisch-organisatorisch umgesetzt wird das Projekt durch das Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart, das auch das Denkmal zum 17. Juni 1953, die Markierung des Mauerverlaufs und das Projekt der Mauerübergänge betreut hat. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur war bislang in der Arbeitsgruppe durch das Fachreferat vertreten. Da der Großteil der vorgesehenen Tafeln bereits realisiert worden ist, tagt sie derzeit nur noch jährlich oder bei Bedarf.
Für namentlich benannte Maueropfer sind im Rahmen der Geschichtsmeile bisher an folgenden Orten Tafeln aufgestellt worden: an der Zimmer- Ecke Charlottenstraße für Peter Fechter, darüber hinaus die Gedenksäule von Biedermann, in der Zimmer- Ecke Jerusalemer Straße für Reinhold Huhn, in der Bernauer Ecke Ruppiner Straße für Konrad Schumann und an der Bernauer Straße 48 für Ida Siegmann. Angeregt hat meine Verwaltung eine Gedenktafel am Humboldthafen für Günter Litfin, den ersten Toten an der innerstädtischen Grenze. Es bietet sich
daher an – und ich bin dankbar für diesen Vorschlag –, auch für das letzte Maueropfer, Chris Gueffroy, eine Tafel zu setzen. Ich werde mich dafür einsetzen und den Vorschlag an die Arbeitsgruppe weiterreichen.
Ich freue mich, dass Sie diese Anregung aufnehmen. Dennoch frage ich Sie, wie Sie, Herr Flierl, und wie der Senat es bewerten, dass das Grab von Chris Gueffroy n a c h dem Fall der Mauer bis 1996 immer wieder geschändet und der Grabstein beschmiert wurde, insbesondere vor dem Hintergrund, dass v o r dem Fall der Mauer die zuständigen DDR-Organe die auf dem Grab niedergelegten Blumen und Briefe immer sofort beseitigt hatten, allerdings ohne das Grab zu schänden oder den Grabstein zu beschmieren.
Herr Abgeordneter Cramer! Der Senat verurteilt jede Art von Grabschändung und die Herabwürdigung der Erinnerung an Tote. In besonderer Weise fühlt sich der Senat – das können Sie in der Koalitionsvereinbarung nachlesen – der Entwicklung einer differenzierten und breiten Geschichtskultur verpflichtet. Diese soll auch ausdrücklich die Toten an der innerstädtischen Grenze beinhalten.
Vor dem Hintergrund, dass die Mutter, Karin Gueffroy, wegen der permanenten Grabschändung Anzeige erstattet hat, ohne bisher eine Antwort zu bekommen, frage ich, wie der Senat diesen Sachverhalt bewertet, wann die Ermittlungen aufgenommen wurden und zu welchem Ergebnis sie geführt haben.
Entsprechend dem von Herrn Körting vorhin dargestellten Prinzip, dass ich diese Frage in meiner Fachzuständigkeit für Gedenktafeln jetzt hier beantworte, will ich nur meine tiefe Betroffenheit über die von Ihnen geschilderten Zustände und Umstände ausdrücken. Ich kann nicht für die Staatsanwaltschaft von Berlin antworten. Grabschändungen müssen verfolgt werden. Der Senat – und ich denke das ganze Abgeordnetenhaus – verurteilen sie.
Herr Senator! Bei dem von Ihnen genannten Denkzeichen haben Sie das sehr eindrucksvolle Denkzeichen in der Treptower Kiefholzstraße nicht erwähnt, das an die an der Grenze zwischen Treptow und Neukölln ums Leben Gekommenen erinnert, unter anderem auch an zwei Kinder, die unter tragischen Umständen ums Leben gekommen sind. Halten Sie dieses Denkzeichen auch für erwähnenswert? – Wenn ja, warum haben Sie es in Ihrer Beantwortung nicht genannt?
Ich halte dieses von Ihnen eben genannte Denkmal für außerordentlich wichtig und bemerkenswert. Ich habe es deswegen nicht erwähnt, weil ich den Zusammenhang zum Projekt „Geschichtsmeile Mauerverlauf“ herstellen wollte, auf bereits gesetzte Gedenkzeichen hinweisen wollte und eine Handlungsmöglichkeit sehe, im Rahmen dieses Programms auch an Chris Gueffroy zu erinnern. Dabei müssen natürlich die konkreten topographischen Gegebenheiten am Britzer Zweigkanal gesondert untersucht werden. Das von Ihnen genannte Denkmal in der Kiefholzstraße wirkt natürlich sehr viel mehr in den Stadtraum und markiert einen wichtigen Punkt des Mauerverlaufs zwischen Neukölln und Treptow.
Herr Senator! Sie erwähnten eben in der Aufzählung der Gedenksteine den Gedenkstein für Reinhold Huhn, einen getöteten Grenzsoldaten der DDR. Sind Sie der Ansicht, dass man beim Gedenken differenzieren sollte zwischen denen, die als Flüchtlinge gestorben sind, und denen, die dort stationiert waren, um Flüchtlinge zu erschießen? – Wenn ja, wie sollte das geschehen? Oder sind für Sie dafür, beide umstandslos gleichzusetzen als Opfer der Innerberliner Grenze?
Der Abgeordnetenhausbeschluss zur Realisierung des Projekts Markierung des Mauerverlaufs sah über die topographische Markierung des Mauerverlaufs auch die historische Information und Aufarbeitung, ja sogar Einbeziehung von Zeitzeugen vor. Die gefundene Form, diese Gedenktafeln zu etablieren, die im Stadtraum an den entsprechenden Stellen stehen, geben hinreichend Möglichkeit, differenziert auf die unterschiedlichen Schicksale hinzuweisen und an die Toten zu erinnern.